Parker badet den Big Boss - Günter Dönges - E-Book

Parker badet den Big Boss E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! In gemächlichem Tempo rollte Parkers hochbeiniges Monstrum Richtung Stadtmitte. Das gleichmäßige Summen des Motors ließ nicht ahnen, welche Kräfte unter der schwarzen, eckigen Haube schlummerten. Seine Herrin hatte den strahlenden Sommertag zu einem Ausflug ins Grüne genutzt. In einem gepflegten Landgasthof hatte Lady Agatha Simpson gut gespeist und noch besser getrunken. Ihre schlechte Laune hatte sich dadurch allerdings nicht gebessert. »Wenn dieser Zustand noch lange andauert, bin ich ein Nervenbündel«, klagte sie, während Parker das heimische Shepherd's Market ansteuerte. »Darf man sich höflichst erkundigen, welchen Zustand Mylady zu meinen belieben?« ließ der Butler sich vernehmen. »Diese elende Untätigkeit natürlich!« schimpfte die Detektivin. »Seit Wochen wirkt London wie ein verschlafenes Provinznest. Keine Bank wird überfallen, niemand wird entführt...« »Tatsächlich könnte man zur Zeit den Eindruck gewinnen, die Aktivitäten der Unterwelt beschränkten sich auf den Diebstahl von Fahrrädern«, pflichtete Parker ihr bei. »Die Ruhe in der Stadt ist außergewöhnlich, wenn man sich diese Bemerkung erlauben darf.« »Dabei ist es gerade für herausragende Talente immer wieder nötig, sich zu bewähren«, fuhr Lady Agatha fort und schob ein Stück von der Schokoladentorte in den Mund, die sie beim Verlassen des Gasthofs vom Büfett stibitzt hatte. »Mit anderen Worten, Mister Parker: Ich muß dringend eine Aufgabe haben, die alle meine Kräfte fordert! Schon der Volksmund sagt: Wer rüstet, der rastet.«

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Butler Parker – 225 –

Parker badet den Big Boss

Günter Dönges

In gemächlichem Tempo rollte Parkers hochbeiniges Monstrum Richtung Stadtmitte. Das gleichmäßige Summen des Motors ließ nicht ahnen, welche Kräfte unter der schwarzen, eckigen Haube schlummerten.

Seine Herrin hatte den strahlenden Sommertag zu einem Ausflug ins Grüne genutzt. In einem gepflegten Landgasthof hatte Lady Agatha Simpson gut gespeist und noch besser getrunken. Ihre schlechte Laune hatte sich dadurch allerdings nicht gebessert.

»Wenn dieser Zustand noch lange andauert, bin ich ein Nervenbündel«, klagte sie, während Parker das heimische Shepherd’s Market ansteuerte. »Darf man sich höflichst erkundigen, welchen Zustand Mylady zu meinen belieben?« ließ der Butler sich vernehmen.

»Diese elende Untätigkeit natürlich!« schimpfte die Detektivin. »Seit Wochen wirkt London wie ein verschlafenes Provinznest. Keine Bank wird überfallen, niemand wird entführt...«

»Tatsächlich könnte man zur Zeit den Eindruck gewinnen, die Aktivitäten der Unterwelt beschränkten sich auf den Diebstahl von Fahrrädern«, pflichtete Parker ihr bei. »Die Ruhe in der Stadt ist außergewöhnlich, wenn man sich diese Bemerkung erlauben darf.«

»Dabei ist es gerade für herausragende Talente immer wieder nötig, sich zu bewähren«, fuhr Lady Agatha fort und schob ein Stück von der Schokoladentorte in den Mund, die sie beim Verlassen des Gasthofs vom Büfett stibitzt hatte. »Mit anderen Worten, Mister Parker: Ich muß dringend eine Aufgabe haben, die alle meine Kräfte fordert! Schon der Volksmund sagt: Wer rüstet, der rastet.«

»Mylady meinen vermutlich: Wer rastet, der rostet«, korrigierte Parker vorsichtig.

»Wie?« fragte die passionierte Detektivin irritiert und hätte sich fast an einem Stück Torte verschluckt. »Was rostet?«

»Das Sprichwort, das Mylady zu zitieren beabsichtigten, heißt: Wer rastet, der rostet«, erklärte der Butler.

»Aber das sagte ich doch, Mister Parker!« behauptete Agatha Simpson unwirsch. »Wer rüstet, der kostet! Ich verstehe wirklich nicht, warum Sie mir jeden Satz nachplappern wie ein Papagei.«

Ärgerlich wandte sie sich wieder der Torte zu und vertilgte auch noch das letzte Stück von ihren Fingerspitzen, bevor sie wieder zum Thema kam.

»Den Ganoven hierzulande geht es einfach viel zu gut«, stellte sie fest. »Wahrscheinlich sind sie allesamt an die Riviera gefahren und machen Urlaub. Ich werde noch eine Auslandsreise antreten müssen, wenn ich keine Spinnweben ansetzen will.«

»Zu dieser Befürchtung dürfte allerdings nicht der geringste Anlaß bestehen, Mylady«, meinte Parker. »In einer Millionenstadt vergehen meist nur wenige Tage ohne Verbrechen, wenn man sich diesen Hinweis erlauben darf.«

»Wenn sich wenigstens irgendein Verfolger blicken ließ«, jammerte sie unbeirrt weiter. »Dem würde ich eine ordentliche Lektion erteilen, um nicht ganz aus der Übung zu kommen.«

»Meine bescheidene Wenigkeit schätzt sich überglücklich, Mylady diesbezüglich eine erfreuliche Mitteilung machen zu können«, meldete Parker in diesem Moment. »Ein dunkelblauer Morris hat soeben Myladys Spur aufgenommen.«

»Das habe ich doch schon die ganze Zeit geahnt«, behauptete die ältere Dame ungeniert, und ihre mürrische Miene hellte sich prompt auf. »Mein geradezu hellseherischer Spürsinn hat mich eben noch nie im Stich gelassen. Wo und wie ich mir diese Burschen vornehme – das überlasse ich natürlich Ihnen, Mister Parker. Sie wissen ja, daß ich mich um solche Details nicht kümmere.«

»Man wird – wie üblich – bemüht sein, ganz nach Myladys Wünschen zu handeln«, versicherte der Butler. Ohne eine Miene zu verziehen, trat er das Gaspedal bis zum Anschlag durch.

Ein Beben lief durch die Karosserie, als Parker das Zusatztriebwerk aufröhren ließ. Wie ein leichtfüßiger Hirsch spurtete das schwerfällig wirkende Gefährt, das einst als braves Taxi durch Londons Straßen gerollt war, auf und davon.

Der Verfolger fiel deutlich zurück, aber er ließ sich nicht abschütteln.

»Was machen Sie denn, Mister Parker?« beschwerte sich Lady Agatha schon nach wenigen Sekunden. »Ich habe Ihnen doch erklärt, daß ich diese Burschen stellen und ihnen einen Denkzettel verpassen will. Sie ignorieren ja meine Anordnungen und treten die Flucht an.«

»Es war keineswegs die Absicht meiner Wenigkeit...« versuchte Parker sich zu rechtfertigen, doch die Detektivin unterbrach ihn wütend.

»Schämen Sie sich, Mister Parker!«

»Wie Mylady meinen«, gab der Butler in seiner höflichen Art zurück.

»Solch einen Hasenfuß kann ich als Diener nicht gebrauchen«, fügte sie hinzu. »Ich wünsche, daß Sie sofort halten, damit ich die Verfolger zur Rede stellen kann. Und falls Sie Angst vor den Kerlen haben – denken Sie daran, daß ich Sie noch aus jeder Klemme gerettet habe, Mister Parker...«

»Darf man Mylady darauf aufmerksam machen, daß sich in dem fraglichen Fahrzeug allem Anschein nach nur eine Person befindet?« versuchte Parker ihren Eifer zu dämpfen. Er hatte den Wagen und Fahrer längst im Rückspiegel erkannt.

»Nur einer?« fragte die ältere Dame enttäuscht. »Das ist bedauerlich, Mister Parker, denn dadurch werden die Möglichkeiten meiner Selbstentfaltung drastisch eingeschränkt. Aber dafür werde ich mich diesem Menschen umso intensiver widmen.«

In einer Parkbucht brachte der Butler sein schwarzes Gefährt abrupt zum Stehen. Mit quietschenden Bremsen stoppte der Morris unmittelbar dahinter.

»Mister Rander!« Mylady wußte nicht, ob sie sich freuen oder ärgern sollte. Der sympathische Anwalt, der seit Jahren ihr ansehnliches Vermögen verwaltete und nebenher ihrer attraktiven Gesellschafterin Kathy Porter schöne Augen machte, war in ihrem Haus stets ein gerngesehener Gast. Im Augenblick aber wäre Lady Agatha der frechste Gangster willkommener gewesen.

Schließlich hatte sie schon den Sitz ihrer sogenannten Hutnadel überprüft, die eher stählernen Grillspießen glichen und an der Spitze mit einem schnell wirkenden Betäubungsmittel präpariert waren. Auch Lady Simpsons Pompadour hatte sich schon auf seinen ersten Einsatz nach wochenlanger Zwangspause gefreut.

Der lederne Beutel, der für ein Damenhandtäschchen etwas zu wuchtig geraten war, enthielt neben anderen Utensilien Lady Simpsons Glücksbringer: ein echtes Pferdehufeisen, das in eine dünne Lage Schaumstoff gewickelt war.

»Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte Mike Rander besorgt, als er Myladys frustrierte Miene bemerkte.

»Ich wünsche, es wäre so«, erwiderte die Detektivin. »Aber leider ist in London alles in bester Ordnung. Niemand raubt, niemand stiehlt – wie soll man das aushalten?«

»Zur Zeit ist es an der Themse wirklich verdächtig ruhig«, pflichtete der Anwalt ihr bei. »Aber ganz recht haben Sie doch nicht, Mylady. Gestohlen wird noch.«

»Fahrräder und Handtaschen vielleicht, mein lieber Junge«, spottete Agatha Simpson. »Nein, danke! Damit soll sich ruhig die Polizei befassen. Eine Detektivin meines Ranges gibt sich doch nicht mit Bagatelldelikten ab.«

»Das muß auch nicht sein, Mylady«, entgegnete Rander. »Wenn Sie hören, was meinem Kollegen Stokefield passiert ist, reden Sie wahrscheinlich nicht mehr von Bagatellen.«

»So?« Mylady schien mißtrauisch, aber neugierig.

»Dem guten Harry haben sie am hellen Tag sämtliche Antiquitäten aus dem Haus getragen, die er in den letzten zwanzig Jahren gesammelt hat«, berichtete der Anwalt. »Allein sein Lieblingsstück, eine österreichische Barockmadonna, soll einen Wert von zehntausend Pfund gehabt haben.«

»Zehntausend Pfund ?« Agatha Simpson wurde hellhörig. Das war eine Summe, die man wirklich nicht als Bagatelle abtun konnte.

»Zehntausend Pfund«, bestätigte Rander. »Und die Madonna war nicht das einzige wertvolle Stück. Harry war zwar versichert, aber seine geliebten Antiquitäten wird er vermutlich nie wiedersehen.«

»Es sei denn, ich würde die Ermittlungen in die Hand nehmen«, erklärte Agatha Simpson selbstbewußt. »Hätten Sie nicht Lust, nachher zum Tee zu kommen, mein lieber Junge? Dann werde ich Ihnen erklären, wie ich den Fall zu lösen gedenke.«

*

»Gerade habe ich Harry Stokefield angerufen und mir alles nochmal genau erzählen lassen«, berichtete Mike Rander, als er eine Stunde später am Teetisch in Myladys Salon Platz nahm.

»Brokefield? Brokefield?« überlegte die Hausherrin. »Ich bin sicher, diesen Namen schon mal gehört zu haben.«

»Mylady erinnern sich gewiß des bedauernswerten Kollegen von Mister Rander«, half Parker ihrem streikenden Gedächtnis auf die Sprünge. »Mister Stokefield wurde bestohlen, wenn man sich den Hinweis erlauben darf.«

»Ich wünsche keine unpassenden Belehrungsversuche, Mister Parker«, entrüstete sich die Hausherrin. »Mein Gedächtnis arbeitet hervorragend. Deshalb kann ich mich auch genau an Mister Jokefield erinnern. Ich weiß sogar noch, wie das Pferd hieß, das ihm gestohlen wurde.«

»Pferd?« fragte Mike Rander entgeistert. »Harry Stokefield besitzt überhaupt kein Pferd!«

»Richtig«, stimmte Lady Agatha zu. »Jokefield war es ja, der das Pferd gestohlen hat. Ich erinnere mich genau.«

Rander warf Parker einen vielsagenden Blick zu. »Es ging um Antiquitäten«, begann er vorsichtig. »Harry Stokefield besaß eine wertvolle Sammlung von Antiquitäten aus Österreich, die ihm vor drei Tagen aus seiner Wohnung gestohlen wurde.«

»Von nichts anderem rede ich die ganze Zeit«, behauptete Agatha Simpson unwirsch, und weder Rander noch Parker widersprachen.

»Es handelt sich um insgesamt zweiunddreißig Stücke«, setzte der Anwalt seinen Bericht fort. »Vom Zinnbecher bis zum Tiroler Bauernschrank. Mit einem Pkw konnte das Diebesgut also nicht weggeschafft werden.«

»Man kann wohl davon ausgehen, daß Ihr Kollege sofort nach der Entdeckung der Tat die Polizei informierte, Sir?« vergewisserte sich der Butler.

»Ja, natürlich«, bestätigte Rander. »Das mußte er ja schon wegen der Versicherung tun. Aber die Polizei fand lediglich heraus, daß das Sicherheitsschloß seiner Wohnungstür sauber und sanft mit einem Nachschlüssel geöffnet wurde. Ansonsten tappt Scotland Yard im dunklen und hofft, daß die gestohlenen Antiquitäten irgendwann zum Verkauf angeboten werden.«

»Das sieht den einfallslosen Tölpeln ähnlich«, frohlockte Lady Agatha und ließ sich gleich von Parker noch einen Kognak einschenken. »Denen werden die Augen aufgehen, wenn ich ihnen die ganze Diebesbande auf dem silbernen Tablett serviere.«

»Das hört sich fast so an, als hätten Sie die Burschen schon, Mylady«, wandte Rander ein.

»Mein taktisches Konzept ist jedenfalls fertig«, erklärte die Detektivin. »Bis auf ein paar Kleinigkeiten, an denen ich heute abend noch feilen werde.«

»Da wäre noch eine Frage, Sir, die meine Wenigkeit gern beantwortet hätte«, ließ der Butler sich vernehmen.

»Und zwar, Parker?«

»Könnte es zutreffen, Sir, daß Sie Mister Stokefield gefragt haben, ob er seine Wohnungsschlüssel gewöhnlich bei sich zu tragen pflegt?«

»Er versicherte mir, daß er seinen Schlüsselbund stets dabei hat«, antwortete der Anwalt. »Außer im Bett natürlich. Aber als ich noch mal nachbohrte, fielen ihm noch zwei Ausnahmen ein.«

»Nachbohren hilft immer«, ließ sich Lady Agatha vernehmen. »Das ist eine Methode, die ich bei meinen Verhören stets an wende. Und wer von mir verhört wird, hat noch immer ein Geständnis abgelegt.«

»Das ist eine Feststellung, Mylady, die man aus reicher Erfahrung mit allem Nachdruck unterstreichen muß«, pflichtete Parker ihr bei und wandte sich wieder an Rander. »Darf man fragen, Sir, welcher Art die Ausnahmen waren, an die Mister Stokefield sich erinnerte?«

»Vor zwei Wochen mußte er zu einer Gerichtsverhandlung nach Glasgow und verbrachte eine Nacht in einem Hotel«, berichtete Rander. »Abends ging er noch in die Bar, und weil er seinen schweren Schlüsselbund nicht brauchte, ließ er ihn im Zimmer zurück. Harry behauptete allerdings, die Schlüssel hätten nach seiner Rückkehr genauso gelegen wie vorher.«

»Trotzdem besteht der Verdacht, daß während seiner Abwesenheit heimlich eine Kopie angefertigt wurde«, kombinierte Agatha Simpson. »Man weiß ja, wie unzuverlässig das Hotelpersonal heutzutage ist.«

»Die Möglichkeit ist durchaus gegeben«, räumte Rander ein. »Sie besteht aber auch in einem zweiten Fall. Drei Tage vor dem Einbruch besuchte Harry einen Saunaclub im Westend. Natürlich gab er mit seiner Kleidung auch seine Schlüssel ab, bevor er ins Bad ging.«

»Dann kann es nur in diesem Saunaclub gewesen sein«, schwenkte Agatha Simpson geistesgegenwärtig um. »Etablissements dieser Art haben nicht zu Unrecht einen zweifelhaften Ruf.«

»Das kann man von Yussufs Saunaclub aber nicht behaupten«, entgegnete der Anwalt. »Soviel ich weiß, gibt sich dort die feine Welt ein Stelldichein – soweit sie männlichen Geschlechts ist. Neben Ärzten, Managern und Anwälten sollen sogar Mitglieder des Oberhauses zur Kundschaft zählen. Yussufs Anti-Streß-Kuren sind berühmt.«

»Also doch das Hotel.« Die ältere Dame war eben flexibel.

»Morgen, gleich nach dem Frühstück, werden Sie mich nach Glasgow fahren, Mister Parker.«

»Mylady haben zweifellos bedacht, daß die Entfernung von London nach Glasgow recht beträchtlich ist«, wandte der Butler ein. »Vielleicht sollte man doch zuerst dem Saunaclub eine kleine Visite abstatten.«

»Das fände ich auch sinnvoller«, stimmte Mike Rander zu. »Falls die Nachforschungen dort nichts ergeben, kann man immer noch das Hotel unter die Lupe nehmen.«

»Wenn ich es recht betrachte«, lenkte die Hausherrin ungewohnt nachgiebig ein, »handelt es sich bei dieser Frage um eine Detailfrage. Und dafür ist bekanntlich Mister Parker zuständig. Ich werde jetzt noch ein wenig meditieren und dann meinem Einsatzkonzept den letzten Schliff geben.«

Mylady verabschiedete sich von dem Anwalt und stieg mit schweren Schritten die Treppe zu ihren privaten Gemächern hinauf.

»Ich wußte gar nicht, daß Meditieren mit derartigem Lärm verbunden ist«, lachte der Anwalt, als Minuten später dröhnendes Schnarchen die solide Fachwerkkonstruktion des Hauses erzittern ließ.

»Myladys Meditationsstunden pflegen stets von einer gewissen Geräuschkulisse begleitet zu sein«, erklärte Parker und räumte die leere Kognakflasche weg.

»Was halten Sie denn davon, wenn wir beide morgen mittag Yussufs Saunaclub einen Besuch abstatten, Parker?« wollte der Anwalt wissen.

»Das ist ein Vorschlag, den meine Wenigkeit auch zu unterbreiten dachte, Sir.«

»Um eins?«

»Um eins, Sir. Man wünscht noch einen angenehmen Abend, Sir.«

*

Mitten im Häuser- und Straßengewirr der Millionenstadt stellte Yussufs Saunaclub eine exklusive Oase der Ruhe dar. Eine wuchtige Mauer umschloß das parkähnliche Gelände, so daß von der Straße aus nur die mächtigen Kronen 200jähriger Baumriesen zu erkennen waren. Die Flügel des schweren, schmiedeeisernen Tores standen jedoch offen.

Im Schrittempo ließ Mister Josuah Parker sein schwarzes Gefährt über die mit weißem Kies bestreute Einfahrt auf das kleine Schloß zurollen, dessen strahlend weiße Fassade sich in einem marmornen Wasserbecken spiegelte. Yussufs Kunden, die vor dem Eingang parkten, mußten wirklich zu den zahlungskräftigsten Leuten der britischen Hauptstadt gehören.

»Harry Stokefield hatte Recht«, kommentierte Mike Rander vom Beifahrersitz aus. »Alles macht einen durch und durch seriösen Eindruck. Auf den ersten Blick jedenfalls.«

»Ob dieser Eindruck den Tatsachen entspricht, wird erst nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Inhaber zu entscheiden sein«, bemerkte Parker, während er neben dem Anwalt die Stufen zum Eingang hinaufstieg.

»Herzlich willkommen, Sir!« Der Mann, der ihnen die Tür öffnete, verneigte sich fast bis zum Boden. Er trug eine goldbestickte Seidenbluse und weiße Pluderhosen. Seine nackten Füße steckten in kostbar verzierten Pantoffeln, auf seinem Kopf saß ein leuchtend roter Fez.

»Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl in Yussufs Saunaclub«, erklärte er. »Mein Personal und ich werden bemüht sein, Ihnen angenehme Stunden zu bereiten.«

»Demnach sind Sie der Inhaber?« erkundigte sich Rander.

»Ganz recht, Sir«, gab Yussuf zurück und verbeugte sich erneut. »Seit mehr als zehn Jahren habe ich die Freude, dieses herrliche türkische Bad betreiben zu dürfen.«

»Aber Sie selbst sind kein Türke?« vermutete der Anwalt. Ihm waren Yussufs blasse, sommersprossige Gesichtsfarbe, sein rötlicher Schnurrbart und die blauen Augen aufgefallen.