Parker demaskiert die Wanze - Günter Dönges - E-Book

Parker demaskiert die Wanze E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Lady Agatha war in ihrem Element. Sie saß am Steuer ihres Land-Rover und demonstrierte ihr einmaliges Können. Von Straßenverkehrsregeln schien die ältere Dame noch nie in ihrem Leben gehört zu haben. Sie ging davon aus, daß nur sie allein das Recht der Vorfahrt besaß, und sorgte auf diese Art und Weise für Notbremsungen am laufenden Band. Butler Parkers innere Verfassung war wesentlich gedämpfter. Er saß neben seiner Herrin und stemmte sich mit beiden Beinen gegen das Bodenbrett. Er rechnete jeden Augenblick mit einem Zusammenstoß und bewunderte insgeheim die Reaktionsschnelligkeit der Londoner Autofahrer und auch gewisse Wortschöpfungen, die manchmal deutlich zu hören waren. Die irritierten oder geschockten Fahrer brüllten wüste Flüche in Richtung Land-Rover. »Man muß sich stets der Verkehrslage anpassen, Mister Parker«, dozierte Agatha Simpson. Sie hatte das sechzigste Lebensjahr überschritten, machte aber trotzdem einen energischen und munteren Eindruck. Sie war groß und stattlich, seit vielen Jahren Witwe, immens vermögend und mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert. Ihr Hobby war das Aufklären von Kriminalfällen. Und Lady Simpson hatte das Glück, daß sie immer wieder mit solchen Fällen konfrontiert wurde. Sie schien kriminelle anzuziehen wie der Magnet die Eisenfeilspäne ... »Mylady beherrschen den Land-Rover wieder mal in einer Art, die man nur als meisterhaft bezeichnen kann«, lautete Parkers Antwort. »Darf man sich erlauben, Mylady, auf die kommende Kreuzung zu verweisen?« »Natürlich dürfen Sie, Mister Parker«, gab sie wohlwollend zurück.

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Butler Parker – 193 –

Parker demaskiert die Wanze

Günter Dönges

Lady Agatha war in ihrem Element.

Sie saß am Steuer ihres Land-Rover und demonstrierte ihr einmaliges Können. Von Straßenverkehrsregeln schien die ältere Dame noch nie in ihrem Leben gehört zu haben. Sie ging davon aus, daß nur sie allein das Recht der Vorfahrt besaß, und sorgte auf diese Art und Weise für Notbremsungen am laufenden Band.

Butler Parkers innere Verfassung war wesentlich gedämpfter. Er saß neben seiner Herrin und stemmte sich mit beiden Beinen gegen das Bodenbrett. Er rechnete jeden Augenblick mit einem Zusammenstoß und bewunderte insgeheim die Reaktionsschnelligkeit der Londoner Autofahrer und auch gewisse Wortschöpfungen, die manchmal deutlich zu hören waren. Die irritierten oder geschockten Fahrer brüllten wüste Flüche in Richtung Land-Rover.

»Man muß sich stets der Verkehrslage anpassen, Mister Parker«, dozierte Agatha Simpson. Sie hatte das sechzigste Lebensjahr überschritten, machte aber trotzdem einen energischen und munteren Eindruck. Sie war groß und stattlich, seit vielen Jahren Witwe, immens vermögend und mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert. Ihr Hobby war das Aufklären von Kriminalfällen. Und Lady Simpson hatte das Glück, daß sie immer wieder mit solchen Fällen konfrontiert wurde. Sie schien kriminelle anzuziehen wie der Magnet die Eisenfeilspäne ...

»Mylady beherrschen den Land-Rover wieder mal in einer Art, die man nur als meisterhaft bezeichnen kann«, lautete Parkers Antwort. »Darf man sich erlauben, Mylady, auf die kommende Kreuzung zu verweisen?«

»Natürlich dürfen Sie, Mister Parker«, gab sie wohlwollend zurück. »Aber ich habe sie natürlich längst gesehen. Schauen Sie mal, wie unentschlossen die Fahrer sind.«

»Wahrscheinlich läßt man eine gewisse Vorsicht walten, Mylady.«

»Lächerlich, Mister Parker«, mokierte sie sich. »Man hat nur keinen Mut, die Initiative zu ergreifen. Nun, ich werde wieder mal ein Beispiel geben.«

»Mylady pflegen stets besondere Akzente zu setzen«, erwiderte Josuah Parker und machte sich innerlich auf einen Massenzusammenstoß gefaßt. Er holte sicherheitshalber tief Luft und harrte der Dinge, die mit Sicherheit kommen mußten. Die ältere Dame hatte inzwischen Gas gegeben und näherte sich dem Getümmel auf der Kreuzung. Dabei betätigte sie ausgiebig das Signalhorn und machte auf sich aufmerksam.

Josuah Parker war Fatalist, was sein Zusammenleben mit Lady Agatha betraf. Als hochherrschaftlicher englischer Butler ließ er sich grundsätzlich nicht aus der Ruhe bringen. Würde und Höflichkeit in allen Lebenslagen zeichneten diesen Mann aus, dessen Gesicht glatt und ausdruckslos war wie das eines professionellen Pokerspielers.

Es grenzte an ein kleines Wunder, als der Land-Rover die mehr als belebte Kreuzung erreichte. Nachdem Lady Agatha einige Wagen leicht gestreift und zur Seite geboxt hatte, fand sie tatsächlich einen Weg und überquerte die Kreuzung. Verzweifelte Autofahrer, die um den Lack ihrer Wagen fürchteten, wichen blitzschnell aus und bekreuzigten sich anschließend, sofern sie nicht gerade der anglikanischen Kirche angehörten. Andere wieder stießen blutrünstige Verwünschungen aus oder hupten ihren Zorn einfach ins Freie.

»Ich hoffe, Mister Parker, Sie haben einiges gelernt«, meinte Lady Agatha, als sie wieder freie Bahn hatte.

»Mylady werden sicher mit einigen Anzeigen rechnen müssen«, fürchtete Josuah Parker, der sich langsam entspannte.

»Unsinn, Mister Parker! Und wenn, dann werde ich durch sämtliche Instanzen gehen. Ist es noch weit bis zum Ziel?«

»Nur noch einige Querstraßen, Mylady«, erwiderte Parker. »Darf meine Wenigkeit übrigens darauf verweisen, daß Mylady von einem möglicherweise aufgebrachten Fahrer verfolgt werden?«

»Ich werde diesen Lümmel sofort zur Rede stellen.« Sie absolvierte ohne jede Vorankündigung eine Vollbremsung. Der Mann am Steuer des nachkommenden Wagens wurde völlig überrascht und setzte die Stoßstange seines Gefährts gegen die schwarze Stoßstange des Land-Rover. Das ausgesprochen häßliche Knirschen von Metall und Glasbruch war daraufhin zu hören.

Mylady stieg aus und brachte ihren perlenbestickten Pompadour in leichte Schwingung. Sie näherte sich dem Autofahrer, der seinerseits ausgestiegen war und sich den an sich leichten Schaden betrachtete, dann hochblickte, und Lady Agatha in ihrer majestätischen Erscheinung erblickte.

»Ent... Entschuldigung«, stotterte er leicht betreten.

»Das möchte ich aber auch gehört haben, junger Mann«, raunzte die ältere Dame. »Sie benehmen sich ja wie ein Rowdy. Haben Sie mich eben nicht auf der Kreuzung behindert?«

»Entschuldigung«, wiederholte der beeindruckte Fahrer. Dann stieg er schleunigst in seinen Wagen, setzte ein Stück zurück und fuhr davon. Er zog förmlich den Kopf ein, als er Agatha Simpson passierte.

»Es wäre ja gelacht, wenn man eine hilflose Dame angreifen wollte«, sagte sie und nahm wieder am Steuer Platz. »Ich nehme doch nun wirklich Rücksicht, wo ich nur kann, nicht wahr?«

»Meine Wenigkeit würde sich niemals die Freiheit nehmen, Mylady zu widersprechen«, lautete Parkers Antwort. Er war ein durch nichts zu erschütternder Butler.

*

»Mylady könnten bereits ins Haus gehen, während meine Wenigkeit einen passenden Parkplatz sucht«, schlug Josuah Parker vor, als das Ziel der Fahrt erreicht wurde. Er und Lady Agatha befanden sich in einer stillen Seitenstraße im Stadtteil Chelsea.

»Dort ist doch ein Parkplatz«, stellte die ältere Dame fest. »Er genügt mir völlig, Mister Parker.«

»Er ist vielleicht ein wenig unzureichend, Mylady.« Parker hatte ihn bereits abgeschätzt und fürchtete weiteren Flurschaden, falls Agatha Simpson einparken wollte.

Der Raum zwischen einem Kastenlieferwagen und einer nicht gerade billigen Jaguar-Limousine war begrenzt.

»Sie können ja aussteigen und mich einwinken«, gab sie zurück, »notwendig ist es natürlich nicht.«

Parker stieg aus und baute sich vor dem Heck des Kastenlieferwagens auf. Lady Agatha übersah jedoch großzügig die Handzeichen ihres Butlers und bohrte sich mit dem Bug des Land-Rovers entschlossen in die wirklich kleine Lücke. Da Parker sich im letzten Moment auf den Gehweg rettete, hatte Lady Agatha die Gelegenheit, den Kastenlieferwagen nachhaltig zu deformieren. Der Butler hörte im Wageninneren das Scheppern von Glas- und Porzellanwaren, das von einer Art dumpfem Fall begleitet wurde.

»Sie sollten winken und nicht springen, Mister Parker«, war Agatha Simpsons vorwurfsvolle Stimme zu vernehmen. »Machen Sie jetzt weiter, sonst komme ich noch zu spät.«

Sie winkte ausgesprochen huldvoll und strebte dem nahen Hauseingang zu, wo sie bereits von ihrer Gastgeberin erwartet wurde. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis die passionierte Detektivin sich vom Ort des peinlichen Geschehens entfernt hatte.

Josuah Parker klemmte eine seiner Visitenkarten in die zweigeteilte hintere Ladetür, setzte sich dann ans Steuer des Land-Rover, stieß vorsichtig zurück und parkte den Wagen schließlich weiter unten in einer Querstraße. Als er zurückkehrte, sah er gerade noch, wie der Kastenlieferwagen Fahrt aufnahm. Als er die Straßenecke passierte, merkte sich Parker das Kennzeichen. Für ihn war es selbstverständlich, daß dieser Schaden möglichst umgehend reguliert würde.

Erstaunlich war es allerdings schon, daß der Fahrer des Kastenlieferwagens ohne weiteres davongefahren war. Vorn im Fahrerhaus war er mit Sicherheit nicht gewesen, wie der Butler mit schnellem Blick festgestellt hatte. Er mußte den Wagen bestiegen haben, als Parker den Land-Rover in der Seitenstraße abgestellt hatte. Dabei hatte dieser Fahrer wohl gar nicht mitbekommen, daß sein Wagen demoliert worden war. Darauf wies Parker hin, als man anderthalb Stunden später nach Shepherd’s Market zurückfuhr, wo Myladys zweistöckiges Fachwerkhaus stand.

»Er wird die kleinen Schrammen schon noch bemerken«, sagte Agatha Simpson wegwerfend. »Sie glauben doch wohl nicht, daß ich ihn per Zeitungsanzeige suchen werde, oder?«

»Im Kastenaufbau des erwähnten Ford-Transit, Mylady, dürfte einiges zu Bruch gegangen sein«, antwortete der Butler.

»Sie zerbrechen sich wieder mal anderer Leute Kopf, Mister Parker.«

»Vor Antritt der Fahrt hätte dieser Fahrer sich vergewissern müssen, ob sein Wagen auch in Ordnung ist«, meinte sie. »Ich werde diesen Zwischenfall vergessen.«

»Falls er ein Angestellter ist, Mylady, könnte er gewisse Schwierigkeiten bekommen.«

»Sie meinen also, ich, Lady Simpson, müßte zahlen, obwohl Sie mich falsch eingewinkt haben?« Helle Empörung war in ihrer Stimme. Sie schien die Welt nicht mehr zu verstehen.

»Meine bescheidene Wenigkeit wird selbstverständlich die Regulierung der Kosten übernehmen, Mylady.« Josuah Parker kannte die intensive Sparsamkeit seiner Herrin, die mit dem Geiz eng verschwistert war.

»Ein guter Vorschlag, Mister Parker.« Sie nickte erfreut. »Das läßt sich hören. Sie wissen ja, daß ich mit jedem Penny rechnen muß.«

»Mylady bewegen sich, finanziell gesehen, am Rand des Existenzminimums«, stellte Parker höflich klar.

»Nun übertreiben Sie nicht gleich.« Mißtrauen stahl sich in ihre Stimme.

»Man wird sich mit dem Fahrzeughalter einigen können«, versprach der Butler.

»Sie müssen ihn ja nicht unbedingt finden«, schlug sie vor. »An Ihrer Stelle, Mister Parker, würde ich mich da nicht besonders anstrengen.«

*

»Myladys Vorfahren müssen aus Schottland stammen«, meinte Anwalt Rander am späten Nachmittag. Butler Parker hatte ihn vor der Praxis in der nahen Curzon Street abgeholt und ihm den an sich belanglosen Zwischenfall erzählt.

Mike Rander erinnerte, was sein Äußeres betraf, an einen bekannten James-Bond-Darsteller, er war groß, schlank und von einer selbstverständlichen Lässigkeit. Vor Jahren hatte er zusammen mit Parker in den USA viele Kriminalfälle gelöst. Die beiden Männer kannten sich sehr gut und konnten sich aufeinander verlassen. Nach seiner Rückkehr aus den Staaten hatte der etwa Vierzigjährige in London eine Praxis eröffnet, doch er kam kaum dazu, sich als Anwalt zu betätigen. Lady Agatha hatte ihn völlig vereinnahmt und brauchte immer wieder seine Hilfe.

Parker und Rander waren auf dem Weg nach Belgravia. In der Nähe der Victoria Station wohnte der Fahrzeughalter des Ford-Transit, wie der Butler Dank seiner Beziehungen inzwischen in Erfahrung gebracht hatte. Lady Agatha war zu Hause geblieben, um ein wenig zu meditieren, wie sie ihre Zurückgezogenheit nannte. Entweder hielt sie einen ausgedehnten Nachmittagsschlaf oder sie sah sich einen Video-Film an, um die Technik des Drehbuchschreibens zu studieren, wie sie stets behauptete. Sie hatte schließlich den Ehrgeiz, eines Tages eine bekannte Schriftstellerin zu werden.

»Wer ist eigentlich dieser George Lang?« fragte Mike Rander, als man sich dem Bahnhof näherte.

»Bei Mister George Lang, Sir, handelt es sich um einen Privatdetektiv«, erwiderte der Butler. »Per Telefon war er leider nicht zu erreichen, obwohl es an einigen Versuchen meinerseits nicht fehlte.«

»Vielleicht läßt er bereits den Schaden an seinem Transit ausbügeln, Parker. Er wird froh sein, Sie zu sehen.«

»Zumal einiger Schaden entstanden sein dürfte«, schickte Parker voraus. Im Kastenaufbau des Ford war entsprechender Lärm mehr als deutlich zu vernehmen.

»Ob der Bursche beruflich in Chelsea war?«

»Vielleicht besuchte er während Myladys Einparkung einen Klienten, Sir.«

Parker hatte die Seitenstraße erreicht, bog ab und brauchte nur noch einige Augenblicke, bis er das Haus fand, in dem George Lang wohnte. Die Sandsteinfassade des großen Wohn- und Geschäftshauses war von trauriger Häßlichkeit. Repräsentativ wohnte George Lang auf keinen Fall. Es dauerte eine Weile, bis Josuah Parker Längs Namen auf dem großen Klingelbrett entdeckt hatte.

»Weit und breit kein Ford-Transit zu sehen«, sagte Mike Rander. »Lang scheint wirklich unterwegs zu sein.«

»Möglicherweise gibt es einen Mitarbeiter, Sir.« Parker legte seinen rechten Zeigefinger auf den Klingelknopf und wartete auf eine Reaktion. Doch der elektrische Türöffner rührte sich nicht. Als Parker sich schon abwenden wollte, wurde die Tür von innen geöffnet. Einer der Hausbewohner trat ins Freie.

Der Butler lüftete grüßend die schwarze Melone und nutzte die Gelegenheit, das Haus wie selbstverständlich zu betreten. Er und Mike Rander gingen in einen recht klapprig aussehenden Fahrstuhl und fuhren in die vierte Etage. Von dort hatten sie noch eine zweigeteilte Treppe vor sich. Schließlich standen sie vor einer Tür, hinter der sich laut Firmenschild die Detektei Lang befand.

Parker klingelte erneut, doch auch jetzt erfolgte keine Reaktion.

»Warum diese Hartnäckigkeit?« wollte Mike Rander ein wenig gelangweilt wissen.

»Ein Impuls, Sir, den meine Wenigkeit momentan nicht zu erklären vermag«, erwiderte Parker.

»Wittern Sie etwa einen neuen Kriminalfall?« sorgte sich der Anwalt.

»Tatsache ist, Sir, daß das Türschloß augenscheinlich aufgebrochen wurde«, antwortete der Butler.

»Mischen wir uns nicht in fremde Angelegenheiten«, schlug Rander vor. »Man kann ja auch etwas übersehen.«

Parker reagierte auf seine Weise.

Mit der Spitze seines altväterlich gebundenen Regenschirms drückte er vorsichtig das Türblatt auf. Die Tür schwang zur Seite und gab den Blick frei auf einen ausgebauten Dachboden, der wie ein Atelier eingerichtet war. Die Einrichtung war allerdings mehr als spärlich. Auf dem Boden gab es einige ziemlich ausgefranste Teppiche, dann war da eine Sitzgruppe, eine Bettcouch und einige Möbelstücke, die sich mit Sicherheit nach dem Sperrmüll sehnten. An der Stirnseite dieses Ateliers war eine windschief in den Angeln hängende Tür. Dahinter folgten Regale aus verzinktem Winkeleisen, die völlig leer waren.

»Eine tolle Detektei«, urteilte Mike Rander, der mit Parker inzwischen im Atelier stand. »Lang scheint sein Geld nur so zu scheffeln.«

Die Eingangstür zum Atelier wurde in diesem Moment nachdrücklich in den Rahmen zurückgeworfen. Rander wandte sich um und sah sich zwei robust aussehenden Männern gegenüber, die katzenhaft geschmeidig auf ihn und Parker zutraten.

»Der nächste Fall also«, seufzte der Anwalt und spielte damit auf die Bleirohrstücke an, die die beiden Männer unternehmungslustig schwangen.

*

»Darf man Sie darauf verweisen, daß Sie etwas vergessen haben?« fragte Josuah Parker, während er höflich die schwarze Melone lüftete.

»Was vergessen?« fragte einer der beiden Bleirohrschwinger verdutzt und bremste seinen Schwung.

»In der Tat«, redete der Butler weiter. »Nach guter alter Tradition sollten Sie sich zumindest vorstellen?«

»Is’ der noch zu retten?« wollte der zweite Besucher wissen und warf seinem Partner einen verdutzten Blick zu.

»Sollten Sie in der festen Absicht gekommen sein, Mister Rander und meine Wenigkeit zu überfallen?« lautete Parkers Gegenfrage.

»Ich werd’ verrückt«, beklagte sich der erste Besucher und schnappte nach Luft. Er war eindeutig aus dem Konzept gebracht worden und wußte nicht, was er nun machen sollte.

»Sind Sie völlig sicher, daß Sie Mister Rander und meine Wenigkeit meinen, was Ihr mißverständliches Eindringen betrifft?« forschte der Butler höflich und gemessen weiter.

»Oder wollten Sie zu George Lang?« fügte Mike Rander hinzu. »Ich meine, es könnte ja sein, oder?«

»Wir sollen euch hochnehmen«, erklärte der zweite Besucher. »Verdammt, habt ihr das noch immer nicht kapiert?«

»Und wer, wenn man fragen darf, beauftragte Sie mit dieser Maßnahme?« erkundigte sich Parker.

»Jetzt platzt mir aber der Kragen«, brüllte der Mann und brachte sich und sein Stück Bleirohr in Schwung. Er holte weit aus und ... ließ das Bleirohr anschließend fallen. Er starrte den Butler verblüfft an, wollte atmen, schaffte es jedoch nicht und bekam einen krebsroten Kopf. Dann verbeugte er sich tief und gab einen Überraschungslaut von sich, der ursächlich mit dem Universal-Regenschirm des Butlers zusammenhing. Parker hatte ihn nämlich als eine Art Degen verwendet und die Spitze auf eine empfindliche Partie des Angreifers gedrückt.

Der andere Besucher wollte in Richtung Rander zuschlagen, doch er handelte sich von dem Anwalt einen kurz und trocken geschlagenen Handkantenhieb ein. Der Getroffene japste, verdrehte die Augen und blieb wie erstarrt stehen. Nach anderthalb Sekunden knickte er in den Knien ein und nahm auf einem der einfachen Teppichen Platz.

»Ziemliche Anfänger«, sagte Rander zu Parker. »Man hat ja fast ein schlechtes Gewissen.«

»Man sollte die beiden Personen keineswegs unterschätzen, Sir«, warnte der Butler. »Falls Sie einverstanden sind, könnte man sie aneinanderbinden.«

Bevor der Anwalt tatsächlich sein Einverständnis erklären konnte, ging der Butler in den angrenzenden Raum. Hier hatte er an einem Wandhaken einige dünne Verbindungskabel gesehen, die er nun dazu verwandte, die beiden Männer zu fesseln. Sie leisteten keinen Widerstand und stöhnten verhalten. Sie merkten auch kaum, daß Parker sie mit schnellen geübten Fingern durchsuchte. Er entdeckte zwei Springmesser und einen Schlagring, sonst nichts.

»Fragen nach ihrem Auftraggeber erübrigen sich wohl«, sagte Rander zu seinem Begleiter, »oder sollen wir diesen beiden Knaben leichte Daumenschrauben anlegen?«

»Es wäre schade, was die erwähnten Daumenschrauben betrifft«, gab der Butler zurück. »Man könnte durchaus das sprichwörtliche Feld räumen.«

Rander und Parker verließen das Atelier von George Lang und fuhren wenig später mit dem Lift nach unten. Als sie in das hochbeinige Monstrum stiegen, warf der Butler einen prüfenden Blick auf die parkenden Wagen in der näheren Umgebung.

»Gibt’s da irgendeinen Burschen, der auf unsere beiden Besucher wartet?« wollte der Anwalt wissen.

»Diese Person könnte sich durchaus in der Nähe aufhalten, Sir, ist aber momentan nicht auszumachen«, erwiderte Josuah Parker. »Sobald aber die beiden Männer sich oben im Atelier befreit haben, wird man sie anpeilen können. Meine Wenigkeit war so frei, einen Miniatur-Sender zu installieren. Man muß sich notgedrungen dem technischen Standard seiner Umgebung anpassen.«

*

Das Gerät in Mike Randers Hand war kaum größer als ein Walkman-Cassetten-Abspielgerät. Der Anwalt beobachtete den Ausschlag eines Zeigers und dirigierte danach Parker durch das Gewirr der Straßen.