Parker fängt die Königskobra - Günter Dönges - E-Book

Parker fängt die Königskobra E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Ein bemerkenswertes Exemplar«, stellte Josuah Parker fest und musterte die Königskobra, die schätzungsweise dreieinhalb Meter lang und fast armdick war. Das Reptil glitt aus einer Art Schutzhütte, die sich in der Mitte der großen Betonschüssel befand. Die Kobra züngelte und zeigte eindeutig eine gewisse Unruhe.»Sie scheint irritiert zu sein«, meinte Desmond Ball erstaunt und beugte sich über die Brüstung der Betonschüssel, »normalerweise ist Hetty schon fast zutraulich.»Sie scheinen intensive Beziehungen zu Ihren Gästen zu pflegen, Mr. Ball«, sagte Butler Parker und deutete auf eine zweite Kobra, die aus der Schutzhütte glitt und nicht weniger züngelte.»Wir haben uns im Lauf der Zeit natürlich kennengelernt«, gab Desmond Ball zurück. Er war etwa fünfzig, rundlich und ein freundlicher Mensch. Er war der Besitzer der Schlangenfarm, die sich in der Nähe der kleinen Stadt Marlow in den Chiltern Hills befand. Von London aus war es im Grunde nur ein Katzensprung bis hierher, doch hatte man erst mal dieses Gelände betreten, dann fühlte man sich in die Tropen versetzt. Es gab hier exotische Pflanzen und Bäume, Gewächshäuser und Pavillons, die aus Bambus errichtet worden waren. Desmond Ball war mit Sicherheit ein geschickter Geschäftsmann, der seinen Besuchern einiges zu bieten hatte.Seine Schlangenfarm war weithin bekannt. Besucher vor allen Dingen aus London fanden sich hier gern ein, beobachteten die Reptilien in den großen Betonschüsseln und gruselten sich. Die Auswahl an Giftschlangen, die Desmond Ball zu bieten hatte, war in der Tat beachtenswert.»Wovon lebt dieses hübsche Ungeheuer?« erkundigte sich Lady Simpson. Sie stand neben Parker und beobachtete durch ihre Lorgnette die Kobra, die sich aufrichtete und ihren gespreizten Nackenschild zeigte. Die riesige Königskobra schien nur den Butler zu sehen.»Hetty frißt andere Schlangen, Ratten und Kaninchen«, gab der Besitzer der Farm zurück, »und eigentlich müßte sie jetzt friedlich sein.

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Butler Parker – 140 –

Parker fängt die Königskobra

Günter Dönges

»Ein bemerkenswertes Exemplar«, stellte Josuah Parker fest und musterte die Königskobra, die schätzungsweise dreieinhalb Meter lang und fast armdick war. Das Reptil glitt aus einer Art Schutzhütte, die sich in der Mitte der großen Betonschüssel befand. Die Kobra züngelte und zeigte eindeutig eine gewisse Unruhe.

»Sie scheint irritiert zu sein«, meinte Desmond Ball erstaunt und beugte sich über die Brüstung der Betonschüssel, »normalerweise ist Hetty schon fast zutraulich.«

»Sie scheinen intensive Beziehungen zu Ihren Gästen zu pflegen, Mr. Ball«, sagte Butler Parker und deutete auf eine zweite Kobra, die aus der Schutzhütte glitt und nicht weniger züngelte.

»Wir haben uns im Lauf der Zeit natürlich kennengelernt«, gab Desmond Ball zurück. Er war etwa fünfzig, rundlich und ein freundlicher Mensch. Er war der Besitzer der Schlangenfarm, die sich in der Nähe der kleinen Stadt Marlow in den Chiltern Hills befand. Von London aus war es im Grunde nur ein Katzensprung bis hierher, doch hatte man erst mal dieses Gelände betreten, dann fühlte man sich in die Tropen versetzt. Es gab hier exotische Pflanzen und Bäume, Gewächshäuser und Pavillons, die aus Bambus errichtet worden waren. Desmond Ball war mit Sicherheit ein geschickter Geschäftsmann, der seinen Besuchern einiges zu bieten hatte.

Seine Schlangenfarm war weithin bekannt. Besucher vor allen Dingen aus London fanden sich hier gern ein, beobachteten die Reptilien in den großen Betonschüsseln und gruselten sich. Die Auswahl an Giftschlangen, die Desmond Ball zu bieten hatte, war in der Tat beachtenswert.

»Wovon lebt dieses hübsche Ungeheuer?« erkundigte sich Lady Simpson. Sie stand neben Parker und beobachtete durch ihre Lorgnette die Kobra, die sich aufrichtete und ihren gespreizten Nackenschild zeigte. Die riesige Königskobra schien nur den Butler zu sehen.

»Hetty frißt andere Schlangen, Ratten und Kaninchen«, gab der Besitzer der Farm zurück, »und eigentlich müßte sie jetzt friedlich sein. Sie ist nämlich satt.«

»Sie gehen einem erstaunlichen Hobby nach, Mr. Ball«, sagte Josuah Parker in seiner unnachahmlich höflichen Art. »Sie beschränken sich, wie man meine bescheidene Wenigkeit informierte, keineswegs auf das Zurschaustellen dieser Reptilien?«

»Das ist nur ein Nebeneffekt«, antwortete Ball, »in erster Linie beliefere ich die pharmazeutische Industrie mit Schlangengiften. Die stellt daraus dann Schlangenseren her.«

»Und wie haben die Reptilien sich mit dem Klima abgefunden, wenn man höflichst fragen darf?«

»Wenn’s zu kalt wird, decke ich die Betonschüsseln mit Planen ab. Ich kann sogar den Boden aufheizen. Ich habe eine Art Fußbodenheizung einbauen lassen.«

»Sie hat was gegen Sie, Mr. Parker.« Lady Agatha deutete mit dem Griff ihrer Stielbrille auf die Königskobra, die sich an den Rand der Schlangengrube geschoben hatte, um sich hier erneut aufzurichten. Sie hatte selbstverständlich keine Chance, den Butler zu erreichen. Die Betongrube, in der sie zusammen mit anderen Kobras lebte, war schätzungsweise zweieinhalb Meter tief.

»Der Biß dieses Reptils wäre tödlich, Mr. Ball?« fragte Parker.

»Unbedingt«, antwortete Desmond Ball, »natürlich habe ich drüben in meinem Büro die entsprechenden Gegengifte, aber ein Biß wäre immer lebensgefährlich, auch wenn man sofort das Serum spritzen würde.«

»Es gab hier bisher keine Unfälle, junger Mann?« erkundigte sich Lady Simpson. Sie war eine stattliche Dame, die die sechzig mit Sicherheit überschritten hatte, sah jedoch keineswegs betagt aus, sondern das Gegenteil war der Fall. Sie spielte mit Begeisterung Golf und frönte dem Sport des Bogenschießens. Sie war überhaupt eine ungemein aktive, dynamische Frau, die nicht untätig sein konnte.

»Unfälle hatten wir bisher nicht, und das wird auch so bleiben«, beantwortete Ball die Frage Agatha Simpsons, »bei den Führungen durch die Schlangenfarm bin ich stets dabei.«

»Und dennoch fand sich hier bedauernswerterweise ein Opfer«, erinnerte Josuah Parker.

»Das passierte drüben bei den Grubenottern«, sagte Desmond Ball und nickte, »und ich betone noch mal das, was ich bereits der Polizei gesagt habe: Der junge Mann ist außerhalb der Öffnungszeiten hier eingestiegen.«

»Sie fanden ihn gestern, nicht wahr, Mr. Ball?«

»Als ich die Morgenfütterung beginnen wollte«, bestätigte Ball, »er war natürlich schon längst tot. Er wurde wenigstens sechs- bis achtmal gebissen. Er hatte keine Chance.«

»Sie hörten keine Schreie?« erkundigte sich die ältere Dame erstaunt.

»Nichts«, bedauerte Desmond Ball, »aber ich wohne ja auch nach vom hinaus. Ich muß noch mal wiederholen, daß der junge Mann widerrechtlich eingedrungen ist. Darf ich jetzt mal wissen, wieso Sie mich das alles fragen? Von der Polizei sind Sie doch bestimmt nicht, könnte ich mir nicht vorstellen.«

»Sie haben den Verblichenen vorher noch nie gesehen, Mr. Ball?« fragte der Butler, als habe er nichts gehört.

»Noch nie vorher.« Desmond Ball schüttelte den Kopf.

»Sonst würden Sie vielleicht nicht mehr leben, junger Mann«, erwiderte die passionierte Detektivin, »der Tote war ein bekannter Gangster. Aber mit solchem Gelichter haben Sie ja sicher nichts zu tun, oder?«

»Natürlich nicht, Mylady«, erwiderte Desmond Ball, »war es ein gefährlicher Gangster?«

»Ein sogenannter Killer, wie es im Jargon der Unterwelt zu heißen pflegt«, schloß Josuah Parker die Unterhaltung und deutete mit der Spitze seines altväterlich gebundenen Regenschirms auf die Kobra, »der Verblichene dürfte wenigstens so gefährlich gewesen sein wie diese Königskobra!«

*

Chief-Superintendent McWarden erhob sich respektvoll, als Lady Agatha zusammen mit dem Butler den kleinen Gasthof betrat. McWarden, stets an einen leicht gereizten Bullterrier erinnernd, war mittelgroß und neigte zur Korpulenz. Der etwa Fünfzigjährige war Chef eines Sonderdezernats im Yard und arbeitete nur zu gern mit Butler Parker zusammen.

»Nun, was halten Sie von diesem Desmond Ball?« fragte er, nachdem man in einer holzvertäfelten Nische des Gasthofes Platz genommen hatte.

»Diesem Schlangenbändiger traue ich nicht über den Weg«, antwortete die ältere Dame, »Sie sollten ihn festnehmen, McWarden.«

»Was hätte ich schon gegen ihn in der Hand, Mylady?« fragte der Chief-Superintendent, der die vorschnellen Urteile der Lady nur zu gut kannte.

»Sie sind wieder mal zu vorsichtig, McWarden«, grollte sie, »was sucht ein Gangster in einer Schlangengrube? Er kann doch nur hinuntergestoßen worden sein. Und zwar von diesem Desmond Ball. Was meinen Sie, Mr. Parker?«

»Eine Deutung, Mylady, die man nur als einleuchtend bezeichnen kann«, antwortete Josuah Parker, ohne eine Miene zu verziehen. Sein glattes Gesicht blieb ausdruckslos.

»Haben Sie diesen Gangster eigentlich gekannt, McWarden?« erkundigte sich Agatha Simpson.

»Jerry Puckley, Mylady? Nein, beruflich ist es nie dazu gekommen. Puckley verschwand eines Tages aus London und tauchte jahrelang unter. Daher ja auch meine Überraschung, als man ihn auf der Schlangenfarm fand.«

»Dieser Unfall, Sir, wurde von Mr. Desmond Ball gemeldet?« fragte der Butler.

»Ball hat sich völlig korrekt verhalten. Welchen Eindruck hat er denn auf Sie gemacht, Mr. Parker?«

»Mr. Ball gab sich ausgesprochen selbstsicher, Sir«, entgegnete der Butler.

»Er ist nicht weniger giftig als seine Schlangen«, wußte die ältere Dame mit Nachdruck zu sagen, »ich habe mir den Zaun angesehen, der die Schlangenfarm umgibt. Übermannshoch und sehr solide. McWarden ... Warum sollte ein Killer sich die Mühe machen, solch ein Hindernis zu übersteigen? Was hätte er auf der Schlangenfarm suchen sollen als Schlangen? Nein, nein, er ist auf das Gelände gelockt worden.«

»Ähnlich denke ich auch, Mylady«, äußerte McWarden, »meine Leute sind dabei, sich mit Desmond Balls Vorleben zu beschäftigen. Möglich, daß wir da überraschende Funde machen werden.«

»Nehmen Sie ihn fest, bevor weitere Leute in einer Schlangengrube landen«, drängte die Detektivin, »ja, wer weiß eigentlich, wie viele Leute Ball bereits umgebracht hat! Ich werde Ihnen mal etwas sagen, mein lieber McWarden: Lassen Sie das Grundstück umgraben ... Sie werden auf eine ganze Reihe von Leichen stoßen ...«

»Eine unheimliche Vorstellung, Mylady, wenn man so sagen darf«, ließ Josuah Parker sich höflich vernehmen.

»Dann wäre Ball ja eine Art Superkiller«, meinte McWarden nachdenklich.

»Das sieht man doch auf den ersten Blick, McWarden«, konterte Agatha Simpson prompt, »schade, daß ich ihn nicht verhören kann.«

»Besser nicht, Mylady«, antwortete McWarden hastig, »es gäbe dann wieder eine Anzeige wegen mittelschwerer Körperverletzung.«

»Ich werde diesen Fall selbstverständlich übernehmen und ihn für Sie lösen, McWarden«, sagte die Lady, »ich merke schon, daß Sie allein wieder mal nicht zurechtkommen.«

»Ich stehe tatsächlich vor einem Rätsel«, räumte der Chief-Superintendent ein, »ein Gangster wie Puckley ist nicht so ohne weiteres zu überlisten. Zufällig ist er auf keinen Fall in dieser scheußlichen Schlangengrube gelandet.«

»Vielleicht wurde er gezwungen, Sir, in solch eine Betonschüssel hinabzusteigen«, gab Josuah Parker zu bedenken, »er könnte von Mitgliedern der Unterwelt in die Schlangengrube transportiert worden sein.«

»Oder so«, meinte die ältere Dame grimmig, »was spielt das für eine Holle? Spalten wir doch keine Haare, Mr. Parker. Ob gezwungen oder gelockt, freiwillig hat dieser Mann sich nicht von den Klapperschlangen beißen lassen.«

»Davon sollte man in der Tat ausgehen, Mylady«, antwortete der Butler gemessen und sah zur Tür des Gasthofes hinüber. Sie war geöffnet worden, und ein Mann, der die drei Gäste in der versteckt gelegenen Nische nicht entdeckte, betrat den vorderen Schankraum.

Josuah Parker erhob sich und ging nach vorn. Seine Absicht war eindeutig. Er wollte den Gast zumindest begrüßen.

*

Dieser große, schlanke, etwa fünfunddreißig Jahre alte Mann starrte den Butler an, der plötzlich neben ihm auftauchte und höflich seine schwarze Melone lüftete.

»Habe ich möglicherweise die Ehre, Mr. John Midhurst begrüßen zu können?« erkundigte sich Parker.

»Zum Teufel mit Ihnen«, reagierte der Angesprochene. Er schien einen Moment mit dem Gedanken zu spielen, dem Butler einen Fausthieb zu versetzen, kam aber dann wohl zu dem Schluß, in diesem Fall den kürzeren zu ziehen.

»Ihre Manieren sind noch immer das, was ich als äußerst beklagenswert bezeichnen möchte«, erwiderte Josuah Parker, »sollte es nur ein Zufall sein, daß man sich hier draußen auf dem Land trifft? Oder interessieren auch Sie sich möglicherweise für die Schlangenfarm des Mr. Desmond Ball?«

»Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe, Parker«, gab John Midhurst wütend zurück, »ich will hier in aller Ruhe mein Bier trinken und mich nicht von ’nem Amateurdetektiv belästigen lassen.«

»Ich könnte Sie selbstverständlich auch zu McWarden an den Tisch bitten«, meinte der Butler höflich.

»McWarden ist hier?« John Midhurst bog sich ein wenig nach hinten, schob seinen Kopf um einen Mauervorsprung und biß sich dann auf die Unterlippe.

»Der Chief-Superintendent ist dienstlich hier in Marlow«, redete Josuah Parker weiter, »er geht einem ungemein bedauerlichen Unglücksfall nach, den ein gewisser Jerry Puckley erlitten hat.«

»Unglücksfall? Jerry Puckley?«

»Er dürfte nach Lage der Dinge und Wunden von einigen Klapperschlangen gebissen worden sein?«

»Ist er ... tot?«

»Mit letzter Sicherheit, wenn ich so sagen darf, Mr. Midhurst. Sie wollten sich mit Mr. Puckley hier treffen? Sie vermißten vielleicht seinen Anruf?«

»Wann ... Wann ist das passiert?«

»Mr. Jerry Puckley wurde gestern morgen in einer der Schlangenunterkünfte gefunden. Er hatte das sogenannte Zeitliche bereits gesegnet.«

»Scheußlich.« John Midhurst schüttelte sich und bestellte sich beim Besitzer des Gasthofes einen doppelten Brandy, den er ruckartig kippte.

»Sie scheinen ahnungslos gewesen zu sein«, stellte der Butler fest. »Ihre Betroffenheit dürfte kaum gespielt sein.«

»Ich ... Ich kenne keinen Puckley«, behauptete John Midhurst prompt und rang sich ein Lächeln ab, das allerdings verkrampft wirkte. »Ich bin zufällig hier draußen auf dem Land. Sonst noch Fragen?«

»Keine Fragen, Mr. Midhurst, aber ich möchte nicht versäumen, eine dringende Warnung auszusprechen. Ein Besuch der Schlangenfarm außerhalb der regulären Öffnungszeiten könnte tödlich verlaufen.«

»Ich kenn’ diese Schlangenfarm überhaupt nicht, Mr. Parker.« Midhurst, der bereits gezahlt hatte, drehte sich auf dem Absatz um und verließ eilig die Gaststätte. Josuah Parker folgte ihm nach draußen und nahm zur Kenntnis, daß John Midhurst in einen grünen Ford stieg, an dessen Steuer ein Mann saß.

Parker prägte sich das Londoner Kennzeichen des Wagens ein, der mit durchtourenden Reifen anfuhr und schnell in einer schmalen Seitenstraße verschwand.

»War das nicht Midhurst?« fragte McWarden, als Parker zur Nische zurückkehrte.

»Und wer, bitte, ist dieser Midhurst?« wollte die Lady wissen.

»Ein kleiner Gangsterboß«, antwortete Chief-Superintendent McWarden, »er beliefert Hehler mit dem, was er und seine Leute zusammenstehlen ...«

»Was sucht solch ein Subjekt in der Nähe der Schlangenfarm?« fragte die Detektivin weiter, »Mr. Parker, warum haben Sie die Flucht dieses Lümmels nicht verhindert?«

»Weil Mylady es lieben und schätzen, solche Vertreter der Unterwelt an der sogenannten langen Leine zu halten.«

»Natürlich«, gab sie sofort zurück und nickte wohlwollend, »Sie haben es endlich begriffen, Mr. Parker.«

»Diesen Midhurst kann ich jederzeit erreichen, Mylady«, warf der Chief-Superintendent ein, »was sagte er zum Tod von Jerry Puckley, Mr. Parker?«

»Eine gewisse Betroffenheit, Sir, war keineswegs zu übersehen.«

»Sie glauben, er wußte noch nichts davon?«

»Dies, Sir, sollte man annehmen. Mr. Midhurst bestritt nachfolgend selbstverständlich, den Verblichenen je gekannt oder gesehen zu haben.«

»Ein seltsames Gespann«, sinnierte McWarden halblaut, »ein eiskalter Killer und ein Dieb, denn mehr ist Midhurst nicht, auch wenn er sich ’ne kleine Gang aufgebaut hat.«

»Dieses Subjekt ist bestimmt auf dem Weg zur Schlangenfarm«, sagte Agatha Simpson erfreut, »warum sitze ich noch hier herum?«

»Mylady beabsichtigen, Mr. Ball einen weiteren Besuch abzustatten?« erkundigte sich der Butler.

»Natürlich«, sagte sie energisch und erhob sich, »und ich werde einen zweiten Giftschlangenmord verhindern.«

Sie war nicht mehr aufzuhalten und stürmte aus dem Gasthof, während Parker die Zeche zahlte. Sie saß bereits im Fond des hochbeinigen Privatwagens ihres Butlers und wartete ungeduldig darauf, daß die Fahrt stattfand. Chief-Superintendent McWarden war noch auf dem Weg zu seinem schwarzen Dienstwagen, der von einem seiner Mitarbeiter gefahren wurde.

Butler Parkers Wagen, von Freund und Feind gern und respektvoll ›Monstrum‹ genannt, war ein ehemaliges, sehr altes Londoner Taxi, das nach seinen eigenwilligen Vorstellungen erheblich umgebaut worden war, was die Technik betraf. Dank dieser Änderungen war das Fahrzeug zu einer Trickkiste auf Rädern geworden und wurde immer wieder auf dem neuesten Stand der technischen Weiterentwicklung gehalten.

Josuah Parker nahm am Steuer Platz und lenkte seinen hochbeinigen, ungemein eckigen Wagen zurück zur Schlangenfarm. Lady Agatha kontrollierte während dieser kurzen Fahrt ihren perlenbestickten Pompadour und den darin befindlichen ›Glücksbringer‹, der nichts anderes war als ein echtes Pferdehufeisen. In ihren Händen konnte aus diesem Handbeutel eine Art mittelalterlicher Morgenstern werden, mit dem sie treffsicher zuzulangen verstand.

»Was ist, Mr. Parker, wenn das Tor verschlossen sein sollte?« sorgte sich die ältere Dame.

»Es wird sich Myladys Wünschen beugen«, antwortete der Butler gemessen, denn unter seinen schwarz behandschuhten Fingern hatte es bisher noch kein Schloß gegeben, das seinen Widerstand nicht nach wenigen Augenblicken aufgegeben hätte ...

*

Desmond Ball hielt eine Schlange in den nackten Händen.

Es handelte sich um eine veritable Grubenotter, wie Parker sah. Das Reptil war äußerst gereizt und klapperte mit seiner stark ausgebildeten Schwanzrassel. Der Rachen der Schlange war weit geöffnet, und die Giftzähne standen deutlich hervor.

Desmond Ball lehnte sich an einen weißen Labortisch, auf dem Meßbecher und Glaskolben zu sehen waren. Es machte ihm nichts aus, daß der starke Leib des Reptils sich um seinen linken Unterarm wand, denn die Giftzähne des Reptils bedrohten nicht ihn, sondern einen Besucher, den der Butler erst vor einer halben Stunde im Gasthof angesprochen hatte. Es war der kreidebleiche John Midhurst. Er stierte förmlich auf den Rachen der Schlange, wich zurück und bewegte sich dabei mit einer Vorsicht, als stünde er auf Glatteis.

»Sie ... Sie sind verrückt, Ball«, sagte Midhurst mit belegter Stimme, »lassen Sie den Unsinn... Machen Sie sich nicht unglücklich!«

»Das Tier ist völlig harmlos«, behauptete der Besitzer der Schlangenfarm, »wollen Sie es nicht mal anfassen? Sie werden überrascht sein, wie kühl und glatt so ein Schlangenleib ist...«

»Bleiben Sie stehen«, erwiderte John Midhurst, der nicht weiter zurückweichen konnte. Sein Rücken berührte bereits die gekachelte Wand des kleinen Labors. »Bleiben Sie stehen, oder ...«

»Oder was, Midhurst«, sagte Desmond Ball freundlich, »falls Sie schießen wollen, dann kann ich Ihnen nur gratulieren. Die Schlange wird schneller sein als Sie ...«

»Wenn Sie gestatten, möchte ich mich dieser Lagebeurteilung vollinhaltlich anschließen«, schaltete sich Josuah Parker in diesem Augenblick in das Gespräch ein. Er lüftete höflich die schwarze Melone, als Ball und Midhurst sich zu ihm umwandten. Josuah Parker stand in der Seitentür und schien das Reptil in Balls Händen nicht zu sehen.

Desmond Ball hatte plötzlich Schwierigkeiten mit der Schlange. Das starke, ausgewachsene Tier bäumte sich auf, wand sich verzweifelt und ... glitt dann aus Balls Händen. Der Besitzer der Schlangenfarm reagierte augenscheinlich automatisch. In dem Bestreben, einem Giftbiß zu entgehen, warf er die Grubenotter weit von sich – unglücklicherweise in Parkers Richtung.

Josuah Parker ließ sich keinen Moment aus der Fassung bringen. Sein altväterlich gebundener Universal-Regenschirm zuckte wie ein ausfallender Degen und stoppte den Flug des Reptils. Die Grubenotter schnappte prompt zu und – verbiß sich in den Falten des Schirms. Sie ahnte nicht, daß dieser Schirm keineswegs mit schwarzer Seide allein bestückt war. Unter der Seide befand sich feines, aber zähes Gewebe aus Glasfiberfäden. Die Giftzähne trafen also auf Widerstand und verfingen sich.

Mit der linken Hand faßte der Butler blitzschnell zu und erwischte die Grubenotter hinter dem Hals. Er löste vorsichtig die Zähne aus dem Gewebe und hielt die Otter hoch.