Parker lässt den "Henker" zittern - Günter Dönges - E-Book

Parker lässt den "Henker" zittern E-Book

Günter Dönges

0,0

Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Ich möchte Sie darauf verweisen, daß Sie das ausgesprochene Mißfallen meiner bescheidenen Wenigkeit erregen«, sagte Josuah Parker in seiner höflichen Art und lüftete seine schwarze Melone. Anschließend legte er die Rundung dieser konservativen Kopfbedeckung zielsicher auf die ausgeprägte Nase des untersetzten, breitschultrigen Mannes, der mit dieser Ausweitung des Grußes nicht gerechnet hatte. Da die innere Wölbung der Melone mit Stahlblech gefüttert war, wurde die Nase des Breitschultrigen nachdrücklich zur Seite gedrückt, was umgehend einen Tränenfluß auslöste. Der Breitschultrige ließ die junge Frau los und langte automatisch nach seinem Riechorgan. Die junge Frau drückte sich ängstlich in die Ecke des Treppenabsatzes und starrte völlig entgeistert auf Josuah Parker, der ihr beruhigend zunickte und dann die Spitze seines Universal-Regenschirmes auf die linke Zehenpartie des Mannes setzte. Der Breitschultrige heulte auf, ließ die Hände sinken und langte nach seinen schmerzenden Zehen. Dabei tanzte er auf dem noch unbeschädigten Fuß herum und kam aus dem Gleichgewicht. »Sie sollten sich vorsehen«, warnte der Butler und deutete mit der Spitze seines Schirmes nach unten auf die Treppe, »wie leicht passiert man eine Treppe, ohne die Beine zu benutzen.« Nachdem Parker diese Feststellung getroffen hatte, wollte er den Mann offensichtlich vor einem Treppensturz bewahren. Dabei aber verrechnete er sich und schob den Mann in die falsche Richtung. Nach einem Aufschrei trat der Breitschultrige ins Leere und brachte die Treppe hinter sich. Er benutzte dabei seine Schultern und rutschte in rasantem Tempo nach unten. Auf halbem Weg absolvierte er einen etwas mißglückten Überschlag, und landete auf dem Treppenabsatz. »Hoppla«, kommentierte Parker dieses Ereignis durchaus freundlich, um sich dann der jungen Frau zu widmen, die ihn nach wie vor anstarrte, als hätte sie es mit einer Erscheinung zu tun. »Mein Name ist Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor, »ich habe die Ehre und den Vorzug, Lady Simpson dienen zu dürfen.« »Sie sind das also?!«

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 139

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Butler Parker – 157 –

Parker lässt den "Henker" zittern

Günter Dönges

»Ich möchte Sie darauf verweisen, daß Sie das ausgesprochene Mißfallen meiner bescheidenen Wenigkeit erregen«, sagte Josuah Parker in seiner höflichen Art und lüftete seine schwarze Melone. Anschließend legte er die Rundung dieser konservativen Kopfbedeckung zielsicher auf die ausgeprägte Nase des untersetzten, breitschultrigen Mannes, der mit dieser Ausweitung des Grußes nicht gerechnet hatte. Da die innere Wölbung der Melone mit Stahlblech gefüttert war, wurde die Nase des Breitschultrigen nachdrücklich zur Seite gedrückt, was umgehend einen Tränenfluß auslöste.

Der Breitschultrige ließ die junge Frau los und langte automatisch nach seinem Riechorgan. Die junge Frau drückte sich ängstlich in die Ecke des Treppenabsatzes und starrte völlig entgeistert auf Josuah Parker, der ihr beruhigend zunickte und dann die Spitze seines Universal-Regenschirmes auf die linke Zehenpartie des Mannes setzte.

Der Breitschultrige heulte auf, ließ die Hände sinken und langte nach seinen schmerzenden Zehen. Dabei tanzte er auf dem noch unbeschädigten Fuß herum und kam aus dem Gleichgewicht.

»Sie sollten sich vorsehen«, warnte der Butler und deutete mit der Spitze seines Schirmes nach unten auf die Treppe, »wie leicht passiert man eine Treppe, ohne die Beine zu benutzen.«

Nachdem Parker diese Feststellung getroffen hatte, wollte er den Mann offensichtlich vor einem Treppensturz bewahren. Dabei aber verrechnete er sich und schob den Mann in die falsche Richtung. Nach einem Aufschrei trat der Breitschultrige ins Leere und brachte die Treppe hinter sich. Er benutzte dabei seine Schultern und rutschte in rasantem Tempo nach unten. Auf halbem Weg absolvierte er einen etwas mißglückten Überschlag, und landete auf dem Treppenabsatz.

»Hoppla«, kommentierte Parker dieses Ereignis durchaus freundlich, um sich dann der jungen Frau zu widmen, die ihn nach wie vor anstarrte, als hätte sie es mit einer Erscheinung zu tun.

»Mein Name ist Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor, »ich habe die Ehre und den Vorzug, Lady Simpson dienen zu dürfen.«

»Sie sind das also?!« Sie sah ihn irritiert an, »Kathy, ich meine natürlich Miß Porter, hat mir schon viel von Ihnen erzählt.«

»Miß Porter bat mich, Sie nach Shepherd’s Market zu holen«, antwortete Josuah Parker gemessen, »meine Wenigkeit scheint einen bemerkenswerten Zeitpunkt gewählt zu haben. Geht man recht in der Annahme, daß Sie nachdrücklich belästigt werden sollten?«

Der Butler wandte sich um und blickte hinunter auf den Breitschultrigen, der sich zu rühren begann und verhalten stöhnte. Er fingerte vorsichtig an seiner rechten Hand, die er sich wohl verstaucht hatte.

»Er hat mich überfallen und geschlagen«, erwiderte die junge Frau ängstlich. Sie mochte dreißig sein, war mittelgroß und vollschlank. Sie hatte braunes Haar und trug eine modische Brille.

»Hat dieser Überfall mit dem zu tun, was Sie Miß Porter vor wenigen Stunden anzudeuten beliebten?«

»Das muß bestimmt so sein, Mr. Parker«, entgegnete sie, »aber ich kann mir das alles nicht erklären.«

»Vielleicht sollten Sie an anderer Stelle ausführlich darüber berichten, Miß Merton. Sie können sich meiner Wenigkeit ohne weiteres anvertrauen. Wie bereits gesagt, man erwartet Sie in Shepherd’s Market.«

»Und ob ich mitkommen werde.« Sie nickte eifrig, »ich hatte ja mit Miß Porter verabredet, daß ich für einige Tage zu ihr ziehen werde.«

Parker trat abwartend zur Seite und vergewisserte sich mit einem Seitenblick, daß der Breitschultrige sich nach wie vor mit sich selbst beschäftigte. Er prüfte inzwischen den Sitz diverser Halswirbel.

»Müssen Sie noch mal zurück in Ihre Wohnung?« fragte der Butler die junge Frau.

»Nur für einen Moment.« Sie deutete auf die halb geöffnete Tür hinter sich und war dann verschwunden. Der Butler stieg würdevoll hinab zu dem Breitschultrigen und bot seine Hilfe an.

»Geh’ zum Teufel«, brauste der Mann auf, »wir sprechen uns noch, darauf kannst du dich verlassen.«

»Man könnte es jetzt und hier tun.«

»Du wirst noch dein blaues Wunder erleben.« In den Augen des Mannes stand nackter Haß.

»Ihre Erregung ist verständlich«, meinte der Butler, »sie dürften noch unter einem gewissen Schock stehen.«

Während Parker diese Feststellung traf, holte er aus der Schulterhalfter des Mannes einen kurzläufigen Revolver. Der Breitschultrige hatte keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Und er bekam auch nicht mit, daß Parker eine Brieftasche an sich nahm, die förmlich nur darauf zu warten schien, endlich den Besitzer zu wechseln. Parker verfügte über die Fingerfertigkeit eines Taschendiebes.

Liz Merton erschien wieder im Treppenhaus, hielt eine Reisetasche in der linken Hand, schloß die Tür hinter sich und stieg zögernd nach unten. Als sie den Treppenabsatz erreichte, blickte sie ängstlich auf den Breitschultrigen.

»Sie haben nichts zu befürchten«, beruhigte Josuah Parker, »Sie stehen unter meinem bescheidenen Schutz.«

»Mach’ dich auf was gefaßt, Süße«, zischte der Überwältigte der jungen Frau zu, »wenn du quasselst, bist du geliefert, mein Wort darauf.«

»Der Herr scheint ein wenig verärgert zu sein«, stellte Josuah Parker beiläufig fest, »Sie sollten seine Worte nicht auf die sprichwörtliche Goldwaage legen, Miß Merton.«

*

Ihre Hand zitterte leicht, als sie die Teetasse zum Mund führte. Sie brauchte die zweite Hand, um endlich trinken zu können. Liz Merton saß zusammen mit Butler Parker in einem kleinen italienischen Lokal und schien erst jetzt so richtig zu begreifen, daß man sie kidnappen wollte.

Parker konnte von der Schaufensterscheibe des Restaurants aus das Haus beobachten, das er mit Liz Merton vor wenigen Minuten verlassen hatte. Der Breitschultrige befand sich noch dort, mußte seiner Schätzung nach aber bald auf der Straße erscheinen.

»Sie wurden vor einigen Stunden von Miß Porter besucht«, schickte der Butler voraus, »und Sie müssen sich laut Miß Porter in einem Zustand innerer Erregung befunden haben. Sie baten um den Besuch Miß Porters?«

»Nein, eben nicht«, erwiderte Liz Merton, die die Tasse vorsichtig absetzte, »Kathy wollte mich besuchen, und ich bat sie dann, noch zu warten. Kathy kam aber trotzdem und muß wohl etwas gemerkt haben.«

»In der Tat«, sagte der Butler gemessen, »Miß Porter fiel auf, daß Sie sich in einem seelischen Zustand befanden, den man nicht mehr als normal bezeichnen konnte.«

»Weil ich Angst habe! Und weil ich noch immer nicht begreife, warum man mich seit Tagen derart belästigt.«

»Könnten Sie dazu nähere Angaben machen, Miß Merton? Miß Porter gegenüber sprachen Sie ja nur von einer Krankheit, die mit Ihrer Überlastung im Büro zusammenhängen soll.«

»Wenn ich darüber spreche, will man mich... Nein, ich werde nichts sagen. Bitte, haben Sie Verständnis für mich.«

»Sie deuteten Miß Porter einiges an, Miß Merton, wenn man meine Wenigkeit recht informiert hat.«

»Ich habe von diesen scheußlichen Anrufen erzählt«, räumte sie ein, »das geht nun schon seit Tagen.«

»Darf man daraus schließen, daß man Sie fernmündlich terrorisiert?«

»Genau das ist der Fall. Im Büro und dann auch zu Hause werde ich belästigt. Es handelt sich um Anrufe, die einfach unappetitlich sind, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Es dürfte sich um sexuelle Anzüglichkeiten handeln, nicht wahr?«

»Das ist sehr vornehm ausgedrückt, Mr. Parker.« Sie nickte. Aber dann änderten sich die Anzüglichkeiten. Ich wurde bedroht und ... Guter Gott, jetzt erzähle ich ja bereits, und dabei hat man mich davor gewarnt, nur ein Sterbenswort weiterzugeben. Bitte, Mr. Parker, stellen Sie keine weiteren Fragen.«

»Falls es erlaubt ist, Miß Merton, sollte man doch noch eine Frage ins Gespräch bringen. Seit wann werden Sie telefonisch belästigt und bedroht?«

»Seit fast vierzehn Tagen.«

»Ihr Besucher verläßt gerade das Haus«, sagte Parker und wechselte das Thema. Er hatte den Breitschultrigen ausgemacht, der auf schweren Beinen die Straße erreichte und sich einem Ford näherte, der am Straßenrand stand. Parker konnte sich das Kennzeichen ohne Schwierigkeiten merken.

»Er wollte mich angeblich zu einer Spazierfahrt einladen«, sagte sie leise und blickte starr in eine andere Richtung, »und er schlug mich, als ich mich dagegen wehrte. Wenn Sie nicht gekommen wären ...«

»Sie arbeiten, falls ich Miß Porter richtig verstanden habe, bei einem Inkasso-Agenten?«

»Bei Brett Crickle«, antwortete sie und nickte, »es ist nur ein kleines Büro, aber ich verdiene doch sehr gut.«

»Sie sind schon seit längerer Zeit mit Miß Porter befreundet?«

»Schon seit Jahren, aber häufig haben wir uns nicht gesehen.«

»Darf man höflichst fragen, wie es zu dieser neuen Begegnung kam?«

»Wir trafen uns in der City in einem Kaufhaus«, lautete ihre Antwort, »und wir vereinbarten, uns gegenseitig zu besuchen.«

»Zu diesem zufälligen Treffen kam es, als Sie bereits per Telefon belästigt und bedroht wurden, Miß Merton?«

»Das ist richtig.« Sie nickte. »Übrigens, als wir uns unterhielten, erzählte Kathy mir von Ihnen, von Lady Simpson und Mr. Rander.«

»Man könnte jetzt nach Shepherd’s Market fahren«, schlug Josuah Parker vor, »das heißt, falls man nicht die Absicht hat, meine Wenigkeit und Sie daran zu hindern.«

»Sie glauben, daß man uns verfolgt?« Sofort war wieder Angst in ihren Augen.

»Es handelt sich um eine Gewißheit«, meinte der Butler, während er sich gemessen erhob, »man dürfte die Absicht hegen, nun auch meine Wenigkeit belästigen zu wollen.«

Parker musterte die beiden schlanken und drahtigen Männer, die langsam auf die Nische zukamen, in der er sich noch befand.

*

Sie hatten glatte, ausdruckslose Gesichter und waren mittelgroß. Die höchstens Fünfundzwanzigjährigen trugen dunkelgraue Anzüge und machten einen durchaus korrekten Eindruck. Doch es waren die kalten Augen, die sie verrieten. Parker wußte sofort, daß es sich um Profis handelte, die man auf ihn und Miß Merton angesetzt hatte.

Wahrscheinlich hatten sie vor dem Haus, in dem Liz Merton wohnte, gewartet, um sich an der geplanten Spazierfahrt zu beteiligen. Nun waren sie also auf dem Weg, um das Blatt doch noch zu wenden.

Parker hielt seinen Universal-Regenschirm in der linken Hand und hob die Spitze seines Regendaches. Mit spitzen Fingern, von den beiden jungen Männern mißtrauisch beobachtet, griff er in eine der vielen Westentaschen.

»Darf und kann man möglicherweise etwas für Sie tun, meine Herren?« fragte der Butler höflich.

»Der Wagen wartet«, sagte einer der beiden Männer knapp.

»Und auch je ’ne blaue Bohne, falls ihr nicht spurt«, fügte der zweite hinzu.

»Darf man in Erfahrung bringen, was Sie sich unter einer blauen Bohne vorstellen?« erkundigte sich Parker.

»Ziehen Sie bloß keine Show ab«, meinte der Mann gereizt. Er sprach halblaut wie sein Partner und konnte von den Gästen an den anderen Tischen kaum verstanden werden.

»Sie erlauben, daß ich Ihnen meine Visitenkarte überreiche?« Parker holte den Gegenstand aus der Westentasche, nach dem er gegriffen hatte. Es handelte sich dabei um eine kleine Spraydose, wie man sie zur akuten Schnupfenbekämpfung verwendet. Die beiden jungen Männer ließen den Butler diese Bewegung ausführen, da sie sicher sein konnten, daß ihr Opfer keineswegs nach einer Schußwaffe greifen würde. Dadurch wurden sie völlig überrascht, wie sich umgehend zeigte.

Parker drückte auf den Auslöser und sprühte die beiden Männer an. Genauer gesagt, er richtete den Spray auf die Gesichter der Profis, die unwillkürlich zurückwichen und plötzlich nichts mehr sahen. Der Spray enthielt einen Reizstoff, der sofort die Augen schloß. Die beiden kamen sich mehr als hilflos vor, griffen zwar nach ihren Schulterhalftern, verzichteten dann aber doch darauf, die Waffe zu ziehen. Sie befaßten sich lieber mit ihren brennenden, bereits tränenden Augen. Hilflos wurden die Kerle von Parker auf Stühle dirigiert, die sie dankbar benutzten. Sie nahmen Platz und rieben weiter intensiv ihre Augen.

»Meine Wenigkeit möchte nicht versäumen, sich zu entschuldigen«, schickte Josuah Parker voraus, »aber in Anbetracht einer Entwicklung, die sich eindeutig zuspitzte, ließen Sie mir keinen Spielraum.«

Er reichte Liz Merton die schwarz behandschuhte Hand und führte sie um die beiden Männer herum, die nach wie vor verbissen ihre Augen rieben und dabei quiekende Töne produzierten.

Die Gäste im Restaurant waren inzwischen aufmerksam geworden und beobachteten die Szene. Parker lüftete die schwarze Melone und wandte sich an die Zuschauer.

»Haben Sie Mitgefühl mit den beiden Herren«, bat er in seiner unnachahmlich höflichen Art, »es handelt sich um eine vorübergehende Sehschwäche, die keine gesundheitlichen Folgen negativer Art haben wird.«

Er führte Liz Merton aus dem Lokal, nicht ohne vorher noch einige Pfundnoten auf den Tisch in der Nische gelegt zu haben. Sie folgte ihm wie hypnotisiert und blickte sich dabei immer wieder nach den beiden Männern um.

Sie waren aufgestanden, fuchtelten mit den Händen in der Luft herum und stießen dabei Stühle und Tische um. Die Gäste zogen sich zurück und verfolgten das Schauspiel aus der sicheren Distanz. Einige Kellner schoben sich vorsichtig an die beiden Männer heran, die zu Boden gegangen waren und sich in diversen Stuhlbeinen verhedderten.

»Wer war das?« fragte Liz Merton, als sie mit Parker das Freie erreicht hatte.

»Es dürfte sich um zwei Kriminelle gehandelt haben«, beantwortete der Butler die Frage, »Sie scheinen, um es mal so auszudrücken, Miß Merton, für gewisse Personen von höchstem Interesse zu sein. Man treibt einen Aufwand, der darauf schließen läßt, daß Sie auch in naher Zukunft mit weiteren Überraschungen zu rechnen haben.«

*

»Und Sie haben diese Subjekte nicht gleich mitgebracht?« wunderte sich Agatha Simpson und schüttelte ungläubig den Kopf.

»Meine Wenigkeit hatte den Eindruck, daß Miß Merton erst mal in Sicherheit gebracht werden müßte«, antwortete Parker, »die junge Dame befand sich in einem Gemütszustand, den man nur als bedenklich bezeichnen konnte.«

»Papperlapapp, Mr. Parker, »soviel Zeit hätte immer noch sein müssen«, gab Lady Agatha mißbilligend zurück. Sie war eine große, majestätisch aussehende Dame, die das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte. Agatha Simpson machte einen energischen Eindruck, wozu eine gewisse körperliche Fülle noch beitrug. Mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert, war sie eine immens reiche Frau, die sich jedes Hobby leisten konnte. Lady Agatha hatte sich vor Jahren entschlossen, als Amateur-Detektivin tätig zu werden. Sie hielt sich für durchaus einmalig und hatte keine Ahnung, daß sie von Butler Parker mehr als behutsam und außerordentlich geschickt geführt wurde. Sie war eine Frau, die stets alles besser wußte, und für die der Begriff Gefahr überhaupt nicht existierte. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, daß man es wagen würde, einer Lady etwas anzutun.

Sie bewohnte in Shepherd’s Market, in der Nähe von Hyde Park, ein altes Fachwerkhaus, das auf den Gewölben einer uralten Abtei stand. Dieses Stadthaus erhob sich an der Stirnseite eines kleinen Platzes, der von weiteren Fachwerkhäusern gesäumt wurde, die ihr ebenfalls gehörten. Von hier aus unternahm Agatha Simpson ihre Ausflüge in die Unterwelt und legte sich freudig mit jedem an, den sie nicht mochte.

»Wissen Sie denn wenigstens, wer diese Lümmel sind?« stellte die ältere Dame ihre nächste Frage. Sie hielt sich zusammen mit Parker in der imposanten Wohnhalle des Hauses auf.

»Aus einer Brieftasche geht hervor, Mylady, daß der eigentliche Entführer ein gewisser Hank Hasker ist«, erläuterte Josuah Parker, »weiter scheint erwiesen zu sein, daß besagter Hank Hasker Lastwagenfahrer ist und in Lambeth wohnt.«

»Und die beiden Subjekte aus dem Lokal?«

»Sie konnten aus Zeitgründen nicht näher befragt werden, Mylady. Und Sie hatten mit Sicherheit auch keine Brieftaschen bei sich, wie meine Wenigkeit eruieren konnte.«

»Zwei Killer, die man auf dieses arme Kind ansetzt«, meinte Lady Agatha und runzelte die Stirn, »was halte ich davon, Mr. Parker? Fest steht doch wohl, daß ich bereits wieder mal mit einem neuen Kriminalfall zu tun habe, oder?«

»Dies sollte man in der Tat nicht ausschließen, Mylady.«

»Wo steckt die Kleine jetzt?«

»Miß Porter kümmert sich zur Zeit um ihre Freundin.«

»Kann ich dieser Liz Metten, oder wie immer sie auch heißen mag, über den Weg trauen, Mr. Parker?«

»Miß Liz Merton, Mylady«, korrigierte der Butler höflich.

»Sagte ich doch.« Sie sah den Butler streng an. »Ich werde mich mit der Kleinen noch ausführlich unterhalten müssen. Sie wird doch wohl wissen, warum man sie kidnappen wollte ...«

»Davon sollte man ausgehen, Mylady.« Parker deutete eine zustimmende Verbeugung an.

»Zu mir wird sie selbstverständlich mehr Vertrauen haben als zu Ihnen, Mr. Parker. Zudem bin ich natürlich die bessere Psychologin.«

»Daran würde meine Wenigkeit nie zu zweifeln wagen, Mylady.«

»Sie schleppt ein Geheimnis mit sich herum«, mutmaßte die ältere Dame, »wahrscheinlich ist sie die Erbin eines Millionenvermögens, was sie allerdings noch gar nicht weiß. Vor ein paar Tagen erst sah ich einen Kriminalfilm, in dem es ähnlich zuging.«

»Das Leben soll nach Aussagen von Kennern stets die besten Romane schreiben, Mylady.«

»Wem sagen Sie das, Mr. Parker. Nicht umsonst widme ich mich ja der Schriftstellerei.« Sie lehnte sich in ihrem Ledersessel zurück und schloß für einen Moment die Augen. Agatha Simpson hatte tatsächlich vor, einen Bestseller zu schreiben, doch bisher war sie über die Absicht nicht hinausgekommen.

»Wie war das mit dem Ford?« fragte die passionierte Detektivin dann und öffnete wieder die Augen.

»Man stellt zur Zeit fest, wer der Wagenhalter ist, Mylady«, erwiderte der Butler.

»Sehr schön.« Sie stand auf und räusperte sich explosionsartig. »Sobald Sie mehr wissen, Mr. Parker, möchte ich verständigt werden. Dann werde ich dieses Subjekt besuchen und ein paar unangenehme Fragen stellen. Treffen Sie alle erforderlichen Vorbereitungen. Ich möchte später keine Zeit verlieren.«