Only One Night Stand ?: Band 4 - 5 - Sissi Kaipurgay - E-Book

Only One Night Stand ?: Band 4 - 5 E-Book

Sissi Kaipurgay

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Beschreibung

Böser Galeriebesitzer Wie magisch von einem Gemälde angezogen, stoppt Moses vor den Fenstern einer Galerie. Zwei Männer, versunken in den Anblick des jeweils anderen. Irgendwie weckte das Bild in ihm eine tiefe Sehnsucht nach etwas, was er sich selbst kaum eingesteht. Böser Verführer Arthur war angepisst. Jo hatte ihn wegen einer kleinen Ratte sitzenlassen. Mit zunehmender Wut sann er auf Rache. Böser Kollege Hennings Kollege Jakob ist ein netter Kerl und attraktiv noch dazu. Seit fünf Jahren arbeiten sie in der gleichen Bank, verbringen meist die Mittagspause miteinander und verstehen sich gut. Der Tomatendieb Gabriel hat sich mit seinem Leben in einem Provinznest abgefunden. Für Spaß sucht er die nächste größere Stadt auf und ansonsten ist er eben der Dorfschwule. Der Tulpendieb: Cord hasste Familienfeiern, dennoch erschien er regelmäßig bei diesen Festen, schon um den Schein zu wahren. Er liebte seine Neffen und am Ende hatte er doch sonst niemanden, dem er nahestand. Der Zucchinidieb Timos Nachbar ist ein alter Zausel, der gern Streit sucht, daher macht er sich keine großen Gedanken, als der Kerl plötzlich nicht mehr im Garten auftaucht.

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Inhaltsverzeichnis

Böser Galeriebesitzer

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Epilog – Zwei Wochen später

Böser Verführer

1.

2.

3.

4.

Epilog

Böser Kollege

1.

2.

3.

4.

5.

Epilog – ein halbes Jahr später

Der Tomatendieb

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Epilog – 7 Monate später

Der Tulpendieb:

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Epilog – drei Monate später

Der Zucchinidieb

1.

2.

3.

4.

Epilog – 2 Monate später

Only One Night Stand

Band 4 bis 5

One night stand – Böse Buben!

One night stand - Gemüsediebe

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. E-Books sind nicht übertragbar und dürfen nicht weiterveräußert werden. Bitte respektieren Sie die Arbeit der Autorin und erwerben eine legale Kopie. Danke!

Text: Sissi Kaiserlos/Kaipurgay

Foto: shutterstock_215059030, Depositphotos_5797970_l-2015

Coverdesign Lars Rogmann

Kontakt: https://www.sissikaipurgay.de/

Sissi Kaiserlos/Kaipurgay

c/o Autorenservice Karin Rogmann

Kohlmeisenstieg 19

22399 Hamburg

Böser Galeriebesitzer

Wie magisch von einem Gemälde angezogen, stoppt Moses vor den Fenstern einer Galerie. Zwei Männer, versunken in den Anblick des jeweils anderen. Irgendwie weckte das Bild in ihm eine tiefe Sehnsucht nach etwas, was er sich selbst kaum eingesteht. Ob dieses Gemälde ihn trösten kann? Doch Moses ist in keiner Weise auf den Inhaber des Geschäfts vorbereitet…

1.

„Hey! Ist das da drüben nicht der Inhaber?“ Henning stieß Moses in die Seite und wies mit der Champagnerflöte auf einen Smokingträger am anderen Ende des Raumes.

„Schrei noch lauter. Ja, das ist Jo Westerwelt.“

Er hatte den Mann auch schon entdeckt und versuchte seitdem, sich möglichst unauffällig zu verhalten. Wann immer es ging, suchte er Schutz hinter irgendwelchen Exponaten oder Hennings breiter Gestalt. Als Henning vorschlug zu dieser Vernissage zu gehen, war ihm klar, dass Jo auch dort sein könnte, immerhin war er der Inhaber der Galerie. Irgendwie hatte er das erfolgreich verdrängt und da sein Partner unglaublich gern die Bilder sehen wollte, schließlich nachgegeben.

„Versteh nicht, wieso ein Kerl in dem Alter mit langen Haaren herumrennt.“ Henning schüttelte den Kopf. „Sieht doch affig aus.“

Moses fand Jos Zopf unheimlich sexy. Manchmal konnte Henning echt spießig sein. Eigentlich störte ihn das nicht, da es gleichzeitig Beständigkeit bedeutete. Man musste nicht immer gleicher Meinung sein, um eine Partnerschaft zu führen. „Ich würde gerne gehen“, bat er.

„Jetzt schon? Ich würde lieber noch ein bisschen bleiben. Hab noch gar nicht alle Bilder gesehen.“

Als einer der livrierten Angestellten mit einem Tablett an ihm vorbeikam, griff er verdrossen nach einem vollen Glas. Es war bereits sein drittes innerhalb kurzer Zeit und er konnte die Wirkung schon deutlich spüren. Vielleicht sollte er sich gründlich besaufen, bis ihm schlecht wurde. Dann müsste Henning ihn wohl oder übel nach Hause bringen. Wieder wanderte Moses‘ Blick zu Jo und er kam nicht umhin, den sexy Kerl für seine elegante Haltung zu bewundern. Seine Gedanken wanderten zurück zu jenem Tag vor zwei Jahren, an dem er die Galerie das erste Mal besucht hatte.

Damals war ihm ein Bild im Schaufenster ins Auge gefallen, das er unbedingt besitzen musste. Die beiden ineinander verschlungenen Männerkörper gefielen ihm über alle Maßen, so dass er sich ein Herz gefasst und die Galerie betreten hatte. Staunend wanderte er durch den hohen Raum, bis ihn eine tiefe Stimme von hinten ansprach.

„Kann ich Ihnen helfen?“

Moses fuhr erschrocken herum. Er war so in die Betrachtung der Bilder vertieft, dass er den Mann gar nicht hatte näherkommen hören. Aus aufgerissenen Augen starrte er den geilen Kerl an und war für einen Moment sprachlos. Er wurde intensiv gemustert, dann verzog sich der Mund des Mannes zu einem verführerischen Lächeln.

„Brauchen Sie einen Schluck Wasser? Sie sind ganz blass.“

„Mhmnein. Geht schon wieder. Sie haben mich erschreckt.“

„Das tut mir leid. Ich neige zum Schleichen.“

Unwillkürlich huschte Moses‘ Blick runter, zu den Schuhen des Mannes. Schwarze Slipper aus feinem Leder. Dazu trug er eine schwarze Hose und ein weißes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln. Grüne Augen sahen ihn neugierig an, als sein Blick wieder oben ankam. Der Mann hatte die dunklen Haare zu einem Zopf gebunden, was seine kantigen Gesichtszüge noch betonte.

„Das Bild im Schaufenster, das mit den zwei männlichen Akten, was kostet das?“, fragte Moses leise, von der direkten Art, wie der Kerl ihn ansah, leicht irritiert.

„Ah! Ja, das ist wirklich ein schönes Stück. Ich hole es gern für sie aus der Auslage.“ Der Typ eilte davon, noch bevor er reagieren konnte. Von hinten sah der Mann genauso fantastisch aus wie von vorn. Der Zopf hing weit über seinen Rücken hinab, fast bis zu dem hinreißenden Arsch in der engen Hose. Mit dem Bild in der Hand kehrte er gleich darauf zurück, ging zu einem Tisch und legte es vorsichtig ab. „Öl auf Leinwand. Der Künstler ist in Deutschland kaum bekannt, dafür aber in seiner Heimat, Großbritannien.“

Moses trat neben den Mann. Ehrfürchtig betrachtete er das Gemälde, das aus der Nähe noch intensiver auf ihn wirkte. Die beiden Männer sahen aus, als ob sie einander gleich küssen würden. Ihre Mienen waren leidenschaftlich verzogen, die Blicke glutvoll. Leider hatte der Künstler die Szene so geschickt gestellt, dass keine Geschlechtsteile zu erkennen waren. „Was kostet das Bild?“

Der Mann nannte eine Summe, die so hoch war, dass Moses schwer schlucken musste. Bei aller Liebe, aber das konnte er sich wirklich nicht leisten. Enttäuscht schüttelte er den Kopf. „Schade. Dann … danke. Aber das ist zu teuer.“

Er wollte sich gerade abwenden, als der Kerl ihn am Ärmel packte und näher heran zog. „Wir könnten über einen Rabatt reden. Ich hätte da eine Idee.“ Unmissverständlich lüstern leckte der Typ sich über die Lippen und ließ den Blick erneut an Moses runterwandern, wobei er in seinem Schritt länger verweilte.

Oh nein! Soweit war er nun doch noch nicht gesunken, dass er für ein Bild seinen Arsch hinhielt. Andererseits … er wollte es wirklich gern haben und der Galeriebesitzer, um den es sich offenbar handeln musste, sah sehr sexy aus. Anscheinend hatte er zu lange überlegt, da ein triumphierendes Grinsen um den Mund des Mannes spielte. Er schien sich schon am Ziel zu wähnen, beugte den Kopf und sein Gesicht kam immer näher. Wie hypnotisiert starrte Moses in diese unglaublich grünen Augen, dann spürte er den fremden Mund. Ganz sachte strichen Lippen über seine, betörten ihn mit Zärtlichkeit und wunderbarem Duft. Moses‘ Augen fielen zu. Automatisch hob er die Arme, schlang sie um den Nacken des sexy Kerls. Er musste sich dafür auf Zehenspitzen stellen, da der Typ ein ziemlicher Riese war. Im nächsten Moment wurde er am Hintern gepackt, hochgehoben und quer durch den Laden getragen.

Sein Denken setzte erst wieder ein, als die Sache vorbei war. Moses lag vornübergebeugt über einem Schreibtisch, die Hose bis zu den Knien runtergeschoben und hatte gerade einen megageilen Abgang hinter sich. Er spürte, wie der dicke Schwanz aus ihm rausgezogen wurde, anschließend half der Mann ihm in die Senkrechte.

„Das war ziemlich geil“, flüsterte der Galeriebesitzer in sein Ohr.

Die tiefe Stimme verursachte eine Gänsehaut und das, obwohl er gerade erst gekommen war. Moses beeilte sich seine Hose hochzuziehen, dabei stieg Schamgefühl in ihm auf. Wie hatte das hier nur passieren können? Er vögelte nie mit Fremden.

„Warte hier. Muss kurz aufs Klo.“ Der Mann verschwand durch eine Tür zu seiner Rechten.

Niemals würde er dem Typen in die Augen sehen können. Moses nutzte die Gelegenheit und flüchtete. Seitdem hatte er nie wieder einen Fuß in die Galerie gesetzt, bis heute.

Ob Jo Westerwelt, dessen Namen er nach diesem Vorfall im Internet recherchiert hatte, ihm das Bild damals geschenkt hätte? Moses folgte Henning zum nächsten Gemälde, irgendeiner abstrakten Darstellung einer Landschaft, sofern er das richtig erkannte. War sein Arsch wirklich so viel Geld wert? Nein, bestimmt nicht. Sicher hätte Jo ihm lediglich einen winzigen Rabatt eingeräumt. Er stürzte den Champagner herunter, winkte einen der Kellner heran und tauschte das leere Glas gegen ein volles.

„Trink nicht so viel“, kam warnend von Henning.

„Ja, ja, Papi.“ Moses warf seinem Partner einen bösen Blick zu, linste wieder heimlich zu Jo und … Verdammt! Der Mann sah ihn direkt an. Ohne Zweifel: Jo Westerwelt hatte ihn erkannt und funkelte ihn verärgert an. Schnell wandte Moses den Blick ab und betete, dass der Boden sich auftäte und ihn verschlingen würde. Natürlich geschah nichts dergleichen, nur dass alles leicht schwankte. „Ich muss mal aufs Klo“, flüsterte er Henning zu.

„Mhm. Ich warte hier.“ Sein Partner war ganz in den Anblick des Gemäldes vertieft.

Moses schaute sich auf der Suche nach einem Hinweisschild um. Er entdeckte das entsprechende Symbol an einer Tür genau hinter Jo. Wenn er einen Bogen schlug, konnte er vielleicht hinter dessen Rücken ungesehen auf die Toilette gelangen. Langsam, als wolle er sich die Bilder ansehen, ging er in die entgegengesetzte Richtung. Er nutzte die Deckung, die einige andere Gäste boten, um sich seitlich an Jo anzuschleichen und schnell in den Toilettenraum zu huschen. Gerade wollte er aufatmen und den Riegel vorschieben, als die Tür aufgestoßen und er rückwärts geschleudert wurde. Unsanft prallte er gegen das Waschbecken und sah sich einem zornigen Jo Westerwelt gegenüber.

„Wieso bist du damals einfach abgehauen?“, wurde er angefaucht.

„Ich …“ Der Rausch war mit einem Schlag verflogen. Moses zuckte die Achseln. Was sollte er darauf antworten? Dass es ihm peinlich gewesen war?

„Mann!“ Jo fuhr sich durchs Haar, woraufhin sich einige Strähnen aus dem Zopfgummi lösten und ihm wild ins Gesicht hingen. „Ich hab gesagt, du sollst warten.“

„Ich tue nicht immer das, was man mir sagt“, erwiderte Moses schnippisch und reckte kampfeslustig das Kinn vor.

„Nun komm mir nicht so blöde. Ist der Kerl da draußen dein Stecher?“

„Henning ist mein Partner.“

„Weiß er, dass du deinen kleinen Hintern verkaufst?“ Jo grinste wölfisch.

„Ich hab mich nicht verkauft. Hab von dir keinen Cent gesehen.“

„Tja. Wenn du gewartet hättest …“ Westerwelt verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür und hob arrogant eine Augenbraue.

„Was dann? Hättest du mir einen Zehner in die Unterhose geschoben, oder was?“ Moses kam langsam in Fahrt.

„Ich wollte dir das Bild schenken.“ Jos Stimme klang plötzlich ganz sanft. „Gib mir deine Adresse, dann bringe ich es vorbei. Es ist bei mir zu Hause. Hab’s für dich aufbewahrt.“

Das Herz sackte Moses in die Hose. Oh nein! Wenn Jo vor ihrer Wohnung auftauchte, musste er Henning das erklären. Er wusste, wie sein Partner reagieren würde. Henning war überaus konservativ und besaß bestimmt kein Verständnis dafür, dass er, Moses, seinen Arsch für ein Gemälde feilgeboten hatte. Auch wenn das im Grunde nicht stimmte, da er einfach überrumpelt worden war. Eigentlich glich die Sache eher einer Vergewaltigung, allerdings einer ohne Gegenwehr. Im Gegenteil: Wenn er sich recht erinnerte, hatte er aktiv gestöhnt und der Orgasmus war auch ziemlich geil gewesen.

„Nein. Ich gebe dir meine Adresse nicht.“

„So, so.“ Ein spöttisches Grinsen erschien auf Jos Gesicht. „Dann frage ich mal deinen Lover.“ Gelassen drehte er sich um, öffnete die Tür und Moses konnte sehen, dass Jo direkt auf Henning zuhielt. Entsetzt stolperte er hinterher und erreichte seinen Partner kurz nach Westerwelt. „Ich bin Jo Westerwelt, der Galeriebesitzer. Sie interessieren sich für abstrakte Kunst?“

Deutlich geschmeichelt schüttelte Henning die ihm dargebotene Hand. Moses schloss kurz die Augen, da ihm schwindelig wurde vor Angst. Als er sie wieder öffnete, lag Hennings Blick besorgt auf ihm. „Was ist mit dir? Bist du betrunken?“

„Er kann sich in meinem Büro ausruhen“, bot Jo sogleich selbstlos an, wofür Moses ihn am liebsten getreten hätte.

„Es geht schon wieder“, behauptete er.

„Also: Sie mögen abstrakte Kunst?“, wandte Westerwelt sich wieder an Henning. „Wenn Sie mir Ihre Adresse geben, kann ich sie über günstige Angebote auf dem Laufenden halten.“

„Nein! Also, ähm, Henning mag schon die Gemälde, aber er kauft nie welche“, mischte Moses sich verzweifelt ein.

„Ach?“ Hennings Augenbrauen flogen hoch.

„Ich meine, Schatz, das können wir uns doch gar nicht leisten.“ Moses sah aus dem Augenwinkel, dass Jo bei dem Wort Schatz das Gesicht grimmig verzog.

„Wenn Herr Westerwelt so nett ist, mir Angebote zu schicken ….“ „Nennen Sie mich Jo“, bat Westerwelt, indem er Henning unterbrach. Was für ein perfider Schurke! Moses hätte am liebsten mit dem Fuß aufgestampft vor Frust.

„Gern. Ich bin Henning Mausbach und das ist Moses Assad, mein Partner.“

„Angenehm.“ Jo strahlte ihn an.

„Ach, hier bist du“, ertönte in diesem Moment hinter Moses eine Stimme. Gleich darauf hängte sich ein schlanker Braunhaariger an Jo und schlang vertraulich einen Arm um dessen Schultern. Westerwelts Miene verzog sich einen winzigen Moment genervt, dann wurde sie wieder aalglatt. Moses triumphierte innerlich. Anscheinend durchkreuzte der Neuankömmling Jos gemeinen Plan, ihn zu kompromittieren.

„Hallo Arthur. Dachte, du hast heute keine Zeit.“

„Hab mich freigeschaufelt. Extra für dich.“ Dieser Arthur himmelte Westerwelt offensichtlich an. „Freust du dich nicht?“

„Öhm. Hier, meine Visitenkarte“, meldete sich Henning zu Wort, reichte Jo ein Pappkärtchen und Moses‘ Hoffnung sackte zu einem Häufchen Asche zusammen. Die verdammten Visitenkarten waren das erste, was sein Partner nach ihrem Zusammenziehen hatte anfertigen lassen. Nun wurden sie ihm zum Verhängnis. Er konnte deutlich sehen, wie Jos Augen voller Triumph aufblitzten.

„Danke. Sie hören von mir.“ Mit Arthur im Schlepptau entfernte sich Westerwelt, während Moses‘ Beine butterweich wurden. Er suchte Halt an Henning, lehnte sich schwer gegen ihn und sah seine Welt schon in die Brüche gehen. Irgendwie musste er diesen Verrückten aufhalten, aber wie?

„Mhm? Du siehst müde aus, Schatz. Komm, lass uns gehen“, murmelte Henning versöhnlich.

2.

Zwei verdammte Jahre hatte er nach dem süßen Kleinen gesucht, nun lief er ihm direkt in die Arme. Jo frohlockte auf der einen Seite, auf der anderen war er stinksauer. War er wirklich so hässlich, dass Moses weglaufen musste? Der Sex hatte dem Süßen gefallen, dem ekstatischen Stöhnen – das er immer noch in seinen Träumen hörte – nach sogar sehr. Von Widerstand konnte auch nicht die Rede sein und die Küsse waren freiwillig erwidert worden. Wie ein Irrer hatte er jedes beschissene Internetportal abgesucht, sich in Chats rumgetrieben und nichts gefunden. Damals besaß er ja noch nicht mal einen Namen, war darauf angewiesen, irgendwo ein Foto zu finden.

„Gehen wir zu dir?“ Verspielt strich Arthur ihm eine Haarsträhne hinters Ohr.

Er mochte den Mann, aber in seinem Herzen hatte sich eine kleine exotische Schönheit eingenistet. Eine, die gerade mit diesem unscheinbaren Henning die Galerie verließ. Ob die beiden gleich wild rumvögeln würden? Der Gedanke verursachte stechende Eifersucht.

„Jo? Erde an Jo! Hallo!“ Arthur wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum.

Er zwang ein Lächeln auf seine Lippen, wandte den Blick von dem ungleichen Paar ab und seufzte leise. „Ja. Lass uns gehen. Bin hier eh überflüssig. Der Künstler …“ Er sah zu einem kunterbunt gekleideten Mann rüber, der eifrig gestikulierte und auf ein Ehepaar einredete. „… kommt mit Kenneth gut klar.“

Kenneth Mager war sein langjähriger Angestellter. Promovierter Kunsthistoriker, sehr charmant und überaus fähig. Jo vertraute ihm und war sicher, dass er die Vernissage allein zu einem guten Ende bringen würde. Mit den Augen suchte er die Menge nach dem Mann ab, entdeckte ihn auf der anderen Seite des Raumes und winkte, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Kenneth nickte als Zeichen, dass er ihn bemerkt hatte. Im nächsten Moment kam er auf sie zu, wobei sein Blick auf Arthur lag. Jo ahnte schon lange, dass Kenneth Interesse an dem Mann hegte und fühlte sich mies, dass er als eine Art Nebenbuhler dastand. Doch was sollte er gegen Arthurs nahezu kriecherische Ergebenheit tun? Außerdem war er ein Mann, keine Mumie und hatte eben körperliche Bedürfnisse.

„Kommst du allein klar?“, fragte er leise, als Kenneth vor ihm stand.

„Sicher. Ist ja eh nur noch eine Stunde. Hallo Art.“

„Hey Ken.“ Wie immer, wenn Arthur mit Kenneth sprach und diesen dämlichen Spitznamen verwendete, troff seine Stimme vor Ironie. Jo wusste nicht den Grund dafür und vermutete einfach mal Eifersucht, obwohl er mit Kenneth nie etwas hatte oder haben würde. Sie waren Freunde und Kollegen. Punkt. Dass sie beide schwul waren, tat diesem Umstand keinen Abbruch.

„Okay. Dann geh ich mal. Bin verdammt müde.“ Er fasste Arthur am Ellbogen und dirigierte ihn an Kenneth vorbei zum Ausgang. Als er nach draußen trat, musste er dringend tief Luft holen und die herrlich frische Aprilluft vertrieb ein wenig das dumpfe Gefühl aus seinem Inneren. Wenigstens gab es nun einen Hoffnungsschimmer, da er die Adresse von Henning und, wenn er recht begriffen hatte, damit auch die von Moses besaß. Nun galt es die Karten richtig auszuspielen. Ein bisschen Erpressung hier, ein wenig Überredungskunst da und natürlich brauchte er verdammt viel Glück. Im Moment brauchte er einfach einen Hintern, an dem er sich abreagieren konnte. Genau den bot Arthur und er würde den Teufel tun, darauf zu verzichten.

Am nächsten Tag kam eine Lieferung neuer Bilder von A. Stark, dem Künstler, der auch das Gemälde, das Moses so sehr gefiel, gemalt hatte. Jo packte selbst die Kiste aus, bewunderte jedes der Kunstwerke ausgiebig und fragte sich mal wieder, ob jemand dafür Modell stand. A. Stark beschränkte sich auf männliche Akte, meist in einem romantischen Kontext. Jedes seiner – oder ihrer? Jo kannte den Künstler nicht persönlich – Werke drückte Gefühl aus und hinterließ in seinem Magen ein angenehm erotisches Kribbeln. Daher verkauften sich die Bilder auch gut und es war im Prinzip Sünde, dass er das Gemälde, für das Moses seinen Arsch verkauft hatte, in seiner Wohnung versteckte. Er konnte sich jedoch nicht davon trennen. Es war über die lange Zeit das einzige Verbindungsglied zwischen Moses und ihm gewesen und nun … Nun sollte es dazu dienen, dessen Herz zu gewinnen. Nachher, wenn Feierabend war, wollte er das Werk einpacken und zu Hennings Adresse fahren. Noch war der Plan eher vage, aber Jo sicher, dass ihm schon etwas einfallen würde. Moses‘ Panik war am Vortag deutlich zu erkennen gewesen. Dass dieser Henning nicht zu ihm passte, genauso glasklar. Nun galt es nur noch, Moses davon zu überzeugen und sobald der Weg frei war, die Werbung zu beginnen.

„Nette Motive.“ Kenneth trat hinter ihn und betrachtete das Bild, das Jo gerade vorsichtig aufhängte.

„Was meinst du? Ist A. Stark eine Frau oder ein Mann?“

„Ich würde mal sagen …“ Sein Kollege schlang die Arme um Jos Taille und parkte das Kinn auf seiner Schulter. „… es ist ein Künstler. Mit der Fähigkeit, Emotionen einzufangen. Einfach fantastisch.“

„Es. Okay. Ein Neutrum.“ Jo lachte, lehnte kurz die Wange gegen Kenneth‘ und löste sich dann aus der Umarmung. „Sag mal … Du bist hoffentlich nicht sauer auf mich, weil ich Arthur vögele, oder?“

„Iwo!“ Entrüstet schüttelte sein Kollege den Kopf. „Art kann rumbumsen wie er will. Mir doch egal.“

„Mhm. Schon klar.“ Jo boxte dem Lügner in die Rippen.

„Du denkst doch nicht etwa …?“ Kenneth riss in gespieltem Entsetzen die Augen auf.

„Iwo“, äffte Jo ihn nach. „Nie im Leben.“ Lachend ging er ins Büro, kippte Kaffee in einen Becher und sah versonnen ins Leere.

Vergangene Nacht hatte er Arthur richtig hart durchgenommen. All seine Wut an ihm ausgetobt und dabei an Moses gedacht. Zwei Orgasmen später war er eingeschlafen, nur um irgendwann schweißnass aus einem Alptraum aufzuwachen. Henning und Moses im Standesamt. Etwas, was ihm Magenschmerzen bereitete. Er musste den Kleinen vorher für sich gewinnen.

„Jo? Kommst du mal?“ Kenneth‘ Stimme riss ihn aus den Gedanken. Jo sah zur Uhr, seufzte und wünschte, dass endlich Feierabend wäre. Noch zwei Stunden, bis er nach Hause konnte, um den ersten Teil seines Planes umzusetzen. Er stellte den Becher weg, ging in den Laden und setzte ein professionelles Lächeln auf. Als er Moses erblickte, sackten seine Mundwinkel schlagartig nach unten. Dessen starre Miene verhieß nichts Gutes.

„Ich muss mit dir reden.“ Moses maß ihn mit kaltem Blick.

„Komm ins Büro. Kenneth? Bitte entschuldige mich für ein paar Minuten.“

Deutliche Neugier lag in Kenneth‘ Augen, als er Moses heranwinkte und ins Büro geleitete. Er warf seinem Kollegen einen um Verständnis heischenden Blick über die Schulter zu, bevor er die Tür schloss. Moses baute sich vor dem Schreibtisch, auf dem er den süßen Kerl vor fast genau zwei Jahren gevögelt hatte, mit verschränkten Armen auf. Wenn Blicke töten könnten, würde Jo in den nächsten Sekunden den letzten Atemzug tun.

„Du … du willst meine Beziehung kaputtmachen“, stieß Moses hervor. „Warum? Lass das! Bitte!“

„Er passt nicht zu dir.“

„Ach? Bist du Experte? Henning und ich … wir kommen klar. Ich brauche ihn. Bitte, mach das nicht kaputt!“ Es lag echte Verzweiflung in Moses‘ Stimme, was Jo tief rührte.

„Wieso brauchst du ihn?“

„Ich … ich brauche einen Halt. Jemanden, dem ich vertrauen kann. Henning ist dieser Mensch. Er ist für mich da und was hast du davon, wenn du mir das wegnimmst?“

Dich! Das sagte Jo lieber nicht laut, dachte es nur. „Na gut. Treffen wir uns in der Mitte. Du kommst morgen zu mir und wir essen zusammen, danach nimmst du das Bild mit. Okay?“

Sekundenlang starrte Moses ihn stumm an. Jo konnte förmlich sehen, wie sich die Zahnrädchen in seinem Kopf drehten. Dann nickte er bedächtig. „Okay. Du rührst mich aber nicht an. Klar?“

„Klar.“ Jo kreuzte die Finger hinter seinem Rücken. „Also Morgen um sieben.“

Ein zaghaftes Lächeln erhellte Moses‘ Gesichtszüge. Er nickte abermals. „Gut. Und danke. Bist wohl doch ganz anständig.“ Mit diesen Worten ging Moses zur Tür, öffnete sie und verschwand aus Jos Blickfeld. Lange starrte er auf die Öffnung und dachte darüber nach, wirklich die Finger von dem Süßen zu lassen. Wenn Moses glücklich war, hatte er dann ein Recht daran etwas zu ändern? Aber war er glücklich, nur weil er diesen Henning brauchte? Konnte er das nicht besser auf ihn, Jo, anwenden?

An diesem Abend saß er lange vor dem Bild, das er für Moses aufbewahrte und sah die beiden Männer an. Sie wirkten so innig und vertraut, dass es ihm seine Einsamkeit schmerzlich bewusst machte. Genau das, was die beiden miteinander teilten, wollte er auch. Als er Moses das erste Mal gesehen hatte, war dieses Gefühl erwacht und hielt ihn seitdem im Atem.

Eigentlich war Jo ein rationaler Mensch, der sich dank eines frühen Erbes, nachdem seine Eltern verunfallt waren, eine Existenz aufbauen konnte. Mit sicherem Gespür hatte er Künstler entdeckt, die Galerie eröffnet und war inzwischen Inhaber von drei Läden. Einer Galerie in Mailand, New York und der in Hamburg. Die Geschäfte liefen gut und das Geld stapelte sich allmählich. Nur in seinem Privatleben stapelte sich nichts, außer seelenlosem Sex. Apropos. Er sollte Arthur anrufen.

Seit einigen Monaten trafen sie sich regelmäßig. Jo hatte von vornherein klar gemacht, dass es für ihn nicht mehr als ein Hormonausgleich war. Arthur versuchte dennoch ständig ihn zu einer Beziehung zu überreden. Vielleicht wurde es Zeit, dass er die Sache beendete, bevor noch Herzen zerbrachen.

Arthur meldete sich nach dem ersten Rufton. „Sehen wir uns heute noch?“

„Lass uns auf einen Drink treffen. In einer Stunde im Rostigen Nagel?“ Es war nicht die feine Art, etwas am Telefon zu beenden. Jo hasste solche Gespräche, drückte sich aber nicht davor.

„Du willst reden?“

„Ja.“

„Über uns?“

„Ja.“ Es tat weh zu hören, wie Arthur leise schniefte.

„Du machst Schluss, richtig?“

„Hör mal, ich mag das nicht am Telefon besprechen. Lass uns zusammen was trinken und wie zwei vernünftige Menschen reden.“

„Scher dich zum Teufel!“ Arthur legte einfach auf.

Perplex starrte Jo sein Smartphone an. Damit hatte er nicht gerechnet, da Arthur normalerweise nicht so überemotional veranlagt war. Wahrscheinlich hätte er sich nie auf die Affäre einlassen sollen. Ach, was nützten solche Überlegungen?

Am Abend des folgenden Tages wuchs seine Nervosität beständig an. Er hatte eher Feierabend gemacht, bei einem Feinkostladen allerlei Delikatessen besorgt und eine Flasche Rotwein geöffnet. Im Wohnraum seines Lofts lag nun eine Decke mit orientalischem Muster auf den Boden. Ein paar bunte Kissen luden zum Verweilen ein. Die Speisen hatte er in der Mitte platziert, umgeben von Weintrauben. Ob Moses sich auf dieses improvisierte Picknick einlassen würde? Jo konnte sich den hübschen Kerl mit den Mandelaugen und pechschwarzen Haaren verdammt gut auf der Decke vorstellen, vorzugsweise nackt. Unruhig warf er einen Blick zur Uhr, deren Zeiger sich so gar nicht vorwärts bewegen wollten. Noch sieben Minuten und ihm war jetzt schon speiübel vor Angst, die Sache zu vermasseln. Wie sollte er es anstellen, Moses von sich zu überzeugen, wenn er ihn nicht anfassen durfte?

Jo lief ins Schlafzimmer, musterte sich im bodentiefen Spiegel und überlegte, ob er die lässige Jeans gegen etwas Formelleres tauschen sollte. Andererseits konnte er schlecht im Anzug auf der Decke hocken, das würde merkwürdig aussehen. Er löste den Zopf, wuschelte sich durchs Haar und zupfte an dem weißen T-Shirt herum. War es zu eng? Man konnte seine Muskeln und Brustwarzen durch den dünnen Stoff erkennen. Als er es gerade über den Kopf ziehen wollte, ertönte die Türglocke.

„Moses? Fahr ganz nach oben“, sagte er in die Gegensprechanlage, anschließend öffnete er die Wohnungstür und beobachtete den Fahrstuhl.

Nur sein Appartement befand sich in der obersten Etage, was ihm viel Privatsphäre bot. Er kannte kaum einen der anderen Mieter, bis auf die alte Dame im Erdgeschoss und das, obwohl er annähernd zehn Jahre hier wohnte. Die Leuchtanzeige des Lifts verriet ihm, dass der Aufzug gleich im obersten Stockwerk ankommen würde. Jos Handflächen waren ganz schwitzig, etwas, was er so gar nicht von sich kannte. Er rieb sie an seiner Jeans trocken, fixierte die Fahrstuhltüren und atmete mehrmals tief durch. Als sie auseinanderglitten, hatte er sich einigermaßen im Griff.

Moses war ganz in schwarz gekleidet, was sein exotisches Äußeres noch unterstrich. Mit deutlich angespannter Miene verließ er die Kabine und trat auf Jo zu. „Ich hab nicht lange Zeit. Hab Henning gesagt, dass ich mit ein paar Kollegen etwas essen gehe.“

Na, das fing ja gut an. Jo machte eine einladende Handbewegung und schloss hinter seinem Gast die Tür. „Deine Jacke kannst du da aufhängen.“ Er wies auf die Garderobe gleich neben dem Eingang.

„Wow! Na ja, hatte ich schon irgendwie erwartet, dass du so großzügig wohnst.“ Moses streifte seine dünne Lederjacke ab und hängte sie an einen Haken. Neugierig schaute er sich um, wobei er die Hände in den Gesäßtaschen versenkte.

„Wirke ich wie ein Geldsack oder was willst du damit sagen?“

„Quatsch! War ein dummer Spruch, vergiss es.“ Langsam ging Moses auf die Decke zu, musterte das Arrangement und sah über die Schulter zu Jo, der an der Tür stehengeblieben war. „Picknick?“ Er hob erstaunt die Augenbrauen.

„Warum nicht? Magst du Rotwein?“ Jo schlenderte in Richtung Küche.

„Eigentlich trinke ich lieber Bier.“

In der Hinsicht war Jo flexibel. Er besorgte zwei Flaschen Pils aus dem Kühlschrank, kehrte zur Decke zurück und ließ sich im Schneidersitz nieder. Sein Gast wirkte einen Moment etwas unschlüssig, streifte aber seine Schuhe ab, um sich gegenüber niederzulassen. So hatte Jo sich das vorgestellt: Der zierliche Moses passte haargenau in dieses exotische Ambiente. Lächelnd reichte er seinem Gast eine Flasche, stieß mit ihm an und trank einen Schluck.

„Ich hoffe, du hast Hunger mitgebracht.“ Jo schob einen Teller zu Moses rüber und hoffte, dass er selbst ein paar Bissen runterbekommen würde. Im Augenblick fühlte sich sein Magen wie zugeknotet an.

„Mhm.“ Interessiert betrachtete Moses die verschiedenen Salate. „Was ist denn das da?“ Er zeigte auf ein Schälchen mit Hummersalat.

Jo erklärte, was sich in den einzelnen Schüsseln befand, wobei seine Anspannung etwas nachließ. Offenbar war Moses nicht feindselig gestimmt und griff eifrig zu. Zu den Salaten gab es frisches Baguette, gefüllte Oliven und Kräuterbutter. Angesichts des genüsslich kauenden Moses kehrte Jos Appetit zurück. Auch er langte zu und eine Weile aßen sie schweigend.

„Wo hast du deine hübsche Hautfarbe her?“, durchbrach er schließlich die andächtige Stille.

„Mein Vater stammt aus Ägypten. Meine Mutter hat ihn während eines Urlaubes kennengelernt. Liebe auf den ersten Blick. Na ja, sie haben sich scheiden lassen, als ich fünf war. Papa ist dann zurück zu seiner Familie gegangen.“ Moses seufzte. „Ich hab ihn ein paarmal besucht und vermisse ihn.“

„Das kann ich verstehen. Meine Eltern sind beide bei einem Unfall umgekommen und ich vermisse sie auch.“

„Oh! Das tut mir leid. Wie alt warst du?“ Die dunklen Mandelaugen sahen ihn mitfühlend an.

„Zwanzig.“ Jo musste schwer schlucken, als er an den Moment zurückdachte, in dem ihm die Polizei die schreckliche Nachricht überbrachte. Das war siebzehn Jahre her, dennoch konnte er sich an jedes Detail erinnern, sogar daran, dass der eine Bulle einen Schnauzbart trug. Er strich sich eine störende Strähne hinters Ohr und griff nach einer Olive.

„Und … wie alt bist du jetzt?“

„Siebenunddreißig.“

„Ich hätte dich jünger geschätzt.“ Moses lächelte breit. Anscheinend wollte er die Stimmung verbessern, ein lieber Charakterzug.

„Schmeichler. Gibst du mir eine Weintraube?“ Jo sammelte Teller und Besteck ein, stellte es beiseite und rückte unauffällig näher zu seinem Gast. Als Moses ihm ein Zweiglein Trauben reichte, öffnete er auffordernd den Mund und setzte dabei einen verführerischen Blick auf. Jo, die Sirene. Diese Nummer hatte er noch nie gebracht. Hoffentlich wirkte sie.

„Ich soll dich füttern?“ Moses gluckste, pflückte eine Weintraube vom Zweig, zögerte kurz, doch dann hielt er sie ihm an die Lippen. Jo schnappte zu, wobei er kurz Moses‘ Finger streifte.

„Mehr“, bat er, zerbiss die Traube und schluckte.

Es schien, als wäre sein Gast fasziniert von dem Spiel. Eine Weintraube nach der anderen hielt Moses ihm hin, dabei guckte er ganz verträumt. Bei der letzten wagte Jo, einen zarten Kuss auf die Fingerspitzen zu hauchen. Die Hand verharrte in der Luft, die sich inzwischen mit sexueller Spannung aufgeladen hatte. Jo war hart wie nichts Gutes und linste vorsichtig zwischen Moses‘ Beine. Die Wölbung der Jeans verriet, dass das Spielchen auch an Moses nicht spurlos vorbeigegangen war.

„Soll ich jetzt dich füttern?“ Jo flüsterte, um die Stimmung nicht zu zerstören.

Ganz langsam bewegte Moses den Kopf auf und nieder. Seine Augen waren verschleiert, eine rosa Zungenspitze fuhr hektisch über die hübschen Lippen, bevor er sie erwartungsvoll öffnete. Jo hielt ihm eine Traube hin, darauf bedacht, nicht zu forsch vorzugehen. Wie in Zeitlupe biss Moses hinein, den Blick fest auf Jo gerichtet. Saft tropfte über sein Kinn. Rasch stopfte Jo den Rest der Weintraube in den eigenen Mund, um gleich darauf Moses eine neue anzubieten. Diesmal schnappte der sofort zu, kaute grinsend und sperrte den Mund gleich wieder auf. Wieso war es nur so erotisch, sich gegenseitig zu füttern? Jo mochte sich gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn er eine Traube auf Moses‘ Körper zerdrückte und hinterher den Saft von dessen Haut leckte. Bestimmt würde er gleich abspritzen. Im Moment war er auch kurz davor.

Als er sich bewegte, um ein neues Zweiglein Trauben zu beschaffen, stieß er versehentlich gegen seine halbvolle Bierflasche. Schäumend ergoss sich das Pils über die Decke und seine Jeans. Moses zuckte zusammen, als wäre er aus einem Traum aufgewacht. Sein Blick wurde klar und er wischte sich den Saft vom Kinn, während er langsam aufstand.

„Ich muss los. Henning wartet.“ Ernst sah er auf Jo runter. „Danke für das Essen.“

„Warte!“ Innerlich fluchend stellte Jo die Flasche wieder hin, sprang auf und folgte Moses zur Tür. „Geh noch nicht. Bitte!“

„Das hier ist absolut falsch“, murmelte sein Gast leise, wohl nur für die eigenen Ohren bestimmt. „Absolut falsch.“ Er riss die Jacke vom Haken und griff nach der Türklinke.

„Moses! Bitte! Ich …“ Jo griff zu, zwang Moses am Arm herum und pinnte ihn mit seinem ganzen Körper gegen die Wohnungstür. „Ich will nicht, dass du schon gehst.“

„Du hast versprochen mich nicht anzurühren“, stieß Moses mit zusammengebissenen Zähnen hervor.

Sie fochten für einen langen Moment ein Blickduell aus. Exotische Mandelaugen gegen blitzende grüne. Wie schon bei ihrer ersten Begegnung, entstand knisternde Spannung. Jo glaubte zu spüren, dass Moses‘ Widerstand schwächer wurde, senkte langsam den Kopf und berührte dessen verkniffenen Mund mit seinem. Die Berührung sandte einen elektrischen Impuls direkt in seine Körpermitte. Stöhnend presste er sich enger an den Süßen, ging dabei etwas in die Knie, um seinen harten Schwanz gegen das Gegenstück zu drücken. Moses keuchte erregt auf, gewährte dabei Einlass in seine Mundhöhle. Ein wilder Kampf ihrer Zungen begann, während Jo mit einer Hand Moses‘ kleinen Hintern packte, um ihn noch näher heranzuziehen. Die Erlösung überrollte ihn urplötzlich. Zitternd ejakulierte er in seine Hose. Im nächsten Augenblick stöhnte Moses ekstatisch und wurde ganz starr in seinen Armen. Beide sogen sie hektisch Atem ein, wobei Moses entsetzt zu ihm aufschaute. Jo war noch so schwach von seinem Orgasmus, dass er sich nicht wehren konnte, als sein Gast ihn wegschubste, die Tür aufriss und floh.

„Gratuliere“, murmelte er traurig. „Jo Westerwelt, du hast es versaut.“

3.

Wieso hatte er diesem Arschloch nur vertraut? Wütend über sich selbst, zugleich innerlich total aufgewühlt, rannte Moses die Treppe hinunter. Vor der Haustür stoppte er, zog seine Jacke über und kramte ein Taschentuch hervor. Verschämt sah er sich um, bevor er es vorn in seine Jeans stopfte. Als dieser verdammte Kerl mit der Scheißfütterei begonnen hatte, hätte er ihm Einhalt gebieten müssen. Stattdessen war er darauf eingegangen. Ab dem Moment war eigentlich klar, worauf Jo hinauswollte und er war mit offenen Augen in sein Unglück gerannt. Wie sollte er das Henning erklären? Seinem lieben, bodenständigen, biederen Partner, der gern aus einer Mücke einen Elefanten machte? Am besten gar nicht.

Moses log nicht gern. Er konnte das gar nicht, wurde sogar bei der kleinsten Flunkerei gleich rot. Falls Henning ihn zur Rede stellte, würde er mit der Wahrheit rausrücken müssen. Hoffentlich bemerkte sein Schatz nichts.

Auf dem Heimweg legte er sich zurecht, in welchem Lokal er mit den Kollegen gewesen war. Beim Essen konnte er die Wahrheit sagen, indem er den Hummer und Kaviar wegließ. Als er die Tür zur gemeinsamen Wohnung aufschloss, zwang er sich zur Ruhe. Schließlich war er nur drei Stunden unterwegs gewesen, wie sonst auch, wenn er mit den Arbeitskollegen ausging.

„Ich bin wieder da“, rief er in Richtung Wohnzimmer, streifte Jacke und Schuhe ab und huschte schnell ins Schlafzimmer. Im Nu hatte er Jeans und Shorts gewechselt, stopfte die vollgesauten Sachen in den Schmutzwäschekorb und ging anschließend ins Bad. Nach einer Katzenwäsche gesellte er sich zu Henning auf die Couch.

„War’s schön?“ Sein Schatz bot ihm die Lippen, nur um gleich wieder zur Glotze zu gucken.

„Mhm. Wie immer.“ Moses sah auf die Mattscheibe. Es lief irgendein Krimi, Hennings Lieblingsserie.

„Hast du Knoblauch gegessen?“ Henning wandte ihm erneut das Gesicht zu und schnupperte.

„Kann sein. Tut mir leid.“ Mist! Bestimmt war in dem leckeren Hummersalat massig von dem Gewürz gewesen. Daran hatte Moses überhaupt nicht gedacht. Na ja, er hatte an so vieles nicht gedacht.

„Du weißt, dass ich allergisch gegen das Zeug bin.“ Säuerlich verzog Henning die Miene. „Na gut, dann gibt’s eben keine Küsse, bis du nicht mehr stinkst.“

Sonst hätte Moses das gestört, doch in diesem Moment spürte er merkwürdigerweise Erleichterung. Ihm war gar nicht danach Henning zu küssen, noch weniger wollte er Sex mit ihm. Hatte Jo ihn etwa umgepolt? Also: Nicht auf Frauen, sondern auf Jo? Moses geriet ins Grübeln, wobei die Geschehnisse in der Glotze gänzlich an ihm vorbeigingen. Als Henning den Kasten ausschaltete und aufstand, kam er wie von weit her ins Jetzt zurück. Erstaunt sah er zur Uhr auf dem Sideboard. Schon halb elf?

„Ich geh ins Bett.“ Henning gähnte ungeniert. „Sei so lieb und schlaf hier, bis der Gestank verschwunden ist. Okay?“

„Okay.“ Moses erhob sich, ging ins Schlafzimmer und schnappte sich sein Bettzeug. Es war schon mal vorgekommen, dass Henning ihn ausquartiert hatte, allerdings war das wegen Trunkenheit geschehen. Eigentlich führten sie eine richtig spießige Ehe, wobei Henning die weibliche Rolle innehatte. Oft redete er sich mit Kopfschmerzen heraus, wenn ihm nicht nach Sex war und auch was die Ordnung anbetraf, zickte er gern. Moses wusste nicht, wieso er ausgerechnet jetzt solche Gedanken wälzte. Doch, er wusste es, wollte es aber nicht wahrhaben. Jo war nach diesem Abend Geschichte. Er würde dem verdammten Kerl noch einmal die Meinung geigen, danach trennten sich ihre Wege für immer. Moses sah seine Zukunft mit Henning, wie einen ruhigen, plätschernden Bach. Er mochte Bäche und brauchte keinen rauschenden Wildwasserflüsse, wie Jo einer war.

Am nächsten Tag suchte er nach Feierabend wieder die Galerie auf. Diesmal hatte er Pech. Der Angestellte oder Kollege von Jo erklärte, dass selbiger früher gegangen sei. Moses überlegte zwar kurz, ob er Jo in seiner Wohnung aufsuchen sollte, nahm aber von dem Gedanken Abstand. Er wollte nicht wieder in die Höhle des Löwen geraten.

„Kann ich Ihnen weiterhelfen?“ Der Blonde musterte ihn neugierig.

„Nein. Das ist privat.“ Moses schenkte dem sympathischen Kerl ein bedauerndes Lächeln. „Grüßen Sie ihn von mir. Ich komme morgen wieder.“

„Gern. Und von wem soll ich grüßen?“

Am liebsten hätte Moses sich gegen die Stirn geschlagen. Wie konnte er nur so blöde sein? „Moses Assad“, stellte er sich höflich vor, nickte dem Mann zum Abschied zu und verließ die Galerie.

Henning war noch nicht zu Hause, als er die Wohnung betrat. Donnerstags musste sein Schatz oft länger arbeiten, da die Bank bis achtzehn Uhr geöffnet hatte. Moses kümmerte sich als erstes um die Wäsche, damit seine eingesaute Jeans nicht etwa Henning in die Hände fiel. Anschließend machte er sich daran, das Abendessen vorzubereiten. Sie wohnten erst ein Jahr zusammen, waren aber schon ein eingespieltes Team. Die Aufgaben waren klar verteilt. Abwechselnd wurde gekocht, immer von dem, der eher daheim war. Was das Putzen anbelangte, kümmerte Henning sich darum, da Moses ihm nicht penibel genug war. Blumenpflege, sowie Gardinen und Fenster oblagen auch Henning, während Moses für den Müll und die Technik zuständig war.

Während Moses Kartoffeln schälte, wanderten seine Gedanken wieder zu Jo. Bestimmt ließ der sich sein Essen liefern oder ging ins Restaurant. Henning lehnte so etwas ab, da es nach seiner Meinung zu teuer war, dabei verdiente er bestimmt als Bankangestellter ganz gut. Moses selbst war nur ein kleiner Versicherungssachbearbeiter. Sein Gehalt reichte gerade mal zum Überleben. Seit er mit Henning eine günstige Genossenschaftswohnung teilte, kam er besser über die Runden. Er hatte sogar ein paar Euros gespart und hoffte, dass sie bald gemeinsam Urlaub machen würden. Allerdings war Henning auch diesbezüglich der Meinung, dass derartiges rausgeworfenes Geld sei. Sollte Moses‘ restliches Leben wirklich so aussehen? Immer am Sparen und bis zum Tode in dieser Wohnung versauernd? Himmel! Er musste seine Gedanken wirklich in eine andere Richtung lenken, sonst wurde er noch trübsinnig.

„Schatz? Ich bin zu Hause“, rief Henning in seine Überlegungen hinein.

Er hatte nicht einmal den Schlüssel im Schloss gehört, so tief war er in Grübeleien versunken gewesen. „Essen ist gleich fertig“, antwortete Moses und zog eine Grimasse, als ihm das Klischeehafte dieses Wortwechsels aufging.

„Was gibt es denn?“ Henning trat hinter ihn und linste über seine Schulter.

„Schmorkartoffeln mit Ei und Speck.“

„Cholesterin lässt grüßen“, murmelte sein Schatz, küsste ihn auf die Wange und holte Geschirr aus dem Schrank.

Henning war erst vierzig, aber manchmal wirkte er wie sechzig. Moses hatte ihn in der Bank kennengelernt, nachdem seine Karte nach drei Fehlversuchen eingezogen worden war. Hennings ruhige Art gefiel ihm auf Anhieb. Damals waren sie in ein Restaurant gegangen und erst nach zwei Wochen zusammen im Bett gelandet. Henning bestand auf eine längere Kennenlernphase, was Moses auch sehr imponierte. Sechs Monate später waren sie in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Seitdem verlief sein Leben in ruhigen Bahnen. Henning war der Fels in der Brandung, wobei er langsam eher einem gestrandeten Wal glich. Der Bauchansatz zeigte sich deutlich unter dem billigen Hemd, das um die Taille stark spannte.

Moses schüttelte den Kopf, um sich von diesen gemeinen Gedanken zu befreien. Henning gab ihm das, was er brauchte: Ein Zuhause. Nach der Scheidung seiner Eltern war seine Mutter recht flatterhaft geworden, was Beziehungen anbetraf. Wie oft hatte er morgens im Bad einen Fremden auf dem Klo gefunden? Und wie oft war es passiert, dass einer dieser Typen versuchte, an ihm herumzufummeln? Zu oft! Nein, Moses suchte kein Abenteuer. Henning war genau richtig für ihn.

„Du stinkst ja noch immer“, merkte selbiger gerade an.

„Dankeschön!“, entgegnete Moses angepisst.

„Ach, Schatz. Tut mir leid. Ich bin garstig, nicht wahr?“ Henning lächelte verschämt.

„Ja, bist du.“ Etwas versöhnt nahm er die Pfanne vom Herd, verteilte das Essen auf die Teller und suchte anschließend Besteck aus der Schublade.

„Moses, mein Zuckerschneckchen. Komm her“, säuselte Henning.

Nur allzu gern gab Moses nach, ließ sich auf den Schoß ziehen und umarmen. Einen Moment lehnte er sich gegen Hennings Brust und genoss das Gefühl, geborgen zu sein. Für den Augenblick war er mit seinem Schicksal ausgesöhnt.

In dieser Nacht durfte er wieder im Bett schlafen. Henning wollte sogar Sex, nachdem das letzte Mal über eine Woche zurücklag. Sonst war Moses immer spitz gewesen, schon allein wegen der langen Durststrecke. Diesmal hatte er Mühe überhaupt in Fahrt zu kommen. Henning war im Bett kein Überflieger und nicht besonders fantasievoll, was Moses bisher klaglos hingenommen hatte. Für ein warmes, friedliches Heim war er eben bereit, mit so manchem Makel zu leben. Warum es ihn plötzlich störte, dass er seinen Schatz ständig reiten musste? Moses ertappte sich dabei an Jo zu denken, während er wie mechanisch auf- und abwippte. Allerdings funktionierte dieser Trick so gut, dass er problemlos kommen konnte. Anschließend lag er in Hennings Arm und quälte sich mit seinem schlechten Gewissen. Wenn der verdammte Jo nicht bald aus seinem Kopf verschwand, würde er ein ernsthaftes Problem bekommen.

„Ah. Guten Tag, Herr Assad. Ich rufe Jo“, begrüßte ihn am folgenden Abend der Blonde.

Moses sah sich in der Galerie um, während der Typ in Richtung Büro davoneilte. Mehrere Werke fielen ihm ins Auge, die ihm auf Anhieb gefielen. Sie wiesen starke Ähnlichkeit mit dem Gemälde auf, wegen dem er damals überhaupt diesen Laden betreten hatte. Als er eines der Bilder näher beäugte, entdeckte er die Signatur des Künstlers.

„A. Stark“, murmelte er, nur für seine Ohren bestimmt. Den Namen hatte er nie zuvor gehört. Um einen international gefeierten Maler handelte es sich also nicht, allerdings würde er das nachher mal im Internet recherchieren. Hatte Jo ihn einst mit dem Preis übers Ohr hauen wollen? Moses suchte nach dem Preisschild und wurde blass. Oh Mann! Der Wert des Werkes war doppelt so hoch wie der des Bildes, das Jo ihm für einen Fick schenken wollte. Gott! War sein Arsch so teuer?

„Herr Assad?“ Jos tiefe Stimme fuhr ihm bis ins Mark und dass er ihn so offiziell ansprach, verhieß nichts Gutes. Moses wandte sich um, begegnete Jos kühlem Blick und musste sich tierisch zusammenreißen, dem Fluchtreflex nicht nachzugeben.

„Herr Westerwelt“, konterte er bemüht nüchtern.

Der Blonde schüttelte mit irritierter Miene den Kopf, sah abwechselnd Jo und ihn an. „Mann, Mann, Mann! Und ich dachte, ich hätte Probleme“, murmelte der Kerl und verschwand irgendwo hinten im Laden.

„Jo, bitte! Lass den Mist und mich in Ruhe.“ Wo waren all die Vorwürfe hin, die Moses sich seit zwei Tagen zurechtgelegt hatte?

„Komm mit“, knurrte Jo, da gerade ein Kunde die Galerie betrat.

Mit wild schlagendem Herz ging Moses hinter ihm her, in das schon bekannte Büro. Als er den Schreibtisch erblickte, überlief ihn plötzlich eine Gänsehaut. Die Geschehnisse von vor zwei Jahren standen ihm mit einem Mal so deutlich vor Augen, dass er unwillkürlich Scham und Erregung zugleich fühlte. Zudem war das Erlebnis durch die Nummer an der Tür aufgefrischt. Wieso nur reagierte er auf den kühlen Jo so emotional? Der Mann konnte ihm nichts bieten, außer purem Sex. Sicher führte er ein Leben auf der Überholspur, fickte alles, was nicht bei eins auf dem Baum war. So wie ihn. Dazwischen jettete er bestimmt in der Weltgeschichte herum und vögelte Ärsche aller Nationen. So wie seinen.

„Hast du es ihm gesagt?“ Jo baute sich vor ihm auf, die Hände lässig in den Hosentaschen versenkt.

„Wem? Henning? Was? Dass du mich vergewaltigt hast?“

„Ich habe WAS?“ Jo kniff die Augen drohend zusammen. „Deine Hose stand, soweit ich erinnere, nicht mal offen.“

„Nun werde nicht zum Erbsenzähler. Du hast mich …“ Moses suchte fieberhaft nach den richtigen Worten. „… überrumpelt. Ich bin kleiner als du.“

„Ach ne.“ Spöttisch zog Jo eine Augenbraue hoch. „Ist mir ja gar nicht aufgefallen.“

„Nun komm mir nicht so! Wie hätte ich mich denn wehren sollen?“

Auch die zweite Augenbraue flog in Richtung Haaransatz.

„Mistkerl! Lass. Mich. In. Ruhe. Okay?“

„Du bist ein Heuchler. Sag Henning, was passiert ist, sonst tu ich es. Ich gebe dir eine Woche.“ Jo kratzte sich am Ohr. „Ich gebe dir besser zwei Wochen. Du bist ein Schisser, dem trage ich Rechnung.“

„Du bist so ein … so ein …“ Moses hyperventilierte. Gerade zog Jo ihm den Boden unter den Füßen weg, und wofür? „Was, verfickt nochmal, willst du eigentlich von mir, dass du mir das antust? Meinen Arsch hattest du doch schon.“

„Dich.“ Jo sah ihm direkt in die Augen.

Was? Jo wollte ein kleines Bückstück, das er jederzeit besteigen konnte? Immer dann, wenn ihm kein besserer Arsch unterkam? Immer dann, wenn er gerade mal Zeit erübrigen konnte? Sollte so sein Leben aussehen? Zum stets bereiten Hintern degradiert, der vielleicht in einer bezahlten Wohnung, darauf wartete, dass Jo seinen Schwanz mal wieder in seinem, Moses‘, Rektum versenken wollte? Moses fühlte Tränen hochsteigen. Selbst wenn das Leben mit Henning keines im Himmel unter Harfenklängen war, dennoch bot es ihm das, was er benötigte. Schutz. Geborgenheit. Liebe. Punkt!

„Vergiss es. Nur über meine Leiche!“ Er stürmte an Jo vorbei, riss die Tür auf und drehte sich in deren Rahmen noch einmal um. „Weißt du, was du bist? Ein mieses Stück stinkende Scheiße!“ Mit hocherhobenem Kopf hielt er auf den Ausgang zu. Er gelangte unbehelligt auf die Straße, atmete die frische Aprilluft ein und presste beide Hände auf sein pochendes Herz. Jo war ein Arschloch. Er zweifelte nicht an der Aussage, dass der Mistkerl ernst machen würde und irgendwie lag ihm selbst daran, mit Henning klaren Tisch zu machen. Vielleicht würde sein Partner Verständnis zeigen. Mit dieser Schuld auf der Seele konnte Moses jedenfalls nicht weiterleben, das war ihm gerade klar geworden.

Als er die Tür zur gemeinsamen Wohnung aufschloss, wehte ihm der Duft von frischen Kräutern entgegen. Henning liebte es, auf der Fensterbank eine Ansammlung kleiner Töpfchen mit Pflanzen zu halten, die er akribisch pflegte. Gott! Würde er das vermissen und nicht nur das! Moses zog seine Schuhe nicht aus, hängte nur die Jacke auf und ging in die Küche.

„Hallo Schatz. Es gibt …“ Henning wandte sich ihm beim Sprechen zu und stockte, als er Moses‘ schuldbewusste Miene erblickte. Seine Augen weiteten sich, als würde er Angst haben vor dem, was nun kam.

„Ich muss mit dir reden“, sagte Moses müde, lehnte sich gegen den Türrahmen und holte tief Luft.

4.

Die zwei Wochen waren um. Es war Jo verflucht schwer gefallen, während dieser Zeit nichts zu unternehmen. Er brannte darauf zu erfahren, ob Moses den Mut aufgebracht hatte, mit seinem Henning zu sprechen. Da er sich persönlich vom Stand der Dinge überzeugen wollte, wickelte er nach Feierabend das Gemälde in Noppenfolie und fuhr zu der Adresse von der Visitenkarte.

Das eingepackte Bild unterm Arm, drückte Jo auf den Knopf neben dem Schild Mausbach/Assad. Ohne Nachfrage summte sogleich der Türöffner. Er trat in ein Treppenhaus, das nach Bohnerwachs und Spießigkeit, in Form von Kohleintopf, stank. Wie passte ein Moses in dieses Bild? In Jos Augen gar nicht. Er stieg die Treppe in den ersten Stock hinauf, entdeckte Henning in einem Türrahmen zur linken und ging auf ihn zu.

„Ist Moses da?“

„Ach? Herr Westerwelt? Sie haben aber Mut hier zu erscheinen.“ Henning verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wieso?“ Hatte der Typ vergessen, dass sie einander das Du angeboten hatten?

„Moses hat gebeichtet. Sie …“ Henning nahm eine drohende Haltung an, stellte die Beine weit auseinander und hob den Zeigefinger. „Sie haben ihn erpresst und verführt. Seine Gutgläubigkeit ausgenutzt.“

„Wo ist er?“ Jo versuchte, über die Schulter des aufgebrachten Mannes einen Blick in die Wohnung zu werfen.

„Weg. Er hat einen Rucksack gepackt und ist weg.“ Henning sackte so plötzlich in sich zusammen, als wäre er ein Luftballon, in den jemand eine Nadel gestochen hatte. „Ich hab ihn rausgeworfen, meinte das aber gar nicht so. Wollte doch nur, dass er sich entschuldigt. Er geht nicht ans Handy und ich hab keine Ahnung, wo er steckt. Auf der Arbeit gilt er als krank. Ich hab solche Angst, dass er sich etwas antut.“

„Scheiße! Darf ich seine Handynummer haben? Vielleicht redet er mit mir.“ Jo kam sich von Sekunde zu Sekunde schäbiger vor. Was hatte er sich nur dabei gedacht in eine intakte Beziehung eingreifen zu müssen? Henning sah so verzweifelt aus, er musste Moses einfach lieben. „Ich sorge dafür, dass er zu Ihnen zurückkommt. Falls er auf mich hört. Bitte!“

„Was interessiert dich das? Du willst doch nur seinen Arsch.“ Der Ballon pumpte sich langsam wieder auf.

„Ich möchte, dass Moses glücklich ist. Wenn du dafür garantieren kannst, ziehe ich mich zurück.“ Jo begegnete offen dem ungläubigen Blick seines Gegenübers.

„Versprochen?“

Er nickte. „Versprochen. Also: Her mit der Nummer, bevor Moses aus irgendeinem Fenster springt oder …“

Henning wurde leichenblass, trat einen Schritt zurück und ließ ihn in die Wohnung. Himmelherrgott nochmal! In dieser nüchternen Bude fühlte Moses – der süße quirlige Kleine – sich wohl? Jo musterte die biedere Einrichtung, verkniff sich jeglichen Kommentar, stellte das Bild auf dem Boden ab und zückte sein Smartphone. „Die Nummer“, erinnerte er Henning eindringlich.

Kurz darauf saßen sie nebeneinander auf dem Sofa. Jo lauschte dem Rufton und hatte eiskalte Hände. Vor seinem inneren Auge sah er Moses in einer Blutlache liegen, die Pulsadern offen und das liebliche Lächeln für immer verschwunden. Als endlich ein schwaches ‚Hallo?‘ ertönte, atmete er erleichtert auf.

„Moses? Leg nicht auf. Ich bin’s, Jo. Neben mir sitzt Henning. Er liebt dich und es tut ihm leid. Bitte, komm zurück.“

„Er hat mich rausgeworfen.“

„Das tut ihm im Nachhinein leid, sagt er. Wo bist du? Soll ich dich abholen?“

„Kannst du mir Henning geben?“ Ein Anflug von Hoffnung schwang in Moses‘ Stimme mit.

„Sicher. Moment.“ Jo überreichte Henning sein Handy, stand auf und zog sich taktvoll zurück. Bemüht darauf, nicht zu lauschen, ging er in die Küche und starrte aus dem Fenster. Einerseits kam er sich großartig vor, für eine Aussöhnung zwischen Henning und Moses zu sorgen, andererseits fühlte er sich natürlich mies. Er hatte dieses Zugeständnis nur machen können wegen der Angst um den Kleinen. Wenn Moses sich etwas antäte, würde er seines Lebens nicht mehr froh werden und wäre zu allem Überfluss auch noch schuld daran. Dann sollte Moses doch lieber mit seinem Henning glücklich sein, was Jo zwar schmerzte, aber immer noch besser als die andere Möglichkeit war.

„Moses kommt her.“ Henning kam in die Küche, reicht ihm das Smartphone und seufzte leise. „So merkwürdig das ist, aber nun schulde ich dir – ausgerechnet dir! – Dank.“

„Ich denke mal, wir sollten beide dankbar sein, dass es Moses gutgeht. Kümmere dich gut um ihn. Ich halte mein Versprechen und ziehe mich zurück. Das Paket im Flur ist dann gewissermaßen mein Abschiedsgeschenk für Moses. Mach’s gut.“ Er nickte Henning zu, ging in den Flur und öffnete die Wohnungstür.

„Warte mal.“ Jo drehte sich um und sah erstaunt die Hand an, die Henning ihm hinhielt. „Es gehören immer zwei zu einer Verführung, nicht wahr? Ich glaube, du bist ein feiner Kerl. Ich wünsch dir alles Gute.“

Jo schlug ein, drückte fest zu und sah, dass ein Muskel in Hennings Wange zuckte, als würde er sich nur mühsam beherrschen können. Die Augen glänzten verdächtig und er blinzelte. Ihm selbst war genauso elend zumute, wenn auch aus anderen Gründen. Henning bekam seinen Mann zurück, er verlor seine Hoffnung. „Danke. Mach Moses glücklich. Das hat er verdient.“ Mit diesen Worten wandte er sich um, trat ins Treppenhaus und stieg die Stufen hinunter. Er kam sich vor wie Engel und Teufel in einer Person. Nun hatte er also verloren und ihm blieb nur auf die Zeit zu hoffen, die ja bekanntlich alle Wunden heilte. Das riesige Loch, das dort prangte, wo sein Herz sonst schlug, würde allerdings lange brauchen, bis es wenigstens ein bisschen weniger schmerzte.

In den folgenden Wochen war Jo mehr als einmal versucht, bei Moses anzurufen und sich zu erkundigen, ob er nun glücklich sei. Einzig sein Versprechen gegenüber Henning hielt ihn davon ab. Kenneth betrachtete ihn mit zunehmender Besorgnis und irgendwann vertraute er sich seinem Freund und Kollegen an.

„Ich wusste doch gleich, dass dieser kleine Mann nach Ärger riecht“, meinte Kenneth seufzend. „Deshalb kommt Art nicht mehr her.“

„Richtig. Ich hab die Sache schon vor einiger Zeit beendet. Es hatte eh keinen Sinn.“

„Das man sich auch immer in den Falschen verlieben muss.“ Sinnend guckte Kenneth ins Leere.

„Scheint irgendwie eher die Regel als die Ausnahme zu sein“, pflichtete Jo ihm bei. „Wenigstens sitzen meine Hosen jetzt wieder lockerer.“ Er grinste schief.

„Lockerer? Du bist nur noch Haut und Knochen. Lass uns heute Abend zusammen essen gehen.“

„Gern. Um halb acht beim Italiener?“ Es würde wirklich gut sein, mal wieder ein paar Stunden rauszukommen und ein bisschen zu quatschen. Jo war zwar in der vergangenen Woche in Mailand gewesen, aber nur rein geschäftlich. In letzter Zeit wurde ihm immer mehr bewusst, dass er kaum soziale Kontakte besaß. Über all die Jahre hatte er sich in Arbeit gestürzt, war viel gereist und nun, wo er kürzer treten konnte, weil alles fast von selbst lief, wusste er mit seiner Freizeit nicht so recht etwas anzufangen.

Etwa zwei Monate, nachdem er Henning zum Abschied die Hand geschüttelt hatte, läutete abends gegen zehn sein Telefon. Überrascht griff Jo nach dem Mobilteil und meldete sich mit einem knappen: „Ja?“

„Hier ist Henning. Ich kann nicht so laut reden, damit Moses mich nicht hört.“

„Was ist? Ist er krank?“

„Nein. Es ist nur so … Er ist nicht glücklich und ich auch nicht. Es funktioniert eben nicht mehr mit uns. Keine Ahnung, woran das liegt. Vielleicht waren die Voraussetzungen falsch. Moses braucht jemanden, der ihm Sicherheit gibt. Dabei hat er wohl vergessen, dass er auch ein Herz hat. Mir gehört seines jedenfalls nicht und ich glaube, ich habe ihn auch nie richtig geliebt.“

Puh! Starker Tobak! Jo ließ sich gegen die Sofalehne fallen und fuhr mit den Fingern durch sein neuerdings raspelkurzes Haar. Am Vortag hatte er seine Mähne spontan abschneiden lassen, was er allerdings schon bereute. „Und nun? Wirfst du ihn wieder raus?“

„Quatsch! Er schläft seit einer Woche im Wohnzimmer. Ich dachte nur, dass du vielleicht wissen möchtest, dass der Weg nun frei ist.“

„Wie meinst du das?“ Jo stand gerade auf dem Schlauch, war viel zu verdattert über diese Entwicklung, als dass er klar denken könnte.

„Na ja, du könntest dich ein bisschen um ihn kümmern. Oder hast du kein Interesse mehr?“

„Ach so! Willst du dich nicht erst überzeugen, ob meine Absichten ehrbarer Natur sind?“ Es folgte ein langes Schweigen. War sein Anrufer eingepennt? „Henning?“, fragte Jo vorsichtig.

„Ich bin noch dran. Weißt du, Moses wird selbst wissen, auf was er sich einlassen möchte. Ich bin schließlich nicht sein Vater, also warum soll mich kümmern, worauf du aus bist?“

„Okay. Nun schulde ich dir Dank, dass du dich gemeldet hast.“ Natürlich wäre es schöner gewesen, wenn Moses diesen Schritt unternommen hätte. Nach ihrem letzten Zusammentreffen in der Galerie konnte Jo es dem Kleinen aber nicht verübeln, ihm gegenüber etwas abweisend zu sein.

---ENDE DER LESEPROBE---