Parker ködert Barrakudas - Günter Dönges - E-Book

Parker ködert Barrakudas E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Josuah Parker spielte intensiv mit dem Gedanken, ein Stoßgebet zum Himmel zu schicken. Er saß auf dem Beifahrersitz eines schon zerbeulten Landrovers und hatte erhebliche Zweifel, heil und gesund am Ziel der Fahrt anzukommen. Lady Agatha Simpson, die Fahrerin, kurvte in verwegener Tour über die Kaianlagen und mißachtete souverän die Regeln der Straßenverkehrsordnung. Sie hatte erst vor wenigen Augenblicken den Fahrer eines Trucks aus der Fassung gebracht und ihn zu einer Notbremsung veranlaßt. Ein Gabelstaplerfahrer hing auf der Kante einer Kaimauer und starrte trübselig in das schmutzige Hafenwasser. Er war nicht mehr in der seelischen Verfassung, weitere Flüche auszustoßen, die sich auf die Fahrerin des Rovers bezogen hatten. In seinen Augenwinkeln bildeten sich Tränen der Entnervung. Im Wasser selbst trieben zwei fassungslose Hafenarbeiter, die sich durch einen mißglückten Sprung in das feuchte Element vor dem heranbrausenden Rover in Sicherheit gebracht haften. Im Augenblick hielt Lady Agatha zielbewußt auf einen kleinen Kastenlieferwagen zu, der seinerseits nicht gerade langsam um einen Lagerschuppen kurvte. Der Fahrer sah den Rover und hupte sicherheitshalber, was die Lady mit Stirnrunzeln zur Kenntnis nahm. »Sehen Sie sich doch diesen Lümmel an, Mr. Parker«, sagte sie und gab noch mehr Gas, »er will mir die Vorfahrt nehmen. Haben Sie schon mal so etwas erlebt?« »Möglicherweise geht der Fahrer davon aus, daß das Recht auf seiner Seite ist, Mylady«, erwiderte Josuah Parker und war froh, daß er sich fest angegurtet hatte. »Wenn schon«, sagte Agatha Simpson grimmig, »er wird doch wohl einer Dame den Vortritt lassen, oder?« »Offenbar nicht, Mylady«, lautete die Antwort des Butlers, der sich inzwischen damit abgefunden hatte, daß es zu einem Zusammenstoß kam.

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Butler Parker – 158–

Parker ködert Barrakudas

Günter Dönges

Josuah Parker spielte intensiv mit dem Gedanken, ein Stoßgebet zum Himmel zu schicken.

Er saß auf dem Beifahrersitz eines schon zerbeulten Landrovers und hatte erhebliche Zweifel, heil und gesund am Ziel der Fahrt anzukommen. Lady Agatha Simpson, die Fahrerin, kurvte in verwegener Tour über die Kaianlagen und mißachtete souverän die Regeln der Straßenverkehrsordnung. Sie hatte erst vor wenigen Augenblicken den Fahrer eines Trucks aus der Fassung gebracht und ihn zu einer Notbremsung veranlaßt. Ein Gabelstaplerfahrer hing auf der Kante einer Kaimauer und starrte trübselig in das schmutzige Hafenwasser. Er war nicht mehr in der seelischen Verfassung, weitere Flüche auszustoßen, die sich auf die Fahrerin des Rovers bezogen hatten. In seinen Augenwinkeln bildeten sich Tränen der Entnervung. Im Wasser selbst trieben zwei fassungslose Hafenarbeiter, die sich durch einen mißglückten Sprung in das feuchte Element vor dem heranbrausenden Rover in Sicherheit gebracht haften.

Im Augenblick hielt Lady Agatha zielbewußt auf einen kleinen Kastenlieferwagen zu, der seinerseits nicht gerade langsam um einen Lagerschuppen kurvte. Der Fahrer sah den Rover und hupte sicherheitshalber, was die Lady mit Stirnrunzeln zur Kenntnis nahm.

»Sehen Sie sich doch diesen Lümmel an, Mr. Parker«, sagte sie und gab noch mehr Gas, »er will mir die Vorfahrt nehmen. Haben Sie schon mal so etwas erlebt?«

»Möglicherweise geht der Fahrer davon aus, daß das Recht auf seiner Seite ist, Mylady«, erwiderte Josuah Parker und war froh, daß er sich fest angegurtet hatte.

»Wenn schon«, sagte Agatha Simpson grimmig, »er wird doch wohl einer Dame den Vortritt lassen, oder?«

»Offenbar nicht, Mylady«, lautete die Antwort des Butlers, der sich inzwischen damit abgefunden hatte, daß es zu einem Zusammenstoß kam. Parker stemmte die Füße gegen das Bodenbrett und griff diskret nach einem Haltegriff. Lady Agatha aber meisterte auch diese fatale Situation und legte den Rover geschickt auf die beiden Außenreifen. Dann umkurvte sie den schwarzen Kastenlieferwagen, in dem laut Aufschrift Bäckereiwaren aller Art transportiert wurden. Der Fahrer dieses Wagens aber hatte sich bereits völlig irritieren lassen und brachte den Kühler in innigen Kontakt mit einem Bretterstapel, der daraufhin leicht verrutschte, sich bedrohlich neigte, einen Moment noch recht unentschlossen war und dann kippte.

Das Geräusch der niedersausenden Bretter war beachtlich, und Agatha Simpson sah sich veranlaßt, ihren Rover zu stoppen.

»Wo und wie machen diese Leute nur ihren Führerschein?« fragte sie dann, sich an Parker wendend.

»Wenn Mylady erlauben, wird meine Wenigkeit das Geschehen aus nächster Nähe beobachten«, antwortete Parker, der froh war, dem Rover zu entsteigen. Er wartete die Erlaubnis gar nicht ab, schnallte sich los und schritt gemessen und würdevoll zur Unfallstelle. Ein Teil der Bretter lag auf dem Fahrerhaus, die beiden hinteren Ladetüren hatten sich geöffnet.

Josuah Parker erreichte den Kastenlieferwagen und hielt Ausschau nach dem Fahrer. Das Fahrerhaus war leicht eingedrückt, doch der Mann am Steuer machte einen völlig gesunden Eindruck, wenn man von einer gewissen Irritation mal absah, die ihn ergriffen zu haben schien. Der Mann starrte den Butler an, öffnete den Mund, wollte etwas sagen, schloß ihn wieder und hüstelte dann.

»Sie scheinen sich noch einer recht passablen Gesundheit zu erfreuen«, meinte Josuah Parker, während er die schwarze Melone lüftete, »darf man Ihnen dennoch Hilfe anbieten?«

»Hau ... Hauen Sie ab«, sagte der Mann.

»Sie sollten keine voreiligen Wünsche äußern«, meinte Josuah Parker in seiner höflichen Art, »ich darf Ihnen übrigens an dieser Stelle versichern, daß man für den entstandenen Schaden voll und ganz aufkommen wird.«

»Hau’ endlich ab, Mann«, erwiderte der Fahrer wütend und schickte sich an, die eingedrückte und zerbeulte Kabine zu verlassen. Dazu mußte er sich auf die Seite legen, um besser durch das Fenster zu kommen.

»Meine hilfreiche Hand steht zu Ihrer Verfügung.« Parker streckte die schwarz behandschuhte Rechte aus.

»Verschwinde«, brüllte der Fahrer erregt, »ich komm’ allein klar.«

»Und auf welche Art und Weise stellen Sie sich eine etwaige Schadensregulierung vor?« forschte Josuah Parker weiter.

»Darauf pfeif ich«, brüllte der Mann erneut los. Er war in der etwas verformten Tür hängengeblieben.

»Bestehen Sie darauf, daß man die Verkehrspolizei verständigt?« erkundigte sich Parker höflich. »Sie hätten ein Recht darauf.«

»Hau’ doch endlich ab, du Idiot«, stöhnte der Mann verzweifelt, »ich brauch’ keine Polizei. Verschwinde!«

»Ihre Reaktion deutet daraufhin, daß Sie möglicherweise an einer kleinen, hoffentlich unbedeutenden Gehirnerschütterung leiden«, entgegnete Josuah Parker. »Sie sollten umgehend einen Facharzt aufsuchen.«

»Und Sie sollten mal hierher kommen, Mr. Parker«, war in diesem Augenblick die Stimme der älteren Dame zu vernehmen. »Ich denke, daß ich mich zu wundern hätte!«

*

Butler Parker war beeindruckt.

Seine Herrin deutete mit der rechten Hand ins Innere des Wagens, und er nahm auf der Ladefläche zwei Gestalten wahr, die auf keinen Fall in diesen Bäckereiwagen gehörten. Links und rechts an den Außenwänden des Kastenaufbaus waren Regale angebracht worden, die tatsächlich mit Back- und Konditoreiwaren aller Art gefüllt waren. Auf dem Wagenboden allerdings lagen zwei Typen, die keineswegs in diese Umgebung paßten. Es handelte sich um Männer in dunklen und hautengen Kampfschwimmeranzügen. An ihren Füßen waren Schwimmflossen angebracht, die naß waren wie die Taucheranzüge.

»Was sage ich dazu, Mr. Parker?« fragte die passionierte Detektivin erfreut, »ich wußte doch gleich, warum der Fahrer es so eilig hatte.«

»Er dürfte zwei Sporttaucher mitgenommen haben, Mylady«, konstatierte der Butler.

»In einem Bäckereiwagen, Mr. Parker?« Agatha Simpson lachte ironisch, was nicht gerade leise klang.

»Haben die beiden Mitfahrer sich schon geäußert, Mylady?« fragte Parker weiter.

»Das werden Sie gleich tun«, prophezeite die ältere Dame, »ich will wissen, was das zu bedeuten hat.«

Der perlenbestickte Pompadour an ihrem linken Handgelenk geriet bereits in leichte Schwingung, doch die energische Dame kam nicht dazu, ihn ermunternd einzusetzen. Der Fahrer des Kastenlieferwagens hatte sich inzwischen befreit und erschien an der Ladefläche.

Er beging den Kardinalfehler, die Lady von der Tür abdrängen zu wollen. Zusätzlich mit den Händen wollte er sie zurückschieben, eine Geste, die die Sechzigerin mit Freuden mißverstand.

»Haben Sie das gesehen, Mr. Parker?« erkundigte sie sich bei ihrem Butler. »Dieses Subjekt will mich schlagen, wie?«

Sie wartete die Antwort erst gar nicht ab, sondern leitete umgehend einen Akt der Selbstverteidigung ein, holte mit der Rechten aus und verabreichte dem Fahrer eine schallende Ohrfeige. Der Getroffene verlor sofort das Gleichgewicht, rutschte gegen die linke, geöffnete Tür des Kastenlieferwagens, stemmte sich ab und beging einen zweiten Fehler. Er langte in die Tasche seines Jacketts und wollte eine Schußwaffe ziehen.

Butler Parker sah sich veranlaßt, diese Bewegung im Keim zu ersticken. Durch ein Hochrucken seines angewinkelten linken Unterarmes warf er den dort eingehängten Universal-Regenschirm senkrecht in die Luft und faßte mit der rechten Hand nach dem unteren Fünftel des Regendaches. Der Fahrer hatte seine Waffe noch nicht ganz aus der Tasche, als der Butler bereits den Bambusgriff seines Schirmes kurz und nachdrücklich auf die Stirn des Mannes legte. Da dieser Schirmgriff mit Blei ausgegossen war, verzichtete der Mann auf jede weitere Bewegung und breitete sich auf dem Kopfsteinpflaster aus.

Die beiden Sporttaucher schoben sich inzwischen aus dem Wagen nach vorn zur Ladekante. Ihre Gesichter waren kaum zu erkennen, denn die Männer trugen noch Taucherbrillen. Agatha Simpson war einen Schritt zurückgetreten und verfolgte mit Interesse die Verhaltensweisen ihrer neuen Gegner. Diese setzten ihre Füße mit den Schwimmflossen auf den Boden und ... liefen dann plötzlich mit grotesken Sprüngen zur nahen Kaimauer.

Parker hätte diese Flucht durchaus stoppen können, doch er nahm davon bewußt Abstand. Er wollte herausfinden, was die beiden Männer planten. Nun, sie erreichten die Kante der Kaimauer und warfen sich zurück ins nasse Element, das sie wahrscheinlich erst vor kurzer Zeit verlassen hatten.

»Was sage ich denn dazu, Mr. Parker?« wollte Lady Agatha von Parker wissen. Sie stand vorn an der Kaimauer und suchte die Schwimmer, die noch immer unter Wasser waren.

»Man scheint Mylady gefürchtet zu haben«, lautete Parkers Antwort.

»Das möchte ich mir aber auch ausgebeten haben«, sagte sie grollend, »warum haben Sie übrigens die Flegel entkommen lassen?«

»Nur diese eilige Flucht allein, Mylady, beweist, daß die beiden Männer das haben, was man gemeinhin ein schlechtes Gewissen nennt«, beantwortete Parker die Frage.

»Dann werde ich mich an den Fahrer halten und ihm jetzt einige Fragen stellen«, meinte die ältere Dame grimmig und wandte sich zum Kastenlieferwagen. Kurz danach stampfte sie mit dem rechten Fuß unwillig auf das Kopfsteinpflaster.

»Verschwunden«, erklärte sie gereizt, »damit hätten Sie rechnen müssen, Mr. Parker!«

»Sehr wohl, Mylady«, gab Parker zurück, »der Fahrer scheint an einer Aufklärung des Zwischenfalls nicht sonderlich interessiert zu sein.«

»Prägen Sie sich das Kennzeichen ein, Mr. Parker«, verlangte Lady Agatha, »ich werde den Besitzer der Backwarenfirma mal aus der Nähe betrachten.«

Sie setzte sich energisch in Bewegung, während Parker diskret nickte. Dann nahm sie wieder am Steuer des Landrovers Platz und wartete ungeduldig, bis Parker neben ihr saß. Mylady hatte noch viel vor, sie war nicht aus Langeweile zu den West-India-Docks von London gefahren.

*

Lady Agatha erfrischte ihren Kreislauf mit Tee und Rum.

Sie befand sich im Privatbüro eines Reeders, der sich hilfesuchend an sie gewandt hatte. Sir Charles Crosswall, ein straffer Endfünfziger mit hagerem Gesicht und weißem Haar, stand am Fenster hinter seinem mächtigen Schreibtisch aus Mahagoni und blickte auf das Hafengelände. Er hatte gerade seinen Bericht beendet und wartete auf die Reaktion seiner Besucherin.

»Nun, Mr. Parker«, fragte Agatha Simpson leutselig und musterte ihren Butler, »wie sehe ich diesen Fall?«

»Es dürfte sich eindeutig um Erpressung handeln, Mylady«, erwiderte Josuah Parker gemessen und würdevoll, »laut Sir Charles hat man die Absicht, hier festgemachte Schiffe Sir Charles’ zu versenken, falls man nicht pünktlich zahlt oder gar die Polizei einschaltet.«

»Fünfzigtausend Pfund«, meinte Crosswall und wandte sich ruckartig um, »das muß man sich mal vergegenwärtigen! Ein kleines Vermögen. Und das in der heutigen Zeit, wo die Frachtraten mehr als niedrig sind.«

»Fünfzigtausend Pfund pro Schiffseinheit, Sir?« fragte Parker sicherheitshalber noch mal nach.

»Pro Schiffseinheit«, bestätigte Sir Charles, »und zur Zeit liegen zwei Frachter meiner Reederei hier im Hafen.«

»Man will Sie selbstverständlich nur ins Bockshorn jagen, Charles«, schaltete Agatha Simpson sich ein, »aber dennoch, es war völlig richtig, daß Sie mich um Hilfe baten. Ich werde diesen Subjekten das Handwerk legen, nicht wahr, Mr. Parker?«

»Mit letzter Sicherheit«, gab Josuah Parker zurück, um sich dann wieder Sir Charles zuzuwenden, »äußerte man sich vielleicht auch nur andeutungsweise, auf welche Art und Weise man beabsichtigt, Ihre Schiffe zu versenken?«

»Nein«, lautete die Antwort, »aber ich nehme diese Anrufe verdammt ernst. Ich glaube nicht, Lady Simpson, daß man nur blufft. Ich habe ein ungutes Gefühl in der Magengegend.«

»Ihre Schiffe sind doch hoffentlich gut versichert, oder?« fragte die ältere Dame. Sie war mehr als sechzig, stattlich und füllig und trug eines ihrer zu weiten und derben Tweed-Kostüme und erstaunlich große Schuhe. Als eine Frau, die Energie ausstrahlte, stand sie stets unter Dampf.

Agatha Simpson, seit langem verwitwet, war eine immens vermögende Frau, die sich jedes Steckenpferd leisten konnte. Sie hatte sich dafür entschieden, als Privatdetektivin zu arbeiten, und konnte viele Erfolge für sich verbuchen, weil Butler Parker die jeweiligen Problemfälle diskret zu lösen pflegte.

Parker war ein alterslos wirkender Mann, etwas über mittelgroß, fast schlank und die Würde in Person. Seine Bewegungen waren gemessen, ohne jede Hast. Selbst in haarsträubendsten Situationen hielt er auf gute Manieren. Er war ein Meister der Improvisation und quasi der Schutzengel seiner Herrin.

Parker war das Urbild eines englischen, hochherrschaftlichen Butlers, trug in allen Lebenslagen einen schwarzen Zweireiher, einen Eckkragen und einen schwarzen Binder. Sein Covercoat, der Regenschirm und die schwarze Melone waren unverwechselbare Kennzeichen. Nur in besonderen Fällen verzichtete er auf diese Kleidung, um sich dann aber als Meister der Maske und Verwandlung zu erweisen. Die Fülle seiner speziellen Fähigkeiten war frappierend.

»Natürlich sind meine Schiffe versichert«, bestätigte Sir Charles, »aber darauf kommt es im Grund gar nicht an, Lady Simpson. Es geht um die Zuverlässigkeit und das Image meiner Linie und um das seemännische Personal, das mir besonders am Herzen liegt.«

»Räumte man Ihnen gewisse Fristen ein, Sir?« fragte Josuah Parker.

»Ich soll je Einheit fünfzigtausend zahlen und zwar bis Mittag«, erklärte der Reeder, »man will mich rechtzeitig anrufen und mir sagen, wie und wo ich das Geld zu deponieren habe.«

»Natürlich werden Sie keinen Penny zahlen, Charles«, grollte Lady Agatha, »man wirft sein Geld nicht zum Fenster hinaus und ...«

Sie kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu beenden, denn in diesem Augenblick gab es eine gewaltige Detonation, die das Haus in den Grundfesten erschütterte.

Lady Agatha fühlte sich dadurch erheblich belästigt, was Folgen haben sollte. Sie vergoß etwas vom Rumtee und ruinierte ihre Bluse. Sie dachte an das Geld, das sie für den Kauf dieser Bluse ausgegeben hatte, an die entstehenden Reinigungskosten und nahm sich umgehend vor, diese Kosten einzutreiben.

*

»Ich bin der Besitzer des Lieferwagens«, stellte der untersetzte, breitschultrige Mann sich vor, der intensiv nach frischen Backwaren roch, »mein Fahrer hat mich eben angerufen. Sie sollen da meinen Wagen zu Schrott gefahren haben.«

Butler Parker und Agatha Simpson hatten das Büro von Sir Charles verlassen, um sich nach dem Grund der Detonation zu erkundigen, die ganz in der Nähe erfolgt war.

»Reden Sie keinen Unsinn, junger Mann«, meinte die ältere Dame, »genau das Gegenteil ist der Fall. Um ein Haar hätte Ihr Fahrer mich völlig zusammengefahren. War es nicht so, Mr. Parker?«

»So könnte man es natürlich auch deuten und beschreiben«, erklärte der Butler.

»Sie können froh sein, daß ich die Polizei nicht gerufen habe«, redete Agatha Simpson weiter, »ich werde Ihnen meine Reparaturrechnung schicken. Und ich bitte um schnelle Zahlung. Haben Sie mich verstanden?«

»Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt«, entrüstete sich der Backwarenhersteller und schnappte erst mal gründlich nach Luft.

»Stören Sie mich jetzt nicht, junger Mann«, herrschte Lady Agatha den Besitzer des Lieferwagens an, »haben Sie nicht mitbekommen, daß hier etwas in die Luft geflogen sein muß.«

»Wir könnten die Sache in aller Ruhe bei mir im Büro besprechen«, schlug der Backwarenproduzent vor und lächelte dünn.

»Trollen Sie sich, sonst fühle ich mich belästigt«, stellte Agatha Simpson fest.

»Dann eben nicht.« Der Untersetzte zog plötzlich eine schallgedämpfte Pistole und richtete den Lauf auf die Lady. »Kommen Sie, altes Mädchen, steigen Sie ein! Mein Wagen steht da drüben an der Hausecke.«

»Bedrohen Sie mich etwa?« Lady Simpsons Augen verengten sich und wurden zu schmalen Schlitzen.

»Sie haben’s begriffen, altes Mädchen«, sagte der Mann, der so intensiv nach frischen Backwaren roch, »mir darf man nicht dumm kommen.«

Parker hatte inzwischen herausgefunden, daß der Untersetzte keineswegs allein war. Zwei weitere Männer standen neben einem in der Nähe parkenden Wagen und beobachteten die Szene. Sie trugen sportliche Anzüge und Traveller-Hüte.

»Sie haben völlig recht gesehen«, meinte der Untersetzte und grinste, »ich bin nicht allein, ich hab’ mit Ärger gerechnet.«

»Was sage ich zu diesem Subjekt?« fragte die ältere Dame bei Josuah Parker an und deutete ungeniert auf den Backwarenhersteller.

»Mylady werden sich dem Zwang der Tatsachen beugen«, antwortete Josuah Parker.

»Aber nur zähneknirschend«, erwiderte sie grollend, »es ist eine Unverschämtheit, eine wehrlose Frau entführen zu wollen.«

»Nun übertreiben Sie nicht gleich«, meinte der Untersetzte, »in zehn Minuten haben wir uns bestimmt geeinigt. Kommen Sie, steigen Sie ein!«

Lady Simpson und Parker setzten sich in Bewegung und hielten auf einen Ford zu, hinter dem gerade die beiden Männer hervorkamen. Sie sahen keineswegs nach Angehörigen der Bäckerzunft aus. Parker hatte den sicheren Eindruck, daß man es mit ausgebufften Profis zu tun hatte.

Der Butler verzichtete darauf, hier die Dinge korrigieren zu wollen. Schließlich wollte er herausfinden, wohin man Lady Simpson und ihn zu bringen gedachte. Daraus ließen sich dann gewisse Schlüsse ziehen. Parker dachte natürlich an die beiden Sporttaucher aus dem Kastenlieferwagen. Hier mußte ein enger Zusammenhang bestehen.

»Ich protestiere natürlich gegen diese Entführung«, sagte Lady Simpson gereizt, als sie in den Fond des Wagens stieg.

»Okay, protestieren Sie«, meinte der Backwarenproduzent und grinste, »ich werd’ gleich in die Knie gehen ...«

Als Parker neben seiner Herrin Platz nahm, nieste er nachdrücklich, was die ältere Dame jedoch nicht zur Kenntnis nahm. Nur einer der beiden Profis, der sich neben Parker in den Wagen drückte, nahm hastig den Kopf zur Seite, um nicht angesteckt zu werden. Der Backwarenhersteller setzte sich ans Steuer des Wagens, der zweite Profi zwängte sich auf den Nebensitz.

Parker nieste erneut, diesmal bereits nachdrücklicher.

»Bestehen Bedenken dagegen, daß meine Wenigkeit nach dem Schnupf- oder Taschentuch greift?« erkundigte sich Josuah Parker bei seinem Nebenmann, der ihm den Lauf einer Waffe gegen die Hüfte preßte.

»Mann, machen Sie schon endlich«, erwiderte der Profi nervös, »ich bin nicht scharf darauf, ’nen Schnupfen zu kassieren.«

»Mit Ihrer gütigen Erlaubnis.« Parker langte vorsichtig nach seinem Taschentuch. Dann nieste er erneut und diesmal explosionsartig ...

*

»Was ist denn, Mr. Parker?« fragte Agatha Simpson ein wenig gereizt, als der Buler sich von einem weiteren Nieser durchschütteln ließ. Der Profi neben ihm drückte sich tief in seine Ecke und sah Parker nicht weniger gereizt an als Lady Agatha.

»Man möge meiner bescheidenen Wenigkeit verzeihen«, schickte der Butler voraus, »ich bedaure zutiefst, daß ich die Anwesenden inkommodiere.«

»Was machst du?« fragte der Profi.

»Ich dürfte die anwesenden Herrschaften belästigen«, übersetzte Parker, »meine Wenigkeit scheint von einem Bazillus oder einigen Viren angefallen worden zu sein.«

»Wir sind ja gleich da«, schaltete der Bäckereifachmann sich vom Steuer her ein, »nur noch ein paar Minuten.«

»Und dann werde ich Sie zur Rede stellen«, kündigte Lady Agatha grollend an, »Sie verschleppen mich gegen meinen Willen.«