Parker sägt am Nerv des "Paten" - Günter Dönges - E-Book

Parker sägt am Nerv des "Paten" E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Ich denke, Mr. Parker, ich werde gleich etwas ärgerlich werden«, prophezeite Lady Agatha Simpson mit grollender Stimme, »dieser Flegel benimmt sich ja wirklich unmöglich.« »Wenn es erlaubt ist, möchte meine Wenigkeit sich Myladys Beurteilung anschließen«, antwortete Butler Parker in seiner unnachahmlich höflichen Art. Er saß zusammen mit seiner Herrin in einer Nische des Nobel-Restaurants und hatte bereits seit geraumer Zeit den jungen Mann vorn im Restaurant beobachtet. Dieser Gast war eindeutig angetrunken und lärmte mit seinen Freunden ungeniert herum. Er wurde von drei fast gleichaltrigen Männern begleitet, die ebenfalls zuviel Alkohol hatten. Sie legten sich mit den übrigen Gästen an und hatten es vor allen Dingen auf die anwesenden Damen abgesehen. Sie bewarfen sie ungeniert mit flegelhaften Kommentaren und schienen nur darauf zu warten, daß ein männlicher Besucher des Restaurants aufstand, um sie zur Rechenschaft zu ziehen. Um die Provokationen noch zu verstärken, warfen sie mit Oliven aus ihren Getränken um sich und gingen anschließend zu Erbsen über, die sie aus der Gemüsebeilage ihres Essens entnahmen. Sie benutzten die Gabel als Katapulte und entwickelten eine überraschende Treffsicherheit. Einige Gäste waren bereits gegangen, andere trafen Anstalten, diesem Beispiel zu folgen. Die Kellner hatten es längst aufgegeben, die vier jungen Kerle zur Ruhe zu bringen. Der Geschäftsführer hielt sich, wie Josuah Parker feststellte, betont im Hintergrund. Er schien Angst vor diesen vier Gästen zu haben. Lady Agatha und Parker waren durch Zufall in dieses Nobel-Restaurant geraten. Die ältere Dame hatte während der Fahrt durch die Stadt Appetit auf eine kleine Erfrischung verspürt und sich hier eine Fleischpastete bestellt. Nun aber hatte sie jedes Interesse an dieser Köstlichkeit verloren. Sie beobachtete fasziniert die rüden Manieren und wartete nur darauf, ebenfalls provoziert zu werden.

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Butler Parker – 159–

Parker sägt am Nerv des "Paten"

Günter Dönges

»Ich denke, Mr. Parker, ich werde gleich etwas ärgerlich werden«, prophezeite Lady Agatha Simpson mit grollender Stimme, »dieser Flegel benimmt sich ja wirklich unmöglich.«

»Wenn es erlaubt ist, möchte meine Wenigkeit sich Myladys Beurteilung anschließen«, antwortete Butler Parker in seiner unnachahmlich höflichen Art. Er saß zusammen mit seiner Herrin in einer Nische des Nobel-Restaurants und hatte bereits seit geraumer Zeit den jungen Mann vorn im Restaurant beobachtet. Dieser Gast war eindeutig angetrunken und lärmte mit seinen Freunden ungeniert herum. Er wurde von drei fast gleichaltrigen Männern begleitet, die ebenfalls zuviel Alkohol hatten. Sie legten sich mit den übrigen Gästen an und hatten es vor allen Dingen auf die anwesenden Damen abgesehen. Sie bewarfen sie ungeniert mit flegelhaften Kommentaren und schienen nur darauf zu warten, daß ein männlicher Besucher des Restaurants aufstand, um sie zur Rechenschaft zu ziehen. Um die Provokationen noch zu verstärken, warfen sie mit Oliven aus ihren Getränken um sich und gingen anschließend zu Erbsen über, die sie aus der Gemüsebeilage ihres Essens entnahmen. Sie benutzten die Gabel als Katapulte und entwickelten eine überraschende Treffsicherheit.

Einige Gäste waren bereits gegangen, andere trafen Anstalten, diesem Beispiel zu folgen. Die Kellner hatten es längst aufgegeben, die vier jungen Kerle zur Ruhe zu bringen. Der Geschäftsführer hielt sich, wie Josuah Parker feststellte, betont im Hintergrund. Er schien Angst vor diesen vier Gästen zu haben.

Lady Agatha und Parker waren durch Zufall in dieses Nobel-Restaurant geraten. Die ältere Dame hatte während der Fahrt durch die Stadt Appetit auf eine kleine Erfrischung verspürt und sich hier eine Fleischpastete bestellt. Nun aber hatte sie jedes Interesse an dieser Köstlichkeit verloren. Sie beobachtete fasziniert die rüden Manieren und wartete nur darauf, ebenfalls provoziert zu werden.

Sie war eine bemerkenswerte Frau, groß stattlich und füllig. Lady Agatha, Witwe, immens vermögend und mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert, beschäftigte sich in ihrer reich bemessenen Freizeit mit der Aufklärung von Kriminalfällen. Sie hielt sich für eine einmalige Begabung auf diesem Gebiet und nutzte jede sich bietende Gelegenheit, dem Recht zum Sieg zu verhelfen. Sie nutzte allerdings auch jede Möglichkeit, in diverse Fettnäpfchen zu treten, denn sie war eine ungemein streitbare Dame und im weitesten Sinn des Wortes auch schlagfertig.

Sie hatte keine Ahnung, daß ihr Butler stets seine schützende, schwarz behandschuhte Hand über sie hielt und dafür sorgte, daß ihr nichts passierte. Josuah Parker war ein Mann undefinierbaren Alters, etwas über mittelgroß, mit leichtem Anflug von Korpulenz. Als das Urbild eines englischen, hochherrschaftlichen Butlers war er einfach durch nichts zu erschüttern, gleich in welcher Situation er sich befand. Er verlor auch nie nur andeutungsweise etwas von seinen korrekten Manieren und von seiner Würde. Sein Äußeres unterstrich seinen Beruf, den er als Berufung empfand. Parker trug stets einen schwarzen Zweireiher unter dem schwarzen Covercoat, eine Melone und ging nie ohne seinen altväterlich gebundenen Universal-Regenschirm aus. Ein weißer, altmodischer Eckkragen und eine schwarze Krawatte vervollständigten diesen Gesamteindruck.

Normalerweise hätte Parker sich nicht an Myladys Tisch gesetzt, doch in diesem Fall hatte die Sechzigjährige energisch darauf bestanden. So saß der Butler auf der Kante des Stuhles und ahnte wieder mal, daß mit gewissen Unannehmlichkeiten zu rechnen war. Eine Lady Agatha war sicher nicht gewillt, sich lockere und provozierende Flegeleien gefallen zu lassen.

Und da passierte es auch bereits ...

Der Bursche, der die Runde der vier anführte, hatte endlich Lady Agatha entdeckt und witterte ein hübsches Zwischenspiel. Er langte nach einem Sektkorken, holte knapp aus und warf ihn in Richtung Mylady. Sie dachte nicht im Traum daran, den Kopf einzuziehen oder ihn seitlich zu bewegen. Nein, Lady Simpson blieb hoffnungsfroh-erwartungsvoll sitzen und wünschte, getroffen zu werden.

Das war zwar nicht der Fall, doch der Korken segelte dicht an ihrem leicht ausgeprägten Doppelkinn vorüber und klatschte anschließend gegen die Fensterscheibe.

Der Fünfundzwanzigjährige grinste vulgär und fischte mit seiner Gabel nach der Erbseneinlage. Er hatte die Absicht, Mylady mit der Hülsenfrucht zu beglücken und rief seinen drei Begleitern etwas zu, was sich auf das Alter und die Figur von Agatha Simpson bezog. Da er nicht besonders leise sprach, bekam die ältere Dame diese an sich etwas wenig schmeichelhafte Einschätzung Wort für Wort mit.

Sie erhob sich und langte nach ihrem perlenbestickten Handbeutel. Dieser Pompadour, wie ihn die Damen der Gesellschaft um die Jahrhundertwende trugen, enthielt Myladys sogenannten Glücksbringer. Es handelte sich dabei um ein veritables Pferdehufeisen, das nur oberflächlich in Schaumstoff gehüllt war, um die Konturen zu verwischen.

»Sind Sie nicht auch der Meinung, Mr. Parker, daß ich provoziert wurde?« erkundigte sie sieh.

»Dem kann kaum widersprochen werden, Mylady«, lautete Parkers höflichgemessene Antwort. »Mylady planen eine erzieherische Maßnahme?«

»So etwas in dieser Richtung«, erklärte sie. Ihre grauen Augen funkelten bereits vergnügt. Agatha Simpson machte einen ausgesprochen animierten Eindruck, setzte ihre majestätische Fülle in Bewegung und schritt zu dem Tisch, an dem die vier jungen Männer saßen. Die blickten erwartungsvoll und ahnten nicht mal ansatzweise, was da auf sie zukam!

*

Sie benahm sich nicht gerade ausgesprochen damenhaft.

Lady Agatha trat gegen das linke Schienbein des jungen Mannes, der aufheulte wie ein gequälter Steppenwolf. Als er aufsprang, um sich schleunigst in Sicherheit zu bringen, geriet er leichtsinnigerweise in die Reichweite von Myladys rechter Hand.

Agatha Simpson genierte sich nicht und langte herzhaft zu. Sie landete einen Volltreffer, der den Kopf des jungen Flegels förmlich zur Seite riß. Der Bursche geriet aus dem Gleichgewicht und stützte sich mit der linken Hand im noch gefüllten Teller ab. Dabei rutschte seine Handfläche auf der Sauce aus. Er verlor dadurch vollends das Gleichgewicht und legte sich seitlich auf den üppig gedeckten Tisch. Sein Kopf stieß dabei in gefährliche Nähe der Gemüseplatte.

Lady Agatha improvisierte umgehend.

Sie drückte einen Blumenkohl auf das Gesicht des Flegels und garnierte dieses Gemüse mit einer weißen Sauce. Anschließend löffelte sie eine Portion Erbsen auf den zerquetschten Blumenkohl, langte mit der Bratenzange nach gegrillten Tomaten, die sich bisher auf der Gemüseplatte gelangweilt hatten und setzte sie fachgerecht auf die Augen des jungen Mannes, der sich plötzlich erblindet glaubte und gellend aufschrie. Dadurch öffnete er natürlich seinen Mund und regte Lady Agatha zu weiterem Tun an.

Sie warf einen prüfenden Blick auf die reichhaltig bestückte Tafel und entschied sich spontan für einige Artischockenböden. Sie fütterte damit den Flegel, der das Ersticken fürchtete und prompt würgte. Um dies alles abzurunden, griff Agatha Simpson gezielt nach der großen Sauciere und krönte damit ihr Werk. Sie ließ die würzige Bratensauce auf das Kopfhaar niederfließen und trat dann zurück, um sich einen ersten Gesamteindruck zu verschaffen.

Der Flegel schnappte nach Luft und hatte wegen der gegrillten Tomaten den Überblick verloren. Er drückte sich hoch und fuchtelte mit Armen und Händen in der Luft herum. Die drei anderen jungen Männer starrten die energische Dame entgeistert an und waren nicht fähig einen Entschluß zu fassen.

Josuah Parker trat auf sie zu und lüftete höflich seine schwarze Melone, die er nach dem Verlassen des Tisches in der Nische natürlich aufgesetzt hatte.

»Meine Wenigkeit möchte keineswegs aufdringlich erscheinen«, schickte er voraus, »aber es empfiehlt sich, diese an sich gastliche Stätte möglichst umgehend zu verlassen. Es liegt durchaus im Bereich der Möglichkeit, daß Mylady beabsichtigt, sich auch noch mit Ihnen zu befassen.«

Sie weigerten sich einfach das zu glauben, was sie sahen, nämlich eine ältere Dame und einen stilvollen Butler, die sich wie selbstverständlich trauten, ihnen die Stirn zu bieten. Die drei Rowdies schüttelten also ihre Befangenheit ab und formierten sich zu einem massierten Angriff.

»Wenn Sie erlauben, wird man Ihnen eine gewisse Entscheidungshilfe zukommen lassen«, redete Josuah Parker weiter und ... setzte seinen Universal-Regenschirm als Waffe ein. Er benutzte den Bambusgriff, der mit Blei ausgegossen war. Entsprechend nachdrücklich fiel daher auch die angekündigte Entscheidungshilfe aus. Nachdem er die drei jungen Männer mit dem Schirmgriff kurz berührt hatte, gingen sie in die Knie und suchten verzweifelt nach Halt.

Applaus brandete auf.

Die Gäste, die noch geblieben waren, zollten Beifall und blickten fasziniert auf den Butler, der mit dem Griff seines Schirmes einen Servierwagen heranzog und darauf den jungen Flegel verlud. Parker übersah dabei wohl unabsichtlich, daß auf der Platte dieses hübschen Wagens zwei Rechauds standen, die Fleischplatten warmhielten. Der junge Mann landete mit dem Rücken auf dem erhitzten Metall und stieß prompt spitze Schreie aus. Um Myladys Ohren nicht zu beleidigen, versetzte Parker dem Servierwagen einen Stoß, der daraufhin auf gut geölten Rollen davonschnurrte. Nach zweieinhalb Sekunden kollidierte der Servierwagen mit einem ähnlichen Gefährt, das mit diversen Torten besetzt war.

Eine dieser Torten, die auf einem hohen Glasfuß stand, kippte um und legte sich voll auf das Gesicht des jungen Mannes, der die Abkühlung sicher als angenehm empfand. Die spitzen Schreie machten einem wohligen Gebrabbel Platz.

Die drei anderen Männer trabten inzwischen auf weichen Knien hinüber zum Servierwagen, um ihren Star zu bergen. Dann dauerte es nur noch wenige Augenblicke, bis die Viererbande verschwunden war.

Erneuter Applaus war zu vernehmen. Agatha Simpson lächelte beglückt und begab sich dann zurück zu ihrer Nische, gefolgt von Josuah Parker, der ihr höflich den Stuhl zurecht rückte.

»Sie müssen zugeben, Mr. Parker, daß ich sehr beherrscht war«, stellte die passionierte Detektivin fest, nachdem sie wieder Platz genommen hatte.

»Mylady zeichneten sich durch Zurückhaltung aus«, versicherte der Butler in seiner höflichen Art.

»Ich bin eben eine Frau, die sich völlig unter Kontrolle hat«, meinte Lady Agatha und nickte zufrieden, »stellen Sie sich mal vor, ich wäre ernsthaft ärgerlich geworden!«

»Nicht auszudenken, Mylady, wenn man so sagen darf«, entgegnete der Butler, »Mylady fragen sich aber wahrscheinlich bereits, warum der Geschäftsführer es bisher versäumte, klärend und ordnend einzugreifen.«

»Richtig«, schwindelte sie umgehend, »und darum werde ich ihm ein paar Fragen stellen. Rufen Sie ihn umgehend an meinen Tisch, Mr. Parker! Ich werde dieser Sache selbstverständlich auf den Grund gehen.«

*

»Im Namen des Hauses bedaure ich diesen Zwischenfall, Mylady«, versicherte der Geschäftsführer, der etwa fünfzig Jahre zählte. Er trug selbstverständlich einen dunklen Anzug und eine Silberkrawatte. Sein Gesicht zeigte einen noch immer verwirrten Ausdruck.

»Warum, junger Mann, haben Sie nicht umgehend die Polizei verständigt?« forschte die ältere Dame grollend.

»Ich … Ich wollte die Dinge nicht auf die Spitze treiben, Mylady«, antwortete der Mann verlegen.

»Ich glaube kaum, daß ich Ihr Restaurant empfehlen werde«, sagte Agatha Simpson streng, »die Fleischpastetchen waren übrigens erstaunlich klein.«

»Darf ich Ihnen auf Kosten des Hauses noch eine Portion nachservieren lassen?« fragte der Geschäftsführer eifrig und dienerte.

»Nun ja, ich bin nicht gerade nachtragend«, lautete Myladys Antwort, »tun Sie Ihren Gefühlen keinen Zwang an, junger Mann. Ihr Angebot gilt selbstverständlich auch für Mr. Parker, nicht wahr?«

»Selbstverständlich, Mylady.« Der Geschäftsführer schwitzte und katzbuckelte erneut. Er eilte davon und Lady Simpson zwinkerte Butler Parker zu.

»Falls Sie keinen Appetit haben, Mr. Parker, werde ich Ihre Pastetchen übernehmen«, sagte sie lüstern, »sie schmecken wirklich ausgezeichnet.«

»Mylady werden längst erkannt haben, daß der Geschäftsführer sich einer Ausrede bediente.«

»Wie, Sie glauben, daß er nicht auf Kosten des Hauses nachservieren lassen wird?« Sie runzelte leicht verärgert die Stirn.

»Dem Geschäftsführer dürfte es kaum darum gegangen sein, die Dinge auf die Spitze zu treiben.«

»Natürlich nicht, Mr. Parker. Und was vermute ich?«

»Er dürfte aus einem tiefen Gefühl der Angst heraus darauf verzichtet haben, die Polizei zu informieren.«

»Das spürte ich sofort«, behauptete die Detektivin umgehend, »aber sprechen Sie weiter, Mr. Parker. Ich möchte doch hören, ob Sie die richtigen Schlußfolgerungen ziehen können.«

»Der Geschäftsführer dürfte den jungen Flegel, um ihn mal so zu bezeichnen, recht gut kennen.«

»Das liegt doch auf der Hand.« Sie nickte und hatte wieder keine Ahnung, was ihr Butler meinte.

»Entweder scheint es sich um einen Gast zu handeln, der zu Gewalttätigkeiten neigt, Mylady, oder aber um einen jungen Mann, dessen Familie über großen Einfluß verfügt.«

»Beides, Mr. Parker, beides«, sagte sie schnell und nickte bestätigend, »aber sagte ich das nicht bereits?«

»In der Tat, Mylady«, gab Parker zurück, obwohl er nichts gehört hatte, »die drei Begleiter des jungen Gastes erinnerten meine Wenigkeit an gewisse Leibwächter.«

»Nicht wahr?« Sie nickte erneut. »So etwas sieht man doch auf den ersten Blick.«

»Falls meine bescheidene Wenigkeit sich nicht täuschte, Mylady, waren die Schulterhalfter unter den diversen Jacketts zu sehen.«

»Ganz deutlich«, schwindelte die ältere Dame weiter, die natürlich überhaupt nichts gesehen hatte.

»Der Geschäftsführer dürfte genau wissen, wer dieser junge Gast gewesen ist«, meinte der Butler.

»Ich werde den Lümmel noch mal ins Gebet nehmen«, sagte Agatha Simpson grollend, »und dann werde ich mich nicht noch mal von Pastetchen ablenken lassen, Mr. Parker.«

»Wenn es erlaubt ist, wird meine Wenigkeit gewisse Erkundigungen beim Personal einholen«, versprach Josuah Parker und erhob sich, »übrigens, Mylady, die Pasteten werden gebracht, wenn man darauf hinweisen darf.«

»Nun gut, forschen Sie ein wenig nach«, sagte die Detektivin und nickte huldvoll, »sobald ich diese Kleinigkeit gegessen habe, komme ich nach. Bis später, Mr. Parker!«

Sie blickte lüstern auf die Köstlichkeiten, die ihr vorgelegt wurden und vergaß für einen Moment, was sich eben erst zugetragen hatte. Josuah Parker schritt inzwischen durch das Restaurant hinüber zu den Wirtschaftsräumen. Er hatte sie noch nicht ganz erreicht, als er erstickte Schreie hörte, die mit dem allgemeinen Küchenbetrieb mit Sicherheit nichts zu tun hatten.

*

Der junge Mann stand vor dem am Boden liegenden Geschäftsführer und bearbeitete den Stöhnenden mit der Spitze seines rechten Schuhs. Er trat brutal zu und stieß dabei vulgäre Verwünschungen aus.

Die drei jungen Begleiter hatten sich neben dem Schreibtisch aufgebaut und schienen überhaupt nichts von diesem Akt der Brutalität mitzubekommen. Einer von ihnen polierte seine Fingernägel am Unterärmel seines Jacketts, der zweite blätterte gelangweilt in einer Zeitung, die auf dem Schreibtisch lag, der dritte Begleiter stand vor einem Wandkalender und betrachtete das Foto einer Berglandschaft.

»Du Drecksstück riskierst es nochmal, meinen Alten anzurufen«, stieß der Rädelsführer vor dem nächsten Fußtritt hervor, »dir werd’ ich beibringen, die Schnauze zu halten!«

Josuah Parker hatte seinen altväterlich gebundenen Regenschirm durch einen schnellen Ruck seines angewinkelten linken Unterarmes steil in die Luft geworfen und griff mit der schwarz behandschuhten Rechten nach dem unteren Teil des Schirmstockes. Mit dem bleigefüllten Bambusgriff des Schirmes langte er nach dem rechten Fuß des jungen Mannes, der noch mal mit voller Wucht zutreten wollte. Dann erfolgte ein kurzer Ruck, und der Erfaßte verlor das Gleichgewicht und klatschte neben dem am Boden liegenden Geschäftsführer auf den Teppich.

Die drei Begleiter bekamen viel zu spät mit, was sich da gerade ereignet hatte. Als sie reagieren wollten, hatten sie bereits keine Chance mehr. Der Butler erwies sich als ungemein erfahrener Kendo-Kämpfer. Mit seinem Regenschirm setzte er die drei jungen Männer innerhalb weniger Sekunden völlig außer Gefecht. Sie kamen nicht mehr dazu, nach ihren Waffen zu greifen. Parker, der seinen Schirm inzwischen waagerecht in beiden Händen hielt, trieb die Begleiter in einem tollen Furioso von Stichen und Schlägen durch das Büro und benutzte dann den bleigefütterten Bambusgriff als Einschlafmittel.

Der junge Kerl hatte sich aufgerichtet und blickte in einer Mischung aus Angst und Unglauben auf seine drei Begleiter, die vor einer einfachen Sitzgruppe am Boden lagen. Dann stemmte er sich hoch, langte in die linke Innentasche seines Jacketts und zog blitzschnell ein Messer hervor, dessen Klinge er aufspringen ließ.

»Sie werden sich mit Sicherheit überschätzen«, sagte Josuah Parker, der einen völlig gelassenen und würdevollen Eindruck machte. Das Messer schien er überhaupt nicht zu sehen.

»Du verdammtes Miststück«, stieß der junge Mann hervor, »dir werd’ ich Manieren beibringen ...«

»Sollten Sie möglicherweise nicht zuerst bei sich selbst beginnen?«

»Du kommst mir schon wieder in die Quere«, redete der junge Mann wütend weiter, »das kannst du mit einem Jerry Mandell nicht machen.«

»Sollte oder müßte man Sie kennen?« fragte der Butler.

»Du wirst mich gleich kennenlernen, alter Bock«, brauste der Erregte auf.

»Ihre Manieren sind in der Tat beklagenswert«, urteilte Josuah Parker, »und in diesem Zusammenhang sollten Sie keineswegs mit Schneid waren jedweder Art auch nur andeutungsweise spielen.«

Jerry Mandell, wie er sich genannt hatte, war eindeutig angetrunken. Er schwankte auf der Stelle, hatte Mühe, Parker zu beobachten und dessen Satz in sich aufzunehmen. Dann aber fluchte er und warf sich mit dem Messer auf den Butler.

Es kostete Parker überhaupt keine Mühe, dem jungen Mann das Messer aus der Hand zu schlagen. Dabei trat er geschickt zur Seite und ließ Jerry Mandell ins Leere laufen. Der junge Mann verlor dabei das Gleichgewicht und landete auf dem kleinen Beistelltisch an der Wand, der unter dieser Last in sich zusammenbrach.

Parker kümmerte sich um den Geschäftsführer, der verhalten stöhnte. Als der Butler sich zu ihm hinunterbeugte, kroch Jerry Mandell aus den Trümmern des Tischchens und stellte sich mühsam auf die Beine. Dann steuerte er mit starrem Blick auf die Tür zum Büro zu. Er schien Butler Parker vergessen zu haben. Dabei trat Jerry Mandell auf das am Boden liegende Messer und blieb stehen. Er bückte sich, hob es auf und wog es unsicher in seiner Rechten.

»Falls Sie die Absicht hegen sollten, das Messer auf meine Wenigkeit zu schleudern, Mr. Mandell, so sollten Sie sich dies nachdrücklich überlegen«, meinte Parker und richtete sich auf. Er rechnete mit einem weiteren Angriff.

Dieser junge Mann war völlig von Sinnen.