Parker heizt dem Panther ein - Günter Dönges - E-Book

Parker heizt dem Panther ein E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Mylady wünschen, daß meine bescheidene Wenigkeit sich nach dem Weg erkundigt?« wollte Butler Parker wissen. Er lenkte sein hochbeiniges Monstrum über eine einsame Landstraße, während Agatha Simpson im Fond des Wagens mit einer voluminösen Pralinenpackung beschäftigt war. »Also haben Sie meine Anordnung doch richtig verstanden, Mister Parker«, gab die ältere Dame unwirsch zurück. »Wenn ich lebend wieder nach London zurückkehren soll, benötige ich auf der Stelle eine kleine Stärkung. Der Gasthof, von dem Mister McWarden sprach, muß doch ganz in der Nähe liegen...« Gerade kam ein kleines Haus am Straßenrand in Sicht, und der Butler nahm den Fuß vom Gas. Mit seinem hellroten Ziegeldach, den blank geputzten Butzenscheiben und dem üppig wuchernden Blumengarten wirkte das Häuschen recht einladend. Parker stoppte vor dem weiß gestrichenen Gartenzaun, verließ würdevoll sein Fahrzeug und wollte gerade an der frisch polierten Messingglocke ziehen, als ein furchtbarer Knall die friedliche Stille zerriß. Eine mächtige Stichflamme schoß aus dem Dach eines flachen Anbaus, der hinter dem Haus zwischen Obstbäumen lag. Scheiben barsten, Glassplitter flogen als gefährliche Geschosse durch die Luft. »Diesen hinterhältigen Angriff werde ich sofort mit einer Gegenattacke beantworten«, vernahm er hinter sich das sonore Organ seiner Herrin. Lady Agatha hatte den Wagen verlassen und marschierte mit finsterer Miene auf das Haus zu. Für sie stand bereits fest, daß sie nur mit knapper Not einem heimtückischen Anschlag auf ihr Leben entgangen war. Obwohl sie die Sechzig überschritten hatte und über eine geradezu beeindruckende Leibesfülle verfügte, konnte Agatha Simpson in solchen Momenten eine Dynamik entwickeln, die man ihr nie zugetraut hätte. Ihren Hut (oder was sie dafür hielt) hatte sie tief in die Stirn gezogen, die überdimensionalen Hutnadeln, die eher Bratspießen glichen, wippten bedrohlich. Auch der Pompadour, dessen lederne Riemen die Detektivin ums Handgelenk gewickelt hatte, war schon in lebhafte Schwingung geraten. Dieser lederne Beutel, der eher einem zu heiß gewaschenen Seesack als einem Damenhandtäschchen ähnelte, war mit buntlackierten, gußeisernen Perlen bestickt und hatte es in sich: Er enthielt Lady Simpsons sogenannten Glücksbringer, ein echtes Pferdehufeisen, das die ältere Dame aber aus humanitären Gründen in eine dünne Lage Schaumstoff gewickelt hatte.

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Butler Parker – 227 –

Parker heizt dem Panther ein

Günter Dönges

»Mylady wünschen, daß meine bescheidene Wenigkeit sich nach dem Weg erkundigt?« wollte Butler Parker wissen. Er lenkte sein hochbeiniges Monstrum über eine einsame Landstraße, während Agatha Simpson im Fond des Wagens mit einer voluminösen Pralinenpackung beschäftigt war.

»Also haben Sie meine Anordnung doch richtig verstanden, Mister Parker«, gab die ältere Dame unwirsch zurück. »Wenn ich lebend wieder nach London zurückkehren soll, benötige ich auf der Stelle eine kleine Stärkung. Der Gasthof, von dem Mister McWarden sprach, muß doch ganz in der Nähe liegen...«

Gerade kam ein kleines Haus am Straßenrand in Sicht, und der Butler nahm den Fuß vom Gas.

Mit seinem hellroten Ziegeldach, den blank geputzten Butzenscheiben und dem üppig wuchernden Blumengarten wirkte das Häuschen recht einladend. Parker stoppte vor dem weiß gestrichenen Gartenzaun, verließ würdevoll sein Fahrzeug und wollte gerade an der frisch polierten Messingglocke ziehen, als ein furchtbarer Knall die friedliche Stille zerriß.

Eine mächtige Stichflamme schoß aus dem Dach eines flachen Anbaus, der hinter dem Haus zwischen Obstbäumen lag. Scheiben barsten, Glassplitter flogen als gefährliche Geschosse durch die Luft. Parker drückte sich in den Hauseingang, bis der prasselnde Dachpfannenregen vorüber war;

»Diesen hinterhältigen Angriff werde ich sofort mit einer Gegenattacke beantworten«, vernahm er hinter sich das sonore Organ seiner Herrin. Lady Agatha hatte den Wagen verlassen und marschierte mit finsterer Miene auf das Haus zu. Für sie stand bereits fest, daß sie nur mit knapper Not einem heimtückischen Anschlag auf ihr Leben entgangen war.

Obwohl sie die Sechzig überschritten hatte und über eine geradezu beeindruckende Leibesfülle verfügte, konnte Agatha Simpson in solchen Momenten eine Dynamik entwickeln, die man ihr nie zugetraut hätte. Ihren Hut (oder was sie dafür hielt) hatte sie tief in die Stirn gezogen, die überdimensionalen Hutnadeln, die eher Bratspießen glichen, wippten bedrohlich.

Auch der Pompadour, dessen lederne Riemen die Detektivin ums Handgelenk gewickelt hatte, war schon in lebhafte Schwingung geraten. Dieser lederne Beutel, der eher einem zu heiß gewaschenen Seesack als einem Damenhandtäschchen ähnelte, war mit buntlackierten, gußeisernen Perlen bestickt und hatte es in sich: Er enthielt Lady Simpsons sogenannten Glücksbringer, ein echtes Pferdehufeisen, das die ältere Dame aber aus humanitären Gründen in eine dünne Lage Schaumstoff gewickelt hatte.

»Mister Parker, sehen Sie nach, wo diese Feiglinge sich verborgen halten«, ordnete sie an. »Ich will die Kerle zur Rede stellen und ihnen eine gehörige Lektion erteilen!«

»Wie Mylady wünschen«, antwortete der Butler höflich und klopfte ein paar Glassplitter vom Ärmel seines Covercoats. »Man wird nichts unversucht lassen, um der Ursache dieser Explosion auf den Grund zu gehen.«

In diesem Moment taumelte eine rußgeschwärzte Gestalt aus der Tür des Anbaus.

»Feuer!« schrie der Mann mit zittriger Greisenstimme. »Hilfe, es brennt!«

»Darf man sich erlauben, diesen Gartenschlauch zu benutzen, um den Flammen Einhalt zu gebieten?« erkundigte sich Parker.

»Gartenschlauch? Was für ein Gartenschlauch?« fragte das Männchen verwirrt. Offenbar hatte die Explosion ihm einen gehörigen Schock versetzt. »Ach ja, der Gartenschlauch! Daß ich nicht gleich darauf gekommen bin!«

Das Gartenhaus bot ein Bild der Verwüstung. Die heftige Detonation hatte das Dach abgedeckt und sämtliche Scheiben zertrümmert. Die Flammen hatten jedoch gerade erst begonnen, an der hölzernen Dachkonstruktion zu lecken. So hatte der Butler keine Mühe, das Feuer innerhalb weniger Minuten zu löschen.

»Leider ist mir ein kleines Mißgeschick unterlaufen«, sagte der Mann und versuchte, ein entschuldigendes Lächeln auf sein schwarzverschmiertes Gesicht zu zaubern. »Aber eigentlich war der Versuch ein voller Erfolg. Das sollten wir feiern! Ich habe noch einen feinen, alten Kognak im Haus.«

Lady Agatha, die schon zu einer ihrer gefürchteten Ohrfeigen ausgeholt hatte, erstarrte mitten in der Bewegung, das Angebot machte sie unsicher. Wenn der Mann bereit war, seinen Kognak mit ihr zu teilen, konnte er eigentlich keine feindlichen Absichten hegen. Oder war die Einladung vielleicht eine List?

»Sie werden doch nicht im Ernst annehmen, daß eine Lady Simpson in eine derart plumpe Falle tappt«, herrschte sie den Mann an, der instinktiv den Kopf einzog. »Erst versuchen Sie, mich in die Luft zu sprengen, und dann wollen Sie mich auch noch unter einem fadenscheinigen Vorwand in ihr Haus locken ...«

»Ich? Sie in die Luft sprengen?« rief der Mann entsetzt aus. »Nie könnte ich einem Menschen etwas zuleide tun. Bitte, nehmen Sie mir ab, daß es sich um einen bedauerlichen Unglücksfall handelte, Mylady! Alles Nähere kann ich Ihnen erklären, wenn Sie meine Einladung annehmen.«

»Mit Ihren Ausflüchten können Sie eine Detektivin meines Formats nicht beeindrucken«, entgegnete die ältere Dame ungerührt. »Sie können den Kognak ja herausbringen, um zu zeigen, daß es Ihnen Ernst damit ist. Ich werde mir inzwischen auf der Gartenbank eine Verschnaufpause gönnen.«

Mit einem Obstbaumzweig fegte Parker die Glassplitter von der Bank, während der zierlich Gebaute zum Haus ging.

»Mister Parker, begleiten Sie ihn, damit er keine Dummheiten macht«, verlangte die Detektivin. Dann ließ sie sich auf der Bank nieder, die unter ihrer Fülle bedrohlich ächzte, aber doch standhielt.

*

»Ich fürchte, ich habe eben versäumt, mich vorzustellen, Mylady«, erklärte der Gastgeber, als er mit der Kognakflasche und Gläsern in den Garten zurückkehrte. »Lindsay ist mein Name. Lawrence Lindsay, ehemals Professor der Chemie an der Universität zu Edinburgh.«

Lindsay hatte die wenigen Minuten genutzt, um sich von den ärgsten Spuren der Explosion zu befreien. Seinen rußverschmierten Laborkittel hatte er gegen einen frischen, schneeweißen getauscht. Wasser und Seife hatten seine natürliche Gesichtsfarbe wieder zum Vorschein gebracht.

Außer ein paar Schrammen schien er unverletzt. Auch sein weißer Vollbart und der Haarkranz, der seine spiegelnde Kugelglatze umrahmte, waren nur geringfügig angesengt. Seine kleinen, hellblauen Augen hinter den frisch geputzten Gläsern der altmodischen Nickelbrille blickten freundlich und offen.

Mylady wirkte etwas geistesabwesend. Sie hatte nur Augen für die bauchige Flasche, die der Professor auf den hölzernen Gartentisch stellte. Das Etikett eines renommierten französischen Abfüllers gefiel ihr auf Anhieb. Dagegen störte sie die Zahl der Gläser, die Lindsay mitgebracht hatte.

»Mein Personal trinkt im Dienst keinen Alkohol«, erklärte sie kategorisch und schob das dritte Glas beiseite, während der Gastgeber einschenkte.

»Daß es bei dem Experiment knallen würde – damit habe ich natürlich gerechnet«, begann der Chemieprofessor seinen Bericht. »Was die Stärke der Explosion angeht, muß ich mich allerdings um eine Potenz geirrt haben. Anders ist diese Wirkung bei nur zehn Milligramm explosiver Substanz nicht zu erklären. Das werde ich gleich nachher noch mal überprüfen.«

»Darf man Ihre Erklärung so deuten, daß Sie in Ihrem Labor mit Sprengstoffen experimentiert haben, Sir?« ließ der Butler sich vernehmen.

»Nicht ganz«, schränkte der Professor lächelnd ein. »Eigentlich ist die hochexplosive Substanz, die ich in jahrelangen Versuchsreihen entwickelt habe, nur ein Nebenprodukt.«

»Allerdings ein recht interessantes Nebenprodukt, falls man sich diese Bemerkung erlauben darf«, entgegnete der Butler, während Mylady unter wohligem Schnalzen ihr Kognakglas leerte und sich von Lindsay gleich wieder nachfüllen ließ. »Hat meine Wenigkeit richtig vernommen, Sir, daß es sich lediglich um zehn Milligramm Sprengstoff handelte, die die recht beachtliche Detonation auslösten?«

»Genaugenommen, waren es sogar, nur 9,8«, bestätigte der Gelehrte stolz. »Das eigentliche Ziel meiner Versuchsreihe ist aber noch wesentlich interessanter.«

»Dabei kann es sich doch nur um die Entwicklung einer neuartigen Waffe handeln«, tippte die Detektivin, doch Lindsay hob abwehrend die Hände.

»Das sei fern von mir«, rief er aus. »In dieser Hinsicht haben meine Kollegen schon genug Unheil angerichtet! Der Zweck meiner Untersuchungen ist rein wissenschaftlicher Art.«

»Darf man sich denn in aller Bescheidenheit nach diesem Zweck erkundigen, Sir?« ließ Parker sich vernehmen.

Lawrence Lindsay zögerte einen Augenblick. Ein verlegenes Lächeln glitt über sein faltiges Gesicht. »Seit heute ist ein uralter Traum der Menschheit in greifbare Nähe gerückt«, verriet er und dämpfte seine Stimme zu geheimnisvollem Raunen. »Woran die Alchimisten des Mittelalters vergeblich gearbeitet haben – die Verwandlung von Steinen in Gold – das werde ich mit den Mitteln der modernen Naturwissenschaft vollenden.«

»Steine in Gold verwandeln?« Lady Agatha wurde hellhörig. »Geht das denn überhaupt, Mister Kinsey?«

»Verzeihung, Mylady, Lindsay ist mein Name«, korrigierte der Professor.

»Ich habe Ihren Namen schon richtig verstanden, Mister Finley«, beharrte die Detektivin. »Wie war das mit dem Gold und den Steinen?«

»Nun, aus Geschichtsbüchern ist Ihnen vermutlich bekannt, daß es im Mittelalter Forscher gab, die es sich in den Kopf gesetzt hatten, Steine in Gold zu verwandeln«, erläuterte Lindsay. »Geniale Geister arbeiteten wie besessen an dieser Aufgabe, aber sie mußten scheitern, weil sie noch zu sehr dem magischen Denken verhaftet waren und nicht über die nötigen technischen Hilfsmittel verfügten.«

»Und welches sind die technischen Hilfsmittel, die man zur Herstellung von Gold benötigt?« Agatha Simpson machte kein Hehl aus ihrer Neugier.

»Vor allem fehlte es den Alchimisten an der nötigen Prozeßwärme«, erläuterte der Chemiker. »Ihre Holzfeuerchen waren bei weitem nicht heiß genug, um die entsprechende Reaktion einzuleiten.«

»Demnach kann und darf man also davon ausgehen, Sir, daß es Ihnen gelungen ist, die benötigte Temperatur zu erzeugen?« fragte Parker, und sein Gegenüber nickte.

»Heute zum erstenmal«, bestätigte Lindsay und strahlte, als hätte ihm der Postbote einen Lottogewinn ins Haus gebracht. »Allerdings muß ich einräumen, daß sich dieser chemische Prozeß für kurze Zeit meiner Kontrolle entzogen hat. Die Folgen haben Sie gehört und gesehen.«

»Zum Zeitpunkt der Detonation war für meine Wenigkeit allerdings nicht erkennbar, daß es sich lediglich um die begleitenden Geräusche eines wissenschaftlichen Experimentes handelte«, wandte der Butler ein. »Darf man vermuten, Sir, daß Sie mit diesen Versuchen schon längere Zeit beschäftigt sind?«

»Seit drei Jahrzehnten«, bestätigte Lindsay stolz. »Als ich damit anfing, war ich noch Professor an der Edinburgher Hochschule. Die Labors dort waren natürlich besser ausgestattet als meine Gartenlaube hier. Aber als ich siebzig wurde, schickten sie mich in Pension.«

»Demnach darf man annehmen, daß Sie es vorgezogen hätten, sich noch länger ihren Forschungen an der Universität zu widmen, Sir?« erkundigte sich der Butler.

»Selbstverständlich«, rief Lindsay aus. »Aber offenbar hatten sie an der Hochschule Angst, ich könnte meine Experimente wirklich erfolgreich abschließen. Dann wären diese naturwissenschaftlichen Fachidioten nämlich alle gründlich blamiert gewesen.«

»Die Leute haben Ihnen nicht geglaubt, daß Sie aus Steinen Gold machen können, Professor?« vergewisserte sich die Detektivin.

»Sie wollten es nicht wahrhaben«, korrigierte Lindsay. »Aber es gibt wahrhaftig mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als sich die Schulweisheit meiner ehemaligen Kollegen träumen läßt. Sobald das Labor wieder aufgeräumt ist, werde ich den heutigen Versuch wiederholen. Und dann ist es bis zur tatsächlichen Umwandlung von Steinen in Gold nur noch ein kleiner Schritt.«

Mit großen Augen starrte Agatha Simpson ihr Gegenüber an und vergaß fast, das volle Glas zu leeren, das sie in der Hand hielt. »Dann wären Sie ja mit einem Schlag der reichste Mann der Welt!« stellte sie fest, aber Lindsay schüttelte den Kopf.

»Darum geht es mir doch gar nicht«, erklärte er. »Ich bin inzwischen fast neunzig und habe keine Erben. Was sollte ich mit so viel Geld? Ich bin schon zufrieden, solange ich meine wissenschaftlichen Arbeiten fortführen kann. Außerdem dürfte der Goldpreis in den Keller fallen, sobald es gelingt, das Metall in großen Mengen künstlich herzustellen.«

»Meinen sie wirklich, Professor?« Auf Lady Agathas Stirn stand eine nachdenkliche Falte. Sie nahm sich vor, noch heute abend Mike Rander zu fragen, welche Konsequenzen es für ihr eigenes Vermögen haben konnte, wenn der Goldpreis tatsächlich »in den Keller fiel«.

*

Ein knatterndes Geräusch, das sich auf der Landstraße näherte, riß die Detektivin aus ihren Gedanken. Kurz darauf klappte das Gartentor, und zwischen den Rosenbüschen tauchte ein junger Mann in Bluejeans und einem verschlissenen Armee-Parka auf.

»Das ist Ray Marling«, stellte der Professor vor. »Er kommt täglich vorbei, um mir in Haus und Garten zu helfen. Außerdem interessiert er sich natürlich auch für meine Experimente.«

Der Ankömmling mochte knapp 20 sein. Er trug sein pechschwarzes Haar fast schulterlang. Die dunklen Augen unter den buschigen Brauen wanderten unstet hin und her.

»Was ist denn passiert, Professor?« rief er aus und deutete auf das demolierte Gartenhaus. »Ich habe den Knall bis ins Dorf gehört. Hoffentlich sind Sie nicht verletzt?«

»Ich – verletzt?« lachte Lindsay unbekümmert, als sei Marlings Vermutung völlig abwegig. »Du weißt doch, daß ich einen Schutzengel habe, mein Junge.«

»Aber was war das für eine Explosion?« wollte Ray Marling wissen.

»Ich habe dir doch von dem Problem mit der Prozeß wärme erzählt«, begann der Chemiker.

»Ja und?«

»Heute ist ein großer Tag! Zum erstenmal ist es mir gelungen, für ein paar Millisekunden die notwendige Temperatur zu erzeugen«, setzte der Professor den jungen Mann ins Bild.

»Wirklich?« staunte Ray. »Daran haben Sie doch jahrelang gearbeitet?«

»Stimmt«, bestätigte Lindsay froh gelaunt. »Und heute wird gefeiert! Komm, setz dich zu uns und trink ein Glas mit, Ray!«

»Nein, danke«, gab der Junge zurück. »Ich mag doch keinen Schnaps.« Er musterte Lady Simpson und ihren Butler mißtrauisch, bevor er zum Gartenhaus hinüberging, um das verwüstete Labor in Augenschein zu nehmen.

»Da gibt es noch eine Frage, auf deren Beantwortung meine Wenigkeit außerordentlichen Wert legen würde, Sir«, nahm Parker das unterbrochene Gespräch wieder auf.

»Fragen Sie nur«, ermunterte Lindsay ihn.

»Vermutet man richtig, daß es sich bei der schon erwähnten explosiven Substanz um eine grundsätzlich neuartige Entwicklung handelt?« wollte der Butler wissen. »Mit herkömmlichen Sprengstoffen dürfte bei derart geringen Mengen keine solch beeindruckende Wirkung zu erzielen sein, falls meine Wenigkeit sich nicht täuscht.«

»Es handelt sich um außerordentlich kompliziert zusammengesetzte Kristalle«, verriet der Wissenschaftler bereitwillig. »Ich könnte Ihnen die Formel aufschreiben, aber dafür wäre schon eine große Schulwandtafel nötig.«

»Man wäre eher an den Gebrauchseigenschaften dieses Stoffes interessiert«, wandte der Butler ein. »Die Arbeit mit solch einer Substanz dürfte nicht gerade risikolos sein, falls diese Bemerkung gestattet ist.«

»Im Gegenteil«, antwortete Lindsay. »Der Stoff ist völlig ungefährlich – im Prinzip. Wegen ihrer speziellen Zusammensetzung können die Kristalle zwar unvorstellbare Mengen Sauerstoff binden, was zur Entwicklung der enormen Hitze führt, aber das geschieht nur unter ganz bestimmten Bedingungen.«

»Diese Bedingungen waren es, nach denen meine bescheidene Wenigkeit sich zu erkundigen gedachte«, erklärte der Butler.