Parker bremst den Zampano - Günter Dönges - E-Book

Parker bremst den Zampano E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Könnten Sie sich möglicherweise dazu durchringen, Ihre Hand von meiner Schulter zu nehmen?« erkundigte sich Butler Parker durchaus höflich und lüftete zu seiner Frage die schwarze Melone. Er befand sich in der großen, eleganten Empfangshalle eines Hotels in der Nähe von Hyde Park und war gekommen, um hier Lady Agatha Simpson von einer Aufsichtsratssitzung abzuholen. In der Nähe der Fahrstühle war er gerade von einem mittelgroßen, schlanken Mann gestoppt worden, der etwa fünfunddreißig Jahre zählte. »Nur die Ruhe«, erwiderte der Hotelgast, der einen angespannten Eindruck machte, »der Fahrstuhl ist reserviert.« »Sie dürfen den Sinn meiner ernstgemeinten Frage nicht recht erkannt haben«, sagte Josuah Parker und ... drückte die Spitze seines altväterlich gebundenen Regenschirmes nachdrücklich auf den Fuß des Mannes. Die scharfe Spitze des Schirmes drang ohne Schwierigkeit durch das weiche Oberleder seines Schuhs, worauf der Mann sich umgehend verfärbte und dann auch schon verzweifelt nach Luft schnappte. »Sie sollten sich in Zukunft der Höflichkeit befleißigen«, schlug Josuah Parker vor und betrat den Fahrstuhl, dessen Tür von dem jungen Mann förmlich bewacht worden war. Dieser Mann schien sich plötzlich entschlossen zu haben, eine kleine Tanzeinlage zu zeigen. Fast graziös hüpfte er auf dem nicht getroffenen Fuß herum und produzierte dabei hechelnde Töne. »Begabt, durchaus begabt, aber noch nicht überzeugend, was die Grazie Ihrer Tanzschritte betrifft«, urteilte Parker fachmännisch, bevor er die Tür schloß. Mit dem schwarz behandschuhten Zeigefinger drückte er dann auf einen Knopf der Etagenanzeige und ließ sich zum Dachgarten befördern. Während dieser kurzen Fahrt warf er einen prüfenden Blick in den großen Spiegel, der an einer Seite des Fahrstuhls angebracht war. Er sah vor sich einen Mann undefinierbaren Alters, etwas über mittelgroß, fast schlank und mit glattem Gesicht ausgestattet, das undurchdringlich war wie das eines professionellen Pokerspielers. Dieser Mann trug über einem schwarzen Zweireiher einen Covercoat und eine schwarze Melone.

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Butler Parker – 173 –

Parker bremst den Zampano

Günter Dönges

»Könnten Sie sich möglicherweise dazu durchringen, Ihre Hand von meiner Schulter zu nehmen?« erkundigte sich Butler Parker durchaus höflich und lüftete zu seiner Frage die schwarze Melone.

Er befand sich in der großen, eleganten Empfangshalle eines Hotels in der Nähe von Hyde Park und war gekommen, um hier Lady Agatha Simpson von einer Aufsichtsratssitzung abzuholen. In der Nähe der Fahrstühle war er gerade von einem mittelgroßen, schlanken Mann gestoppt worden, der etwa fünfunddreißig Jahre zählte.

»Nur die Ruhe«, erwiderte der Hotelgast, der einen angespannten Eindruck machte, »der Fahrstuhl ist reserviert.«

»Sie dürfen den Sinn meiner ernstgemeinten Frage nicht recht erkannt haben«, sagte Josuah Parker und ... drückte die Spitze seines altväterlich gebundenen Regenschirmes nachdrücklich auf den Fuß des Mannes. Die scharfe Spitze des Schirmes drang ohne Schwierigkeit durch das weiche Oberleder seines Schuhs, worauf der Mann sich umgehend verfärbte und dann auch schon verzweifelt nach Luft schnappte.

»Sie sollten sich in Zukunft der Höflichkeit befleißigen«, schlug Josuah Parker vor und betrat den Fahrstuhl, dessen Tür von dem jungen Mann förmlich bewacht worden war.

Dieser Mann schien sich plötzlich entschlossen zu haben, eine kleine Tanzeinlage zu zeigen. Fast graziös hüpfte er auf dem nicht getroffenen Fuß herum und produzierte dabei hechelnde Töne.

»Begabt, durchaus begabt, aber noch nicht überzeugend, was die Grazie Ihrer Tanzschritte betrifft«, urteilte Parker fachmännisch, bevor er die Tür schloß. Mit dem schwarz behandschuhten Zeigefinger drückte er dann auf einen Knopf der Etagenanzeige und ließ sich zum Dachgarten befördern. Während dieser kurzen Fahrt warf er einen prüfenden Blick in den großen Spiegel, der an einer Seite des Fahrstuhls angebracht war.

Er sah vor sich einen Mann undefinierbaren Alters, etwas über mittelgroß, fast schlank und mit glattem Gesicht ausgestattet, das undurchdringlich war wie das eines professionellen Pokerspielers.

Dieser Mann trug über einem schwarzen Zweireiher einen Covercoat und eine schwarze Melone. Am angewinkelten linken Unterarm hing ein Schirm, dessen Bambusgriff beachtliche Größe besaß.

Josuah Parker, Bediensteter der Lady Agatha, war das Urbild eines hochherrschaftlichen englischen Butlers alter Schule. Er maß dem kleinen Zwischenfall in der Halle keine besondere Bedeutung bei. Wahrscheinlich hatte man es mit einem übereifrigen Angestellten zu tun, der seine Kompetenzen weit überschritt.

Der Fahrstuhl schnaufte leicht, als er hielt. Die Tür öffnete sich. Parker trat hinaus, schritt würdevoll den Korridor hinunter und erreichte eine wattierte Doppeltür. Er hatte sie noch nicht ganz erreicht, als sie sich fast stürmisch öffnete.

Agatha Simpson erschien.

Sie war eine stattliche Dame, die das sechzigste Lebensjahr mit Sicherheit überschritten hatte. Sie zog jede Aufmerksamkeit auf sich. Die kräftige Nase, die grauen Augen und das energische Kinn verrieten Dynamik und Ungeduld. Lady Agatha, mit dem Blut- und Geldadel der Insel verschwistert und verschwägert, schon seit vielen Jahren Witwe, verfügte über ein großes Vermögen. Berüchtigt wegen ihrer ungenierten Offenheit, konnte sie geizig sein wie drei sprichwörtliche Schotten.

»Das reicht mir jetzt, Mr. Parker«, sagte sie und rückte ihre pikante Hutschöpfung auf dem fast weißen Haar zurecht. »Stellen Sie sich vor, man wollte mich mit dem Geschäftsbericht langweilen.«

»Ein Thema, das man nur als ungemein interessant bezeichnen kann, Mylady.«

»Papperlapapp, Mr. Parker, sollen Mr. Rander und Miß Kathy sich damit abgeben. Unter uns, Mr. Parker, ich glaube, die Herren des Aufsichtsrates sind froh, daß ich gegangen bin.«

»Myladys Sachkenntnis sind gefürchtet«, antwortete Parker höflich und ließ offen, wie er es gemeint hatte.

»Zudem ist mein Kreislauf zusammengebrochen«, redete Agatha Simpson weiter, wobei ihre bereits sonore Stimme sich noch zusätzlich verstärkte, »ich brauche unbedingt eine kleine Erfrischung.«

»Handelt es sich um einen akuten Zusammenbruch, wenn man fragen darf?« Josuah Parker langte in die Innentasche seines schwarzen Covercoats und zog eine lederummantelte Taschenflasche hervor.

»Bringen Sie mich in die Hotelbar«, gab die ältere Dame zurück, »solange werde ich hoffentlich durchhalten.«

Sie hatten inzwischen die Fahrstühle erreicht. Die Leuchtanzeige kündigte gerade eine Ankunft an. Parker trat zur Seite und wartete auf das Öffnen der Tür. Lady Agatha ließ ein wenig ungeduldig ihren perlenbestickten Pompadour am Handgelenk pendeln. Dann aber blickte sie interessiert auf einen etwa fünfunddreißigjährigen Mann, der den Fahrstuhl gerade verließ und dabei nachhaltig hinkte.

Dieser Mann war nicht allein.

In seiner Begleitung befand sich ein gleichaltriger, der kompakt und muskulös wirkte.

»Das ist die Type«, sagte der Hinkende und zeigte wütend auf Josuah Parker, »und die ist jetzt reif!«

*

»Was geht hier vor?« fragte Agatha Simpson grollend und baute sich halb vor ihrem Butler auf. Ihre grauen Augen funkelten erfreut. Die ältere Dame witterte eine kleine Abwechslung. Unter Kreislaufschwäche schien sie keineswegs mehr zu leiden.

»Hau ab, altes Fossil«, sagte der Kompakte dummerweise und wollte Lady Agatha mit einer jähen Armbewegung zur Seite schieben. Er ahnte nicht, was er sich damit einhandelte.

Agatha Simpson trat ungeniert zu und traf das linke Schienbein des Kompakten, der daraufhin aufjaulte und das getroffene Bein unwillkürlich hochriß. Dabei verließ er sich eindeutig auf sein Standbein. Die Lady setzte nun ihren Pompadour ein und ließ ihn auf der Nase des Mannes landen. Der sogenannte Glücksbringer im Handbeutel, nämlich ein echtes Pferdehufeisen, drückte das Riechorgan des Unhöflichen nachhaltig zur Seite und sorgte auf diese Art für eine Tränenflut in den aufgerissenen Augen des Getroffenen.

»Wagen Sie es nicht noch mal, eine hilflose Frau anzugreifen«, dröhnte danach Myladys sonore Stimme.

Der Hinkende griff mit Verspätung unter sein Jackett, eine Geste, die Josuah Parker sofort mißverstand. Mit dem Bambusgriff klopfte er auf die verschwindende Hand, die daraufhin sofort erlahmte. Dies hing mit der Bleifüllung im Schirmgriff zusammen, was der Butler allerdings nicht besonders erläuterte. Der Mann, der eine Schußwaffe hatte ziehen wollen, ging augenblicklich von der Tatsache aus, daß seine Handknochen angebrochen sein mußten.

»Sie neigen eindeutig zu vorschnellen Reaktionen«, stellte Parker fest, »Sie sollten Ihr Ungestüm in Zukunft ein wenig mäßigen, wenn meine bescheidene Wenigkeit sich erlauben darf, Ihnen diesen Rat zu geben.«

Während der Butler sich um den völlig irritierten Mann kümmerte, entwickelte er dabei die Fähigkeiten eines Taschendiebes. Der stöhnende Mann bekam gar nicht mit, daß seine Automatik aus der Halfter gezogen wurde.

»Nun reißen Sie sich mal gefälligst zusammen«, raunzte Agatha Simpson die beiden Männer an, »benehmen Sie sich nicht wie Waschlappen!«

Parker, der an einer Vertiefung der Situation nicht interessiert war, deutete höflich in den Fahrstuhl, eine Geste, die für seine Herrin bestimmt war.

»Wollen Sie mich etwa zur Flucht animieren, Mr. Parker?« erkundigte sich Lady Agatha ungnädig.

»Keineswegs und mitnichten«, erwiderte der Butler, »aber für Mylady dürften die beiden Männer wohl kaum satisfaktionsfähig sein.«

»Richtig«, bestätigte sie sofort, »genau das wollte ich gerade auch sagen, Mr. Parker. Die beiden Subjekte müssen ja schließlich einen Arbeitgeber haben, nicht wahr?«

»Sehr wohl, Mylady, er dürfte sich in der Hotelhalle aufhalten.« Das gab den Ausschlag. Agatha Simpson stieg in den Fahrstuhl und machte dabei einen sehr angeregten Eindruck. Sie prüfte den Sitz ihrer Hutkomposition, die eine Kreuzung aus einem mißglückten Napfkuchen und einem Südwester darstellte.

»Dieser Angriff galt natürlich mir, nicht wahr?« fragte sie Parker.

»Davon könnte man ausgehen, Mylady.«

»Die Unterwelt will mich eben um jeden Preis aus dem Weg räumen«, freute sie sich, »ich bin ihr einfach zu gefährlich geworden.«

»Mylady sind in der Tat gefürchtet«, lautete Parkers Antwort.

»Nun, ich werde auch diese Kampfansage annehmen, Mr. Parker«, redete sie munter weiter, »ich habe im Augenblick sowieso nichts zu tun. Und das Fernsehprogramm für den Rest der Woche ist langweilig.«

»Mylady werden auch den anstehenden Krimifall zu lösen wissen.«

Agatha Simpson bildete sich ein, eine einmalig begabte Kriminalistin zu sein. Dazu hielt sie sich auch noch für eine perfekte Schriftstellerin, die eine gewisse Agatha Christie in den Schatten stellen wollte. In beiden Fällen überschätzte sie sich maßlos, wie Eingeweihte wußten.

»Wer möchte mich wohl diesmal ins Jenseits befördern?« fragte sie mehr als nur halblaut.

»Mylady denken sicher bereits an die Mafia«, antwortete der Butler.

»Natürlich«, redete sie weiter, »die Mafia haßt mich seit Jahren, Mr. Parker!«

»Eine Tatsache, die Mylady als Kompliment auffassen.«

»Selbstverständlich.« Sie nickte nachdrücklich. »Ich bin einfach zu gut. Ich sage das in aller Bescheidenheit.«

»Mylady neigen leider zur Untertreibung, falls meiner Wenigkeit diese Beurteilung erlaubt ist.«

»Nein, nein, bleiben Sie ruhig bei der Wahrheit«, gab sie zurück.

Inzwischen war das Ziel der Fahrt erreicht, und Parker verließ den Fahrstuhl. Er lüftete seine schwarze Melone und überwachte den Ausstieg seiner Herrin.

Lady Agatha schaute sich sofort kriegerisch um. Sie war wieder mal bereit, alles auf die sprichwörtlichen Hörner zu nehmen, was ihren Verdacht auch nur andeutungsweise erregte.

»Nun, wo ist das Subjekt, das die beiden Lümmel nach oben geschickt hat?« fragte sie dann leicht gereizt, als sie kein Zielobjekt ausmachen konnte.

Sie stand unter Dampf und wollte sich möglichst schnell abreagieren.

»Darf man Mylady vielleicht auf jenen Herrn hinweisen, der an der Lounge die Zeitung liest und dabei augenscheinlich von wenigstens drei Leibwächtern bewacht wird?« fragte Josuah Parker.

»Wo denn? Wen meinen Sie?« Sie sah nichts Verdächtiges.

»Wie Mylady bereits erkannt haben, dürfte der dunkelhaarige Gentleman neben der großen Tischlampe die gesuchte Person sein«, sagte Parker, »seine drei Begleiter könnten eindeutig darüber erstaunt sein, Mylady unversehrt zu sehen.«

*

Der Dunkelhaarige mochte etwa fünfundvierzig Jahre alt sein. Er hatte gerade die Zeitung gesenkt und zeigte somit sein Gesicht. Es war braun gebrannt und scharf geschnitten. Unter der erstaunlich kleinen Nase gab es einen zwar breiten, aber dennoch schmallippigen Mund. Die dunklen Augen waren dunkel bis schwarz gefärbt und flink.

»Kenne ich dieses Subjekt?« fragte die ältere Dame.

»Dieser Gentleman wurde Mylady bisher noch nicht vorgestellt«, beantwortete der Butler die Frage.

»Er sieht ziemlich arrogant aus, Mr. Parker. Ich habe fast das Gefühl, daß er mich mit seinen Blicken beleidigt.«

»Man sollte solch eine Absicht nicht ausschließen, Mylady. Wenn es erlaubt ist, werde ich Erkundigungen über diesen Hotelgast einholen.«

»Und ich werde drüben in der Bar meinem Kreislauf auf die Sprünge helfen«, kündigte die passionierte Detektivin munter an. Sie setzte ihre Fülle in Bewegung und marschierte dann energisch zur Hotelbar. Josuah Parker durchquerte die Halle und setzte sich mit dem Chef-Portier in Verbindung. Nach wenigen Augenblicken war er vorerst bestens informiert.

Der Fünfundvierzigjährige hieß Franco Taylor, kam aus den Staaten und hatte sich im Hotel eine Suite gemietet. Er hatte sich weiterhin als TV-Produzent ausgewiesen und war nach London gekommen, um Fragen etwaiger Zusammenarbeit mit britischen Produzenten zu erörtern.

Als Parker die Rezeption verließ, öffnete sich eine der Fahrstuhltüren. Die beiden Männer, die Parker nachgestellt hatten, erschienen auf der Bildfläche und machten nach wie vor einen recht angeschlagenen Eindruck. Der Kompakte hatte ein Taschentuch in der linken Hand und betupfte ausgiebig seine Nase. Der Mittelgroße hinkte.

Sie sahen Parker sofort, doch diesmal hüteten sie sich, ihn noch mal in ein Gespräch zu verwickeln. Die Fünfunddreißigjährigen gingen hinüber in die Lounge und nahmen in einer Sesselgruppe Platz. Einer der Leibwächter des Mr. Franco Taylor schlenderte wie absichtslos zu ihnen und setzte sich.

Parker war ein überaus höflicher Mensch.

Er lüftete höflich die schwarze Melone und schritt zur Hotelbar, wo seine Herrin ihren zusammengebrochenen Kreislauf stützte. Sie hielt einen ansehnlichen Kognakschwenker in der rechten Hand und versorgte ihren Organismus mit ihrer Spezialmedizin.

Parker erstattete einen kurzen Bericht.

»Aha, also ein TV-Produzent«, sagte Agatha Simpson, »natürlich ist das alles aufgelegter Schwindel, Mr. Parker. Ich hoffe, Sie sind ebenfalls dieser Ansicht.«

»Falls Mr. Taylor tatsächlich ein Fernsehproduzent sein sollte, Mylady, so scheint sein Schutzbedürfnis übertrieben groß zu sein.«

»Fünf Mitarbeiter«, gab sie verächtlich zurück, »und wahrscheinlich gibt es noch mehr davon.«

»Ein Hinweis, Mylady, den man als beachtenswert einstufen muß«, versicherte der Butler, »Mr. Franco Taylor dürfte allerdings über beachtenswerte Barmittel oder über einen ansehnlichen Kredit verfügen. Eine Suite in diesem Haus ist nicht gerade kostensparend.«

»Die Mafia kann mit dem Geld nur so um sich werfen«, meinte Lady Agatha, »ich habe große Lust, diesem Gaynor auf den Zahn zu fühlen.«

»Mr. Franco Taylor«, korrigierte der Butler höflich. Ihm war nur zu bekannt, daß die Lady nicht in der Lage war, sich Namen zu merken.

»Wie auch immer«, sagte sie wegwerfend, »ich werde diesem Subjekt umgehend klarmachen, wer ich bin. Kommen Sie, Mr. Parker, Sie können wieder etwas dazulernen ...«

Der Butler wäre durchaus in der Lage gewesen, eine außer Kontrolle geratene Dampfwalze zu stoppen, doch eine Lady Agatha war einfach nicht zu bremsen, wenn sie sich erst mal was in den Kopf gesetzt hatte.

Sie trank den Kognakschwenker leer, brachte ihren perlenbestickten Pompadour in leichte Schwingung und machte sich auf den Weg, Franco Taylor ins Verhör zu nehmen.

»Unverschämt«, meinte sie wenige Augenblicke später und schüttelte dann verärgert den Kopf, »dieser Lümmel hat die Flucht ergriffen.«

Taylor und seine Leibwächter hatten inzwischen das Feld geräumt und waren wohl in die angemietete Suite gefahren.

»Mylady dürften bereits einen zu tiefen Eindruck auf Mr. Taylor gemacht haben«, mutmaßte der Butler, der durchaus damit einverstanden war, daß die ältere Dame nicht zum Zug kam.

*

»Doch, Mylady, wir wissen, daß dieser Franco Taylor bereits in London ist«, sagte Chief-Superintendent McWarden, »er steht unter ständiger Beobachtung.«

McWarden, untersetzt und mit leichtem Bauchansatz, an die fünfundfünfzig, hatte Ärger mit seiner überstrapazierten Schilddrüse und daher leichte Basedowaugen. Gepaart mit seinem cholerischen Temperament, erinnerte der Chief-Superintendent an eine stets gereizte Bulldogge.

Er leitete im Yard ein Sonderdezernat und befaßte sich mit organisiertem Bandenverbrechen. McWarden war dem Innenministerium direkt unterstellt, äußerst tüchtig und brauchte dennoch immer wieder die unkonventionelle Hilfe des Butlers. Mit Lady Agatha verband ihn eine bereits Jahre dauernde Freundschaft, die allerdings oft zu wechselseitigen bissigen Reaktionen führte.

»Und wer ist dieses Subjekt, mein lieber McWarden?« erkundigte sich die ältere Dame erstaunlich friedlich. »Es könnte ja sein, daß Sie es inzwischen herausgefunden haben.«

»Franco Taylor ist tatsächlich in der Fernsehunterhaltung tätig«, entgegnete McWarden, »er ist Präsident einiger Stationen an der Ostküste. Er hat das alles von seinem Vater geerbt, der bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam.«

»Er steht also unter Mordverdacht, wie?« schnappte die ältere Dame sofort zu.

»Nicht, was seinen Vater betrifft«, berichtete der Chief-Superintendent weiter, während Parker mit einem Silbertablett die große Wohnhalle des Hauses betrat, um Sherry anzubieten.

»Alkohol um diese Zeit?« staunte Lady Agatha und bedachte ihren Butler mit strafendem Blick. »Nun gut, Mr. Parker, ich werde ein Gläschen nehmen, doch Mr. McWarden sollten Sie nicht in Versuchung führen, er ist schließlich im Dienst.«

»Aber überhaupt nicht«, sagte McWarden genußvoll, »und selbst wenn, Mylady, ein Mann in meiner Stellung kann schon mal über gewisse Vorschriften hinwegsehen.«

»Die Gläser bitte nicht zu voll, Mr. Parker«, warnte die ältere Dame, deren bekannter Geiz wohl wieder durchbrach, »wir wollen hier ja schließlich keine Orgien feiern.«

»Ich habe mich voll unter Kontrolle.« McWarden nickte Josuah Parker aufmunternd zu, als er die Gläser füllte. Der Chief-Superintendent wußte, daß Lady Simpson Qualen litt.

»Darf man fragen, Sir, warum die hiesigen Behörden sich für Mr. Franco Taylor interessieren?« erkundigte sich Parker höflich.

»Franco Taylor ist ein Mafioso«, lautete McWardens Antwort, »wir haben von unseren Kollegen in den USA entsprechende Hinweise bekommen. Und Taylor ist mit Sicherheit kein Nachwuchsmann. Er ist bekannt als der sogenannte Zampano.«

»Das klingt nach Übertreibung«, stellte Lady Agatha fest, entschied sich wie selbstverständlich für das vollere Glas und kostete. Anschließend warf sie Parker einen leicht gereizten Blick zu.

»Das ist ja mein privater Sherry«, sagte sie dann erbost.

»In der Tat, Mylady«, gab der Butler zurück, »meine Wenigkeit setzte voraus, daß Mylady einen besonderen Gast des Hauses verwöhnen will.«

»Das finde ich aber sehr gut«, freute sich McWarden, »für Ihre normalen Gäste reichen Sie einen anderen Sherry, Mylady?«

»Natürlich«, meinte sie nachdrücklich, »Sie haben ja keine Ahnung, wie teuer guter Sherry ist, mein lieber McWarden. Aber fahren Sie endlich fort. Ich fürchte, Sie betrinken sich sonst noch.«

»Sie neigen zur Annahme, daß erwähnter Franco Taylor hierher nach London gekommen ist, um für die amerikanische Mafia tätig zu werden?«

»Als reiner Tourist dürfte er kaum nach London gekommen sein«, entgegnete McWarden, »dieser Zampano soll vielleicht etwas organisieren oder neu aufziehen. Wir sind da auf jede Überraschung gefaßt. Ich finde es allerdings erstaunlich, daß Sie, Mylady, bereits einen ersten Kontakt mit diesem Gangster schafften.«

Der Chief-Superintendent meinte selbstverständlich den Butler, doch er hütete sich, ihn direkt anzusprechen. Er kannte die stets wache Eifersucht der älteren Dame.

»Ich habe dieses Subjekt längst durchschaut«, erwiderte Agatha Simpson, »man hat ihn hierher geschickt, um mich zu erledigen. Das ist doch sonnenklar. Sehen Sie das etwa anders, Mr. Parker?«

»Meine Wenigkeit würde sich nie erlauben, einen anderen Standpunkt einzunehmen und dann sogar noch zu vertreten«, lautete Parkers Antwort, »Mylady stehen stets im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses.«

»Das möchte ich mir aber auch ausgebeten haben«, gab sie wohlwollend zurück, »schließlich bin ich eine Frau, die man fürchtet.«

»Das unterschreibe ich voll und ganz«, ließ der Chief-Superintendent sich vernehmen, »besser hätte ich’s gar nicht ausdrücken können.«

Nach dieser Feststellung wandte er sich um, musterte eine alte Ritterrüstung in der großen Wohnhalle und mühte sich ab, ein aufsteigendes Lachen zu verbeißen.

*