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Heinrich Müller ersteigert ein Reisetagebuch aus der Renaissance. Daraus erfährt er die Geschichte von Paul Löwensprung, der für Sandro Botticelli gearbeitet hat und einer der »Nelkenmeister« war. Währenddessen stirbt in Florenz ein Kunsthändler auf brutale Weise. Die Ermittler Heinrich Müller und Nicole Himmel unterstützen die Florentiner Polizei und stoßen bald auf einen Zusammenhang zwischen dem Tagebuch und dem Toten. Auf den Spuren des Tagebuchs geraten die beiden immer tiefer in den Dunstkreis von Raubkunst, Kunstfälschern und Geldwäscherei.
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Seitenzahl: 190
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Paul Lascaux
Nelkenmörder
Ein Fall für Müller & Himmel
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
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Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2015
Lektorat: Sven Lang
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: Sandro Botticelli – La nascita di Venere – Wikimedia Commons
ISBN 978-3-8392-4802-7
Heinrich Müller: Privatdetektiv Detektei Müller & Himmel, Ex-Polizist, wohnt in Bern, leicht über 50 Jahre alt
Nicole Himmel: Anthropologin, arbeitet im Alpinen Museum Bern und in der Detektei Müller & Himmel
Baron Biber: der Kater von Heinrich Müller, heißt mit vollem Namen Baron Tartine Biber der Erste
Mathilda: eine lebhafte Katzendame
Michelle Broccard: Informatikerin
Claudio Moser: Kunsthistoriker
Markus Forrer: Kontaktmann bei der Polizei
Christian Blöchlinger: Kunsthändler
Annette Gubler: Kunstkritikerin
Danilo Monti: Kontaktmann in Florenz
Pascal Ramseyer: ein Restaurator
Die historischen Personen:
Paul Löwensprung (1460 – 1499)
Sandro Botticelli (1445 – 1510)
Simonetta Vespucci (1453? – 1476)
Giuliano de’ Medici (1453 – 1478)
Lorenzo de’ Medici (1449 – 1492)
»Wenn der Schweizer wie sein klares Alpenwasser in andre Länder heruntergeronnen ist – wenn er zu den Bergen, aus deren Hügeln sein Auge zu ihnen auflief, von entfernten Bergen herübersieht und sie wie eine Vergangenheit am Himmel, nicht auf der Erde, als Wolkengebürge ruhen – wenn dan an die Seele, nachtönend die Jugend, die Töne des Schweizer Horns anschlagen und sie mit der Luft zittern: dan schlägst du, Sehnsucht, deinen duftenden und nebelnden Himmel vor ihm auf und du fälst in seine Arme.«
Jean Paul: »An die Sehnsucht« (1790)
Er öffnete die Augen. Durch einen schmalen Spalt zwischen den Lidern drang grelles Licht, das in seinem Gehirn ein Blitzgewitter auslöste. Als er sich an seinen Namen erinnern wollte, übermannte ihn stechender Schmerz. Er fiel in seine Bewusstlosigkeit zurück.
Er konnte nicht sagen, wie lange seine Ohnmacht gedauert hatte. Er konnte nicht einmal sprechen. Seine Lippen waren spröde, die Augen verklebt, der Mund war von dem heißen Wind ganz trocken.
Leise erst, dann deutlicher vernahm er das Geräusch eines tropfenden Hahns. Er wollte um ein Glas Wasser bitten. Er wusste nicht, warum er darum bitten sollte. Eigentlich hätte er aus dem Bett aufstehen und sich eines holen können. Aber irgendetwas hinderte ihn daran.
Schon lange war er nicht mehr nach einem derartigen Albtraum erwacht. Er lachte, er schüttelte die wirren Vorstellungen aus seinem Kopf. Aber man hörte nur ein Krächzen, sah eine zuckende Bewegung der Schultern, eine Grimasse im ansonsten ausdruckslosen Gesicht.
Es war eine lange Nacht gewesen, er hatte viel getrunken, offensichtlich zu viel. Sein Gehirn gab Erinnerungsfetzen frei: eine lärmige Bar in schmutzig-klebrigem Braun, stets neu gefüllte Gläser auf nüchternen Magen, hässliche Fratzen, die er niemandem zuordnen konnte, die Stimme einer Frau, die sagte: »Trink!«
Dann wurde ihm klar, dass das Wort aus der Gegenwart stammte, die sich in die Erinnerung einmischte. Die Stimme jedoch gehörte zu beidem, zum Gestern wie zum Heute. Jemand schob ein Glas zwischen seine Lippen und flößte ihm lauwarmes Wasser ein. Eklig und erfrischend zugleich.
»Du könntest endlich erwachen. Ich habe nicht ewig Zeit«, sagte die Stimme.
Der innere Widerstand war größer. Er sank zurück ins Erinnern. Wo befand er sich? Bilder aus einem Flugzeug stoben vor ihm weg, sie wurden ersetzt durch andere, den Blick auf einen Fluss, Ansichten einer südlichen Stadt, die er kannte, aber nicht zu benennen wusste, die schweißtreibende Hitze des späten Nachmittags. Dann tauchte er wieder aus seiner Besinnungslosigkeit auf.
»Das GHB hat dich ganz schön mitgenommen«, sagte die Stimme, die einer Frau gehören musste und die er schon oft gehört hatte.
Kaum war er in die Gegenwart zurückgekehrt, blendete erneut das Licht, und der Schmerz meldete sich ein weiteres Mal.
Er nahm all seine Kraft zusammen und wollte aufstehen. Doch er lag nicht wie vermutet in seinem Bett, er saß aufrecht auf einem Stuhl. Anscheinend hatte er so die Nacht verbracht. Kein Wunder, plagten ihn all seine Glieder.
Ein Lächeln, das draußen nicht sichtbar wurde, breitete sich in ihm aus. Es sollte das letzte sein.
Dann gab er sich einen Ruck. Er musste sich aus dieser misslichen Lage befreien. Doch er blieb erfolglos.
K.-o.-Tropfen! Das musste es gewesen sein. Deswegen konnte er nicht klar denken. Es war dieses verdammte Glas zu viel.
Jemand drehte die Lichtquelle von ihm weg. Da gelang es ihm, die Augen etwas weiter zu öffnen. Er blickte an sich hinunter. Was er sah, konnte er nicht erklären. Seine Ober- und Unterarme waren mit Kabelbindern an einem Rohrstuhl befestigt, über seine Oberschenkel spannte ein Ledergurt, und auch die Füße konnte er nicht bewegen.
»Gut verschnürt«, sagte die Stimme, jetzt schon etwas klarer, »gib dir keine Mühe.«
Sie duzte ihn. Kannten sie einander? Er wusste es nicht.
Sie flößte ihm noch ein Glas Wasser ein, er räusperte sich und brachte ein beinahe unverständliches »Warum?« hervor.
»Du weißt es nicht?« Sie lachte.
Er bemerkte nun, dass auch seine Hände fixiert waren, und zwar mit der Handfläche nach oben. Die Kabel schnitten entlang der Lebenslinien ins Fleisch. Seine Handgelenke schimmerten schwarz. Als ihm dämmerte, dass das Schwarze eingetrocknetes Blut sein musste, sein Blut, sackte er noch einmal weg.
Erneut kam er zu sich. Sein ganzer Kopf war nass. Sie hatte Wasser über seinen Körper geschüttet, um ihn wachzurütteln.
»Schlafen kannst du, wenn du tot bist«, sagte sie mitleidlos.
»Was wollen Sie von mir?«, stammelte er beinahe unhörbar.
»Du weißt es wirklich nicht?«
Es war eher eine erstaunte Feststellung als eine Frage. »Ich muss dir wohl etwas auf die Sprünge helfen. Florenz!«
Es klang wie ein Befehl, sofort dorthin aufzubrechen. Aber nun wurde ihm klar, dass er sich bereits in der Toskana befand. Es war seine Lieblingsdestination und deshalb völlig unerklärlich, warum er nicht augenblicklich daran gedacht hatte. Die Dosis des Betäubungsmittels musste absurd hoch gewesen sein. Der Dom, der Palazzo Vecchio, die Galerien der Uffizien, ein Sommerregen, seine Brille, die nicht mehr richtig fokussierte, eine schal schmeckende Eiscreme.
»Botticelli!«, bellte die unangenehme Stimme, und das Licht wurde wieder greller.
Wie eine nervöse Diashow rasten die Bilder an ihm vorbei. Einer seiner Lieblingsmaler. Noch einmal war es ein Traum, ein schöner und beruhigender Traum diesmal. Aber er lächelte nicht mehr, denn er erinnerte sich an das, was auf dem Spiel stand. Dabei hatte alles so gut begonnen, es konnte kaum schief gehen, vielleicht dass die Suche nicht erfolgreich wäre, aber das war bereits die schlimmstmögliche Vorstellung. Jedenfalls bis gestern.
»Du hast noch eine Minute, um mir zu verraten, wo sich die Bilder befinden«, erklärte die Frau.
»Keine Ahnung«, sagte er und zuckte mit den Schultern, was erneut einen unerträglichen Krampf in seinen Muskeln auslöste. Aber auch dieses ›unerträglich‹ war nur ein Vorgeschmack.
Er zählte die Sekunden. Sie hatte ihn angelogen. Sie begann bereits bei 48. Seine Augen blieben geschlossen.
Grausamer Schmerz durchzuckte ihn.
Als er noch einmal an sich herunterblickte, sah er, wie eine knochendürre Hand mit einem Teppichmesser in seine Pulsadern schnitt, links zuerst, dann rechts. Wieder floss Blut.
»30 Sekunden«, sagte sie kalt.
Auch wenn er gewusst hätte, was sie von ihm wollte, er hätte es ihr nicht gesagt. Er machte sich ohnehin keine Hoffnungen, von diesem Stuhl wieder aufzustehen. Er vergaß Sandro Botticelli und mit ihm die ganze Geschichte der Kunst. Er vergaß Simonetta Vespucci und mit ihr die schönen Frauen dieser Welt. Schließlich vergaß er seinen eigenen Namen.
»Zehn … acht … vier, drei, zwei, eins …«
Ein letztes Mal öffnete er die Augen.
Er wollte es wissen.
Sie schnitt die Adern weiter großzügig der Länge nach auf. Er sah sein Blut, wie es in die Leere floss, und ihm folgte sein Bewusstsein. Und sein Geheimnis.
Heinrich Müller döste in den Morgen hinein, lauschte auf die Geräusche des beginnenden Tages, sank in einen unruhigen Traum zurück. Der erste August war wie immer anstrengend gewesen. Man feierte die Geburt der Eidgenossenschaft mit einem Feuerwerk, aber auch mit Knallkörpern und Lärmraketen, vor denen sich die Katzen, einem Herzinfarkt nah, unter den Möbeln verkrochen.
Die Katzen? Eine Ausnahme war Baron Biber, früher einer der Furchtsamsten. Inzwischen 17 Jahre alt, genoss er das Leben im Garten, auf dem Balkon und mit gelegentlichen Rundgängen ums Haus, die er mit kläglichem lautem Miauen krönte, als ob er der Welt mitteilen wollte: »Seht her, ich bin ein armes Tier, keiner lässt mich rein, niemand füttert mich.«
Dabei war er nur zu faul, ums Haus zurückzuschleichen. Außerdem hatte ihn Taubheit befallen; er hörte nicht mehr auf seinen Namen, lediglich auf ein hohes Pfeifen. Allerdings brauchte er lange, um es zu orten. Bereits zwei Mal hatte er an der Pforte zum Katzenhimmel geschnuppert, nachdem er tagelang nichts gefressen hatte und nur noch aus Haut und Knochen bestand. Zwei Mal hatte er sich erholt.
Nun lag er am Fußende des Betts auf dem Duvet und schnurrte leise vor Vergnügen, dass er seinen Dosenöffner durch Kratzen an einer Papiertüte dazu gebracht hatte, vor der Zeit aufzustehen und seinen Futternapf zu füllen. Mathilda ratzte derweil auf einem Stuhl im Wohnzimmer vor sich hin.
Müller tat einen Blick aus dem Fenster, sah den grau verhangenen Himmel und zog sich wieder unter die Decke zurück. Es war der nasseste Sommer, den er je erlebt hatte. Nur selten gab es einen trockenen Tag, meist drohten Gewitter und die Luft stockte schwülwarm. Es kam zu Erdrutschen, Überschwemmungen und Murgängen, die Aare führte so viel kaltes Wasser und Geschiebe, dass an Schwimmen nicht zu denken war. Die Wege durch Wald und Feld glichen Sumpfpfaden, in den Bergen musste man aufpassen, nicht auf glitschigen Steinen auszurutschen. Kurz, der bevorzugte Aufenthaltsort von Heinrich Müller war in diesem Sommer das Bett.
Eine hartnäckige Erkältung hatte den Detektiv zudem von anstrengenden Aktivitäten zurückgehalten. Und die aktuelle Weltlage begünstigte keine weiten Reisen. In der Ostukraine war im Bürgerkrieg ein malaysisches Passagierflugzeug mit fast 300 Passagieren abgeschossen worden, und man schob sich mit teilweise absurden Begründungen gegenseitig die Schuld zu. Viele Menschen hatten als Folge Angst vor einem neuen Krieg zwischen europäischen Staaten.
In Syrien ging die endgültige Zerstörung des Landes ungebremst weiter. Scheinbar religiös motivierte Terrorregimes begründeten eine Schreckensherrschaft im Irak und den angrenzenden Staaten. Der Konflikt zwischen Israel und der palästinensischen Hamas bewegte sich auf eine weitgehende Zerstörung des Gazastreifens hin.
Aber vor der Bedrohung durch den kaum zu kontrollierenden Ausbruch einer Ebola-Epidemie in Westafrika erschien ein Bürgerkrieg beinahe das kleinere Übel zu sein, konnte man doch die Akteure benennen, vielleicht sogar bekämpfen, während man bei der Seuche einem unsichtbaren, unheimlichen Gegner gegenüberstand, der nichts anderes als das eigene Überleben im Schilde führte. Pech für die Menschheit.
Einen schönen kleinen Mord empfände man demgegenüber als willkommene Abwechslung.
Heinrich Müller lauschte in den Garten hinein, ob er bereits wieder das Geräusch schwerer Regentropfen auf den Haselnussblättern hörte, einen beruhigenden, ja berauschenden Rhythmus, den er herbeisehnte, wenn er sich orientierungslos in seinen Gedanken verlor. Heute wollte ihn nichts und niemand erlösen.
Heinrich Müller hätte wahrlich keine neuen Sachen mehr gebraucht. Die Wohnung war voll, ja übervoll. Dennoch kramte er in jeder Flohmarktkiste, durchwühlte jedes Brockenhaus, beteiligte sich an Auktionen im Internet. Denn er liebte schöne Dinge, möglichst alte, einzigartige schöne Dinge.
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