Parker jagt das Nachtgespenst - Günter Dönges - E-Book

Parker jagt das Nachtgespenst E-Book

Günter Dönges

0,0

Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Durch die unheimliche Landschaft bewegte sich eine Gestalt, die an einen Horrorfilm erinnerte. Sie war groß, schwer und massig, bewegte sich mit der Grazie eines Büffels und hielt konsequent auf eine Weggabelung zu, in die die schmale Landstraße y-förmig mündete. Diese Gestalt trug einen weiten, bis zu den Fußknöcheln reichenden Umhang, der im leichten Nachtwind flatterte. An der Gabelung angekommen, befaßte sich diese Gestalt umgehend mit einem Wegweiser, der inmitten dichter Büsche und Sträucher stand. Auf einem der beiden Schilder war die Richtung nach Donovan-Castle angegeben, auf dem zweiten Schild befand sich der Hinweis auf das Hochmoor. Und zwar mit der deutlichen und großen Warnung: Achtung, Brücke unpassierbar! Die kohlenschaufelgroßen Hände der Gestalt zogen mit erstaunlicher Leichtigkeit das Wegeschild aus dem Boden und warfen es in hohem Bogen ins Gelände. Dann huschte die Gestalt über die Kreuzung und griff nach dem Absperrbalken, der auf zwei Böcken lagerte. Dieser Balken sperrte den Weg ins Moor und zur unpassierbaren Brücke noch zusätzlich ab. Die Gestalt transportierte den Querbalken samt den beiden Bocken auf den Weg in Richtung Donovan-Castle. Der Weg zur Todesfahrt ins Hochmoor und zur unpassierbaren Brücke war frei, jetzt brauchte nur noch ein Auto zu kommen. Die massige und große Gestalt schien auf dieses Auto zu warten. Sie verschwand im dichten Gebüsch und beobachtete die schmale Landstraße. Die beiden aufgeschreckten Käuzchen, die ihre Schreie eingestellt hatten, begannen jetzt wieder mit der Produktion ihrer unheimlichen Rufe und untermalten damit das Blubbern einiger in der Nähe aufsteigender Sumpfblasen. Es war wirklich eine Nacht, nach der sich jeder Regisseur eines einschlägigen Films die Finger geleckt hätte, zumal jetzt weit in der Ferne zwei Autoscheinwerfer aufglühten, die an die Augen eines vorsintflutlichen Ungeheuers erinnerten. Longless saß am Steuer des kleinen Sportwagens und tastete sich mit dem an sich schnellen Wagen im Tempo einer fußkranken Schnecke durch den Nebel. »Wir sollten aussteigen und zu Fuß gehen«, sagte Killer Cleveland ungeduldig. »Warum denn?« wollte Killer-Lehrling Longless wissen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 125

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Butler Parker – 185 –

Parker jagt das Nachtgespenst

Günter Dönges

Durch die unheimliche Landschaft bewegte sich eine Gestalt, die an einen Horrorfilm erinnerte. Sie war groß, schwer und massig, bewegte sich mit der Grazie eines Büffels und hielt konsequent auf eine Weggabelung zu, in die die schmale Landstraße y-förmig mündete. Diese Gestalt trug einen weiten, bis zu den Fußknöcheln reichenden Umhang, der im leichten Nachtwind flatterte.

An der Gabelung angekommen, befaßte sich diese Gestalt umgehend mit einem Wegweiser, der inmitten dichter Büsche und Sträucher stand. Auf einem der beiden Schilder war die Richtung nach Donovan-Castle angegeben, auf dem zweiten Schild befand sich der Hinweis auf das Hochmoor. Und zwar mit der deutlichen und großen Warnung: Achtung, Brücke unpassierbar!

Die kohlenschaufelgroßen Hände der Gestalt zogen mit erstaunlicher Leichtigkeit das Wegeschild aus dem Boden und warfen es in hohem Bogen ins Gelände. Dann huschte die Gestalt über die Kreuzung und griff nach dem Absperrbalken, der auf zwei Böcken lagerte. Dieser Balken sperrte den Weg ins Moor und zur unpassierbaren Brücke noch zusätzlich ab.

Die Gestalt transportierte den Querbalken samt den beiden Bocken auf den Weg in Richtung Donovan-Castle. Der Weg zur Todesfahrt ins Hochmoor und zur unpassierbaren Brücke war frei, jetzt brauchte nur noch ein Auto zu kommen.

Die massige und große Gestalt schien auf dieses Auto zu warten.

Sie verschwand im dichten Gebüsch und beobachtete die schmale Landstraße. Die beiden aufgeschreckten Käuzchen, die ihre Schreie eingestellt hatten, begannen jetzt wieder mit der Produktion ihrer unheimlichen Rufe und untermalten damit das Blubbern einiger in der Nähe aufsteigender Sumpfblasen.

Es war wirklich eine Nacht, nach der sich jeder Regisseur eines einschlägigen Films die Finger geleckt hätte, zumal jetzt weit in der Ferne zwei Autoscheinwerfer aufglühten, die an die Augen eines vorsintflutlichen Ungeheuers erinnerten.

*

Longless saß am Steuer des kleinen Sportwagens und tastete sich mit dem an sich schnellen Wagen im Tempo einer fußkranken Schnecke durch den Nebel.

»Wir sollten aussteigen und zu Fuß gehen«, sagte Killer Cleveland ungeduldig.

»Warum denn?« wollte Killer-Lehrling Longless wissen.

»Weil wir dann schneller vorankommen«, mäkelte Cleveland aufgebracht, »soll das hier mit uns nachtfüllend werden? Wenn wir uns nicht beeilen, werden wir von Parker noch glatt eingeholt.«

»Sicherheit ist die Mutter der Porzellankiste«, sagte Longless, der Mann, der wie ein überernährtes Riesenbaby aussah. »Das ist doch deine Devise Clevie!«

»Aber erst, seitdem ich mit dir zusammen bin«, gab Cleveland zurück. Er war mittelgroß, schlank und hatte dunkelblondes Haar, das leger in seine Stirn hing. Er sah keineswegs wie ein Profi-Killer aus, was sich in der Vergangenheit schon sehr oft für ihn ausgezahlt hatte. Cleveland war vom Syndikat in den Staaten hierher nach England geschickt worden, um Parker und Rander zu erledigen.

Longless Vater hatte ihm diesen Job übertragen und ihm seinen einzigen Sohn mitgegeben. Nach Jahren eines süßen Lebens auf verschiedenen Universitäten sollte Longless junior nun endlich in die Fußstapfen seines Vaters treten und ebenfalls ein geachtetes Mitglied des Syndikats werden.

Diese Kombination hatte sich bisher als nicht besonders gut und erfolgreich erwiesen. Longless zeichnete sich durch eine erstaunliche Schusseligkeit aus, die bereits auf den Lehrmeister Cleveland deutlich abgefärbt hatte.

Longless junior trat plötzlich derart hart auf die Bremse, daß Cleveland jäh nach vorn geschleudert wurde und mit der Stirn gegen die Windschutzscheibe knallte.

»I wo«, schnaufte Cleveland und faßte nach der schmerzenden Stelle an der Stirn, »die Windschutzscheibe ist ja noch heil. Du hast doch die Karte im Kopf, Junge. Wohin müssen wir jetzt?«

»Nach rechts«, sagte Longless, »das heißt, es kann auch nach links sein!«

»Nach links«, sagte Cleveland und zwang sich zur Ruhe. Sein Begleiter war immerhin der Sprößling des Syndikat-Chefs, da mußte man sich schon zusammennehmen, »siehst du nicht die Absperrung?«

»Tatsächlich!« Longless preßte seine Nase gegen die Windschutzscheibe.

»Also, fahr weiter!« Cleveland zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich zurück.

»Clevie, da hängt ein Schild am Querbalken!«

»Laß es hängen, fahr weiter!«

»Da steht drauf, daß die Brücke unpassierbar ist!«

»Ist ja gut und schön«, meinte Cleveland und verdrehte die Augen, »laß die Brücke …«

»Ich hab ja nur gedacht, daß …«

»Überanstreng dich bloß nicht! Wie war das!?« Cleveland begriff mit einiger Spätzündung, richtete sich auf und zog die Handbremse ruckartig an.

Der kleine Sportwagen mit dem Steckverdeck blieb hart stehen. Und diesmal knallte Longless junior mit der Stirn gegen die nahe Windschutzscheibe, wobei der Motor starb.

»Wie war das mit der Brücke? Unpassierbar?«

»Sag ich doch die ganze Zeit, Clevie.«

»Da bin ich doch direkt animiert, Junge … ’ne unpassierbare Brücke … Wie für uns bestellt.«

»Für Parker und Rander! Und das hab ich sagen wollen!«

»Hinterher kann das jeder behaupten. Fahr zurück! Wir bauen den Querbalken um.«

»Und lassen Parker und Rander auf die kaputte Brücke sausen!«

»Du sagst es, Junge. Wir sparen Nerven und Munition. Nun mach schon endlich!«

Longless junior setzte den Sportwagen die wenigen Meter zurück. Er und Cleveland stiegen aus und trugen den Querbalken samt den beiden Böcken zurück zur linken Straßenabzweigung. Sie verwendeten sehr viel Sorgfalt darauf, den Querbalken richtig zu dekorieren. Sie sperrten völlig ungewollt ausgerechnet jene Abbiegung, die hinaus ins Moor und auf die brüchige Brücke führte, und bügelten ungewollt den Fehler aus, den die massige, unheimliche Gestalt vor knapp fünf Minuten erst absichtlich begangen hatte.

»Und jetzt ab durch die Mitte, Junge«, sagte Cleveland zufrieden nach getaner Arbeit. »Wir gehen da hinten im Nebel in Deckung. Und wenn’s gekracht hat, sehen wir mal in aller Ruhe nach, was von Parker und Rander übriggeblieben ist!«

*

»Josuah Parker saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums und näherte sich in langsamer Fahrt der Kreuzung, die von den beiden Dauerkillern Cleveland und Longless vor knapp zehn Minuten geräumt worden war.

Im Fond des Wagens hatte Anwalt Rander Platz genommen. Die gesenkte Trennscheibe zwischen dem Fahrersitz und dem Wagenfond ermöglichte eine unbeschwerte Unterhaltung.

»Was wir Vorhaben, Parker, ist die Unhöflichkeit in Potenz«, stellte Mike Rander fest. »Um diese Zeit macht man keinen Besuch mehr.«

»Die Herren von Donovan-Castle, Sir, werden Verständnis haben, zumal die Fahrtverzögerung durch einen längeren Verkehrsstau bedingt war.«

»Warten wir’s ab, Parker. Fragt sich, ob auch der Henker von Donovan-Castle Verständnis aufbringen wird.«

»Sie glauben nach wie vor nicht an diese Geistererscheinung, Sir?«

»Geschenkt, Parker, ich kenne das Zitat. Ich wette mit Ihnen, daß sich auf Donovan-Castle irgendein Bursche einen Spaß daraus macht, als Henker aufzutreten.«

»In der Tat, Sir! Aber dieser Spaß, wie Sie es auszudrücken belieben, dürfte etwas zu weit gehen. Das Schloßgespenst soll recht gewalttätig sein.«

»Das hat Sir James allerdings nachdrücklich behauptet«, bestätigte Mike Rander, »und der Mann machte einen sehr kühlen und kritischen Eindruck auf mich.«

»Sie lernten Sir James im Club kennen, Sir?«

»Richtig, Parker. Er muß irgendwie von unseren bisherigen Abenteuern gehört haben und bat mich, zu ihm aufs Schloß zu kommen. Er fürchtet um sein Leben.«

»Eine erfreuliche Clubbegegnung, Sir.«

»Kann ich mir vorstellen, Parker. Sie wittern natürlich wieder einen Kriminalfall. Aber damit wir uns richtig verstehen, sobald sich herausstellt, daß wir es mit einer Gaunerei zu tun haben, werden wir die Polizei verständigen.«

»Ich werde mir erlauben, Sir, Sie daran zu erinnern«, behauptete der Butler mit würdevoller Stimme. »Darf ich übrigens bemerken, daß wir das Schloß in Schätzungsweise fünfzehn Minuten erreichen werden?«

»Wieso? Seit wann haben Sie Radar im Wagen? Ich kann weit und breit nichts von einem Schloß sehen.«

»Wir nähern uns einer Straßengabelung, Sir. Nach meiner Erinnerung und dem einschlägigen Kartenstudium beginnt von dieser Gabelung aus die letzte Wegstrecke.«

Im Licht der Autoscheinwerfer war die Straßengabelung zu sehen, die die beiden Killer Cleveland und Longless bereits hinter sich gelassen hatten.

Parker vermißte kein Hinweisschild, zumal die Straßensperre eine deutliche Sprache redete. Der Weg nach links war versperrt, also blieb nur der Weg nach rechts offen. Ohne zu zögern, steuerte der Butler seinen hochbeinigen Wagen in die richtige Abbiegung, die hinauf zum Schloß führte.

Weder er noch Mike Rander ahnten, wie ungewollt vorsorglich ihre Dauerschatten für sie gearbeitet hatten.

Longless war etwas schneller geworden.

Die innere Freude, den Auftrag bald erfüllt zu haben, drückte seinen Fuß fester auf das Gaspedal. Der kleine Sportwagen tat einen gehörigen Sprung nach vorn und hopste durch die Schlaglöcher und Pfützen. Er hielt auf eine kleine Steigung zu, die die Auffahrt zu einer Holzbrücke war, die man aus diesem Blickwinkel heraus allerdings noch nicht erkennen konnte.

Es war die Brücke, die das Schild als einsturzwillig bezeichnet hatte.

»Wohin willst du eigentlich?« wunderte sich Cleveland.

»Nur noch bis hinter den Hügel«, erwiderte Longless junior, »dann sind wir in Deckung.«

»Okay«, meinte Cleveland und räkelte sich zufrieden in seinem Sitz zurecht, »dann brauchen wir uns keine Sorgen mehr zu machen. Der Genickbruch kommt bestimmt.«

Longless gab dem Sportwagen zusätzlich die Sporen und donnerte über die Auffahrt hinauf auf die Brücke, die tatsächlich einen mehr als morschen und brüchigen Eindruck machte.

»Komisch«, stellte Longless fest, »hier ist auch ’ne Brücke, Clevie!«

»Warum auch nicht«, erwiderte Cleveland gelassen und fühlte sich im gleichen Moment aus dem Schalensitz gehoben. Er hatte das untrügliche Gefühl, daß der Sitz samt dazugehörigem Wagen unter ihm wegsackte und ihn in der Luft hängen ließ.

Longless junior hatte ein ähnliches Gefühl, doch da er sich am Steuerrad festhielt, senkte er sich mit dem nach unten abrutschenden Wagen, der wie ein Expreßlift in die Tiefe sauste.

Noch in der Luft hängend, hörte Cleveland ein Brechen und Lärmen, als würde ein mittlerer Wald abgeholzt. Dann flog auch er senkrecht nach unten und knallte mit dem Gesäß zurück in den Schalensitz des Sportwagens, der inzwischen im aufspritzenden Moorwasser landete.

Der Sportwagen hielt sich nur einen kurzen Moment auf dem Wasser, schlug dann leck und ging auf Tauchstation.

»Hufe …!« gurgelte Longless, dessen Mund sich mit Wasser füllte.

»Idiot!« hustete Cleveland, bevor er Wasser spuckte. Er drückte sich aus dem Sportwagen und merkte zu seiner Erleichterung, daß der Bach, den die Brücke überspannte, nicht tief war. Er konnte stehen, wenngleich er auch bis zu den Knien einsank.

Er schaute sich nach seinem Schützling Longless um.

Longless befand sich noch unter Wasser, erschien jetzt aber und klammerte sich in panischer Angst an seinen Lehrherrn Cleveland.

»Ich … Ich ertrinke … Hiiilfe!« gurgelte er.

»Irgendwann mal, aber nicht jetzt und hier«, stellte Cleveland fest und klopfte auf Longless’ Finger, die sein Oberhemd ruinierten. »Los, komm!«

»Longless tappte wie blind los und erreichte das rettende Ufer. Hier ließ er sich erschöpft auf den weichen Boden fallen. Cleveland folgte wesentlich langsamer und maß seinen Schützling mit mörderischen Blicken. Als er das Ufer erreicht hatte, trat sein Fuß auf ein Schild, das von der Brücke heruntergerissen worden war. Auf diesem stand die deutliche Warnung: Achtung, Einsturzgefahr!

Cleveland nahm dieses Schild hoch und ging damit hinüber zu Longless, der sich gerade aufgerichtet hatte und das Moorwasser aus dem linken Ohr herauslaufen ließ.

»Sieh mal, was ich hier habe«, sagte Cleveland und präsentierte Longless die Schriftzeichen.

»Ein Schild!« erwiderte Longless irritiert.

»Und was steht drauf?« verlangte Cleveland zu wissen.

»Achtung, Einsturzgefahr«, las Longless junior.

»Eben«, sagte Cleveland lakonisch und knallte ihm das Schild unsanft auf den Kopf.

*

Donovan-Castle stammte aus dem Mittelalter und sah dementsprechend aus. Es gab eine Vielzahl von Türmchen, Erkern und Schornsteinen. Das burgähnlich ausgebaute Schloß machte einen finsteren, abweisenden Eindruck. Dieser Eindruck wurde noch verstärkt dadurch, daß nur hinter einem der vielen Fenster ein schwaches Licht brannte.

Parker hielt sein hochbeiniges Monstrum vor dem Schloßportal an und ließ seinen jungen Herrn aussteigen.

»Wenn Sie gestatten, Sir, werde ich unsere Ankunft bemerkbar machen.«

Parker überholte Rander, der bereits hinauf zur Tür ging, und passierte unmittelbar vor dem Eingang eine Ritterrüstung, die als eine Art Wache links am Türbogen stand. Parkers schwarz behandschuhte Hand griff nach dem großen Türklopfer und ließ ihn gegen die Eisenklappe fallen.

Hinter der Tür war daraufhin ein dumpfes Dröhnen zu hören.

»Ein ausgesprochen herzlicher Empfang«, stellte Rander ironisch fest, als sich nichts rührte.

»Vielleicht sollte man sich ein wenig deutlicher bemerkbar machen, Sir.« Parker setzte den Türklopfer erneut in Bewegung. Diesmal schien hinter der schweren, massigen Tür ein Kanonenschuß abgefeuert worden zu sein.

»Jetzt müßten aber eigentlich die Ehrenjungfrauen nur so herausstürmen«, sagte Rander, »sind Sie sicher, Parker, daß wir vor dem richtigen Schloß stehen?«

»Mit letzter Sicherheit«, antwortete der Butler und spielte erneut mit dem Türklopfer. Plötzlich dröhnte ein zweiter Kanonenschuß, der beinahe Tote aufgeweckt hätte.

»Die Tür wird wahrscheinlich noch gebraucht«, sagte Rander warnend zu seinem Butler. Weder er noch Josuah Parker achteten auf die Ritterrüstung, die links im Türbogen stand. Sie hielten sie verständlicherweise für leer, was aber keineswegs der Fall war.

Im Spalt des kaum geöffneten Visiers glühten plötzlich zwei Augen, die einem Geist zu gehören schienen. Dann hob sich die linke Hand der Rüstung, leise und langsam wie in Zeitlupe. Die Bewegung wurde schneller. Plötzlich donnerte die eisengepanzerte Hand des Ritters derart hart gegen das Türblatt, daß die Tür aufschwang.

»Vielen Dank«, sagte Rander, der noch gar nicht begriffen hatte, und nickte der Ritterrüstung freundlich zu. Dann allerdings, nach Verklingen der Schrecksekunde, wandte er sich noch mal zur Rüstung um, die sich gerade in Bewegung setzte und davonmarschierte.

»Das darf doch nicht wahr sein«, murmelte der Anwalt und schluckte betreten. »Haben Sie das mitbekommen, Parker?«

»Ich will gestehen, Sir, daß ich das bin, was man gemeinhin beeindruckt nennt«, sagte der Butler und starrte der Rüstung nach, die auf einen Erkervorsprung des Herrenhauses zumarschierte und dann dahinter verschwand.

»Immerhin, erstklassiger Service«, sagte Rander ironisch anerkennend. »Wer hier lebt, braucht wahrscheinlich keine Krimis mehr zu lesen.«

*

»Ich glaube, du bist irgendwie sauer auf mich«, sagte Longless junior und entfernte die Reste des Warnschildes von seinem Kopf.

»So was wie dich müßte man ausstellen«, konstatierte Cleveland kopfschüttelnd, »was machen wir jetzt? Der Schlitten ist längst auf Tauchstation.«

»Da muß uns einer einen Streich gespielt haben«, stellte Longless junior fest. »Wieso war die Straße hier nicht gesperrt!«

»Denk doch mal an Parker«, schlug Cleveland vor, »dem traue ich so was doch glatt zu, Junge. Komm jetzt, erinnern wir uns mal daran, daß wir Füße haben!«

»Bis zum Schloß kann’s aber nicht weit sein«, tröstete Longless junior seinen Lehrherrn.

»Möglich, aber da lassen wir uns vorerst nicht sehen, Junge. Parker soll annehmen, daß wir die Kurve gekratzt haben!«

»Und was kratzen wir tatsächlich?«

»Uns den Dreck von der Fassade«, antwortete Cleveland. »So, wie wir aussehen, können wir uns oben im Schloß nicht sehen lassen.«

Longless folgte seinem Chef hinauf zum Weg und rutschte dabei aus.

Instinktiv warf er sich nach vorn, griff nach den Beinen des hochsteigenden Cleveland und brachte ihn so aus dem Gleichgewicht. Cleveland ruderte einen Moment lang verzweifelt mit den Armen in der Luft herum und landete im aufklatschenden Moder.

Als er sich erhob, sah er seinen Lehrling Longless aus dreckverschmierten Augen nachdenklich an.

»Such mal mit«, meinte er dann.

»Wonach?«

»Nach ’nem Knüppel«, gab Cleveland zurück, »so was brauchst du jetzt nämlich auf deinem hirnverbrannten Schädel, du Trottel!«

*

»Tut mir leid, falls Bennie Sie erschreckt haben sollte«, sagte Sir James, »aber ich kann Ihnen versichern, daß der Junge vollkommen harmlos ist. Er ist auf jeden Fall nicht das Gespenst, das hier sein Unwesen treibt!«