Parker bremst die "Kaffeemühle" - Günter Dönges - E-Book

Parker bremst die "Kaffeemühle" E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Aufdringlich wie eine Schmeißfliege«, grollte Agatha Simpson und verrenkte sich fast den Hals, als sie dem kleinen Hubschrauber nachblickte, der gerade wieder im Tiefflug über sie hinweg taumelte und dann hinter einer kleinen Anhöhe verschwand. »Möglicherweise hat der Pilot gewisse Schwierigkeiten mit seiner momentanen Position«, gab Butler Parker zurück, »das Wetter ist nicht gerade als ideal zu bezeichnen.« Es regnete, und von der nahen Küste trieben zusätzlich noch Nebelschleier über das Land. Mylady hatte sich einen fußlangen Wettermantel übergezogen und wurde außerdem von Parkers aufgespanntem Universal-Regenschirm beschützt. Mylady und der Butler befanden sich auf einem schmalen Feldweg, der von hohen Büschen und Sträuchern gesäumt wurde. Sie waren auf dem Weg zurück zu Parkers hochbeinigem Monstrum, das an der nahen Landstraße abgestellt worden war. »Da ist diese Schmeißfliege wieder«, räsonierte die ältere Dame und blieb stehen, »so schwer kann es doch gar nicht sein, eine passende Wiese zu finden, Mr. Parker.« »Möglicherweise sucht der Pilot eine ganz bestimmte Wiese oder ein ländliches Anwesen, Mylady.« Mylady antwortete, doch ihre Worte gingen im Lärm der Rotoren unter. Der Hubschrauber kurvte ein und ging in einen geradezu halsbrecherischen Tiefflug über. Seine Landekufen streiften fast die Kronen der Büsche, und Lady Agatha zog unwillkürlich den Kopf ein. Wenig später zog der Hubschrauber wieder hoch und verschwand hinter den Schornsteinen des kleinen Gasthofes, dem die passionierte Detektivin und ihr Butler eben erst den Rücken gekehrt hatten, ohne dort eingelassen worden zu sein. »Falls der Pilot landet, kann er mit einigen Ohrfeigen rechnen«, kündigte die ältere Dame an, die das sechzigste Lebensjahr mit Sicherheit bereits überschritten hatte. Sie war groß, füllig und von majestätischer Erscheinung. Agatha Simpson war eine Dame von hohem Rang, mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert.

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Butler Parker – 183 –

Parker bremst die "Kaffeemühle"

Günter Dönges

»Aufdringlich wie eine Schmeißfliege«, grollte Agatha Simpson und verrenkte sich fast den Hals, als sie dem kleinen Hubschrauber nachblickte, der gerade wieder im Tiefflug über sie hinweg taumelte und dann hinter einer kleinen Anhöhe verschwand.

»Möglicherweise hat der Pilot gewisse Schwierigkeiten mit seiner momentanen Position«, gab Butler Parker zurück, »das Wetter ist nicht gerade als ideal zu bezeichnen.«

Es regnete, und von der nahen Küste trieben zusätzlich noch Nebelschleier über das Land. Mylady hatte sich einen fußlangen Wettermantel übergezogen und wurde außerdem von Parkers aufgespanntem Universal-Regenschirm beschützt. Mylady und der Butler befanden sich auf einem schmalen Feldweg, der von hohen Büschen und Sträuchern gesäumt wurde. Sie waren auf dem Weg zurück zu Parkers hochbeinigem Monstrum, das an der nahen Landstraße abgestellt worden war.

»Da ist diese Schmeißfliege wieder«, räsonierte die ältere Dame und blieb stehen, »so schwer kann es doch gar nicht sein, eine passende Wiese zu finden, Mr. Parker.«

»Möglicherweise sucht der Pilot eine ganz bestimmte Wiese oder ein ländliches Anwesen, Mylady.«

Mylady antwortete, doch ihre Worte gingen im Lärm der Rotoren unter. Der Hubschrauber kurvte ein und ging in einen geradezu halsbrecherischen Tiefflug über. Seine Landekufen streiften fast die Kronen der Büsche, und Lady Agatha zog unwillkürlich den Kopf ein. Wenig später zog der Hubschrauber wieder hoch und verschwand hinter den Schornsteinen des kleinen Gasthofes, dem die passionierte Detektivin und ihr Butler eben erst den Rücken gekehrt hatten, ohne dort eingelassen worden zu sein.

»Falls der Pilot landet, kann er mit einigen Ohrfeigen rechnen«, kündigte die ältere Dame an, die das sechzigste Lebensjahr mit Sicherheit bereits überschritten hatte. Sie war groß, füllig und von majestätischer Erscheinung. Agatha Simpson war eine Dame von hohem Rang, mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert. Immens reich, ging sie ihrem Hobby nach und betätigte sich als Privatdetektivin. Ihre Energie dabei war kaum weniger groß als ihre Unvorsichtigkeit. Sie sprühte stets vor Energie und ließ grundsätzlich keine Gelegenheit aus, in irgendein Fettnäpfchen zu treten.

Erneut geriet sie in Zorn, als der kleine Hubschrauber mit dem Gitterrumpf heranflatterte und nun direkt auf sie zuhielt. Die ältere Dame schob den Regenschirm, den Parker hielt, zur Seite und drohte nach oben. Dabei verrutschte ihr Hut, der eine skurrile Mischung aus einem Südwester und einem Napfkuchen darstellte.

Der Pilot des Hubschraubers schien diese Geste der Drohung mißverstanden zu haben – oder aber er wollte sich revanchieren. Parker sah deutlich, daß der Mann im verglasten Cockpit plötzlich einen dunklen Gegenstand nach unten warf, dann sein Fluggerät wieder hochzog und erneut hinter dem Gasthof verschwand.

Der Gegenstand gehorchte inzwischen den Gesetzen der Schwerkraft und fiel in leichtem Bogen nach unten. Die Luftwirbel der Rotoren mußten den dunklen Gegenstand leicht abgelenkt haben. Hinzu kam wohl auch noch der Wind, der die Nebelschwaden über das Land trieb.

Dicht neben Lady Agatha klatschte ein Päckchen in einen Strauch. Zweige brachen und wurden abgerissen. Dann kollerte das Gastgeschenk aus der Luft vor die nicht gerade kleinen Füße der älteren Dame, die unwillkürlich einen Hüpfer zur Seite tat.

»Haben Sie das gerade gesehen, Mr. Parker?« fragte sie dann und schnaubte vor Empörung, »der Lümmel da oben wollte mich treffen.«

»Ein Eindruck, Mylady, dem meine Wenigkeit nicht unbedingt widersprechen möchte«, gab Josuah Parker zurück und bückte sich nach dem Päckchen, das kaum größer war als eine Packung für Waschmittel. Es war sehr gut verklebt und verschnürt.

»Was sage ich denn dazu?« fragte Lady Agatha neugierig.

»Mylady dürften überrascht sein«, gab Josuah Parker zurück, »das Päckchen macht einen durchaus wasserdichten Eindruck.«

»Vielleicht eine Bombe«, hoffte die Detektivin, die sich auf jedes Abenteuer freute.

»Falls Mylady wünschen, könnte man das Päckchen öffnen.«

»Selbstverständlich will ich sehen, was man mir da auf den Kopf werfen wollte«, entgegnete die ältere Dame, während Parker das Päckchen hochnahm und sein rechtes Ohr daran legte.

»Ein deutliches Ticken, nicht wahr?« Ihre grauen Augen funkelten vor Erwartung.

»Nicht unbedingt, Mylady«, dämpfte Parker die freudige Hoffnung seiner Herrin, »aber vielleicht hat man es mit einem sogenannten Säurezünder zu tun.«

»Hauptsache, Mr. Parker, es ist eine Bombe«, meinte sie, »man stellte mir also wieder mal nach und will mich umbringen.«

»Man könnte das Päckchen vielleicht im Wagen öffnen«, schlug Josuah Parker in seiner höflichen Art vor. Er war längst davon überzeugt, daß man es auf keinen Fall mit einer Bombe zu tun hatte. Und er glaubte bereits zu wissen, daß man Mylady und ihn wohl verwechselt hatte. Der Regen und der immer dichter werdende Nebel mußten dem Piloten des Hubschraubers die genaue Sicht genommen haben.

Parker hielt längst wieder seinen Schirm über das Haupt der Lady und geleitete sie hinüber zur nahen Ladenstraße. Er war ein etwas über mittelgroßer, fast schlanker Mann und schon rein äußerlich das Urbild eines hochherrschaftlichen englischen Butlers. Sein glattes und meist ausdrucksloses Gesicht ließ kaum einen Rückschluß auf sein Alter zu.

Josuah Parker trug zur schwarzen Melone einen ebenfalls schwarzen Covercoat, einen weißen Eckkragen und einen schwarzen Binder. Seine Hände wurden umschlossen von schwarzen Lederhandschuhen.

»Ich bleibe dabei, daß man mich umbringen wollte«, behauptete Lady Agatha und ... runzelte verärgert die Stirn, als plötzlich zwei Schüsse fielen.

*

»Das haben Sie absichtlich getan«, grollte die ältere Dame einige Minuten später und verschmähte Parkers hilfreiche Hand. Der Butler hatte seine Herrin kurzerhand zur Seite gestoßen und in einen der mannshohen Sträucher befördert. Sie wischte einige nasse Blätter aus dem Gesicht und maß Parker mit drohendem Blick.

»Es ging um Myladys Leben«, erwiderte der Butler, »Mylady dürften kaum entgangen sein, daß geschossen wurde.«

»Tatsächlich?« Sie entspannte sich und sah ihren Butler bereits bedeutend freundlicher an.

»Es handelte sich um zwei Schüsse, Mylady«, sagte Josuah Parker, »meiner bescheidenen Ansicht nach kamen sie aus der Richtung jenes Gasthofes, dessen Türen sich als verschlossen erwiesen.«

»Dann hat man also absichtlich nicht geöffnet, nicht wahr?«

»Dieser Schluß, Mylady, drängt sich in der Tat auf.«

»Dann werde ich noch mal zurückgehen«, entschied sie, »Schüsse aus dem Hinterhalt kann ich nicht ausstehen.«

Sie schien das gut verschnürte Päckchen schon wieder vergessen zu haben und setzte ihre majestätische Fülle sofort in Bewegung. Sie verzichtete auf den Schutz von Parkers Regenschirm und stampfte ungeniert durch die Pfützen und Wasserlachen des Feldweges.

Josuah Parker folgte selbstverständlich.

Ihm war längst klar, daß man sich keineswegs allein in dieser engeren Region befand. Der Regen war inzwischen noch stärker geworden, der Nebel noch dichter. Es war inzwischen sehr dunkel geworden, die Sichtverhältnisse mehr als schlecht.

Als ein starker Windstoß einige Nebelvorhänge zur Seite blies, war der Gasthof wieder zu sehen. Die Fensterläden waren nach wie vor geschlossen, das anderthalbstöckige Haus aus Fachwerk und Bruchsteinen machte einen abweisenden, unbewohnten Eindruck. Lady Agatha, die die Tür erreicht hatte, klopfte mit der Faust gegen das Türblatt. Das Dröhnen mußte im Haus gehört werden, falls es Bewohner gab.

»Nichts«, sagte die ältere Dame leicht gereizt, »man will mich natürlich an der Nase herumführen, Mr. Parker.«

»Möglicherweise ist die Tür nur angelehnt«, erwiderte Josuah Parker und holte sein kleines Spezialbesteck aus einer seiner vielen Westentaschen. Er führte eine Art Pfeifenreiniger in das Türschloß und brauchte nur wenige Augenblicke, bis es nachgab. Als er die Tür jedoch aufdrücken wollte, zeigte es sich, daß von innen ein Riegel vorgeschoben worden war.

»Man dürfte den Gasthof auf einem anderen Weg verlassen haben, Mylady«, sagte Parker, »wenn es genehm ist, sollte man nach einer Hintertür suchen.«

»Und ob es genehm ist, Mr. Parker! Ich weiß, daß dieser Mordschütze im Haus sein muß.« Sie stampfte wieder los und schritt um die Hausecke, dicht gefolgt von Josuah Parker, der wieder mal seine schützende Hand über sie hielt. Er kannte ihr ungestümes Temperament nur zu gut.

Es gab eine zweigeteilte Hintertür.

Sie war halb geöffnet und wurde von den Windböen leicht bewegt. Parker überholte seine Herrin und stieß mit der Spitze seines Universal-Regenschirms die Tür vollends auf. Dabei horchte er in sich hinein. Seine innere Alarmanlage aber meldete sich nicht. Im Gasthof schienen demnach keine weiteren Überraschungen auf Mylady und ihn zu warten.

»Es kann sich nur um eine Falle handeln, Mr. Parker«, stellte die ältere Dame freudig fest, »aber dieser Schütze wird sich wundern.«

Nein, Angst war ihr völlig unbekannt.

Sie wollte zum Sturm ansetzen und ohne jede Deckung das Haus betreten. Josuah Parker hingegen rechnete mit mehr als peinlichen Überraschungen. Er drängte die ältere Dame scheinbar ungewollt ab und warf gleichzeitig einen seiner Patent-Kugelschreiber durch die Tür ins Innere des Gasthofes.

Man hörte deutlich, wie das Schreibgerät auf Steinplatten aufschlug. Sekunden danach wallten bereits die ersten dichten Nebelwolken aus dem Haus.

»Falls Mylady geneigt sind, einen Vorschlag meiner Wenigkeit anzunehmen, sollten Mylady vielleicht diesen Schwaden aus dem Weg gehen«, ließ Josuah Parker sich vernehmen, »mit einer gewissen Reizung der Atemwege und Tränendrüsen ist fest zu rechnen.«

Worauf Lady Agatha, die bereits eingeatmet hatte, bellend hustete.

*

Josuah Parker begab sich zurück zur Frontseite des Gasthofes.

Er rechnete damit, daß sich dort etwas tun würde. Falls sich im Gasthof der Schütze befand, würde er sicher versuchen, durch die Haupttür zu fliehen. Als der Butler die Hausecke erreicht hatte, hörte er bereits das Zuschlagen der Eingangstür. Er beschleunigte seine Schritte und nahm nur noch vage wahr, daß eine Gestalt sich durch das dichte Strauchwerk seitlich vom Haus zwängte.

Der Butler wartete noch einen Moment auf eine mögliche zweite Gestalt, doch sie blieb aus. Also betrat er den Gasthof durch den Haupteingang und bewegte sich vorsichtig in die Tiefe des Hauses. Doch schon bald darauf mußte er umkehren. Die starke Luftbewegung zwischen Haupteingang und Hintertür trieb die Nebelschwaden durch das Haus.

Lady Agatha kam ihm hustend an der Hausecke entgegen. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und dann den Regen von den Wangen.

»Sie haben mich schon wieder attackiert«, grollte sie, »Sie haben mich absichtlich nicht gewarnt, Mr. Parker.«

»In verständlicher Sorge um Myladys Wohl«, entschuldigte sich der Butler, »im Haus wartete, wie sich eben herausstellte, bereits der Mörder auf sein Opfer.«

»Sie übertreiben«, meinte sie, »haben Sie diesen Schützen wenigstens gesehen und erkannt?«

»Meine Wenigkeit konnte nur vage Umrisse ausmachen, Mylady.«

»Ich, Mr. Parker, hätte mit Sicherheit mehr gesehen«, mokierte sie sich, »aber gut, ich werde das nicht weiter vertiefen. Ich frage mich nur, seit wann man mich beschattet hat?«

»Mylady spielen auf den Hubschrauber und den Schützen an?«

»Natürlich, Mr. Parker. Dieser doppelte Anschlag galt allein meiner Person, darüber bin ich mir jetzt völlig im klaren.«

»Etwaige Verfolger können Mylady nur per Zufall erkannt haben«, sagte Josuah Parker, »Mylady unternahmen den Abstecher nach Port Talbot rein zufällig, wenn meine Wenigkeit höflich daran erinnern darf.«

»Stimmt das wirklich?« zweifelte Agatha Simpson prompt. »Ich hatte in Cardiff zu tun, das ist richtig. Es war übrigens eine sehr langweilige Aufsichtsratssitzung, Mr. Parker, wie Sie wissen. Ich hätte erst gar nicht kommen sollen.«

»Mylady waren und sind dankenswerterweise an der Erhaltung alter waliser Schlösser und Burgen interessiert«, meinte Parker, »ohne Myladys Großzügigkeit würde manch wertvolles Baudenkmal der Zerstörung anheimfallen.«

»Man wollte nicht mich sehen, sondern mein Geld«, räsonierte sie, »aber wie auch immer, habe ich mit irgendjemand über meinen Ausflug nach Port Talbot geredet?«

»Nicht in meiner bescheidenen Gegenwart, Mylady.«

»Ich werde über diesen Punkt nachdenken«, erklärte sie, »und mich an die Einzelheiten sehr genau erinnern, für mein Gedächtnis bin ich schließlich bekannt, oder?«

»Myladys Erinnerungsvermögen kann man in der Tat nur als ausgesprochen frappant bezeichnen«, entgegnete Parker und verzog keine Miene. Genau das Gegenteil war nämlich der Fall. Sie behielt so gut wie nichts, schon gar keine Namen.

»Hier wird also der Zufall mitgespielt haben«, überlegte sie, »irgendein Gangster hat mich in Cardiff erkannt und Sofort seine Killer auf mich angesetzt. Man kennt das ja.«

»Vielleicht wollen Mylady sich den Inhalt des Päckchens aus der Nähe ansehen«, schlug Parker vor, um das Thema zu wechseln.

»Selbstverständlich«, meinte sie, »genau das wollte ich gerade Vorschlägen.«

»Schräg neben dem Gasthof befindet sich eine Holzlaube, Mylady, die Trockenheit verspricht.« Parker deutete mit der Spitze des Regenschirms in die ziehenden Schwaden, die noch dichter geworden waren. Dafür hörte aber der Regen etwas auf.

Lady Agatha hatte bereits wieder vergessen, daß sich ihrer Ansicht nach eine Bombe im Päckchen befand. Sie blieb neben Parker stehen, als er die Klebestreifen von der wasserdichten Folie abzog und dann den starken Karton hervorschälte.

»Wahrscheinlich Rauschgift«, meinte sie nun, »Sie wissen, Mr. Parker, daß ich mich auf meinen Instinkt verlassen kann.«

»Wie Mylady zu meinen belieben.« Parker mußte weitere Klebestreifen entfernen, bis er den Deckel des Kartons endlich vorsichtig lüften konnte.

»Nun, Mr. Parker?« Sie beugte sich neugierig vor.

»Es dürfte sich um Blech handeln, Mylady«, sagte Parker nach einem kurzen Blick in das Päckchen, »dann um Gürtelschnallen, Brustplatten und Lorbeerblätter.«

»Wollen Sie mich unbedingt reizen, Mr. Parker?« Sie sah ihren Butler scharf an. »Haben Sie gerade von Blech gesprochen?«

»Von Goldblech, Mylady, um genau zu sein«, redete Josuah Parker in seiner höflichen Art weiter, »dem Gewicht nach dürfte der reine Materialwert nicht gerade erheblich zu nennen sein.«

*

Der Butler hob den Deckel vollends an und legte ihn zur Seite. Dann trat er notgedrungen einen halben Schritt zurück, denn Lady Agatha schob ihre Fülle nachdrücklich vor. Sie beugte sich über das Päckchen und zog dann die Luft scharf ein.

»Ich ahnte es«, sagte sie schließlich, »irgendwie habe ich das gespürt, Mr. Parker.«

»Mylady sind beeindruckt?« erkundigte sich Parker.

»Beeindruckt und empört«, erwiderte sie, »das sind doch Kunstschätze, nicht wahr, Mr. Parker?«

»Eindeutig, Mylady«, bestätigte Josuah Parker, »diese Gegenstände aus Goldblech dürften meiner bescheidenen Ansicht nach aus einem Museum stammen.«

»Sehen Sie sich das an, Mr. Parker!« Die ältere Dame nahm einen der Gegenstände aus dem Päckchen und hielt ihn hoch. Es handelte sich um den Teil eines Brustschmuckes, dessen Gold-Granulation beeindruckend war. Winzig kleine Perlen aus Gold waren auf dem Untergrund aus dünnem Goldblech aufgeklebt oder aufgelötet. Über dem durchlaufenden Brandmuster war eine Reihe mythologischer Figuren zu erkennen, die bis in das winzigste Detail durchgearbeitet waren.

»Falls es gestattet ist, Mylady, möchte meine Wenigkeit in Bewunderung verharren«, sagte Josuah Parker.

»Natürlich gestatte ich es«, gab Agatha Simpson zurück, »es handelt sich eindeutig um einen Schmuck aus der Inka-Zeit.«

»Nicht unmittelbar, Mylady«, korrigierte Josuah Parker in seiner höflichen Art, »es dürfte sich um einen etruskischen Brustschmuck handeln.«

»Das sehen Sie völlig falsch, Mr. Parker«, widersprach die Detektivin, »Natürlich handelt es sich um Schmuck aus der Inka-Zeit, aber das können Sie schließlich nicht wissen.«

»Wie Mylady zu meinen belieben.« Parker, der sich seiner Sache völlig sicher war, verlor nichts von seiner Gemessenheit und Höflichkeit. Lady Simpson vermochte einfach nicht, ihn zu erschüttern.

»Ein Lorbeerkranz«, sagte sie inzwischen und zog einen Haar-Reif aus dem Päckchen. Die Blätter waren auch hier bis ins letzte Detail nachgebildet worden.

»Und dazu noch zwei Armreifen mit granulierten Goldperlen«, zählte der Butler weiter auf, »und dies hier dürfte die Nachbildung einer Leber sein, wenn meine Wenigkeit nicht sehr irrt.«

»Machen Sie sich doch nicht lächerlich, Mr. Parker.« Sie nahm den Gegenstand, den Parker hochhielt, in die eigene Hand und wog ihn. »Massives Gold, Mr. Parker. Wie kommen Sie darauf, daß dies eine Leber sein soll?«

»Meine Wenigkeit sah solch ein Modell in Bronze in einer Ausstellung in London«, antwortete der Butler.

»Unsinn, Mr. Parker, das ist ein Wetzstein«, behauptete die ältere Dame unwirsch, »ich kenne mich in solchen Dingen aus. Aber wie auch immer, ich denke, ich habe hier einen recht kostbaren Fund gemacht, wie?«

»Mylady wurden mit diesem Fund förmlich bombardiert«, entgegnete der Butler, »darf man auch noch auf die übrigen Schmuckstücke aus Goldblech verweisen?«

Er hob nacheinander weitere Gegenstände aus dem Päckchen, nämlich eine Kette mit einem kleinen Brustschild, dann weitere Armreifen, Schnallen und Armspangen.

»Wieviel mag das alles wert sein?« wollte Agatha Simpson wissen, als Parker sich daran machte, die Schmuckgegenstände in das Päckchen zurückzulegen.

»Der Wert ist kaum abzuschätzen, Mylady«, beantwortete Parker die Frage, »es dürfte sich um viele Millionen Pfund handeln.«

»Dann wird der Finderlohn entsprechend sein«, freute sich die ältere Dame.

Weil sie mehr als nur vermögend war, besaß sie einen sehr ausgeprägten Sinn für Geld. Sie konnte sparsam sein, bis zum Geiz, sie konnte ihr Geld aber auch mit vollen Händen ausgeben, wenn es ihrer Ansicht nach angebracht war. Für ihr Hobby als Kriminalistin scheute sie keine Ausgabe.

»Ohne mich wäre dieses Goldblech unwiederbringlich verloren«, redete sie weiter, »ich werde meinen Finderlohn entsprechend hoch ansetzen.«

»Dazu werden Mylady sich mit dem Besitzer des Goldschmucks in Verbindung setzen müssen«, antwortete der Butler.

»Das werde ich Ihnen überlassen, Mr. Parker«, gab sie zurück, »diese unwichtigen Details interessieren mich nicht.«

»Wären Mylady damit einverstanden, einen Blick in das Haus zu werfen?«

»Was soll ich denn dort?« fragte sie ungeduldig.

»Möglicherweise ergibt sich eine Begegnung mit den Hausbewohnern, Mylady.«

»Nun gut.« Sie nickte flüchtig. »Ich werde Ihnen diesen Gefallen tun, Mr. Parker, obwohl ich bereits schon jetzt weiß, daß das reine Zeitverschwendung sein wird.«

*

Es war natürlich keine Zeitverschwendung.

Der Durchzug hatte die Nebelschwaden aus dem Patent-Kugelschreiber längst vertrieben, und Josuah Parker nahm eine Besichtigung des Gasthofes vor. In einem der kleinen, niedrigen Kellerräume entdeckte er dann eine Frau und einen Mann, die man gefesselt und geknebelt hatte. Nachdem der Butler die beiden Personen befreit hatte, führte er sie in den Schankraum, wo Lady Agatha ihren Kreislauf mit einem Sherry stärkte, den sie in der Bar gefunden hatte. Sie runzelte die Stirn, als sie die beiden Betreiber der Gastwirtschaft sah. .