Parker packt den Massenmörder - Günter Dönges - E-Book

Parker packt den Massenmörder E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Dolly Dillinger war fasziniert. Immer wieder mußte sie zu jenem Mann hinübersehen, der auf dem gegenüberliegenden Fensterplatz saß. Steif, als habe er einen Ladestock verschluckt, sah der Mann hinaus auf die vorbeifliegende Landschaft. In seinem glatten und doch irgendwie markanten Pokergesicht zuckte kein Muskel. Die kühlen, eisgrauen Augen verirrten sich nicht ein einziges Mal in ihre Richtung. Er schien ihre Anwesenheit überhaupt nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Dolly Dillinger wurde nicht recht klug aus diesem Mann. Er trug unverkennbar die Kleidung eines hochherrschaftlichen Butlers. Männer in dieser Kleidung hatte sie bereits öfter gesehen. In einschlägigen Gesellschaftsfilmen nämlich. Da war die schwarze Melone, der steife, schneeweiße Eckkragen, die schwarze Krawatte, die farblich von einer großen Zierperle aufgelockert wurde. Da waren der untadelig sitzende schwarze Zweireiher und vor allen Dingen ein Regenschirm, der aus einem Museum zu stammen schien. Dieser Schirm war altväterlich gebunden und verfügte über einen Bambusgriff, über dem die gekreuzten Hände des Mannes lagen. Sie staken selbstverständlich in schwarzen Handschuhen, wie es sich für einen hochherrschaftlichen Butler eben gehörte. Er streifte sie sich gerade gelangweilt ab. Aber hatte sie es wirklich nur mit einem Butler zu tun? Gewiß, er war so gekleidet, dennoch aber strahlte dieser Mann eine kühle Überlegenheit aus, die beeindruckte. Dolly Dillinger spürte instinktiv, daß dieser Mann mehr war als nur ein Butler. Nur zu gern hätte sie ein Gespräch begonnen, neugierige Fragen gestellt, vielleicht sogar ein wenig geflirtet. Doch eine unerklärbare Scheu hinderte sie daran.

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Butler Parker – 166 –

Parker packt den Massenmörder

Günter Dönges

Dolly Dillinger war fasziniert.

Immer wieder mußte sie zu jenem Mann hinübersehen, der auf dem gegenüberliegenden Fensterplatz saß. Steif, als habe er einen Ladestock verschluckt, sah der Mann hinaus auf die vorbeifliegende Landschaft. In seinem glatten und doch irgendwie markanten Pokergesicht zuckte kein Muskel. Die kühlen, eisgrauen Augen verirrten sich nicht ein einziges Mal in ihre Richtung. Er schien ihre Anwesenheit überhaupt nicht zur Kenntnis genommen zu haben.

Dolly Dillinger wurde nicht recht klug aus diesem Mann.

Er trug unverkennbar die Kleidung eines hochherrschaftlichen Butlers. Männer in dieser Kleidung hatte sie bereits öfter gesehen. In einschlägigen Gesellschaftsfilmen nämlich. Da war die schwarze Melone, der steife, schneeweiße Eckkragen, die schwarze Krawatte, die farblich von einer großen Zierperle aufgelockert wurde. Da waren der untadelig sitzende schwarze Zweireiher und vor allen Dingen ein Regenschirm, der aus einem Museum zu stammen schien. Dieser Schirm war altväterlich gebunden und verfügte über einen Bambusgriff, über dem die gekreuzten Hände des Mannes lagen. Sie staken selbstverständlich in schwarzen Handschuhen, wie es sich für einen hochherrschaftlichen Butler eben gehörte. Er streifte sie sich gerade gelangweilt ab.

Aber hatte sie es wirklich nur mit einem Butler zu tun?

Gewiß, er war so gekleidet, dennoch aber strahlte dieser Mann eine kühle Überlegenheit aus, die beeindruckte. Dolly Dillinger spürte instinktiv, daß dieser Mann mehr war als nur ein Butler. Nur zu gern hätte sie ein Gespräch begonnen, neugierige Fragen gestellt, vielleicht sogar ein wenig geflirtet. Doch eine unerklärbare Scheu hinderte sie daran. Sie hatte das Gefühl, sich zu blamieren, falls sie neugierig würde.

Josuah Parker hatte längst herausgefunden, daß die junge Dame sich für ihn interessierte. Doch er tat nichts, um sie zu ermutigen. Er haßte unnötige Gespräche. Er hing seinen Gedanken nach, die um seinen jungen Herrn kreisten.

Er zuckte mit keiner Wimper, als der Zug in einen Tunnel einfuhr. Schlagartig umgab ihn das, was der Volksmund ägyptische Finsternis zu nennen beliebte. Aus irgendeinem Grund funktionierte die Wagenbeleuchtung nicht.

Er zuckte auch dann noch mit keiner Wimper, als er ein Rascheln hörte. Sein feines, geschultes Ohr fand sofort heraus, daß dieses Rascheln von einem Damenrock herrühren mußte.

Hingegen zuckte er mit einer Wimper, als die Trägerin dieses Rockes plötzlich und ohne jede weitere Vorwarnung auf seinem Schoß und in seinen Armen landete.

»Ich möchte keinesfalls unhöflich wirken, Madam«, sagte Parker und richtete sich womöglich noch steifer auf, »aber mir scheint, daß Sie die Situation völlig falsch beurteilen ...!«

Sie antwortete nicht.

Weich, warm und schlaff lag sie in seinen Armen. Ihr Atem ging schnell. Tiefe Leidenschaft schien sie zu erfüllen. Sie schmiegte sich noch enger an ihn.

»Selbst auf die Gefahr hin, unhöflich zu wirken, Madam«, redete Parker gemessen und würdevoll weiter, »selbst auf diese Gefahr hin möchte ich doch dringend anraten, sich auf den Platz zurückzubegeben. Wenn Sie erlauben, werde ich Ihnen dabei behilflich sein!«

Parker drückte den weichen, schlaffen Körper behutsam, aber dennoch nachdrücklich zurück.

Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr, das er nicht verstehen konnte. Die schwere Lok produzierte in diesem Augenblick nämlich einen durchdringenden, schrillen Pfiff. Schlagartig wurde es wieder hell im Zugabteil. Licht flutete ungehemmt herein.

»Ich hoffe, ich habe Sie nicht unnötig inkommodiert«, schloß Parker und drückte sie zurück auf ihren Sitz.

Sie nahm zu seinen Worten keine Stellung. Sie war auch nicht eine Spur verlegen oder betreten. Sie war dazu nämlich nicht mehr in der Lage. Ein Messer im Rücken hinderte sie nachdrücklich daran.

Welcher Tote ist schon in der Lage, sich mehr oder weniger wortreich zu entschuldigen? Parker zeigte also Verständnis und wußte im gleichen Moment, daß gewisse unangenehme Dinge unausweichlich auf ihn zukamen ...

*

Die nächste Station hieß Colchester und bestand aus einer Ansammlung von wenig mehr als einem halben Dutzend Farmhäusern, einem Lagerhaus für landwirtschaftliche Erzeugnisse und einem rußigen Stationsgebäude. Eine fürwahr trostlose Gegend!

Der Waggon mit dem toten Mädchen war losgekuppelt und auf ein Abstellgleis geschoben worden. Nur mit Mühe hatte der energische Schaffner eine Panik verhindern können.

Sheriff Bolker, Polizeigewaltiger im County, hatte sich der Unterstützung der Mordkommission von Albany versichert. Nun wartete er geduldig auf das Eintreffen der Spezialisten aus der Großstadt und wiegte sich in einem Schaukelstuhl, der den Requisiten eines Wildwestfilms zu entstammen schien.

In der Brust des Sheriffs schlug trotz seiner bärbeißigen Manieren ein menschliches Herz. Er brach eine Rolle Kautabak entzwei und warf Butler Parker ein Stück zu. Parker zuckte indigniert zurück. Er wies es von sich, Nikotin in dieser vulgären Form zu sich zu nehmen.

»Wenn Sie gestatten, werde ich eine meiner Zigarren anstecken, die speziell für mich angefertigt werden«, schlug er in höflichem Ton vor. Bolker zuckte die Achseln und schaukelte weiter.

Der Butler fühlte verstohlen nach dem Zettel in seiner Brieftasche, den er auf dem Schoß des jungen Mädchens gefunden und in dem panischen Hin und Her nach Entdeckung des Mordes unbemerkt an sich genommen hatte. Mit der ihm eigenen nahezu unfehlbaren Beobachtungsgabe hatte er registriert, daß das Blatt Papier erst während der Tunneldurchfahrt in den Besitz seines Gegenübers gelangt war und somit einen wichtigen ersten Hinweis auf den Täter enthalten konnte. Er nahm sich vor, das Beweisstück keinesfalls aus der Hand zu geben.

Wie hatte die Sache angefangen?

»Machen Sie mal Urlaub, Parker, und spannen Sie gründlich aus«, hatte Mike Rander seinem Butler geraten, der ihn daraufhin erstaunt angesehen hatte. Wollte sein junger Herr sich zeitweilig von ihm trennen?

»Ich möchte mit Ihrer Erlaubnis davon Abstand nehmen, Sir«, antwortete Parker. »Ich mache mir, offen gestanden, einige Sorgen um die Zukunft, wenn ich es ...«

Sein junger Herr hatte ihn lachend unterbrochen: »Sie haben Angst, Parker? Ausgeschlossen, das nehme ich Ihnen nicht ab!«

»Und doch ist es so, Sir. Ich habe Angst, mir könnten einige Fälle davonschwimmen, wenn ich es so ausdrücken darf.«

»Welche Felle?« fragte der Anwalt, der in diesem Augenblick durch das Läuten des Telefons abgelenkt wurde.

Sein Butler hüstelte diskret. »Ich meinte keineswegs Tierfelle, Sir. Ich bitte um Verzeihung, wenn ich mich unklar ausgedrückt haben sollte. Ich meinte vielmehr Kriminalfälle!«

»Zum Kuckuck, Parker! Haben Sie denn nichts anderes im Kopf als Mord und Totschlag? Packen Sie lieber Ihr Angelzeug in einen Koffer und fahren Sie in die Alleghenies! Es gibt ein paar ausgezeichnete Forellenbäche dort. Und widersprechen Sie mir nicht dauernd!«

»Sehr wohl, Sir!« Parker senkte beschämt den Kopf. Er hatte beinahe das Gefühl, die einem gut geschulten Butler gezogenen Grenzen überschritten zu haben. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, eine Anordnung seines jungen Herrn zu mißachten ...

Und jetzt saß er im Büro eines hinterwäldlerischen Sheriffs und galt als der Hauptverdächtige in einem mysteriösen Mordfall! Trotzdem fühlte er sich ziemlich wohl. Aber man hatte ihm nicht einmal eine Tasse Kaffee angeboten. Dabei trank ihn der Sheriff kannenweise. Der Duft des köstlichen Gebräus strich verführerisch um Parkers Nase. Der Butler empfand Bolkers Mangel an Takt als ausgesprochen unhöflich. Aus Mike Randers Dachgartenwohnung ging kein Besucher fort, ohne daß Parker ihm eine Erfrischung angeboten hätte. Der Butler fand, daß der Sheriff sich auf eine sehr ungehörige Art dafür rächte, daß er vorhin seinen Kautabak abgelehnt hatte. Josuah Parker erwartete Manieren auch von Leuten, die einen Sheriffstern auf der Weste trugen. Aus dieser tiefen Enttäuschung heraus erwähnte er auch nicht den Zettel in seiner Tasche. Er sog an seiner Zigarre und faßte sich in Geduld.

Plötzlich sprang Bolker mit einem wahren Panthersatz aus dem Schaukelstuhl hoch.

»Was ist das?« rang er keuchend eine Frage aus seiner gewürgten Kehle und schüttelte sich wie unter einem innerem Krampf. Der Gehilfe des Sheriffs schlug seinem Chef kräftig auf den Rücken und musterte mißtrauisch die schwarze Zigarre in Parkers Mund. Kurz darauf kämpfte er selbst mit einem Erstickungsanfall.

»Eine ausgezeichnete Marke«, lobte Parker und sah selbstgefällig auf die Importe herab. »Ich ziehe sie allen anderen vor.«

»Werfen Sie diesen Giftprügel schleunigst aus dem Fenster, oder es passiert was!« würgte Sheriff Bolker mit letzter Anstrengung heraus.

»Ich weiche der rohen Gewalt, wenngleich ich auch nicht verstehen kann, womit ich mir Ihren Unmut zugezogen habe«, erklärte Josuah Parker würdevoll. Er beförderte die Zigarre mit Bedauern und Vehemenz durch das Fenster nach draußen.

Es dauerte mindestens fünf Minuten, ehe Sheriff Bolker sich wieder mit dem Kreuzworträtsel auf der letzten Seite beschäftigen konnte. Seine Zunge leckte die Spitze eines Bleistifts.

»Kreuz mit drei Buchstaben!« murmelte er vor sich hin.

»Ehe«, warf Butler Parker ein.

»Sagten Sie was?« Bolker sah auf.

»Ich erlaubte mir lediglich, eine vielfach zutreffende Bemerkung zu machen. Meine Annahme ermangelt allerdings der Bestätigung durch die Praxis, wie ich zugeben muß.« Parker lehnte sich wieder in seinen Stuhl zurück.

Bolker gab seinem Gehilfen ein Zeichen.

»Stimmt tatsächlich, Jimmy! Aber schaff ihn trotzdem in eine Zelle! Ich mag solche Intelligenzbestien nicht. Sie erinnern mich immer an Joe Burkes Jungen, der voriges Jahr im College die Abschlußrede hielt. Und dann überfuhr ihn eine Straßenbahn.«

»Ja«, meinte Jimmy, »das kommt davon, wenn man so hoch hinaus will.« Er packte Parker am Arm und schob ihn durch die Tür.

Dahinter lag ein Gang, dessen eine Seite von drei Zellen eingenommen wurde. Butler Parker erinnerten sie stark an die Menschenaffenstation im Zoo von Bronx. Geduldig ließ er das Unvermeidliche über sich ergehen. Dennoch konnte er es sich nicht verkneifen, sein Feuerzeug aufschnappen zu lassen und sacht an das Gitter zu halten.

Jimmy traf buchstäblich der Schlag. Er ließ die Schlüssel aus der Hand fallen und taumelte an die gegenüberliegende Wand. Seine Nasenspitze färbte sich kalkweiß. Seine Hände zitterten verdächtig. Verdutzt starrte er auf Parker, der sich gemächlich eine seiner Spezialzigarren anzündete und ihm den Rauch ins Gesicht blies. Der Butler war zufrieden. Die Batterie des winzigen Transistor-Spannungswandlers in seinem Feuerzeug brauchte also noch nicht ausgewechselt zu werden.

»Würde es Sie wohl über die Maßen beanspruchen, mir eine Tasse Kaffee zur Verfügung zu stellen?« fragte Parker höflich, wie es seine Art war. »Was immer auch gewisse Leute gegen seine stimulierende Wirkung vorbringen mögen – mir hat er stets zu ausgezeichnetem Schlaf verhelfen!«

»Sofort!« hustete Jimmy und empfahl sich rückwärtsgehend durch die Tür. Er traute diesem Kerl nicht mehr, der so unerklärliche Tricks auf Lager hatte. Ein Zellengitter unter Hochspannung! Wie, zum Teufel, hatte der Bursche das bloß gemacht?

»Ich gehe wohl besser zu Bett!« keuchte er im Büro seinen Chef an. Nicht einmal für einen Gratisfahrschein nach Honolulu hätte er wieder den Zellengang betreten, solange dieser Mister Parker einsaß.

»Naja!« Bolker betrachtete seinen Untergebenen verständnisvoll. »Du siehst ja auch aus wie eine Wasserleiche. Wo hast du gegessen?«

»Zu Hause!« gestand Jimmy beschämt.

»Na also! Da haben wir es ja schon. Ich habe dir immer abgeraten, Jessie zu heiraten. Erinnerst du dich noch?«

»Jawohl, das haben Sie immer getan, Sheriff!« Jimmy stimmte seinem Brötchengeber pflichtschuldigst bei und stahl sich aus der Tür.

*

Zwei Stunden später war der Butler Parker ein freier Mann. Aber er hatte immer noch keinen Kaffee bekommen und sah sich vor die Notwendigkeit gestellt, in diesem elenden Nest Quartier zu nehmen.

»Darf ich fragen, wie Sie Ihren Entschluß begründen, Lieutenant?« fragte Parker den Leiter der Mordkommission von Albany.

»Sehr einfach, Mister Parker. Das Messer im Herzen von Miß Dillinger ist ein typisches Wurfmesser. Der Schwerpunkt liegt vorn gegen die Spitze zu. Sie können es nicht geworfen haben, das Abteil war zu eng dazu.«

»Ich hätte zustoßen können, wenn Sie mir diesen Hinweis erlauben wollen, Sir!«

»Wir entdeckten auf dem Griff keine Fingerabdrücke«, erklärte der Lieutenant mit jenem überlegenen Lächeln, das der Fachmann für den blutigen Laien bereithält. »Sie, Mister Parker trugen keine Handschuhe, wie die Zeugenaussagen übereinstimmend bestätigen. Die Ermordete gehörte auch nicht zu Ihrem Bekanntenkreis, wie wir durch ein Telefongespräch mit Miß Dillingers Eltern bereits feststellten. Damit scheiden Sie vorläufig als Täter aus. Dennoch muß ich Sie ersuchen, sich zu unserer Verfügung zu halten.«

»Wollen Sie damit andeuten, daß Sie mich nicht endgültig als Verdächtigen ausschließen, was jene Tat betrifft, Lieutenant?« erkundigte sich Butler Parker steif.

»In einem Mordfall ist jeder verdächtig. Haben Sie sich noch nie einen Kriminalfilm angesehen?«

»Gelegentlich, wie ich gestehen muß. Doch sind diese Filme meiner bescheidenen Ansicht nach sehr weit von der Wirklichkeit entfernt.«

»Da haben Sie verdammt recht!« Butler Parker war, ohne es zu ahnen, auf eines von Lieutenant Trevers Lieblingsthemen gestoßen. »Mich überfällt das kalte Grauen, wenn ich einen dieser Filmdetektive bei der Arbeit sehe. Diese Leinwandhelden heben doch ohne die geringsten Bedenken eine Mordwaffe mit ihrem Taschentuch auf. Natürlich verwischen sie jeden Print dabei! Sie schnüffeln an Zigarettenkippen und unterscheiden zwei Dutzend Speichelgruppen ...« Trevers faßte sich angewidert an den Kopf. »Völlig wertlos für die praktische Arbeit, das ganze Theater!«

»Ich schicke Ihr Einverständnis voraus, wenn ich mir erlaube. Ihnen zu widersprechen«, meinte Parker liebenswürdig. »Aber Sie werden mir sicher gern in meiner bescheidenen Ansicht beistimmen, daß auch die wissenschaftliche Kleinarbeit im Labor schon in vielen Fällen zur Aufklärung von Verbrechen beigetragen hat. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf den berühmten englischen Pathologen David Price lenken, wenn Sie mir diesen Hinweis gestatten. Auf diesen meinen Landsmann bin ich besonders stolz. Er klärte den Fall Barlow, wie Sie zweifellos wissen.«

»Ich weiß«, sagte der Lieutenant. » Barlo war der Mann, der seine Frau durch eine Insulininjektion tötete.« Plötzlich stieß er pfeifend die Luft durch seine Nasenlöcher, starrte Josuah Parker überrascht an und rückte sich den Hut in den Nacken.

»Verstehen Sie denn was von Kriminalistik, Mister Parker?«

»Diese moderne Wissenschaft ist mir ein liebes Hobby geworden, wenn ich diesen Ausdruck hier benutzen darf«, sagte Parker gemessenen Tons.

»Auch das noch!« stöhnte der Lieutenant und barg verzweifelt sein Gesicht in den Händen. »Herr des Himmelt! Mir bleibt auch nichts erspart! Ein Amateurdetektiv!«

»Ich möchte in aller Höflichkeit, aber auch mit aller Entschiedenheit feststellen, daß mir dieser Status keineswegs zukommt! Ich betreibe diese meine Wissenschaft durchaus ernsthaft und korrespondiere als Experte laufend mit maßgeblichen Persönlichkeiten jener mir ans Herz gewachsenen Fachrichtung. Darf ich die Vermutung auszusprechen wagen, dieser Hinweis könnte Ihnen von Nutzen sein?«

Butler Parker lüftete höflich seine schwarze Melone und verließ das Büro, um darin einen völlig verblüfften Mann zurückzulassen.

*

»’ne halbe Meile, Mister!« sagte der Farmer mit den drei Tage alten Bartstoppeln um sein Kinn. Er trug sie wie ein General seine Orden. Mitleidig sah er von seinem Traktor auf Parkers Gepäck herab. Hätte er geahnt, was die beiden Koffer und die Reisetasche an ausgefeilten Produkten aus Parkers Bastelstube seinem Blick verhüllten, er wäre wahrscheinlich von seinem Sitz gefallen.

Josuah Parker gab dem biederen Mann einen Dollar Trinkgeld, als er durchgerüttelt und durchgeschüttelt an einer Abzweigung das Gefährt verließ. Ein auf alt hergerichtetes Schild verkündete: Forest Lodge – erholen Sie sich in richtiger Waldluft – moderne Fremdenzimmer!

Butler Parker schleppte sein Gepäck ins Haus und trug sich ins Gästebuch ein. Das mit Holz verkleidete Haus strahlte tatsächlich eine gemütliche Atmosphäre aus. Das Zimmer hielt, was das Schild versprochen hatte. Parker hatte nicht erwartet, in dieser Gegend ein sauberes Bett zu finden. Er legte ein selbstverständlich von ihm persönlich geplättetes Nachthemd von ziemlicher Länge auf das Lager. Anschließend schritt er gemessen die Treppe hinab und begab sich in den Restaurationsraum.

Der war zu dieser Stunde noch schwach besetzt. Ein junges, schüchtern wirkendes Mädchen brachte ihm die Speisekarte. Parker studierte sie so konzentriert, daß er glatt die drei Typen übersah, die an einem Tisch in der Ecke ungemein schwierige Probleme zu wälzen schienen. Dabei galten Rick Calk, Mark Lane und David Cullen in ihren Kreisen als durchaus prominent.

Der Butler war jedoch zu sehr damit beschäftigt, das unüberhörbare Knurren in seinem Magen zu beschwichtigen. Er bestellte ein Steak mit Bratkartoffeln und grünem Salat. In ländlichen Gegenden bevorzugte er zur Hauptmahlzeit etwas derbere Kost. Eine liebe Gewohnheit, die ihn an die grünen Weiten Cornwalls erinnerte, als er noch einem wirklichen Herzog von Geblüt vorzulegen die Ehre hatte. Parkers jetziger Herr würde zwar nie jenen Grad von Noblesse erreichen, der seinen Vorstellungen entsprach. Butler Parker verfügte über ein fein abgestuftes Farbempfinden. Ein einziger Tropfen blauen Blutes machte sich ihm so deutlich bemerkbar wie ein Rassepferd in einer Herde Maulesel.

Die unverschämt quietschenden Bremsen eines Autos schreckten ihn aus seinen Gedanken. Neue Gäste polterten lautstark herein. Auch sie schienen nicht sonderlich auf Gesellschaft bedacht zu sein, denn sie wählten den Tisch in der gegenüberliegenden Ecke. Butler Parker bewegte sich also im Mittelfeld. Eine durchaus strategisch günstige Lage, wie sich gleich herausstellen sollte.

Während er noch auf sein Steak wartete, fiel ihm eine gewisse nervöse Spannung auf, die sich zwischen den bereits anwesenden Männern und den Neuankömmlingen breitmachte. Irgend etwas bereitete sich hier vor. Josuah Parker spürte jenes Knistern in der Luft, das ihn stets in einen Zustand freudiger Erwartung versetzte.

Der Butler gestattete es sich niemals, Menschen ungeniert anzustarren. Er klappte sein Notizbuch auf und kritzelte primitiv wirkende Strichmännchen auf die letzte Seite. Dann wandte er das Blatt um und benutzte diskret den Spiegel auf der Innenseite des Umschlags.

Parker schloß aus diversen Anzeichen, daß beide Gruppen einander nicht unbekannt waren. Trotzdem machten sie keine Miene, sich um den Hals zu fallen. Im Gegenteil! Wenn nicht alles täuschte, hielten die unter der Tischplatte verdeckten Fäuste bereits großkalibrige Waffen im Anschlag.

Jeder Laut im Raum verstummte plötzlich. Die Männer stierten sich lediglich feindselig und lauernd an. Im nächsten Augenblick mußte es zu einer Explosion kommen!

Ein anderer als der Butler hätte sich jetzt schleunigst und diskret empfohlen, um aus einer eventuellen Schußlinie herauszukommen. Nicht so Josuah Parker! Er genoß die Situation geradezu. Seine Erfahrung sagte ihm, was passiert war. Die zuerst Angekommenen hatten diese stille Waldhütte gewählt, um eine Konferenz abzuhalten. Allein die hierbei zur Debatte stehenden Themen hätten jedem Außenstehenden einen Schauer über den Rücken gejagt.

Doch läßt sich auch ein Raub nicht planen, wenn’s anderen Bossen nicht gefällt!

Die böse Konkurrenz war drei Mann hoch und mit massiver Feuerkraft angerückt, um mit nachdrücklichen Argumenten die Kompetenzfrage ein für allemal zu klären. Das still gelegene Waldgasthaus schuf in idealer Weise die Voraussetzungen zur Bereinigung gegensätzlicher Standpunkte. Nur mit einem hatte die neidische Konkurrenz nicht rechnen können: mit der Anwesenheit Butler Parkers.