Nur noch wenige Tage - Colleen Hoover - E-Book

Nur noch wenige Tage E-Book

Colleen Hoover

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Beschreibung

Um ihre Schreibblockade zu überwinden, zieht sich Erfolgsautorin Megan in eine abgelegene Hütte am See zurück. Da steht eines Nachts ein Polizist vor ihrer Tür – wegen eines Todesfalls ganz in der Nähe. Nathaniel Saint ist hot, sexy und attraktiv. Und er kommt wieder – mit eindeutigen Absichten. Megan lässt sich darauf ein. Doch wer ist Saint wirklich und welches Spiel treibt er? Nur noch zwei Tage – dann haben Jessica und Chase ihren zweiten Jahrestag und es könnte endlich zum ersehnten Heiratsantrag kommen. Blöd nur, dass das Kleid, das Chase ihr geschenkt hat, drei Nummern zu eng ist. Und dass ihr bester Freund Jay Chase nicht ausstehen kann. Und dafür hat er gute Gründe …

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Seitenzahl: 162

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Über das Buch

Um ihre Schreibblockade zu überwinden, zieht sich Erfolgsautorin Megan in eine abgelegene Hütte am See zurück. Da steht eines Nachts ein Polizist vor ihrer Tür – wegen eines Todesfalls ganz in der Nähe. Nathaniel Saint ist hot, sexy und attraktiv. Und er kommt wieder – mit eindeutigen Absichten. Megan lässt sich darauf ein. Doch wer ist Saint wirklich und welches Spiel treibt er?

 

Nur noch zwei Tage – dann haben Jessica und Chase ihren dritten Jahrestag und es könnte endlich zum ersehnten Heiratsantrag kommen. Blöd nur, dass das Kleid, das Chase ihr geschenkt hat, drei Nummern zu eng ist. Und dass ihr bester Freund Jay Chase nicht ausstehen kann. Wie sich herausstellt, hat er dafür gute Gründe …

 

 

Von Colleen Hoover sind bei dtv lieferbar:

Weil ich Layken liebe | Weil ich Will liebe | Weil wir uns lieben

Hope Forever | Looking for Hope

Finding Perfect

Love and Confess

Maybe Someday | Maybe Not | Maybe Now

Zurück ins Leben geliebt – Ugly Love

Nächstes Jahr am selben Tag – November 9

Never Never (zusammen mit Tarryn Fisher)

Die tausend Teile meines Herzens

Was perfekt war

Verity

All das Ungesagte zwischen uns

Layla

Für immer ein Teil von dir

Summer of Hearts and Souls

Nur noch ein einziges Mal – It ends with us

It starts with us – Nur noch einmal und für immer

Too Late – Wenn Nein sagen zur tödlichen Gefahr wird

Nur noch wenige Tage - Saint/The Dress - Zwei Stories

Colleen Hoover

Nur noch wenige Tage Saint & The Dress

Zwei Stories

Aus dem amerikanischen Englisch von Katarina Ganslandt

Dieses Buch behandelt Themen, die potenziell belastend wirken könnten. Leserinnen und Leser, die auf solche Themen sensibel reagieren, mögen dies bitte zur Kenntnis nehmen.

SAINT

1

Es ist nur ein einziger Schritt, aber sie weiß, er wird den sicheren Tod bedeuten.

Nicht buchstäblich, nicht Reyas Tod, aber definitiv den ihrer Moral, ihrer Werte … ihrer Ehe. Und trotzdem geht sie ihn, geht ihn im vollen Bewusstsein der Folgen, geht diesen einen Schritt in Cams geöffnete Arme.

In die Arme, die den Tod besiegeln.

Ich lese die Sätze, die ich eben getippt habe, und weiß, dass ich sie ziemlich sicher morgen früh wieder löschen werde. So läuft es bei der Arbeit an meinem aktuellen Roman schon von Anfang an. Bisher ist fast alles, was ich am einen Tag geschrieben habe, am nächsten der Löschtaste zum Opfer gefallen.

Wenn das so weitergeht, muss ich einen ganzen Monat hierbleiben. Nicht, dass das eine Strafe für mich wäre. Ich liebe die Einsamkeit. Schon immer. Deswegen ziehe ich mich alle paar Monate aus dem hektischen Sacramento in diese ruhige Hütte am Waldsee zurück, wo ich meine Stadthaut abstreifen kann. Das nimmt mir auch etwas von dem schlechten Gewissen, das ich habe, weil ich das Land, auf dem ich aufgewachsen bin, gegen die Großstadt eingetauscht habe.

Ich trinke mein Glas Wein aus und beschließe, für heute Schluss zu machen, als mein Laptop einen Klingelton von sich gibt und das Videocall-Fenster aufploppt. Ich freue mich, dass es Candice ist – meine Autorenkollegin und gleichzeitig beste Freundin. Seit wir beide vor fünf Jahren mit dem Schreiben begonnen haben, lesen wir gegenseitig die Rohfassung unserer Texte, tauschen uns über unsere Arbeit aus und machen uns Mut. Mittlerweile haben wir uns jeweils schon etliche Male davor bewahrt, zu verzweifeln und alles hinzuschmeißen.

Obwohl ich erst seit drei Tagen in der Hütte am See bin, ist es schön, ein vertrautes Gesicht zu sehen. Candice strahlt mir hellwach aus dem Laptop entgegen, dabei ist es hier in Kalifornien gleich Mitternacht und in New York sogar noch drei Stunden später.

»Was ist los?«, frage ich. »Ich hätte gedacht, du schläfst längst?«

»Alles gut.« Auch ihre Stimme klingt für die späte Uhrzeit erstaunlich munter. »Ich hab nur gerade das Wort ENDE getippt und brauche jemanden, der mich feiert.«

»Hey!« Das erklärt natürlich, warum sie so aufgekratzt ist. Sie hat das gesamte letzte halbe Jahr an ihrem Roman gearbeitet. »Herzlichen Glückwunsch!« Ich freue mich für sie. Okay, ein klitzekleines bisschen neidisch bin ich auch, aber hauptsächlich freue ich mich.

»Danke.« Ihre Augen leuchten. »Sollen wir live gehen?«

»Ich weiß nicht«, sage ich widerstrebend. »Sehe ich sehr furchtbar aus?«

»Du könntest gar nicht furchtbar aussehen, selbst wenn du wolltest«, beruhigt mich Candice. »Dann gehe ich jetzt auf Splitscreen und in zehn Sekunden live, okay?«

Ich fahre mir mit den Zeigefingern schnell am unteren Lidrand entlang, um eventuell verschmierte Wimperntusche wegzuwischen. Aber eigentlich sind unsere Leserinnen daran gewöhnt, dass wir auch mitten in der Nacht live online sind und deswegen öfter mal nicht so frisch aussehen. Früher waren unsere Social-Media-Kanäle ziemlich unterentwickelt, aber seit wir irgendwann angefangen haben, unsere Arbeitsgespräche zu streamen, ist die Zahl unserer Follower extrem in die Höhe geschnellt. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die uns zusehen und es wahrscheinlich tröstlich finden, sich in den Schilderungen des mühseligen täglichen Schreibprozesses wiederzuerkennen. Aber hauptsächlich klinken sich Fans ein, um lange vor der Veröffentlichung schon mal erste Einblicke in unsere nächsten Bücher zu bekommen. Wer kein Problem damit hat, ein bisschen gespoilert zu werden, kann sich bei uns auf exklusive Previews freuen.

»Noch drei Sekunden«, verkündet Candice.

Ich springe schnell vom Küchentisch auf und knipse das Deckenlicht an, damit mein Bild nicht so dunkel ist. Als ich mich wieder setze, sind wir schon live. In der Anfangsphase war ich immer ziemlich verkrampft, aber mittlerweile streamen wir so oft – teilweise sogar zweimal pro Woche –, dass ich mir gar keine Gedanken mehr mache. Häufig vergesse ich ganz, dass uns da draußen Leute zuschauen, und es fühlt sich an wie ein ganz normaler Videocall mit Candice.

»Wie läuft’s bei dir so?«, fragt sie.

Ich zucke mit den Schultern. »Bisher bin ich kein bisschen vorangekommen. Das ist jetzt mein dritter Tag in der Seehütte, und ich hab gerade mal eine einzige Seite geschafft.«

»Willst du darüber reden?«

»Ehrlich gesagt wollte ich gerade ins Bett, als du angerufen hast. Ich hab mein Gehirn für heute schon schlafen gelegt.«

»Echt?« Candice schiebt die Unterlippe vor. »Ich hatte gehofft, du schickst mir die ersten ein oder zwei Kapitel, damit ich mir einen ersten Eindruck von deinem heißen Cop machen kann.«

Ich lächle. »Du bist süß, aber ich muss dich enttäuschen. Bis jetzt kriege ich überhaupt keinen Zugang zu der Story und den Figuren.«

»Sei nicht so streng mit dir, Megan.«

»Ich bin leider meine strengste Kritikerin«, gebe ich zu.

Candice verdreht die Augen. »Hast du wenigstens schon Namen für die beiden?«

»Ja, so weit bin ich immerhin. Mein Hot Cop heißt Cameron, wird aber meistens Cam genannt. Die Protagonistin heißt Reya.«

»Cam und Reya«, wiederholt Candice. »Gefällt mir. Bleibt es bei der heimlichen Affäre?«

»Ich denke schon. Keine Ahnung. Aber vielleicht ändere ich das auch noch.«

»Nein! Bloß nicht.« Sie beugt sich zur Kamera. »Du hast es mir versprochen, Megan. Ein Love Triangle gab es bis jetzt bei dir noch nie.«

»Es ist nicht so einfach, über etwas zu schreiben, das man nicht aus eigener Erfahrung kennt.«

»Quatsch«, sagt Candice lachend. »Die Prota von deinem letzten Roman hat sich in den Tierarzt ihres Hundes verliebt, dabei hast du noch nie in deinem Leben einen Hund gehabt.«

»Und genau das ist mein Problem«, seufze ich. »Mehrere Rezensentinnen fanden das total unrealistisch.«

Candice schüttelt den Kopf. »Erstens: Negative Rezensionen solltest du sowieso nicht lesen. Und zweitens: Leute, die ein Buch nicht mögen, behaupten immer, der Plot wäre unrealistisch. Ich fand alles sehr realistisch.«

»Du hast aber auch keinen Hund«, sage ich.

Candice hebt die Hände. »Okay, du hast gewonnen.«

Ich wünschte, ich könnte den vielen Fünf-Sterne-Rezensionen mehr glauben als den wenigen Verrissen, aber im Gegensatz zu Candice schaffe ich es nicht, die kritischen Stimmen zu ignorieren.

Sie lacht wieder. »Hey, vielleicht solltest du dir einen heimlichen Liebhaber zulegen, damit du die Emotionen deiner Figuren wirklich bis ins letzte Detail realistisch beschreiben kannst«, schlägt sie vor. »Such dir einen verheirateten Mann, der dich an deinen heißen Cop erinnert, und zerr ihn in dein Bett.«

Ich lache mit, obwohl es mir vor den Leuten, die uns da draußen zuschauen, ein bisschen peinlich ist. »Und wo bitte soll ich meinen heißen Cop finden, wenn ich mitten im Nirgendwo in einer einsamen Hütte hocke?«

Candice grinst. »Geh irgendwo hin, wo es weniger einsam ist. Setz dich zum Schreiben in ein Starbucks. Polizisten holen sich ständig Kaffee.«

»Vielleicht solltest du jetzt lieber schlafen gehen«, sage ich. »In New York ist es ganz schön spät – beziehungsweise früh.«

»Wir haben ungefähr zweihundert Fragen in der Pipeline«, sagt Candice. »Lass uns wenigstens ein paar davon noch schnell beantworten, danach gehe ich ins Bett.« Sie scrollt in den Kommentaren. »Ha. Die passt perfekt«, ruft sie im nächsten Moment. »Seid ihr der Meinung, dass man als Schriftstellerin eine Situation, über die man schreibt, persönlich erlebt haben muss, um die Emotionen der Charaktere authentisch wiederzugeben?«

Candice schaut erwartungsvoll in die Kamera. Anscheinend soll ich die Frage beantworten. Ich lehne mich zurück und verschränke die Arme, während ich nachdenke.

»Na ja, ich hoffe nicht, dass es ein Muss ist«, sage ich und seufze dann. »Andererseits ist Schreib über das, was du kennst einer der häufigsten Ratschläge, den man als angehende Autorin zu hören bekommt. Trotzdem glaube ich nicht, dass ich Gefühle nicht realistisch beschreiben kann, wenn ich sie nicht genau so selbst erlebt habe. Hm, obwohl … Tja, darüber denkt wohl jeder mal kritisch nach, der schreibt.«

»Ich nicht«, behauptet Candice und liest die nächste Frage vor: »Wärt ihr bereit, persönlich zu erleben, was ihr eure Protagonisten in eurem aktuellen Buch durchleben lasst, wenn ihr die Möglichkeit dazu hättet?« Sie grinst. »Definitiv Ja. Gerade heute habe ich einen Roman über einen Eishockeyspieler fertig geschrieben, der sich in seine Agentin verliebt. Zwischen den beiden gibt es ein paar spicy Szenen, die ich sofort persönlich durchspielen würde. Wie sieht es bei dir aus, Megan?«

»Absolut.« Die Vorstellung, einen heißen Cop kennenzulernen und eine stürmische Affäre mit ihm anzufangen, klingt definitiv verlockend. »Ich bin bereit, alles zu tun, um noch bessere Bücher zu schreiben.«

Candice liest die nächste Frage vor, und wir beantworten vier oder fünf weitere, danach bricht sie die Aktion ziemlich abrupt ab. Wahrscheinlich hat sie mitgekriegt, dass ich nicht wirklich bei der Sache bin. Normalerweise sprudeln wir in unseren Gesprächen nur so über vor Ideen und werfen uns die Bälle zu, heute musste sie mehrmals Dinge für mich wiederholen, weil ich so zerstreut bin.

Ich weiß nicht, ob es Müdigkeit ist oder ob ich einfach nicht in der Stimmung bin, aber ich kann mich einfach nicht auf den Stream konzentrieren. Meine Gedanken schweifen immer wieder zu dieser Frage von vorhin zurück: ob ich bereit wäre, die Dinge, über die ich schreibe, selbst zu erleben.

Ich denke an meinen letzten Roman, in dem der Hund der Protagonistin mit zwölf Jahren stirbt. Ich habe wirklich versucht, mich in sie hineinzufühlen, bin aber selbst kein Hundemensch, weshalb es mir wahrscheinlich schwerfiel, ihre Trauer und die Verzweiflung über den Verlust eines Tiers wirklich empathisch zu beschreiben. Weil es eine Romance Novel war, habe ich sie auch gar nicht lange trauern lassen, stattdessen verliebt sie sich in ihren Tierarzt.

In den Rezensionen bin ich von Hundeliebhabern hart angegangen worden. Mehrere schrieben, ich hätte ja wohl ganz offensichtlich selbst nie ein Tier gehabt. Die Kritik hat mich extrem verunsichert. Was, wenn es mir mit meinem aktuellen Buch ähnlich geht? Wenn mir in den Rezensionen vorgeworfen wird, dass ich ja wohl noch nie in meinem Leben eine Dreiecksbeziehung geführt hätte? Ich bin so in Gedanken versunken, dass ich kaum mitbekomme, wie Candice unseren Stream für beendet erklärt. Zerstreut verabschiede ich mich von unseren Zuschauern und von Candice, klappe den Laptop zu und schalte das Licht aus. Bevor ich ins Schlafzimmer gehe, überprüfe ich zweimal, ob die Eingangstür abgeschlossen ist.

Hoffentlich wird der Tag morgen produktiver.

Leider habe ich das dumpfe Gefühl, dass meine Innere Kritikerin dafür sorgen wird, dass das nur ein frommer Wunsch bleibt.

2

Zwei Nächte später

 

Ich fahre im Bett hoch und reiße mir die Schlafmaske vom Gesicht. Mein Herz hämmert wie wild.

Ich kann nicht sagen, was mich geweckt hat, aber es muss laut gewesen sein, weil es mich aus dem Tiefschlaf gerissen hat. Ringsum zuckt flackernder rot-blauer Lichtschein über die Wände.

Ich drehe mich zum Fenster hinter mir, aber das Blaulicht kommt von der Straße, und mein Schlafzimmer liegt zur Waldseite hin.

Als im nächsten Moment lautes Klopfen ertönt, zucke ich zusammen und springe aus dem Bett. Ich ziehe meinen Morgenmantel über und nehme das Handy vom Nachttisch, um einen Blick auf die Uhr zu werfen. Kurz nach Mitternacht. Also habe ich etwa zwei Stunden geschlafen. Normalerweise lege ich mich nicht so früh hin, erst recht nicht, wenn ich zum Arbeiten in der Hütte bin, aber seit dem Livestream mit Candice vor zwei Tagen habe ich keinen einzigen Buchstaben geschrieben und mehr Zeit im Bett als am Computer verbracht.

Ich laufe zur Haustür, schalte das Außenlicht an und spähe durch den Spion. Auf der Veranda steht ein Polizist. Er schaut über die Schulter zu seinem Streifenwagen, der schräg auf der Straße parkt. Die Scheinwerfer strahlen so hell in meine Richtung, dass ich nur eine dunkle Silhouette ausmachen kann.

Was will er hier?

Ich schiebe den Riegel zurück, löse die Kette aber nicht und öffne die Tür nur ein paar Zentimeter.

Als Autorin bin ich notorisch misstrauisch. Ganz egal welche offizielle Uniform jemand trägt – ich habe zu viele Plotideen im Kopf, um nicht in jeder Situation auch die schlimmstmögliche Version mitzudenken. Vielleicht gibt sich dieser Mann nur als Cop aus, damit ich ihm aufmache.

Als er hört, dass sich die Tür öffnet, dreht er sich zu mir um. Obwohl mich die Scheinwerfer des Streifenwagens und das rotierende Blaulicht auf dem Dach blenden, erkenne ich sofort, dass er nicht zu der Sorte Polizist gehört, die sich jeden Morgen erst mal Kaffee und Donuts holt. Er ist groß, gut aussehend und durchtrainiert, und ich fühle mich in meiner Kombi aus Nachthemd und Morgenmantel auf einmal irgendwie sehr … nackt.

Aber ganz egal, weshalb er hier ist – ich bin dem Schicksal gerade sehr dankbar dafür, dass es ihn vorbeigeschickt hat. Wenn ich eine Vorlage für meinen fiktiven Hot Cop suchen wollte, wäre er perfekt.

»Guten Abend, Ma’am.« Als er mir die Dienstmarke mit seinem Namen entgegenstreckt, bemerke ich einen Ehering an seinem Finger. »Entschuldigen Sie die späte Störung. Ich bin Officer Nathaniel Saint.«

Mein Puls beschleunigt sich, und ich lege unwillkürlich eine Hand an die Kehle. Ich kann nicht sagen, was mich so nervös macht – seine tiefe, raue Stimme oder die Erkenntnis, dass das hier kein Traum ist. Aber wenn mitten in der Nacht ein Polizist an der Tür klopft, kann das eigentlich nur bedeuten, dass irgendwas Schlimmes passiert ist. Hatte jemand aus meiner Familie einen Unfall? Ist er deswegen hier?

Die Angst ist mir wohl deutlich anzusehen, denn er wiegelt sofort ab. »Keine Sorge. Ich bin nur da, weil es vor etwa einer Stunde ein Stück weiter oben auf der Zufahrtstraße zu Ihrer Hütte einen Vorfall gab. Ich habe bloß ein paar Routinefragen an Sie, falls es Ihnen nichts ausmacht. Fürs Protokoll.«

Ich atme erleichtert aus, dann nicke ich und löse die Kette.

Als ich die Tür weiter aufziehe und mir die kühle Nachtluft entgegenweht, merke ich, dass ich tatsächlich viel zu dünn angezogen bin. Ich schlinge die Arme um meinen Oberkörper, gehe zur Seite und gebe dem Polizisten mit einem Nicken zu verstehen, dass er reinkommen soll.

»Was für ein Vorfall?«, frage ich.

Officer Saint ist bestimmt einen Kopf größer als ich. Schwer zu sagen, wie alt er ist. Ich bin neunundzwanzig, und die meisten Leute schätzen mich korrekt auf Ende-zwanzig-Anfang-dreißig. Bei ihm ist das schwierig. Er könnte jünger sein als ich oder aber auch zehn Jahre älter. Er hat den abgeklärten Blick eines Mannes, der in seinem Leben zu viele krasse Dinge gesehen hat, vielleicht hat er sich diesen Ausdruck aber auch für seinen Job antrainiert.

Jetzt so aus der Nähe betrachtet ist klar, dass ich ihn als Modell für Cam verwenden muss. Es wäre eine Sünde, ein solches Geschenk des Himmels ungenutzt zu lassen.

Die letzten zwei Tage saß ich stumpf vor dem Computer und habe kein einziges neues Wort geschrieben, aber als ich meinen Hot Cop jetzt auf einmal live vor mir stehen sehe, würde ich die Befragung am liebsten so schnell wie möglich hinter mich bringen, um dann gleich an den Laptop zu stürzen.

Officer Saint lässt seinen Blick kurz durch die Hütte wandern, bevor er ihn wieder auf mich richtet. »Kennen Sie einen gewissen Don William Puttman?«

Ich schüttle den Kopf. Der Name sagt mir nichts.

Er wirkt fast erleichtert. Seine Schultern entspannen sich, und er lehnt sich an den Türrahmen. »Es gab eine Verfolgungsjagd, die knapp fünfzig Meter vor Ihrer Hütte endete.« Er schaut zur Straße. »Wir haben die Strecke gesperrt, aber in der nächsten Stunde werden sich noch ein paar Kollegen von der Spurensicherung in der Gegend umsehen – möglicherweise auch auf Ihrem Grundstück. Ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen, damit Sie sich nicht beunruhigen. Natürlich fragen wir uns, ob es einen bestimmten Grund gab, warum das Opfer hierhergefahren ist. Aber da Sie den Mann nicht kennen …«

»Das Opfer?«, unterbreche ich ihn.

Er nickt. »Ja, Ma’am. Er hat sich selbst tödliche Verletzungen zugefügt.«

Ich presse mir eine Hand auf den Magen und atme tief durch.

Dann … dann hat sich also nur fünfzig Meter von meiner Einfahrt entfernt jemand umgebracht?

»Es kann sein, dass ich noch eine detailliertere Aussage von Ihnen brauche«, sagt Officer Saint. »Aber das muss nicht jetzt sein. Wenn es für Sie okay ist, kann ich morgen einen meiner Beamten vorbeischicken. Eine reine Formsache. Wir sind verpflichtet, allen drei Anwohnern hier an der Uferstraße dieselben Fragen zu stellen.«

»Verstehe.« Ich nicke. »In Ordnung. Ich bin morgen sowieso den ganzen Tag hier.«

»Danke, Ma’am.« Er tippt sich an die Mütze und wendet sich zum Gehen, hält dann aber inne und dreht sich noch einmal zu mir um. »Sind Sie eigentlich alleine hier?«

Keine gute Frage.

Was soll ich darauf antworten? Er ist zwar Polizist, aber in erster Linie eben auch ein Mann. Ein mir vollkommen Fremder.

Ich könnte lügen und behaupten, mein Partner würde nebenan schlafen, aber ich weiß nicht, ob es so eine gute Idee ist, einen Polizeibeamten anzulügen, wenn fünfzig Meter von meiner Haustür entfernt ein Toter liegt. Einem Unbekannten gegenüber zuzugeben, dass ich ganz allein hier in der Hütte bin, ist allerdings auch nicht ungefährlich.

Vermutlich sieht er mir an, welche Gedanken mir durch den Kopf gehen. Noch bevor ich etwas antworten kann, sagt er: »Nicht, dass ich Ihnen nicht zutrauen würde, selbst auf sich aufzupassen. Es ist nur … Seien Sie vorsichtig, okay? Im Ort sollten Sie vielleicht nicht unbedingt erwähnen, dass Sie die Hütte alleine gemietet haben.«

Bei meinen bisherigen Aufenthalten hier habe ich mich immer sehr wohlgefühlt, aber was der Officer sagt, klingt ziemlich bedrohlich.

»Heißt das, ich muss mir Sorgen machen? Hat die Gegend hier einen schlechten Ruf?«

Er sieht zur Straße, wo sein Wagen steht, dann schaut er wieder zu mir. »Na ja, sagen wir mal so. Einhundert Prozent sicher ist man nirgends.« Er tippt sich wieder an die Mütze. »Entschuldigen Sie noch mal die Störung. Wir melden uns morgen bei Ihnen.« Er geht über die Veranda zur Treppe. Ich zögere einen Moment, dann laufe ich ihm hinterher.

»Warten Sie!«