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Eine Reise in die Bretagne und die Normandie ermöglicht, das wichtigste französische Gut zu spüren: die lokalen Unterschiede - Menschen, Vegetationstypen, traditionelle Architektur. Gerade eben war da noch die Normandie mit ihrem flachen, offenen Raum und ihren riesigen Stränden - und 100 Kilometer weiter ist schon die Bretagne mit ganz anderen Farben, ihrem Licht und endlosen Kaps und Felsen.
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Seitenzahl: 192
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Anna Konyev, Kristina Balakina
Normandie und Bretagne – Die Heimat von Austern und Camembert
Eine Sammlung regionaler Rezepte.
© 2022 Anna Konyev, Kristina Balakina
Coverdesign von: Ekaterina Sharova
Druck und Distribution im Auftrag der Autorinnen:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN Softcover:
978-3-347-51534-5
ISBN Hardcover:
978-3-347-51535-2
ISBN E-Book:
978-3-347-51536-9
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Alle Rechte an allen außer den gekennzeichneten Bildern obliegen dem Autor dieses Werkes.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Rezepte
Kapitel 1. „Man kann nicht in die Zukunft schauen, aber man kann den Grund für etwas Zukünftiges legen – denn Zukunft kann man bauen.“ Antoine de Saint-Exupéry (1900-1944). [1]
Kapitel 2. Die Geheimnisse Saint-Michels: Die Magie von Ebbe und Flut. „[Sei] bemüht […], lieber [Dich] als das Schicksal zu besiegen, [und] lieber [Deine] Wünsche als die Weltordnung zu verändern.“ René Descartes (1596-1650). [8]
Kapitel 3. Dinan & Dinard: zwei Hälften desselben Herzens.
Kapitel 4. „Wer seine Freunde zu Gast hat und sich in keiner Weise persönlich um das Mahl kümmert, das für sie bereitet wird, ist unwürdig, Freunde zu haben.“ Jean Anthelme Brillat-Savarin (1755-1826). [22]
Kapitel 5. Étretat. „Die Natur […] hat immer Recht, und die Fehler und Irrtümer sind immer des Menschen.“ Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832). [36]
Kapitel 6. „Schicksal bedeutet nicht Zufall, sondern Entscheidung: Du sollst nicht drauf warten, du sollst es gestalten.“ William Jennings Bryan (1860-1925). [43]
Nachwort
Autorenvita
Literaturhinweise
Vorwort
Wir glauben an Träume, hoffen auf ein Wunder und wollen Türen in die Welt des Lichts, der Liebe und der spirituellen Harmonie öffnen. Bereits in den ersten Tagen nach der Geburt nimmt der Mensch sein Schicksal an die Hand, formt seinen Charakter, trifft täglich Entscheidungen – oft völlig intuitiv und unbewusst – und nähert sich so seinem Traum – oder er entfernt sich davon. Wir werden erwachsen und glauben immer weniger an Wunder, verstecken uns hinter einer Reihe von Misserfolgen, ignorieren den „glücklichen Zufall“ und verlieren den Glauben an die Liebe. Doch manchmal genügt es, an einem der besonderen Orte dieser Welt zu sein, um die unberührte Magie zu spüren. Solche Orte sind auf unserer Karte rot markiert und wenn man diese verbindet, erkennt man zarte Linien: Meridiane schicksalhafter Pole, die sich von Zeit zu Zeit kreuzen und die Richtung unserer Gedanken, Wünsche und inneren Bedürfnisse vorgeben.
In letzter Zeit hat sich der Fokus auf „Ergebnisse“ und „Erfolg“ deutlich verschoben und liegt nun auf „innerer Ausgeglichenheit" und „Glück“. Dahinter steht wohl das Prinzip der Wechselwirkung zwischen Schicksal und dem freien Willen. Jede Person hat die Aufgabe, den – für sich – „richtigen“ Weg zwischen ihrer wahren Bestimmung, äußeren Umständen, Modetrends, Erfolgsattributen und innerem Komfort zu finden. Der Mensch lernt, glücklich zu sein, ohne sich selbst aus den Augen zu verlieren.
Tatsächlich gleicht die menschliche Bestimmung wohl einer Liste von Ereignissen, die von jedem Punkt des Lebens ausgehen. Jeden Tag, gar jede Sekunde, treffen wir eine Wahl, in die eine oder die andere Richtung zu gehen, und bewegen so die Fäden unseres Schicksals in diese oder jene Richtung. Gewiss gibt es Elemente des Fatalismus‘ in unserem Leben: Eine höhere Macht bestimmt das Land und den Ort, an dem wir geboren wurden, unsere Familie und das anfängliche Wohlstandsniveau. So hat sich eine gewisse Zusammengehörigkeit mit der Realität herauskristallisiert, die unsere Grenzen zwischen der materiellen Welt und dem Fatum verschwimmen lässt.
Im Verlauf eines menschlichen Lebens kann man, wie in einem Drehbuch oder in dessen Inszenierung, eine Reihe von Ereignissen hervorheben, die zufällig oder determiniert, äußerlich oder innerlich, oder relevant oder unbedeutend sein können. Die meisten Menschen schwimmen mit dem Fluss der Existenz, ohne ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen, um das eigene Los neu zu legen. Auf diesem Weg verläuft die Lebenszeit ohne Hemmnisse oder große Veränderungen. Es sei denn, einige externe Faktoren und Umstände greifen ein, reißen einen buchstäblich aus dem Kontext der Realität heraus und erzwingen Veränderungen. In solchen Situationen gibt es zwei Auswege: Entweder man wird von dem Neuen erdrückt oder es wird das persönliche „Auferstehen aus der Asche“, dass die eigene Denk- und Lebensweise dramatisch verändert. Es gibt Millionen janusköpfiger Geschichten, deren Umstände gemeinhin als „Hand Gottes“, „böses Schicksal“, „fataler Vorfall“ und Ähnliches bezeichnet werden. Tatsächlich geschehen solche Ereignisse jedoch aus einem bestimmten Grund und werden uns als „Weckruf“ geschickt, obwohl viele diese Appelle als Strafe empfinden.
Dabei gibt es Menschen, die nicht mitziehen wollen. Sie warten nicht auf „scharfe Wendungen“ des Schicksals, sondern handeln und erreichen unglaubliche Höhen, indem sie beschließen, ihr Leben in die Hände zu nehmen. Es ist nicht surreal, die Herrschaft über das Leben zu übernehmen, denn das Schicksal hat die Eigenschaft, sich verändern zu können. Die Fähigkeiten eine bewusste – vielleicht vernünftige – Entscheidung zu treffen und auf die „innere Stimme“ zu hören, sind der Schlüssel, dem Determinismus entgegenzuwirken. Es ist wichtig zu verstehen, was jeder von uns als eigenständiges Individuum braucht und nicht bloß von der Gesellschaft als „Konzept des glücklichen Lebens“ auferlegt bekommt. Solche Komponenten bilden die eigentliche Brücke zwischen den Aussagen „Man kann seinem Schicksal nicht entkommen“ und „Das Schicksal liegt in den eigenen Händen“. Und entweder ist ein Mensch bereit, Verantwortung zu übernehmen, sich zu verändern und zu handeln und dabei subtil den ihn umgebenden Raum und sich selbst zu spüren, nicht um mit den Umständen zu kämpfen, sondern seinen eigenen Weg zu gehen. Oder er ist einfach einem bestimmten Szenario unterworfen und spielt darin eine bestimmte, mechanische Rolle. Jeder Mensch hat das Recht, selbst zu entscheiden, was für ein Leben er verdient und ob er damit glücklich wird.
Jeder von uns hat bestimmte Vorstellungen von „Glück“: Liebe, Wohlstand, eine erfolgreiche Karriere, Kinder und Familie, oder die Möglichkeit, zu reisen und unsere schöne Welt kennenzulernen. Die Kunst in Harmonie mit uns selbst und der Natur zu leben, zu verstehen, was Glück ist und wie es schmeckt, bestimmt unsere Einstellung zum Leben, zur Welt und zu anderen Menschen.
Unser Leben ist vergleichbar mit dem Meer: tief und weit, still und ruhig, unerforscht und geheimnisvoll. Es ist voller Überraschungen und oftmals hell und bunt, und manchmal auch nur grau und langweilig. Im Leben gibt es, wie am Meer, eine gewisse Zeit für Ruhe oder Sturm, Ebbe oder Flut und Sonnentage oder Regenwetter.
Nach dem Besuch der sonnigen Provence, verbunden mit Gefühlen grenzenloser Freiheit, Wärme und dem kraftvollen Höhepunkt innerer Energie, schien es mir, als könne man nur an der Côte d’Azur ein Gefühl des Glücks und der inneren Harmonie empfinden. Eine große Entdeckung brachte für mich jedoch die Reise in die Normandie: das absolute Gegenteil der sonnigen Provence. Es ist ein Ort, an dem Träume wahr werden und sich die Einstellung zum Leben ändert, Stereotypen ausradiert werden und die Zeit stehen bleibt.
Im Leben eines jeden von uns kommt eine Zeit, in der wir uns sehr verändern oder uns von außen betrachten wollen. Wir wollen dem einstigen kindlichen Traum nachjagen, ihn verwirklichen und unseren Lieben etwas innere Harmonie schenken. Jeder von uns nimmt das Leben als Teil seiner eigenen Erfahrung wahr. Einige blicken mit Zuversicht und Hoffnung auf das Beste nach vorn, während andere nach Enttäuschungen und grauen Tagen versuchen, auf die innere Stimme zu hören und ihre Einstellung zu den vertrauten Dingen zu ändern. Manchmal ist es sehr schwierig, die Art und Weise, wie man das Leben betrachtet, zu ändern, sich selbst buchstäblich neu zu rekonstruieren oder jemanden glücklich zu machen, ohne dass dieser danach verlangt.
Um Vertrautes anders wahrzunehmen, um sich selbst und sein Schicksal zu verändern, ist es in der Regel notwendig, mit Kleinigkeiten anzufangen: Man muss lernen, dem eigenen Herzen zu vertrauen und keine Angst vor Veränderungen zu haben. Manchmal verstecken wir uns hinter eingefahrenen Stereotypen, haben Angst, Risiken einzugehen, etwas Neues zu lernen – vielleicht sind wir mit unserer Weltsicht auch überhaupt nicht vertraut.
Wir wollen unsere Lebenseinstellung nicht ändern, weil sich eine bestimmte Sicht der Dinge in uns etabliert hat. Wir werden zu „Schnecken“, die sich in ihren Häusern verstecken und Angst haben, die Welt kennenzulernen. Wir brauchen einen Anstoß, eine Art Impuls, nach dem wir bereit sind, unsere alltäglichen Phrasen zu ändern, mit ganzer Seele das zu lieben, was wir einst für das Gegenteil der üblichen Ansichten hielten, und uns für künftige Veränderungen zu öffnen.
Wo ist der Ort, an dem die liebsten Träume wahr werden? Und was sind wir bereit zu tun, um unsere Träume wahr werden zu lassen und unser Schicksal radikal zu verändern?
Rezepte
Thunfischtatar
Jakobsmuscheln, Cognac & Estragon
Lachs-Zweierlei, Zucchini & grüner Spargel
Lachs & Artischocken, Physalis, Mandeln
Schwertmuscheln
Lammfilet & Apfel, Orange, Pfirsich
Tagliatelle, Muscheln & Kapern
Ratatouille
Karamellisierte Birne & Eis, Nuss & Vanille
Galettes, Roquefort & süße Birne
Crêpes & Apfel
Crêpes, Schafskäse & Räucherlachs
Seebarsch, Artischocken & Zitrone
Rinderfilet & Spargel
Rindertatar
Apfel & Nuss
Crumble façon Normand
Ente, Apfel, Honig & Cidre
Kaninchen, Apfel & Aprikose
Hahn, Apfel & Cidre
Lachs, Knoblauch & Zitronensauce
Rind nach Art der Bretagne
Gâteau au chocolat & Vanille
Kapitel 1. „Man kann nicht in die Zukunft schauen, aber man kann den Grund für etwas Zukünftiges legen – denn Zukunft kann man bauen.“ Antoine de Saint-Exupéry (1900-1944). [1]
Irgendwo tief im Inneren waren wir neugierig darauf, mehr über die Bretagne zu erfahren, das historische Erbe der Region zu erleben und zu versuchen, das bretonische Leben zu leben, und sei es nur für ein paar Tage. Denn was gibt es Schöneres als Frankreich? – Nur die geheimnisvolle Bretagne.
Die Bretagne ist eine Halbinsel im Nordwesten Frankreichs. Sie ist ein fabelhafter Ort, dominiert von Legenden über König Artus und Mythen über Druiden, ideal für Liebhaber der Natur, Küstenlandschaften und Traditionen. Die Bretagne zeichnet sich durch fantastische rosafarbene Granitklippen vor einer türkisfarbenen Meereskulisse, malerische Städte mit Fachwerkhäusern, alte Fischerdörfer, Sandstrände und, natürlich, frische Austern aus.
Die Bretagne, die einst zwischen Frankreich und England „eingeklemmt“ war, wurde von beiden Ländern beeinflusst, entwickelte aber ihre eigene Kultur und eigene Traditionen; einschließlich einer eigenen, bretonischen Sprache. Die Hauptstadt der Bretagne ist die Stadt Rennes im östlichen Teil der Region, relativ nah an der berühmten Abtei Mont-Saint-Michel. 30 Kilometer von Rennes entfernt kann man durch den legendären Wald Brocéliande wandern, der alle Geschichten über König Artus vereint; heute heißt der Walt Paimpont. Im Wald kann man das Grab Merlins besuchen, um welches sich Fans von Legenden über die Ritter der Tafelrunde versammeln, sowie viele andere fabelhafte Orte, deren Wurzeln bis in die keltische Zeit zurückreichen. Dieser Wald wird auch der „Wald der Druidenmacht“ genannt. Die Bretagne ist ein besonderer Ort, den man unbedingt besuchen sollte, um in Kindheitserinnerungen an Märchen und Legenden einzutauchen, an die man gerne geglaubt und von denen man geträumt hat, und ein Teil davon zu sein.
Die Stadt Saint-Malo hat eine abwechslungsreiche Geschichte. Im sechsten Jahrhundert war sie die Heimat von Mönchen. Nach einem von ihnen, Saint Malo, erhielt die Stadt ihren Namen. Die Stadt selbst entstand erst Mitte des zwölften Jahrhunderts und wurde im Mittelalter zu einer Festung umfunktioniert. In den Jahren 1590 bis 1594 war Saint-Malo sogar eine unabhängige Republik. Später wurde die Stadt zu einem Zufluchtsort für Piraten. Die Stadt wurde während des Zweiten Weltkriegs bei der Landung der Alliierten 1944 großflächig zerstört und daraufhin hingebungsvoll restauriert. [2]
Als Hauptattraktion von Saint-Malo gilt „Les remparts de Saint-Malo“. Das befestigte Zentrum der Stadt, das von Festungsmauern begrenzt wird, wurde nach dem Wiederaufbau ein beliebter Ort bei Einheimischen. Die Festung erinnert die Einwohner bis heute an die schwierige Zeit in der Geschichte der Bretagne.
Es lohnt sich, die Gedanken schweifen zu lassen und die Reise entlang des Strandes von Saint-Malo fortzusetzen – fest verbunden mit der Wärme der sanften Sonnenstrahlen – und in die Geschichten des berühmten Barbaresken-Korsaren und des Dichters François-René, Vicomte de Chateaubriand, die die Geschichte dieser Stadt prägen, einzutauchen.
Mitte des vierten Jahrhunderts begannen die germanischen Stämme der Sachsen mit der Eroberung Großbritanniens – des englischen Teils. Die Menschen begannen, vor der Grausamkeit zu fliehen und erschlossen neues Land, nachdem sie den Ärmelkanal durchquert hatten. In Erinnerung an ihre Heimat nannten die Geflüchteten das Land „Bretagne“; und sich selbst: Bretonen. Die Kelten, die das Gebiet zuvor bewohnt hatten, verfügten über ein ganzes Pantheon von Göttern; noch größeren Einfluss hatten Druidenpriester. Die Flüchtlinge aus Großbritannien brachten so das Christentum an diesen Ort.
Das Christentum wurde von Mönchen getragen. Ein Mönch aus Wales kam in den frühen 500er Jahren in die Bretagne. Wegen wohl lückenhafter Überlieferung ist er in die Geschichte als Saint Malo eingegangen. Er bekehrte die Bevölkerung einer gallo-römischen Siedlung zum Christentum. Die Ortschaft wurde nach dem Mönch benannt: Saint-Malo; Saint Malo selbst wurde ein Bischof.
Im Mittelalter hatte die Stadt ein Treueverhältnis mit dem Papst. Sie unterlag daher dem sogenannten Flüchtlingsrecht. Das bedeutete, dass jeder Mensch, selbst wenn er ein Krimineller war und vom Gesetz verfolgt wurde, an das Tor klopfen konnte, um Asyl bitten und sich sicher sein konnte, dass niemand ihn ausliefern würde – jedoch nur für begrenzte Zeit. Dank dieser Regelung strömten viele Menschen abenteuerlichen Charakters in die Stadt, in der sich ein Geist der Freiheit und Unabhängigkeit herauskristallisierte.
Einige Jahrhunderte später beschlossen die Bretonen, sich zu vereinigen und gründeten das Königreich Bretagne, das später ein Herzogtum wurde. Die Einwohner Saint-Malos hatten jedoch immer einen freiheitsliebenden Geist. Sie behaupteten, weder Franzosen noch Briten zu sein: Sie stammten aus Saint-Malo und weigerten sich, sich anzuschließen. Vier Jahre lang, von 1590 bis 1594, war die Stadt eine Kommune. Bis heute ist diese Einstellung wie das Motto der Stadt.
Von Saint-Malo aus segelten im 17. und 18. Jahrhundert Korsaren auf der Suche nach neuem Land los. Festungen schützten die Zugänge vom Meer her. Und die Stadt war von einer massiven Mauer umgeben. Innerhalb der Stadtmauern feierten die Korsaren ihr Glück und ertränkten Niederlagen in Rum.
Es gibt Legenden über die Unbezwingbarkeit Saint-Malos. Den Briten ist es nie gelungen, die Festung zu erobern. Während der Befreiung 1944 bombardierten Briten verzweifelt die deutsche Garnison. Nur die Mauern Saint-Malos haben standgehalten. Der Bürgermeister resignierte und bot den Einwohnern an, die Stadt Stein für Stein wiederaufzubauen. Genau das haben sie getan.
Es war, als sei Saint-Malo aus dem Meer auferstanden. Seine ganze Geschichte ist mit Reisen verbunden. Dennoch verdankt die Stadt ihren Wohlstand ausschließlich dem Sklavenhandel und den Korsaren. In Saint-Malo fingen viele Expeditionen in ferne Länder an. 1534 entdeckte der Seefahrer Jacques Cartier, als er einen Weg von Saint-Malo nach Indien gesucht hatte – anscheinend suchte damals fast jeder den Weg nach Indien und alle lagen falsch – die Insel Neufundland. Er entdeckte auch die Dörfer Hochelaga und Huron, in dessen Nähe ein Jahrhundert später Montreal gegründet wurde. Handelswege öffneten sich und die Stadt wurde reich. Aus Kanada – was in der indischen Sprache „Dorf“ bedeutet – kamen Pelze, während bretonische Seeleute nach Kabeljau vor der Küste Neufundlands fischten.
1590 versuchte Saint-Malo erneut, eine freie Stadt zu werden. In Frankreich wurde Heinrich von Navarra, selbst ein Hugenotte, König. Die katholischen Royalisten verlangen von ihm, den Katholizismus anzunehmen. Angesichts dessen, dass Heinrich von Navarra in den neun Jahren zuvor bereits dreimal seine Glaubensrichtung gewechselt hatte, weigerte er sich, dem Katholizismus beizutreten, versprach jedoch, er werde den katholischen Glauben ehren. Dies sorgte sowohl bei seinen protestantischen Anhängern als auch bei den Katholiken für Empörung. Heinrichs Krieg mit Katholiken begann.
England war zu dem Zeitpunkt seit langem der „Herr der Meere“. Der Erfolg Frankreichs an der maritimen Front konnte den Interessen Englands nur schaden.
Also beschlossen die Franzosen, die Westküste so sicher wie möglich zu halten. Um die Verteidigung von Saint-Malo zu stärken, wurde 1689 die Leitung der Maschinenfabrik dem Marschall von Frankreich, Sébastien Le Prestre, Seigneur de Vauban, übertragen. Die von ihm errichteten Festungen wurden zum Weltkulturerbe erklärt; das heutige Erscheinungsbild Saint-Malos ist sein Verdienst. Die Befestigungsanlagen erwiesen sich als nützlich: Ihnen ist zu verdanken, dass Saint-Malo 1758 der britischen Belagerung standhielt, als der Siebenjährigen Krieg tobte.
Saint-Malo wollte nicht Partei ergreifen. Die Stadtbewohner übernahmen die Festung und erklärten Saint-Malo zur Republik. Erneut blieb Saint-Malo vier Jahre lang unabhängig, bis Heinrich die Unruhen niederschlug.
Saint-Malo ist eine Stadt der Seeleute, Reisenden und Korsaren. Tatsächlich wurde in Frankreich die Todesstrafe für Piraterie verhängt. Aber einem Piraten konnte ein königliches Patent erteilt werden, das ihn zum Korsaren machte. Die Korsaren konnten die Schiffe, die gegenüber Frankreich feindlich gesinnt waren, angreifen, und wenn sie gefangen genommen wurden, konnten sie mit Schutz rechnen. Dafür gaben sie einen Teil ihrer Beute an die Staatskasse ab: äußerst vorteilhaft sowohl für die Staatskasse als auch für den Piraten.
Korsaren sind nicht mit Piraten zu verwechseln, obwohl beide an Raubüberfällen und Entführungen von Schiffen beteiligt waren. Korsaren hatten von der Regierung eine „Lizenz zum Rauben“ – lettre de course – und so waren sie ganz legal an der Piraterie beteiligt; Piraten handelten hingegen rechtswidrig. Einerseits erlaubte die Lizenz einem privaten Schiff, in den Kampf zu ziehen und andererseits wurden damit der Feindeskreis definiert und eingeschränkt.
Auf einer der Bastionen der Festung Saint-Malos steht ein Denkmal für den Korsaren Robert Surcouf, der in Richtung England zeigt. Wenn Surcouf kein Ehrenbürger der Stadt ist, ist er sicher der Berühmteste. Es gibt viele Legenden über die Überfälle des jungen Edelmanns: Er hat wohl 40 englische Schiffe gekapert. Surcouf wurde einer der ersten Ritter der Ehrenlegion. Der reichste Schiffseigentümer Frankreichs starb 1827 in Saint-Malo, in den Kreisen seiner Engsten. In seiner Heimatstadt erinnert man sich noch immer an den Surcouf, den das Denkmal aufzeigt: Ein junger Kapitän mit einem Säbel in der Hand, bevor er an Bord eines englischen Schiffes geht. Auf einer exakten Kopie des Schoners Surcoufs kann man nun eine Bootsfahrt machen, was Touristen auch gerne tun. Und einige nehmen sogar ein Modell des gelben Korsarenschiffes als Souvenir mit.
Ein anderer großer Mann, der in Saint-Malo geboren wurde und ein riesiges literarisches Erbe hinterlassen hat, ist einer meiner französischen Lieblingsschriftsteller: François-René, vicomte de Chateaubriand.
Es scheint, als könne man nur in Saint-Malo „Atala“ verstehen und fühlen: Ein Roman über die Liebe zweier Menschen, die an Wüstenorten spazieren und miteinander reden. In dem Roman werden neue Ausdrucksformen verwendet: Gefühle von Helden werden vom Autor anhand von Beschreibungen der Natur vermittelt, erst gleichgültig oder majestätisch, dann gewaltig und tödlich. [3]
Bei Ebbe kann man spazieren gehen und auf einen Felsen zum Grab von Chateaubriand klettern: die Île de Grand Bé. Die Grabstätte ist nur von drei Seiten eingezäunt, damit der Dichter auch nach seinem Tod dem Rauschen der Wellen lauschen und mit dem Meer sprechen kann. Von Grand Bé ist Petit Bé zu sehen.
Es wird deutlich, warum Chateaubriand seine Gefühle anhand der Natur ausdrückt, wie tief er Bilder wahrnimmt und auf welche Art und Weise er versucht, seine Emotionen zu vermitteln: Eine so eigentümliche Wahrnehmung der Welt ist nur einem Menschen eigen, der in der Bretagne geboren und aufgewachsen ist – einem Ort, an dem die Natur viele Geheimnisse birgt und der Mensch sich diesem ungezügelten Element fügt. Man muss in die Bretagne kommen, um mithilfe der Natur die Antworten auf Fragen zu finden, die uns beschäftigen.
Es ist, als würde man aufhören, das Leben eines anderen zu leben, versuchen, besser zu sein als man selbst und zu seinen Ursprüngen zurückzukehren. Menschen sind wie Bäume, die an einem Ort festwachsen und für immer ein Teil dieses Ortes bleiben.
Saint-Malo ist nicht nur die Hauptstadt der Bretagne, sondern auch das Herz der Cuisine de Bretagne. Wenn man Meeresfrüchte und verschiedene Fischsorten mag, sollte man unbedingt bretonische Gerichte probieren.
Man kann das klassische französische Gericht Thunfisch-Tatar in der Bretagne verkosten. Die Worte „à la Tartare“ beziehen sich oft auf Gerichte aus rohem Fleisch oder Fisch. Ursprünglich wurde das Tatar in Frankreich zubereitet, woraufhin sich das Gericht in der ganzen Welt verbreitete. Tatar war besonders im 19. Jahrhundert beliebt. Traditionell wird Tatar aus rohem Fisch zubereitet. Damit das Essen nicht warm wird, man kann es „auf Eis“ – auf einem tiefen Teller mit Eis – zubereiten. Der französische König Ludwig IX. nannte die Tataren „Tartaren“ – die alte Bezeichnung für die Gesandten der Hölle. Als er über jene Menschen sprach, war der berühmte französische Herrscher sich absolut sicher, dass nur rohes Fleisch mit Essiggurken Bestandteil der tatarischen Ernährung war.
Thunfischtatar
Zutaten; für 2 Personen:
150 g Thunfischfilet, 1 Schlotte, 10 g Ingwer, 30 g Rettich, 1 Zitrone oder Limette, Olivenöl, Sojasauce, Salz, Pfeffer, Schnittlauch.
Zubereitung:
Das Thunfischfilet waschen und trocken tupfen. Den Ingwer schälen. Das Thunfischfilet und die Schalotte fein hacken, den Ingwer auf einer feinen Reibe reiben.
Alle Zutaten mischen. Schnittlauch, Salz und Pfeffer nach Geschmack hinzufügen, mit Olivenöl, Sojasauce und Zitronensaft abschmecken. Für 5 Minuten in den Gefrierschrank legen.
Das Tatar auf einem kalten Teller servieren und mit dünn geschnittenen Rettich- und Schalottenstücken dekorieren.
100 Jahre später gab es in Frankreich ein Gericht: Steak-Tatar, denn im Laufe der Zeit begannen erfahrene Köche, sich an Gerichten auszuprobieren, um „Tatar“ auf ihre Speisekarte zu bringen. So wurde ein Gericht aus Rohzutaten – Fisch oder Fleisch – zum „Tatar“. Das Interesse an der Rezeptur des Tatars wurde immer größer und man begann, es sogar aus gesalzenem Fleisch oder Meeresfrüchten zuzubereiten.
Manche mögen argumentieren, dass man in Frankreich geboren sein muss, um die französische Küche zu lieben, aber an meinem eher subjektiven Beispiel möchte ich zeigen, dass es auch Liebe auf den ersten Blick sein kann: Etwas Besonderes, das sich manchmal nicht mit bloßen Worten beschreiben lässt, aber mit der ganzen Seele spürbar ist.
Es ist ein Gefühl, das man nicht vergessen oder ignorieren kann; man muss die französische Küche wie die klassische Musik wahrnehmen, sie genießen und mit jedem Hören etwas Neues entdecken, versuchen, sie zu verstehen und wiederzugeben – gleich der magischen Melodie eines Komponisten, der sein Meisterwerk mit besonderer Liebe in der zartesten Ausführung geschrieben hat.
Die Franzosen haben eine besondere Einstellung zur Esskultur, dem Verhalten am Tisch, der Wahrnehmung von Essen und der Fähigkeit, gewöhnliche Dinge als etwas Besonderes und Einzigartiges zu präsentieren. Die Franzosen wissen mehr als jeder andere, wie man ein gewöhnliches Abendessen in eine Vergnügungszeremonie mit der Extravaganz eines Feiertags verwandelt. Das ist der „Erfolg“ des französischen Lebens, die richtige Einstellung zum Leben und die Fähigkeit, jeden Tag „glücklich“ zu sein.
Nordfrankreich kann nicht nur mit seinem natürlichen Charme, sondern auch mit der Vielfalt der regionalen Küche überraschen: Meeresfrüchte, Fisch, Crêpes und Galettes, Fleisch und Gemüse, Käse und eine Vielzahl von Apfeldesserts.
Die Region ist bekannt für Calvados, Whisky-Cidre und sogar Bier. Man muss unbedingt den bretonischen Apfelwein probieren, der sowohl ein Aperitif als auch eine würdige Begleitung zu jedem regionalen Gericht sein kann. Cisera nannten die Gallier den fermentierten Apfelsaft, der in den Legenden von König Artus‘ Tafelrunde erwähnt wird.
Aber erst im 16. Jahrhundert wurden bittere, gerbstoffreiche Apfelsorten aus Nordspanien in die Bretagne gebracht, dank derer bretonischer Apfelwein unbegrenzt gelagert werden konnte und sich somit für den Export außerhalb der Region eignete. Auch der Gärungsprozess wurde verbessert und das Getränk wurde zum berühmten Cidre, der bei festlichen Anlässen vor dem Wein serviert wird.
Die Menschen in der Bretagne sehen sich als Erben der Kelten und nicht als Nachkommen französischer Winzer. Als Ergebnis der Verschmelzung der bretonischen Wurzeln und der britischen Fähigkeit, echtes Ale zu brauen, hat eine Wiedergeburt des Bierbrauens stattgefunden.