Parker macht die Sichel schartig - Günter Dönges - E-Book

Parker macht die Sichel schartig E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Seien Sie nicht albern, Robert«, mokierte sich Lady Agatha und lachte geringschätzig, »Hexenkunst und Zauberei sind doch Ammenmärchen. Sie wollen mir doch nicht einreden, daß Sie daran glauben, oder?« Die ältere Dame, groß und kräftig wie eine Walküre, lehnte sich im Sessel zurück und sah sich in der riesigen Wohnhalle des Schlosses um. Sie hielt einen Kognakschwenker in der Hand und fühlte sich außerordentlich wohl. Sie musterte die großen Wandteppiche an den Steinwänden, die alten Waffen und das massive Mobiliar. Sie ließ sich überhaupt nicht vom Regen beeindrucken, der heftig gegen die Scheiben der romanischen Fensterbogen trommelte. Und sie fuhr auch keineswegs zusammen, als einem zuckenden Blitz heftiges Donnergrollen folgte. Sir Robert Pundham, ein großer, hagerer Sechziger, weißhaarig und dennoch sportlich aussehend, zog unwillkürlich den Kopf ein und rutschte tiefer in seinen Sessel. »Hexenkunst, nicht wahr?« Lady Agatha deutete zu den Fenstern und lachte. Sie nahm einen nicht gerade kleinen Schluck aus dem Glas und fühlte sich ihrem Gastgeber auf der ganzen Linie überlegen. Sie war keine ängstliche Frau, ja, der Begriff Gefahr schien ihr völlig fremd zu sein. Aus einer gewissen Selbstüberschätzung heraus fühlte sie sich unangreifbar. Außerdem hielt sich Agatha Simpson für eine Kriminalistin von einmaligem Format. »Vor einer halben Stunde gab's immerhin noch keine Wolke am Himmel«, meinte Sir Robert, »halten Sie mich meinetwegen für abergläubisch, Agatha, aber ich weiß, was ich gesehen habe.« »Nämlich?« Die Detektivin beugte sich vor und zuckte mit keiner Wimper, als plötzlich ein Fenster aufgedrückt wurde und ein Windstoß in die Halle fuhr. Das Feuer im Kamin loderte auf, Funken sprühten.

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Butler Parker – 153 –

Parker macht die Sichel schartig

Günter Dönges

»Seien Sie nicht albern, Robert«, mokierte sich Lady Agatha und lachte geringschätzig, »Hexenkunst und Zauberei sind doch Ammenmärchen. Sie wollen mir doch nicht einreden, daß Sie daran glauben, oder?« Die ältere Dame, groß und kräftig wie eine Walküre, lehnte sich im Sessel zurück und sah sich in der riesigen Wohnhalle des Schlosses um. Sie hielt einen Kognakschwenker in der Hand und fühlte sich außerordentlich wohl. Sie musterte die großen Wandteppiche an den Steinwänden, die alten Waffen und das massive Mobiliar. Sie ließ sich überhaupt nicht vom Regen beeindrucken, der heftig gegen die Scheiben der romanischen Fensterbogen trommelte. Und sie fuhr auch keineswegs zusammen, als einem zuckenden Blitz heftiges Donnergrollen folgte.

Sir Robert Pundham, ein großer, hagerer Sechziger, weißhaarig und dennoch sportlich aussehend, zog unwillkürlich den Kopf ein und rutschte tiefer in seinen Sessel.

»Hexenkunst, nicht wahr?« Lady Agatha deutete zu den Fenstern und lachte. Sie nahm einen nicht gerade kleinen Schluck aus dem Glas und fühlte sich ihrem Gastgeber auf der ganzen Linie überlegen.

Sie war keine ängstliche Frau, ja, der Begriff Gefahr schien ihr völlig fremd zu sein. Aus einer gewissen Selbstüberschätzung heraus fühlte sie sich unangreifbar. Außerdem hielt sich Agatha Simpson für eine Kriminalistin von einmaligem Format.

»Vor einer halben Stunde gab’s immerhin noch keine Wolke am Himmel«, meinte Sir Robert, »halten Sie mich meinetwegen für abergläubisch, Agatha, aber ich weiß, was ich gesehen habe.«

»Nämlich?« Die Detektivin beugte sich vor und zuckte mit keiner Wimper, als plötzlich ein Fenster aufgedrückt wurde und ein Windstoß in die Halle fuhr. Das Feuer im Kamin loderte auf, Funken sprühten. Die schweren, langen Vorhänge knatterten wie Fahnen im Wind.

»Sehen Sie doch, Agatha«, flüsterte Sir Robert und sprang auf, »das kann kein Zufall sein.«

»Die Fensterriegel sind uralt und wohl durchgerostet, Robert«, deutete die ältere Dame diesen Zwischenfall, »läuten Sie einem Angestellten und lassen sie das Fenster schließen. Ich möchte nicht, daß Sie sich einen Schnupfen holen.«

»Würden Mylady möglicherweise mit meiner Wenigkeit vorlieb nehmen?« war in diesem Moment Butler Parkers Stimme zu vernehmen. Er stand wie durch Zauberei seitlich hinter dem Sessel seiner Herrin und präsentierte sich in seiner ganzen Würde. Josuah Parker war etwas über mittelgroß, fast schlank und trug einen schwarzen Zweireiher. Zum schneeweißen Eckkragen hatte er einen schwarzen Binder angelegt. Er war das Urbild des hochherrschaftlichen englischen Butlers.

»Was sagen Sie zu diesem Wetter?« fragte Lady Agatha.

»Ein überraschendes Tief, Mylady, das die hiesige Grafschaft geradezu überfallen hat.« Parker deutete eine knappe, überaus höfliche Verbeugung an. »Wenn Mylady gestatten, wird man sich jetzt mit dem defekten Fenster befassen.«

Sir Robert Pundham beobachtete Parker, der einige Schritte in die halbdunkle Halle zurückging und eine Leiter hob. Er stellte sie hoch und stieg würdevoll nach oben, bis er das Fenstersims erreichte. Mit wenigen Handgriffen reparierte er den Schaden.

»Die Riegel waren verrostet, nicht wahr?« fragte die ältere Dame. »Ich wußte es doch im voraus.

»Die Fensterriegel, Mylady, befinden sich in einem Zustand, den man nur als ausgezeichnet bezeichnen kann.«

»Weshalb flog dann das Fenster auf?« wunderte sich Lady Agatha.

»Beide Riegel waren geöffnet, Mylady, der leiseste Luftzug mußte sie aufdrücken.«

»Was ich gesagt habe, Robert!« Sie nickte beifällig, war sich des Widerspruchs gar nicht bewußt und lächelte ihren Gastgeber beruhigend an.

»Die Frage erhebt sich, wer die Riegel geöffnet haben könnte«, redete Josuah Parker weiter.

»Klären Sie das, Mr. Parker«, bat die Detektivin, »Schlampereien soll man immer sofort auf den Grund gehen.«

Parker verbeugte sich wieder andeutungsweise und verschwand mit der Leiter in der Tiefe der riesigen Wohnhalle. Blitze zuckten, Donner grollte. Alle Zutaten eines Horrorfilms schienen sich ein Stelldichein zu geben. Sir Robert rutschte noch tiefer in seinen Sessel.

»Seit wann ist der Butler in Ihren Diensten?« fragte der Mann dann.

»Seit einer Ewigkeit«, antwortete sie, »er ist recht anstellig und begabt und lernt immer noch dazu. Im Lauf der Zeit werde ich einen brauchbaren Kriminalisten aus ihm machen.«

»Ich bin froh, daß Sie hier sind«, stellte Sir Robert Pundham fest, »irgendwie fühle ich mich plötzlich sicherer.«

»Als ich von dieser Erscheinung hörte, Robert, hielt mich nichts mehr in London«, erwiderte Lady Agatha, »ich bin dafür berühmt, paranormale Erscheinungen zu entlarven.«

»Darum dachte ich auch sofort an Sie, Agatha, als die Sichel zum ersten Mal auftauchte«, meinte der Gastgeber.

»Womit wir bei dieser albernen Erscheinung sind«, stellte die ältere Dame fest, »was stelle ich mir unter dieser Sichel eigentlich vor?«

Sir Robert wollte antworten, doch er brachte keinen Ton heraus und starrte wie hypnotisiert auf den Gegenstand, der dicht an seinem Sessel vorbeigeflogen war. Dieser Gegenstand hatte sich in einen Balken des Fachwerks gebohrt.

»Aha«, meinte Agatha Simpson, die einen durchaus erfreuten Eindruck machte, »das also ist die Sichel! Wie auf Bestellung, mein lieber Robert...«

Die Lady stand auf und begab sich hinüber zum Längsbalken. Dann nahm sie Ihre Lorgnette hoch, die an einer soliden Kette am Hals hing. Sie klappte die altmodische Stielbrille auseinander und musterte die antik aussehende Sichel, deren Spitze tief im Holz steckte.

*

»Wie finde ich denn das, Mr. Parker?« erkundigte sich Lady Agatha zehn Minuten später, nachdem Josuah Parker die Sichel in Augenschein genommen hatte.

»Ein erstaunliches Gerät aus der Gruppe der Schneidwaren«, urteilte der Butler höflich, »nach Art und Form scheint es sich um eine Gerätschaft zu handeln, die bereits auf ein ehrwürdiges Alter zurückblicken kann.«

»Eine Sichel, nicht wahr?« Agatha Simpson musterte sie erneut. Der Holzgriff war nur noch in Andeutungen zu sehen, der Rest des Holzes mit Sicherheit steinalt. Die Messerseite der Sichel war schartig, die Klinge verrostet.

»Wer erfrecht sich, mit solchen Dingen herumzuwerfen?« Die Detektivin schüttelte entrüstet den Kopf. »Sir Robert wäre um ein Haar getroffen worden, von mir mal ganz zu schweigen.«

»Darf man sich nach dem werten Befinden Sir Roberts erkundigen?«

»Sir Robert hat sich zurückgezogen«, meinte sie etwas abfällig, »dieser junge Fant scheint keine guten Nerven zu haben.«

Es war schon etwas gewagt, Sir Robert einen jungen Fant zu nennen, zumal Lady Agatha höchstens einige Jahre älter war als der Gastgeber.

»War dies ein erster Anschlag, Mylady? Konnten Mylady in diesem Sinn noch eine entsprechende Frage stellen?«

»Sir Robert war überhaupt nicht mehr ansprechbar«, erwiderte die ältere Dame, »ich hatte ihm Kognak angeboten, doch er verzichtete. Ich denke, er wird sich in seinem Zimmer eingeschlossen haben.«

»Diese Sichel scheint eine Art Symbol darzustellen, Mylady.«

»Natürlich, darum bat er mich ja, nach Schloß Plain zu kommen. Mr. Parker. Hier in der Gegend soll sich ein Druide herumtreiben und mit seiner Sichel drohen.«

»Gewiß, Mylady. Nach meinen bescheidenen Ermittlungen dürfte aber Sir Robert nicht der einzige sein, der diesen Druiden gesehen haben will.«

»Hirngespinste, Mr. Parker. Es gibt keine Geister und Gespenster. Denken Sie doch an ähnliche Fälle, die ich bereits gelöst habe! Lächerlich! Es gibt keine Spukschlösser. Und wenn es gespukt hat, dann konnte ich später immer Gauner und Gangster aus Fleisch und Blut ins Gefängnis bringen.«

»Mylady waren gerade auf diesem Gebiet stets erfolgreich«, stellte der Butler höflich fest und verschwieg diskret, daß er in allen Fällen die Lösungen gefunden hatte.

»Also treibt sich auch hier ein Schwindler herum, der handfeste Geschäfte betreibt«, redete Agatha Simpson inzwischen weiter, »und ich glaube, daß ich mir bereits eine erste Theorie gebildet habe.«

»Mylady werden meine Wenigkeit sicher wieder mal verblüffen«, prophezeite Parker.

»Natürlich«, sagte sie mit fester Stimme und nickte nachdrücklich, »ich denke, ich werde jetzt erst mal das gesamte Personal verhören.«

»Ein begrüßenswertes Vorhaben, Mylady, zumal sich nur drei Angestellte im Schloß befinden.«

»Mehr nicht?« Sie zog erstaunt eine Augenbraue hoch.

»Sir Robert hat vor einigen Wochen fast das gesamte Personal beurlaubt, Mylady. Übrigens bei voller Weiterzahlung der Bezüge. Fünf Personen kamen so in den Genuß einer Arbeitspause.«

»Was für eine Geldverschwendung!« Lady Agatha seufzte. »Und wer befindet sich noch hier im Schloß?«

»Der Koch, der Verwalter und eine Art Kammerdiener, Mylady, der allerdings keineswegs ein Butler ist.«

»Sind diese Leute vertrauenswürdig, Mr. Parker?«

»Eine Äußerung dazu, Mylady, wäre noch zu verfrüht. Fest dürfte stehen, daß alle drei Personen Angst haben.«

»Einer dieser drei Burschen ist natürlich der Druide, Mr. Parker.« Lady Agatha wußte es wieder mal ganz genau und legte sich fest.

»Wie Mylady wünschen und befehlen.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Mylady wünschen sicher festzustellen, aus welchen Motiven heraus einer dieser drei Angestellten als Druide auf tritt.«

»Mit solchen Kleinigkeiten befasse ich mich grundsätzlich nicht, Mr. Parker. Finden Sie das heraus.« Sie winkte huldvoll und deutete dann auf die breite Freitreppe. »Geleiten Sie mich in mein Apartment. Es gibt doch Fernsehen im Zimmer, oder?«

»Selbstverständlich, Mylady.« Parker nickte.

»Ich möchte den Kriminalfilm um Mitternacht nicht versäumen«, redete sie weiter, »sie sind zwar durch die Bank weg sehr albern, aber wer möchte sich nicht hin und wieder amüsieren!«

Parker folgte seiner Herrin in respektvollem Abstand. Man hatte die erste Stufe der Treppe noch nicht ganz erreicht, als plötzlich ein markerschütternder Schrei zu hören war.

»Sehr hübsch«, sagte Lady Agatha unbeeindruckt und lächelte fast verklärt, »man will eine Lady Simpson erschrecken! Albern, Mr. Parker, sehr albern!«

Sie hatte den Satz kaum beendet, als ein zweiter Schrei erfolgte, der in ein dunkles, ersticktes Röcheln überging.

»Sehr eindrucksvoll«, kommentierte die alte Dame, »Mr. Parker, ich kann nur hoffen, daß Ihre Nerven intakt sind!«

*

Parkers Nerven waren intakt, denn er blickte ruhig und gelassen auf einen untersetzten Mann, der etwa vierzig Jahre zählte. Dieser Mann, der eine Art Livree trug, wankte die Treppe herunter und hielt sich den linken Arm. Deutlich war der blutgetränkte Ärmel der Jacke zu erkennen.

»Sollten Sie sich verletzt haben, Mr. Madlon?« fragte Parker.

»Der Druide«, keuchte der Mann, rutschte in sich zusammen, fing sich aber in letzter Sekunde ab und setzte sich auf die steinerne Treppe.

»Sie haben Druiden gesehen?« Agatha Simpson machte einen animierten Eindruck.

»Vor der Zimmertür von Sir Robert, Mylady«, lautete die Antwort des Kammerdieners. Er nahm ängstlich den Kopf herum und schaute hinauf zur Galerie. Der Mann zitterte vor Angst, Schmerz und Nervosität. »Als der Druide mich sah, warf er eine Sichel nach mir und traf mich ... Hier am Arm! Sehen Sie doch!«

»Ich habe schließlich Augen im Kopf«, herrschte Lady Agatha den Unglücklichen an. »Nun reißen Sie sich mal zusammen! Wahrscheinlich handelt es sich nur um eine harmlose Fleischwunde. Ja, ich möchte wetten, daß es so ist. Wie sah der Druide aus? Ich wünsche augenblicklich eine genaue Beschreibung.«

»Mir wird schlecht, Mylady«, keuchte der Kammerdiener und hüstelte.

»Das verbitte ich mir.« Sie blitzte ihn an.

»Vielleicht könnte man erst mal den Tatort in Augenschein nehmen, Mylady«, schlug Parker vor.

»Genau das wollte ich gerade sagen.« Sie nickte und setzte sich in Bewegung. »Und das, Mr. Parker, werde ich übernehmen. Verarzten Sie diesen Mann. Sie können dann ja später nachkommen.«

»Mylady wollen allein hinaufgehen?«

»Selbstverständlich, Mr. Parker. Dieser Druide soll es wagen, mit Sicheln nach mir zu werfen!« Der Pompadour an Myladys linkem Handgelenk geriet prompt in gefährliches Pendeln. In diesem perlenbestickten Handbeutel befand sich der sogenannte Glücksbringer der älteren Dame. Dabei handelte es sich um ein echtes Pferdehufeisen, das nur oberflächlich in Schaumstoff gehüllt war.

»Warten Sie hier«, sagte Parker, der seine Herrin auf keinen Fall allein gehen lassen wollte. Er drückte den Kammerdiener gegen das Geländer aus Sandstein und folgte Agatha Simpson, die erstaunlich behend nach oben eilte.

»Sie haben wohl Angst, allein in der Halle zu bleiben, wie?« Die Lady hatte Parkers Schritte gehört, blieb kurz stehen und sah ihren Butler amüsiert an.

»Eine gewisse Besorgnis soll keineswegs ausgeschlossen werden«, läutete Parkers vieldeutige Antwort. Er dachte an die Unternehmungslust seiner Herrin, die sich stets kopfüber ins Getümmel stürzte.

»Nun, dann kommen Sie«, sagte sie großzügig, »aber ich fürchte, dieser Flegel von einem Druiden wird sich längst in Sicherheit gebracht haben.«

Was sich als richtig erwies ...

Der lange, verwinkelte Korridor war leer. Parker hielt Ausschau nach einer Sichel, konnte die Tatwaffe jedoch nicht finden. Lady Agatha stand inzwischen vor der Tür zu Sir Roberts Zimmer und pochte mit ihrer nicht gerade kleinen Faust machtvoll gegen die schweren Eichenbohlen.

»Öffnen Sie, Robert«, rief sie dazu mit dröhnender Stimme, »hier spricht Lady Agatha. Öffnen Sie sofort, sonst breche ich das Schloß auf!«

»Sir Robert scheint ein wenig indisponiert zu sein, Mylady«, gab Josuah Parker zu bedenken, als keine Antwort erfolgte.

»Brechen Sie das Schloß oder auch die ganze Tür auf«, verlangte die energische Frau und deutete auf eine Ritterrüstung, die in einer nahen Nische stand, »benutzen Sie die Hellebarde, Mr. Parker.«

»Wie Mylady wünschen.« Parker blieb jedoch stehen und drückte die schwere Eisenklinke, worauf die Tür sich öffnen ließ. Er sorgte dafür, daß die ältere Dame sich nicht vor ihm ins Zimmer schieben konnte und betrat als erster den großen, kahl wirkenden Raum.

»Was ist denn nun?« fragte die Detektivin ungeduldig und schob Parker zur Seite.

»Mylady dürften sich in der Wahl der Tür ein wenig geirrt haben«, sagte Parker höflich, »dies hier ist lediglich eine Abstellkammer.«

»Unsinn«, erwiderte sie, »das ist Sir Roberts Schlafzimmer. Er selbst hat mir ja alle Räume gezeigt. Oder sollte dort hinten sein Schlafzimmer sein?« Sie deutete auf eine andere Tür.

»Mylady erlauben, daß man sich vergewissert?« Josuah Parker ging zu der bezeichneten Tür und pochte höflich an. Dann drückte er die Klinke und zog die Tür an. Sie ließ sich nicht öffnen, dafür hörte man hinter dem Türblatt einen Schuß!

*

»Klingt ja alles sehr spannend, Parker«, sagte Mike Rander, »und wer hatte diesen Schuß abgefeuert?«

»Sir Robert, Sir«, antwortete der Butler, »er sagte später aus, er habe den bereits zitierten Druiden gesehen.«

»Lächerlich, Parker. Glauben Sie etwa an diese Erscheinung?«

»Mylady erklärte bereits, bei dem Druiden müsse es sich um eine Person aus Fleisch und Blut handeln. Dieser Ansicht schloß meine Wenigkeit spontan sich an.«

»Und ich werde es selbstverständlich auch tun, Parker«, sagte der Anwalt. Der Vierzigjährige hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Darsteller der James-Bond-Figur. Mike Rander genoß vor Jahren schon den Vorzug, von Parker als Butler betreut zu werden. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in den USA war Rander nach London zurückgekommen und von Lady Simpson wie selbstverständlich in Anspruch genommen worden. Der Anwalt hatte kaum die Möglichkeit zur Gegenwehr und widmete sich hauptsächlich der Verwaltung des riesigen Vermögens der Lady Simpson. Darüber hinaus hatte er das Vergnügen, von Parker wieder umsorgt zu werden.

Am Morgen war Mike Rander mit Kathy Porter aus London angereist, um im Fall des Druiden tätig zu werden. Kathy Porter, die Sekretärin und Gesellschafterin der Lady, befand sich auf dem Schloß, um weitere Aktivitäten der älteren Dame diskret zu überwachen, die beiden Männer aber waren unterwegs, um in der nahen Ortschaft Plain Kontakt mit der Bevölkerung aufzunehmen.

»Wie beliebt ist eigentlich dieser Sir Robert Pundham?« fragte Mike Rander, der neben Parker Platz genommen hatte.

»Zu diesem Thema gab es bisher keine Hinweise, Sir«, beantwortete der Butler die Frage, »meiner bescheidenen Ansicht nach ist Sir Robert ein durchaus verträglicher Mensch, wobei man allerdings betonen sollte, daß der äußere Anschein selbstverständlich täuschen kann.«

»Vielleicht erfahren wir im Dorf mehr darüber.« Rander schaute interessiert ins Gelände. Es war eine bemerkenswert hübsche Gegend, durch die man fuhr. Sanfte Hügel, sattgrüne Weiden und Baumgruppen schufen den Eindruck einer perfekten Parklandschaft.

»Stonehenge kann doch gar nicht weit sein, oder?« fragte der Anwalt.

»Dies entspricht durchaus den Tatsachen, Sir.«

»Und dort sollen sich doch in grauer Vorzeit Druiden herumgetrieben haben.«

»Auch dies erwähnt die Geschichte, Sir.«

»Hatten Sie nicht schon mal mit Stonehenge zu tun, Parker?«

»Verschiedentlich, Sir. Der berühmte Steinkreis scheint immer wieder Menschen anzuziehen, die sich der Magie verschrieben haben.«

»Ich wette, Sie könnten mir eine Menge über Stonehenge erzählen.«

»Meine bescheidene Wenigkeit verfügt in der Tat über einige Kenntnisse, Sir, was diesen Steinkreis betrifft. Möchten Sie jetzt und hier mehr darüber hören?«

»Verschieben wir’s, Parker«, schlug der Anwalt vor, »ist die Angst Sir Roberts gespielt oder echt?«

»Sie dürfte durchaus echt sein, Sir. Und auch die Wunde, die man dem Kammerdiener zufügte, kann nicht als oberflächlich bezeichnet werden.«

»Also ein Druide, der mit Sicheln um sich wirft«, faßte Mike Rander zusammen, »wer will warum diese Angst ausbeuten? Das ist doch die Frage, Parker, oder?«

»Nur so sollte man sie stellen, Sir.«

»Hat Sir Robert bereits die Polizei verständigt?«

»Er bat dringend darum, sie vorerst auszuschließen, Sir.«

»Hat er etwa Angst, sich lächerlich zu machen?«

»Dies dürfte der wahre Beweggrund sein, Sir.«

»Hallo, was ist denn das, Parker?« Während er diese Frage stellte, beugte er sich vor, um besser durch die Windschutzscheibe sehen zu können. Josuah Parker hatte bereits das Tempo seines hochbeinigen Monstrums gemindert und hielt. Sein Interesse galt einem dicken Bündel von Mistelzweigen, die genau über der Straßenmitte hingen. Wenn dies schon mehr als ungewöhnlich war, so war noch ein zusätzlicher Effekt zu beobachten: Aus diesem Bündel von Mistelzweigen tropfte deutlich sichtbar Blut!

*

»Ein ziemlich makabrer Scherz«, sagte Rander und schickte sich an, die Wagentür zu öffnen.

»Dürfte ich darauf verweisen, daß der Wagen schußfest ist, Sir?«

»Moment mal, Sie glauben, daß geschossen werden könnte?« Rander zog die Wagentür prompt wieder zurück ins Schloß.