Parker haut den Lukas - Günter Dönges - E-Book

Parker haut den Lukas E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Sie sind mehr als nur leichtsinnig, Parker«, sagte Mike Rander und sah sein Gegenüber amüsiert an, »Sie beschwören das Unheil ja förmlich herbei.« »Möglicherweise, Sir«, erwiderte der Butler in seiner höflich-zurückhaltenden Art, »auf der anderen Seite wurden Saiten in meiner becheidenen Wenigkeit angeschlagen, denen ich mich nicht entziehen kann.« »Kindheitserinnerungen?« fragte der Anwalt lächelnd. »In der Tat, Sir«, gestand Josuah Parker, »ein sogenannter Rummelplatz, um bei diesem volkstümlichen Ausdruck zu bleiben, besitzt einen Zauber eigener Art.« »Das will ich überhaupt nicht bezweifeln«, antwortete Mike Rander, »aber vergessen Sie nicht, daß Mylady Sie begleiten wird. Der Ärger dürfte damit bereits vorprogrammiert sein.»Meine Wenigkeit wird versuchen, aufkommendes Unheil abzuwenden«, versprach der Butler. Er war ein etwas über mittelgroßer Mann unbestimmbaren Alters, sein Gesicht höflich glatt wie das eines berufsmäßigen Pokerspielers.»Ich werde sicherheitshalber die umliegenden Hospitäler und Notärzte alarmieren«, spottete der Anwalt. Er war etwa vierzig, groß, schlank und erinnerte deutlich an einen bekannten James-Bond-Darsteller. Während er noch sprach, erschien Agatha Simpson auf der geschwungenen Treppe, die hinunter in den großen Wohnraum des Fachwerkhauses führte.Sie war eine wahrhaft königliche Erscheinung, groß, stattlich und füllig. Sie trug ein zu weites Tweed-Kostüm und einen Hut, den man nur als eigenwillig oder abenteuerlich bezeichnen konnte. Er war eine mißglückte Kreuzung aus einem Napfkuchen und einem Südwester. An ihrem linken Handgelenk pendelte sanft ein sogenannter Pompadour, ein Handbeutel, wie ihn die Damen um die Jahrhundertwende trugen.Lady Agatha, immens vermögend, hatte das sechzigste Lebensjahr mit Sicherheit überschritten, doch ihre Energie war nicht zu übersehen. Ihre grauen Augen funkelten unternehmungslustig.»Sie sind herzlichst eingeladen, mein lieber Mike«, rief sie Anwalt Rander zu, »Sie wissen ja wohl, daß ich mich ein wenig amüsieren will.»Vielen Dank für die Einladung, Mylady«, erwiderte Rander, »aber ich habe leider wichtige Termine.

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Butler Parker – 139 –

Parker haut den Lukas

Günter Dönges

»Sie sind mehr als nur leichtsinnig, Parker«, sagte Mike Rander und sah sein Gegenüber amüsiert an, »Sie beschwören das Unheil ja förmlich herbei.« »Möglicherweise, Sir«, erwiderte der Butler in seiner höflich-zurückhaltenden Art, »auf der anderen Seite wurden Saiten in meiner becheidenen Wenigkeit angeschlagen, denen ich mich nicht entziehen kann.« »Kindheitserinnerungen?« fragte der Anwalt lächelnd. »In der Tat, Sir«, gestand Josuah Parker, »ein sogenannter Rummelplatz, um bei diesem volkstümlichen Ausdruck zu bleiben, besitzt einen Zauber eigener Art.« »Das will ich überhaupt nicht bezweifeln«, antwortete Mike Rander, »aber vergessen Sie nicht, daß Mylady Sie begleiten wird. Der Ärger dürfte damit bereits vorprogrammiert sein.«

»Meine Wenigkeit wird versuchen, aufkommendes Unheil abzuwenden«, versprach der Butler. Er war ein etwas über mittelgroßer Mann unbestimmbaren Alters, sein Gesicht höflich glatt wie das eines berufsmäßigen Pokerspielers.

»Ich werde sicherheitshalber die umliegenden Hospitäler und Notärzte alarmieren«, spottete der Anwalt. Er war etwa vierzig, groß, schlank und erinnerte deutlich an einen bekannten James-Bond-Darsteller. Während er noch sprach, erschien Agatha Simpson auf der geschwungenen Treppe, die hinunter in den großen Wohnraum des Fachwerkhauses führte.

Sie war eine wahrhaft königliche Erscheinung, groß, stattlich und füllig. Sie trug ein zu weites Tweed-Kostüm und einen Hut, den man nur als eigenwillig oder abenteuerlich bezeichnen konnte. Er war eine mißglückte Kreuzung aus einem Napfkuchen und einem Südwester. An ihrem linken Handgelenk pendelte sanft ein sogenannter Pompadour, ein Handbeutel, wie ihn die Damen um die Jahrhundertwende trugen.

Lady Agatha, immens vermögend, hatte das sechzigste Lebensjahr mit Sicherheit überschritten, doch ihre Energie war nicht zu übersehen. Ihre grauen Augen funkelten unternehmungslustig.

»Sie sind herzlichst eingeladen, mein lieber Mike«, rief sie Anwalt Rander zu, »Sie wissen ja wohl, daß ich mich ein wenig amüsieren will.«

»Vielen Dank für die Einladung, Mylady«, erwiderte Rander, »aber ich habe leider wichtige Termine.«

»Papperlapapp, mein Junge«, gab sie burschikos zurück, »verschieben Sie alles bis auf morgen. Wann sind Sie zum letzten Mal in einem Stoß-Auto gewesen?«

»Das muß eine Ewigkeit zurückliegen«, sagte Mike Rander. Zusammen mit Kathy Porter verwaltete er das Vermögen der Lady und betrieb darüber hinaus eine eigene Anwaltskanzlei in der nahen Curzon Street.

»Ich werde mir einige hübsche Papierblumen schießen«, kündigte die ältere Dame an.

»Allmächtiger«, murmelte Rander in Richtung Parker, »passen Sie höllisch auf, damit kein Blutbad entsteht.«

»Ich werde Zuckerwatte essen«, schwärmte Lady Agatha weiter, »und vielleicht auch eine kleine Rostbratwurst.«

»Selbst das klingt gefährlich«, murmelte Mike Rander.

»Und wahrscheinlich werde ich einen Hauptgewinn in einer Tombola ziehen«, wußte die ältere Dame bereits im vorhinein.

»Und falls nicht, Mylady?« erkundigte sich der Anwalt.

»Dann dürfte Betrug vorliegen«, sagte sie, »und so etwas werde ich mir natürlich nicht bieten lassen, mein Junge.«

»Ich kann es mir bereits jetzt genau vorstellen«, sagte der Anwalt und tauschte einen schnellen Blick mit Parker, »ich denke Mylady, ich muß gehen. Vielleicht schinden Miß Porter und ich etwas Zeit heraus, dann werden wir nachkommen.«

»Man könnte gemeinsam die Achterbahn befahren«, schlug die ältere Dame äußerst munter vor, »können Sie sich eigentlich noch an eine Geisterbahn erinnern?«

»Nur schwach«, behauptete der Anwalt und hatte es eilig, das Feld zu räumen. Er fürchtete, unter Druck gesetzt zu werden, und er hatte einfach keine Lust, freiwillig den Gang in ein Chaos zu machen. Aus Erfahrung wußte er, daß Lady Agatha immer gut für Verwicklungen und Sensationen war. Die Dame entließ ihn huldvoll und winkte freundlich, als Rander zur Tür strebte. Dann wandte er sich Parker zu.

»Habe ich genügend Kleingeld bei

mir?« erkundigte sie sich.

»Mylady werden sich einem geradezu grenzenlosen Vergnügen hingeben können«, antwortete Josuah Parker.

»Worauf warte ich dann noch?« Sie räusperte sich explosionsartig und setzte ihre Fülle in Bewegung.

»Ich werde heute jedem Streit konsequent aus dem Weg gehen«, meinte sie ein wenig später, als sie Parkers hochbeiniges Monstrum bestieg.

»Mylady wollen sich nur dem ausgelassenen Vergnügen hingeben?«

»Falls man mich natürlich nicht reizt«, schränkte sie ein.

»Wer sollte solch einen kecken Mut schon aufbringen, Mylady?«

»Man kann nie wissen«, erwiderte sie, »aber ich spüre, daß ich heute gut gestimmt bin. Man wird mich kaum provozieren können, Mr. Parker.«

»Das sogenannte und oft zitierte Schicksal wird darüber letztendlich befinden, Mylady«, lautete Parkers Antwort. Er dachte an die ironische Warnung, die Anwalt Mike Rander eben erst ausgesprochen hatte.

*

»Mr. Parker, ich möchte etwas von Ihnen hören«, verlangte sie, als sie von einer kleinen Anhöhe hinab ins Themse-Tal blickte. Man hatte die hübsche, noch mittelalterlich gefärbte Stadt Staines erreicht und konnte südlich davon bereits die bunten Fahnen und Zelte des Rummelplatzes erblicken. Der sanfte Wind trug Musikfetzen auf die Höhe und die schnarrenden Stimmen der Anreißer, die auf die einmaligen Attraktionen hinwiesen und zum Besuch einluden.

»Mylady erwarten einen allgemeinen Kommentar?« fragte Parker, nachdem seine Herrin ihn erwartungsvoll-ungeduldig ansah.

»Ist es nicht wundervoll?« schwärmte sie dann. »Ich komme mir vor wie ein junges Mädchen.«

»Der Jahrmarkt von Staines ist in der Tat weit über die engere Region hinaus bekannt«, meinte Parker ausweichend.

»Wem sagen Sie das, Mr. Parker.« Sie lächelte versonnen. »Übrigens, eine Frage am Rand: wurde ich bisher verfolgt?«

»Noch nicht mal andeutungsweise, Mylady.«

»Erstaunlich«, ärgerte sie sich ein wenig, »normalerweise läßt die Unterwelt mich nie aus den Augen.«

»Vielleicht respektiert man Myladys Wunsch, mal richtig ausspannen zu wollen.«

»Reden Sie keinen Unsinn«, grollte sie, »einer Lady Simpson gönnt man keine Ruhe. Vielleicht haben Sie während der Fahrt nur nicht aufgepaßt. Sie wissen ja, daß Sie zum Leichtsinn neigen, nicht wahr?«

Während sie diese Behauptung aufstellte, blickte sie sich ungeniert um und musterte ihre nähere Umgebung. Ihr Blick konzentrierte sich dabei auf einige Motorradfahrer, die neben ihren schweren Maschinen standen und sich lärmend miteinander unterhielten. Es war weder zu übersehen noch zu überhören, daß sie sich über Agatha Simpson amüsierten, über den Butler und auch natürlich über das hochbeinige Monstrum, wie Parkers Privatwagen von Eingeweihten genannt wurde. Es handelte sich dabei um ein ehemaliges Londoner Taxi, das bereits einen echten Anspruch auf einen Museumsplatz zu haben schien. Man sah es dem eckigen Wagen wirklich nicht an, daß sich unter dem eigenwilligen, altmodischen Blechkleid modernste Technik befand.

»Sucht man etwa Streit mit mir, Mr. Parker?« fragte die ältere Dame hoffnungsvoll.

»Keineswegs und mitnichten, Mylady«, wiegelte Josuah Parker sofort ab, »man dürfte sich nur einer allgemeinen guten Laune hingeben, die unmittelbar mit dem Jahrmarkt zusammenhängt.«

»Nun, ich habe mir etwas vorgenommen.« Agatha Simpson gab sich einen inneren Ruck. »Fahren wir weiter, Mr. Parker, bevor ich mich angegriffen fühle.«

Die passionierte Detektivin stieg zurück in den Wagen, und Parker schloß den hinteren Schlag. Er setzte sich ans Steuer und lenkte sein Gefährt in die weite Talsenke in der Nähe der Wiesen, die die Themse säumten. Auf einem der vielen Parkplätze stellte er den Wagen dann ab und geleitete seine Herrin zum eigentlichen Festplatz.

Es war alles vorhanden, was Lady Agatha sich wünschte: eine ansehnliche Achterbahn, einige sogenannte Schiffschaukeln, diverse Karussells, eine gruselig wirkende Geisterbahn, einige Schießbuden und eine große Zahl von Imbißstuben, deren Duft allein schon animierte.

»Ich denke, ich werde erst mal mit einer kleinen Portion Zuckerwatte beginnen«, sagte sie, als sie sich energisch durch das Gewühl der Menschen schob. Sie glich dabei einem Räumpanzer, für den es keine Hindernisse gab.

»Darf man sich erlauben, Mylady auch auf gebrannte Mandeln hinzuweisen?« fragte Parker.

»Eines nach dem anderen«, sagte sie und nickte huldvoll, »nehmen auch Sie Zuckerwatte?«

»Vielleicht später, Mylady«, reagierte Parker in seiner bekannt höflichen Art. Er blieb vor einer Verkaufsbude stehen, deren Betreiber sich auf Süßigkeiten spezialisiert hatte. Lady Agatha deutete auf den Kessel, in dem die Zuckerwatte hergestellt wurden und verlangte zwei Portionen.

»Es ist ja im Grund nichts als Luft«, redete sie sich ein, »damit werde ich meine Diät auf keinen Fall durchbrechen, oder?«

»Höchstens andeutungsweise, Mylady«, erwiderte Parker und zahlte die beiden Portionen, die Agatha Simpson sich reichen ließ. Genußvoll öffnete sie den Mund, um an der Zuckerwatte zu schlecken, als sie angestoßen wurde. Ob es sich um einen Zufall handelte, ob Absicht vorlag, ließ sich im Augenblick nicht feststellen. Lady Simpsons Nase senkte sich in jedem Fall in das feine Gespinst der Zuckerwatte. Und einige Fäden dieser Süßigkeit drangen in ihre Nase, deren Schleimhäute leicht gekitzelt wurden. Ein explosionsartiges Niesen folgte als Reaktion auf diesen feinen Reiz.

Lady Agatha wandte sich um und musterte ihre nähere Umgebung. Sie sah lächelnde Gesichter, die wirklich keinen Hohn verrieten, suchte nach einem Opfer und entdeckte dann einige junge Leute, die ungeniert prusteten.

»Fühle ich mich angegriffen und beleidigt, Mr. Parker?« fragte sie bei ihrem Butler an.

»Mylady sind nach wie vor fest entschlossen, sich nicht provozieren zu lassen«, erinnerte Parker.

»Richtig«, räumte sie ein und wischte sich mit dem Handrücken die Nase, »aber es gibt natürlich Grenzen, oder?«

»Die erfreulicherweise keineswegs erreicht wurden«, meinte Parker und deutete auf einen der Schießstände, »Mylady wollten Papierblumen schießen?«

»Später«, sagte sie und schritt auf die jungen Männer zu, »ich habe da erst etwas zu klären.«

Parker folgte höflich und würdevoll. Erneut dachte er an den Anwalt, der einige Prophezeiungen gemacht hatte. Sollte das Chaos schon jetzt ausgelöst werden?

Lady Agatha hatte die jungen Männer erreicht, die im Schnitt etwa fünfundzwanzig sein mochten. Sie starrten die ältere Dame an und spürten wohl instinktiv die Gefahr, die auf sie zukam. Als sie dann auch noch den funkelnden Blick der Lady sahen, wandten sie sich hastig ab und verschwanden zwischen zwei Verkaufsbuden.

»Feiglinge«, knurrte die ältere Dame, »man hat noch nicht mal den Mut, sich zu stellen.«

»Darf man sich nach dem Geschmack der Zuckerwatte erkundigen?« fragte Parker ablenkend. Er war froh, daß die jungen Männer sich abgesetzt hatten.

»Die Lümmel werden mir nicht entkommen«, drohte sie und kostete erneut von der Zuckerwatte, »wo sind die Motorradfahrer, Mr. Parker?«

»Sie dürften sich in die Arme des Vergnügens geworfen haben, Mylady«, antwortete der Butler.

»Wie auch immer.« Lady Agatha blickte sich suchend nach allen Seiten um und konzentrierte sich dann auf einen muskulösen, stämmigen Mann, dessen Oberkörper nackt war. Er schien zu den Arbeitern zu gehören, die gerade eine Salto-Schaukel aufbauten.

Der Mann spürte Myladys forschenden Blick, duckte sich und boxte sich förmlich durch eine Gruppe von Besuchern, um neben einem Zelt zu verschwinden, in dem eine Wahrsagerin ihre Dienste anbot.

Die ältere Dame ließ sich natürlich sofort ablenken.

»Ich werde mir die Zukunft deuten lassen«, entschied sie, »und bei dieser Gelegenheit wird mir die Wahrsagerin verraten müssen, wo sich die Lümmel befinden. Kommen Sie, Mr. Parker! Möchten Sie nicht erfahren, was die Zukunft für Sie parat hält?«

»Nicht unbedingt, Mylady«, gab der Butler zurück. Auch er hatte den muskulösen Mann beobachtet und wußte, daß er ihn in der Vergangenheit schon gesehen hatte. Parker wußte nur nicht, bei welcher Gelegenheit dies der Fall war.

Er beschloß, auf der Hut zu sein!

*

Madame Batour war eine große, füllige Frau von etwa fünfundfünfzig Jahren. Ein buntes Kopftuch reichte bis tief in die Stirn. Die Frau trug einen weiten, wallenden Mantel aus dünnem Stoff und hatte ihre mit vielen Ringen geschmückten Hände um eine Kristallkugel gelegt. Als Lady Agatha sich ins Kabinett schob, blickte Madame Batour überrascht auf.

»Was kostet eine Zukunftsberatung?« erkundigte sich Lady Agatha, »ich bin nicht gewillt, ein Vermögen dafür auszugeben, meine Liebe.«

»Das Wissen um die Zukunft ist kostbar«, meinte die Wahrsagerin mit tragisch-düsterer Stimme.

»Keine Ausflüchte! Was verlangen Sie für Ihren Weitblick?« Agatha Simpson nahm bereits in dem tiefen Sessel Platz, der vor dem Tisch stand, hinter dem die Zukunftsdeuterin saß.

»Ein Pfund«, sagte Madam Batour mit fester Stimme.

»So weit in die Zukunft will ich nicht sehen«, gab Agatha Simpson zurück, »ein halbes Pfund genügt bei weitem. Fangen Sie an.«

»Zuhörer sind nicht erwünscht«, stellte die Wahrsagerin klar und blickte auf Butler Parker, der knapp neben dem Zelteingang stand und seine schwarze Melone höflich gelüftet hatte.

»Mr. Parker bleibt«, entschied die ältere Dame.

»Ich könnte vertrauliche Dinge im Kristall der Zukunft erblicken«, wandte Madame Batour ein, die mit französischem Akzent redete.

»Ich gehe stets jedes Risiko ein«, antwortete Agatha Simpson ungeduldig, »zieren Sie sich nicht länger, meine Liebe.«

Die Wahrsagerin nickte, blickte noch mal schnell zu Butler Parker hinüber und konzentrierte sich dann auf die Kristallkugel. Ihre langen, schlanken Finger umspannten die Kugel, während es wie durch Zauberei im kleinen Zelt dunkel wurde. Das Licht unter dem Zeltdach wurde immer schwächer, doch dafür erstrahlte die Kristallkugel von innen heraus in milchigem Licht, das von Sekunde zu Sekunde immer weißer wurde und dann in dunkelrotes Glühen überging.

»Sehr hübsch«, murmelte Lady Agatha und setzte sich zurecht, »sehr wirkungsvoll.«

»Ich sehe«, flüsterte Madame Batour.

»Was ich mir auch ausgebeten haben möchte«, warf die ältere Dame warnend ein.

»Ich sehe vorerst nur Umrisse«, murmelte Madame Batour weiter. Ihre Stimme war in monotonen Singsang übergegangen, »ich sehe Nebel und Farben ... Gräber... eine Kirche ... Ich sehe Kränze und Särge ... Nein, es ist nur ein Sarg... Ich sehe Schleifen an den Kränzen ... Schleifen, die Aufschriften tragen, doch die kann ich nicht lesen ... Sie sind undeutlich ... Ich sehe eine Straße und ein Auto... Ich beobachte eine Kurve und dann sehe ich ... Nein, nein!«

»Sehen Sie nun oder sehen Sie nicht?« Lady Agathas Stimme war in leichtes Grollen übergegangen. »Konzentrieren Sie sich gefälligst!«

»Ich sehe ein Messer und in Unfallauto«, redete die Wahrsagerin weiter. Sie schien nichts gehört zu haben, »ich sehe eine Frau am Boden und sehe wieder einen Friedhof...«

»Ist das alles?« räsonierte Agatha Simpson.

»Ich ... möchte hier abbrechen«, sagte Madame Batour und atmete tief durch. Sie lehnte sich weit zurück und schob die große Kristallkugel fast wie angeekelt zur Seite.

»Und dafür soll ich ein halbes Pfund zahlen?« Agatha Simpson war aufgestanden. Empörung lag in ihrer Stimme.

»Ich will kein Geld«, entgegnete die Wahrsagerin und griff mit ihren Fingerspitzen nach den Schläfen. Sie machte einen gequälten Eindruck. Ihr Atem ging stoßweise, auf der Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet.

»Darf und sollte man sich nach Ihrem werten Kreislauf erkundigen?« schaltete Parker sich in distanziert-höflicher Art ein.

»Gehen Sie, bitte«, antwortete Madame Batour und blickte die ältere Dame beschwörend an, »gehen Sie ... Verlassen Sie den Jahrmarkt... Spielen Sie nicht mit Ihrem Schicksal, achten Sie auf die Zeichen der Zeit und der nahen Zukunft.«

»Natürlich werde ich gehen, meine Liebe«, meinte Lady Agatha, »aber erst werde ich mich ein wenig vergnügen. Sie glauben doch nicht im Ernst, daß ich Ihnen diesen Mumpitz abnehme, oder? Sie haben es mit einer aufgeklärten Frau zu tun. Ist es nicht so, Mr. Parker?«

»Meine Wenigkeit möchte sich erkühnen, jedes Wort Myladys zu unterstreichen«, erklärte Josuah Parker.

»Ich wasche meine Hände in Unschuld«, bekannte die Wahrsagerin leise, »ich wiederhole: es wäre besser, wenn Sie sofort gehen würden ... Man soll sein Schicksal nicht unnötig herausfordern.«

»Schnickschnack«, grollte die ältere Dame, »ich habe übrigens schon bessere Wahrsagerinnen als Sie erlebt, meine Liebe. Sie sind wahrscheinlich noch Anfängerin.«

Josuah Parker hörte zwar, daß seine Herrin etwas sagte, doch er konzentrierte sich keineswegs auf das, was sie sagte. Er hatte dicht neben sich ein feines, scharrendes Geräusch bemerkt und dann eine fast unmerkliche Bewegung in der Zeltleinwand registriert. Seine innere Alarmanlage sprach sofort an und ließ ihn blitzschnell handeln, als eine Hand sich vorsichtig durch den Schlitz des Eingangs schob. Butler Parker entdeckte zwei Finger, die eine Messerschneide hielten. Es war eindeutig, daß der Besitzer der beiden Finger ein Messer schleudern wollte.

Parker reagierte!

*

Mit der Wölbung seiner schwarzen, mit Stahlblech ausgefütterten Melone, schlug er hart und unnachgiebig zu. Das Messer wurde kraftvoll zu Boden geschlagen, gleichzeitig folgte ein unterdrückter Schmerzenslaut.

Parker riß den dünnen Vorhang vor dem eigentlichen Zelteingang zur Seite und sah gerade noch den Rücken eines athletisch gebauten Mannes, der davonhastete. Bevor Parker ihn stoppen konnte, war der potentielle Messerwerfer bereits in der Menge der Jahrmarktbesucher verschwunden.

»Was ist denn, Mr. Parker?« fragte Lady Agatha ein wenig unwirsch.

»Möglicherweise bestand gerade die Absicht, ein Messer zu werfen«, antwortete der Butler.

»Ein Messer?« Agatha Simpson stutzte und lächelte dann erfreut. »Man wollte selbstverständlich mich treffen, nicht wahr?«

»Oder vielleicht Madame Batour?« fragte Parker und blickte zur Wahrsagerin hinüber, die aufgesprungen war und ängstlich-abwehrend die Arme hob.

»Unsinn, Mr. Parker! Warum sollte man Madame Batour ermorden wollen?« Lady Agatha war mit diesem Deutungsvorschlag überhaupt nicht einverstanden.

»Man könnte und sollte möglicherweise Madame Batour danach fragen«, gab der Butler zurück und verbeugte sich andeutungsweise in Richtung der Wahrsagerin, die sich inzwischen schon wieder unter Kontrolle hatte und um Haltung bemühte.

»Ich ... Ich habe hier keine Feinde«, bekannte Madame Batour nachdrücklich.

»Eben«, redete die ältere Dame weiter, »dieser Anschlag galt selbstverständlich mir, Mr. Parker. Ich hoffe, Sie haben das Subjekt erkannt!«

»Diese Frage muß meine Wenigkeit leider verneinen.«