Parker macht dem Käpt´n Dampf - Günter Dönges - E-Book

Parker macht dem Käpt´n Dampf E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Taxi!« schrie der junge Farbige und ruderte verzweifelt mit den Armen. »Taxi!« In langen Sätzen sprintet er aus der schummrig beleuchteten Seitengasse und versuchte mit letzter Kraft, Parkers hochbeiniges Monstrum zu erreichen, das in der Tat früher als Taxi durch London gerollt war. Die beiden Männer, die ihm folgten, schienen weniger gut zu Fuß zu sein. Dafür griffen sie im Laufen unter ihre Jacken und zogen großkalibrige Revolver hervor. Mündungsfeuer blitzte, Kugeln pfiffen durch die Nacht. Sanft bremste der Butler seinen Privatwagen, um Lady Agatha, seine Herrin, nicht zu wecken, die sich im Fond einem entspannenden Nickerchen hingab im selben Moment war der Farbige schon neben dem Fahrzeug, riß die Beifahrertür auf und warf sich mit einem Hechtsprung auf den Sitz. Als die Tür zuflog, klatschte eine Kugel gegen das gepanzerte Fensterglas. Das nächste Projektil schrammte jaulend über das Wagendach, bevor eine Fensterscheibe des gegenüberliegenden Hauses klirrte und durchschlagen wurde. Während Parker den ersten Gang einlegte und Gas gab, registrierte er noch im Augenwinkel, daß die Verfolger umkehrten und in einen chromblitzenden Straßenkreuzer sprangen, der vor dem Eingang einer Kneipe parkte. »Werde ich denn noch immer nicht verfolgt, Mister Parker?« tönte plötzlich Agatha Simpsons verschlafene Stimme. »Myladys Wunsch dürfte in diesem Augenblick in Erfüllung gehen, falls meine bescheidene Wenigkeit sich nicht täuscht«, gab der Butler zurück und warf einen Blick in den Spiegel. Mit quietschenden Reifen schlitterte die schwere Limousine um die Straßenecke und nahm mit Vollgas Parkers Spur auf. »Das habe ich doch geahnt«, schwindelte die ältere Dame ungeniert. »Für so etwas habe ich eben ein untrügliches Gespür.« Mit einem Ruck richtete sie sich auf und wickelte die ledernen Riemen ihres Pompadours straff um das rechte Handgelenk.

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Butler Parker – 223 –

Parker macht dem Käpt´n Dampf

Günter Dönges

»Taxi!« schrie der junge Farbige und ruderte verzweifelt mit den Armen. »Taxi!«

In langen Sätzen sprintet er aus der schummrig beleuchteten Seitengasse und versuchte mit letzter Kraft, Parkers hochbeiniges Monstrum zu erreichen, das in der Tat früher als Taxi durch London gerollt war.

Die beiden Männer, die ihm folgten, schienen weniger gut zu Fuß zu sein. Dafür griffen sie im Laufen unter ihre Jacken und zogen großkalibrige Revolver hervor. Mündungsfeuer blitzte, Kugeln pfiffen durch die Nacht. Sanft bremste der Butler seinen Privatwagen, um Lady Agatha, seine Herrin, nicht zu wecken, die sich im Fond einem entspannenden Nickerchen hingab im selben Moment war der Farbige schon neben dem Fahrzeug, riß die Beifahrertür auf und warf sich mit einem Hechtsprung auf den Sitz.

Als die Tür zuflog, klatschte eine Kugel gegen das gepanzerte Fensterglas. Das nächste Projektil schrammte jaulend über das Wagendach, bevor eine Fensterscheibe des gegenüberliegenden Hauses klirrte und durchschlagen wurde.

Während Parker den ersten Gang einlegte und Gas gab, registrierte er noch im Augenwinkel, daß die Verfolger umkehrten und in einen chromblitzenden Straßenkreuzer sprangen, der vor dem Eingang einer Kneipe parkte.

»Werde ich denn noch immer nicht verfolgt, Mister Parker?« tönte plötzlich Agatha Simpsons verschlafene Stimme.

»Myladys Wunsch dürfte in diesem Augenblick in Erfüllung gehen, falls meine bescheidene Wenigkeit sich nicht täuscht«, gab der Butler zurück und warf einen Blick in den Spiegel. Mit quietschenden Reifen schlitterte die schwere Limousine um die Straßenecke und nahm mit Vollgas Parkers Spur auf.

»Das habe ich doch geahnt«, schwindelte die ältere Dame ungeniert. »Für so etwas habe ich eben ein untrügliches Gespür.«

Mit einem Ruck richtete sie sich auf und wickelte die ledernen Riemen ihres Pompadours straff um das rechte Handgelenk. Plötzliche Energiestöße schienen ihre wogende Körperfülle zu durchpulsen. Der lederne Beutel wippte unternehmungslustig hin und her.

»Ich werde die unverschämten Burschen unverzüglich stellen und ihnen eine gehörige Lektion erteilen«, verkündete Mylady großspurig. »Die Details überlasse ich natürlich Ihnen, Mister Parker.«

»Wie Mylady meinen«, gab der Butler höflich zurück und lenkte sein schwerfällig wirkendes Gefährt um eine scharfe Ecke.

Inzwischen hatte der Chevrolet aufgeholt. Wild hupend und mit aufgeblendeten Scheinwerfern versuchte der Fahrer an Parker vorbeizuziehen. Doch die schmale Straße bot nicht genug Platz, zumal der Butler in Schlangenlinien fuhr, die höchstens einen Selbstmörder zum Überholen gereizt hätten.

An der nächsten Ecke bog Josuah Parker wieder ab und ließ den bulligen Rennmotor aufröhren, der dem schwarzen Kasten das Temperament eines feurigen Araberhengstes verlieh. Der Butler kannte sich aus in diesem Viertel. Er wußte, daß die lange Gerade vor dem Tor einer stillgelegten Fabrik abbog.

Immer höher kletterte die Tachonadel. Kleiner wurden die Lichter des Chevrolet im Rückspiegel. Kurz vor der Ecke bremste Parker und legte zwei der zahlreichen Kipphebel am Armaturenbrett um, deren Funktion nur ihm selbst bekannt war.

Augenblicklich quoll eine riesige schwarze Rauchwolke aus dem Auspuff seines hochbeinigen Monstrums, das Freunde nicht ohne Grund eine »Trickkiste auf Rädern« nannten. Gleichzeitig versprühten zwei Düsen am Heck eine milchige Flüssigkeit, die sich als glänzender Film auf die Straße legte. Dann riß der Butler das Steuer nach rechts und hielt.

Instinktiv stieg der Fahrer des Chevrolet auf die Bremse, als er die künstliche Nebelbank auf sich zukommen sah. Und er hätte seinen Wagen vielleicht auch noch rechtzeitig zum Stehen gebracht, wäre da nicht die Seifenlauge gewesen, die den Straßenbelag in eine aalglatte Rutschbahn verwandelt hatte.

Schlingernd schoß die schwere Limousine geradeaus, durchbohrte die Qualmwolke und holperte über den Bürgersteig. Erst das eiserne Fabriktor brachte den Wagen zum Stehen.

»Bedauerlicherweise scheinen die Herren einen Unfall erlitten zu haben«, sagte Parker, nachdem er die wenigen Schritte zu der gründlich demolierten Limousine zurückgelegt hatte. »Darf man sich höflich erkundigen, ob eine helfende Hand benötigt wird?«

Das Sicherheitsglas der Frontscheibe war beim Aufprall in tausend Splitter zersprungen, die wie Schneekristalle in den Haaren und an der Kleidung der Männer hingen. Beide waren blaß vor Schreck, aber offensichtlich unversehrt.

»Helfen?« knurrte der Fahrer, ein stämmiger Mittvierziger mit pechschwarzem Schnauzbart. Er wollte aussteigen, doch die zerknitterte Tür klemmte, so daß er mühsam über das Lenkrad auf die mit Splittern übersäte Motorhaube klettern mußte, um ins Freie zu gelangen. Sein Beifahrer, ein rothaariger Bursche mit Pferdegebiß, tat es ihm nach.

»Helfen?« wiederholte der Schnauzbärtige wütend und klopfte sich die glitzernde Glaspracht vom Anzug. »Ich gebe Ihnen einen guten Rat, Mann: Verschwinden Sie auf der Stelle, sonst werden Sie derjenige sein, der Hilfe dringend nötig hat.«

»Aber vorher lassen Sie uns den verdammten Kerl hier, den Sie vorhin an der Ecke aufgelesen haben«, mischte sich der Beifahrer ein.

»Das dürfte wohl kaum den Wünschen des jungen Herrn entsprechen, wenn man sich diesen Einwand erlauben darf«, entgegnete Parker unbeeindruckt.

»Was dieser junge Herr wünscht, ist uns verdammt egal«, fuhr der Fahrer wieder dazwischen. »Wir haben nämlich mit ihm noch ein Hühnchen zu rupfen.«

»Der Bengel hat die Zeche geprellt«, ergänzte der Rothaarige. »Hat ’ne ganze Flasche Whisky leer gesoffen und wollte sich dann einfach aus dem Staub machen. Und da der Wirt zufällig unser Freund ist…«

»Lügner!« rief der Farbige plötzlich dazwischen. »Keinen Tropfen habe ich getrunken!« Er hatte Parkers schwarzes Monstrum verlassen, blieb aber an der Tür stehen, um sich jederzeit mit einem Sprung in Sicherheit bringen zu können.

»Hast du das gehört?« wandte sich der Schnauzbärtige an seinen Kumpan. »Lügner hat er uns genannt! Sollen wir uns das gefallen lassen, Al?«

»Hast recht, John«, gab Al zurück. »Komm, wir machen kurzen Prozeß. Aus dem Weg, Opa!«

Doch Parker rührte sich nicht von der Stelle. Zähneknirschend musterte ihn der Mann von Kopf bis Fuß. Dann brach er unvermittelt in dröhnendes Gelächter aus.

»Wo kommst du denn hier?« rief er und klatschte sich vor Begeisterung auf die Schenkel. »Aus welchem Panoptikum bist du entlaufen?«

In der Tat bot Josuah Parker einen nicht gerade zeitgemäßen Anblick. Der schwarze Covercoat, der steife Hemdkragen und der Bowler auf seinem Kopf ließen an einen hochherrschaftlichen Butler des vergangenen Jahrhunderts denken. Der schwarze Regenschirm, der zusammengerollt am angewinkelten Unterarm hing, unterstrich diesen Eindruck noch.

»Und diese schwammige Schreckschraube ist wohl deine Freundin, was?« fuhr der Mann fort und deutete mit hämischem Grinsen auf Agatha Simpson, die gerade Parkers Wagen verlassen hatte und mit finsterer Miene herankam.

»Habe ich recht gehört, Mister Parker?« grollte sie. »Hat dieser ungehobelte Mensch es soeben gewagt, eine Dame der besten Gesellschaft zu beleidigen?«

»Anders dürften die Äußerungen dieses Herrn kaum zu deuten sein, wenn meine Wenigkeit sich die Bemerkung erlauben darf«, pflichtete der Butler ihr bei.

Er hatte den Satz kaum beendet, da holte seine Herrin auch schon zu einer ihrer gefürchteten Ohrfeigen aus. Ehe Al begriff, wie ihm geschah, war es zu spät. Unwiderstehlich legte sich Myladys muskulöse Linke auf seine Wange und versetzte seinen Kopf in haltlose Pendelbewegung. Er verdrehte die Augen und versuchte, etwas Unverständliches zu stammeln, überlegte es sich dann aber doch anders.

Wie eine Marionette, deren Fäden plötzlich durchgeschnitten werden, knickte er in allen Gelenken ein, legte sich mit dem Rücken gegen die Autotür und sackte tiefer, bis er eine halbwegs bequeme Sitzposition gefunden hatte.

Wie versteinert hatte John dabeigestanden und fassungslos zugesehen, wie sein Kumpan jedes Interesse an seiner Umwelt verlor. Doch jetzt packte er mit blitzschnellem Griff in den Ausschnitt seiner Jacke.

Butler Parker, der mit dieser Reaktion gerechnet hatte, war jedoch um entscheidende Sekundenbruchteile schneller. Mit kaum hörbarem Zischen beschrieb die bleigefüllte Spitze seines Universal-Regenschirmes einen Halbkreis und legte sich auf Johns Handgelenk, als er gerade die schwere Browning ziehen wollte. Er jaulte wie ein getretener Hund. Die Waffe flog scheppernd auf die Motorhaube des Chevrolet.

Als hätte er die Hosen voller Ameisen, hüpfte John von einem Bein aufs andere und rieb wimmernd das anschwellende Handgelenk. Doch plötzlich besann er sich und wollte mit wütendem Schrei auf die Lady stürzen. Er konnte ja nicht ahnen, daß Parkers Schirm auch seinen zweiten Angriffsversuch im Keim ersticken würde.

Unwiderstehlich legte sich der bleigefüllte Bambusgriff um seine Knöchel und riß ihm unvermittelt die Füße unter dem Körper weg. Einen Moment schien John waagerecht in der Luft zu schweben, dann folgte er aber doch den Gesetzen der Schwerkraft und absolvierte eine Bauchlandung, die ihm jede Lust zu weiteren Aktionen nahm.

»Was ist denn hier für ein Lärm?«

Der alte Mann, der plötzlich aus einem kleinen Seitentor trat, stellte sich als Hausmeister vor, dessen Aufgabe es war, die stillgelegte Fabrik zu bewachen, bis alle Maschinen demontiert und verkauft waren.

»Das schöne Tor!« jammerte er. »Total verbeult... Den Schaden werden mir die Kerle aber ersetzen.«

Er musterte John und Al aufmerksam. »Sind wohl besoffen gefahren, die zwei?« fragte er. »Am besten rufe ich gleich die Polizei, ehe die Kerle verschwinden.«

»Das ist ein Gedanke, den man unverzüglich in die Tat umsetzen sollte«, pflichtete Parker ihm bei. Darauf verschwand der alte Mann mit eiligen Schritten wieder auf dem Fabrikgelände, um zu telefonieren.

Parker steckte Johns Browning ein, der noch immer auf der Motorhaube des Chevrolet lag, und zog auch den Smith & Wesson aus Als Brusthalfter, bevor er seine Herrin zum Wagen zurückgeleitete.

*

»Den Tip habe ich von einem Nachbarn bekommen, der in Brixton gleich um die Ecke wohnt«, berichtete Tim Baker und strich sich die kunstvoll geflochtenen Zöpfe aus der Stirn. »Er stammt aus Jamaika – wie ich.«

Mit scheuen Blicken hatte der junge Farbige beim Eintreten das kostbare Mobiliar bewundert, mit dem Lady Agatha ihren repräsentativen Wohnsitz in Shepherd’s Market ausgestattet hatte. Doch seine Schüchternheit war schnell verflogen, als er den Eindruck gewann, die steinreiche Dame interessiere sich für die Geschichte eines armen Einwanderers.

»Als ich vor fünf Jahren nach London kam, glaubte ich, das Paradies gefunden zu haben«, fuhr er fort. »Ich besaß einen britischen Paß, war gesund und kräftig. Ich nahm mir vor, hart zu arbeiten, um eines Tages als gemachter Mann in mein Dorf zurückkehren zu können. Leider zeigte sich bald, daß es zwei Klassen von britischen Staatsbürgern gibt: weiße und farbige.«

»Darf man diese Äußerung so interpretieren, daß Sie keine Möglichkeit fanden, Ihre Pläne in die Wirklichkeit umzusetzen?« erkundigte sich der Butler.

»Alles ging schief«, bestätigte Tim mit betrübter Miene. »Wo ich auch hinkam, immer hieß es, der Job sei gerade vergeben. An einen Weißen natürlich. Ebenso erging es fast allen meinen Landsleuten. Deshalb glaubte ich an die Chance meines Lebens, als dieser Nachbar mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraute, er werde nächste Woche mit seiner Familie in die USA aus wandern.«

»Dem dürften allerdings die strengen Einwanderungsbestimmungen der Vereinigten Staaten entgegenstehen«, wandte Parker ein.

»Ich weiß«, sagte Tim. »Aber wenn man fünf Jahre von Sozialunterstützung gelebt hat, klammert man sich an jeden Strohhalm.«

»Und wie kam es, daß die zwei unverschämten Burschen Sie verfolgten?« fragte die Hausherrin dazwischen. Was sie interessierte, waren handfeste Aktionen.

Was konnte sie schon dafür, daß mittellose Einwanderer aus den entferntesten Ecken des zerfallenden britischen Weltreichs mit falschen Vorstellungen nach London strömten!

Für soziale Probleme – falls es so etwas überhaupt gab – waren schließlich die staatlichen Behörden da. Daß es Menschen gab, die sich nicht jeden Wunsch auf der Stelle erfüllen konnten, überstieg ohnehin ihr Vorstellungsvermögen.

»Erst wollte Sam nicht mit der Sprache heraus«, fuhr Tim fort. »Ich mußte ihm schwören, seinen Namen auf keinen Fall zu verraten. Erst dann nannte er mir diese Spelunke und meinte, ich sollte danach Al und John fragen.«

»Al und John?« fragte Agatha Simpson gedehnt.

»Mylady erinnern sich zweifellos der beiden Männer, die die Dreistigkeit besaßen, Mylady gröblichst zu beleidigen«, half der Butler dem lückenhaften Gedächtnis seiner Herrin nach.

»In der Tat erinnere ich mich, Mister Parker«, reagierte sie unwirsch. »Mein Personengedächtnis ist eben ausgezeichnet.«

Der Butler wußte aus langjähriger Erfahrung, daß das eine unverschämte Schwindelei war, aber er schwieg. Für ihn war Höflichkeit das oberste Gebot.

»Der Wirt schien Bescheid zu wissen«, setzte Tim seinen Bericht fort. »Er schickte mich gleich in ein Hinterzimmer, wo die beiden saßen. Bevor sie nach meinem Namen fragten, wollten sie wissen, ob ich die tausend Pfund für das Visum und die Überfahrt bei mir hätte. Als ich zuerst das Visum sehen wollte, wurden sie schon knurrig.«

»Wirklich kein seriöses Geschäftsgebaren«, warf die passionierte Detektivin ein. »Ich persönlich pflege keinen Penny aus der Hand zu geben, ehe ich den Gegenwert erhalten habe.«

»Mir war die Sache auch zu windig«, fuhr der Jamaikaner fort. »Abgesehen davon, daß ich gar keine tausend Pfund hatte, weil ich noch nie so viel Geld besaß.«

»Die Herren versprachen Ihnen aber eine Einreise- und Aufenthaltserlaubnis für die Vereinigten Staaten, sobald der genannte Preis entrichtet war?« erkundigte sich Parker.

»Das Visum würde ich auf dem Schiff bekommen, erklärten sie mir. Als ich daraufhin meinte, Visa könnte nur die Botschaft ausstellen und das Ganze sei wohl illegal, fingen sie an herumzubrüllen«, berichtete Tim weiter. »Als ich dann noch mit der Polizei drohte, wollten sie gleich über mich herfallen. Aber zum Glück war ich schneller, wie Sie wissen.«

»Dieser Fall liegt völlig klar vor mir. Wie ein aufgeschlagenes Buch«, behauptete die Detektivin. »Diese beiden Kerle stehen ohne Zweifel in Diensten der Mafia. Keine andere Verbrecherorganisation kommt für ein derart schmutziges Geschäft in Frage. Das sagen mir meine Erfahrung und mein untrüglicher Spürsinn.«

»Meinen Sie wirklich, Lady?« fragte Tim ungläubig.

»Ich meine nicht, ich weiß«, wies Lady Agatha ihn zurecht. »Eine Detektivin meines Formats läßt sich nicht täuschen.«

»Detektivin sind Sie?« staunte Tim. »Das trifft sich ja gut. Dann muß ich ja nicht extra zur Polizei gehen.«

»Nein, nein! Das wäre wirklich das Überflüssigste, was Sie im Moment tun könnten«, versicherte Mylady eilig. »Bei mir ist dieser Fall bestens aufgehoben. Der Verbrecher, der mir gewachsen wäre, muß erst noch geboren werden. Und wenn es sich gleich um ein ganzes Syndikat handelt – um so besser! Mit Kleinigkeiten gebe ich mich ohnehin nicht ab, denn der Mensch wächst ja mit seinen Aufgaben.«

»Das ist eine Feststellung, die meine Wenigkeit nur mit allem Nachdruck unterstreichen kann«, pflichtete der Butler ihr bei.

»Und wie wollen Sie den Ganoven auf die Spur kommen?« begehrte Tim zu wissen. »Die sind doch jetzt gewarnt und werden doppelt vorsichtig arbeiten.«

»Das lassen Sie nur meine Sorge sein«, wich Agatha Simpson aus. »Noch heute abend werde ich meinem taktischen Konzept den letzten Schliff geben.«

»Ich meine, was Sie als nächsten Schritt unternehmen wollen«, fragte der Farbige neugierig.

»Das sind Details, um die sich Mister Parker kümmert«, belehrte sie ihn. »Mit so etwas kann eine Lady Simpson sich nicht belasten. Ich hoffe, Sie werden mir morgen beim Frühstück geeignete Vorschläge unterbreiten, Mister Parker.«

»Wie Mylady wünschen«, gab der Butler mit leichter Verbeugung zur Antwort. »Meine Wenigkeit wird bemüht sein, Mylady in vollem Umfang zufriedenzustellen.«