Parker schnappt den Erbsenzähler - Günter Dönges - E-Book

Parker schnappt den Erbsenzähler E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Geht meine Wenigkeit möglicherweise recht in der Annahme, daß Sie das suchen, was man gemeinhin Händel zu nennen pflegt?« erkundigte sich Josuah Parker höflich und musterte den jungen, muskelstarken Mann, der ihn bereits zum zweiten Mal absichtlich gerempelt hatte. »Schnauze, Mann«, fuhr ihn der Angesprochene gereizt an. »Hau' endlich ab mit deinem Schrottkarren.« »Wie Ihnen nicht entgangen sein dürfte, bemüht man sich bereits meinerseits den Parkplatz zu räumen«, versicherte der Butler. Parker stand neben seinem hochbeinigen Wagen, der einst als Taxi am Londoner Straßenverkehr teilgenommen hatte. Sein Privatwagen sah zwar ungemein betagt aus, doch dieser Eindruck täuschte. Unter dem eckigen Aufbau befand sich modernste Technik, allein der Motor hätte jedem Rennwagen zur Ehre gereicht. »Wird's endlich, oder sollen wir dir Beine machen?« fauchte der junge Mann den Butler an. Parkers Wagen stand vorschriftsmäßig zwischen zwei Begrenzungslinien, wie es sich gehörte. Die beiden Männer hingegen hatten ihren Jaguar bis dicht an die hintere Stoßstange von Parkers Wagen gestellt und waren später dann von einem anderen Auto eingekeilt worden. Nun kamen sie mit ihrer teuren Limousine nicht heraus und waren wütend und ungeduldig. »Sie sollten zur Kenntnis nehmen, daß mir Ihr Ton keineswegs gefällt«, ließ der Butler sich vernehmen. Er war etwas über mittelgroß, fast schlank und entsprach, was die Kleidung betraf, dem Urbild eines hochherrschaftlichen Butlers. Über seinem schwarzen Zweireiher trug er einen Covercoat, auf dem Kopf saß die gewohnte Melone. Parker strahlte Würde und Distanz aus.

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Butler Parker – 195 –

Parker schnappt den Erbsenzähler

Günter Dönges

Josuah Parker hatte gerade einige ausgesuchte Teesorten in einem Spezialgeschäft in der City von London eingekauft und schritt würdevoll und gemessen zu seinem hochbeinigen Monstrum, das auf einem kleinen, nur den Kunden des Teehauses vorbehaltenen Parkplatz stand. Der Butler hatte mit Sorgfalt gewählt und einige kleine Proben genommen. Er freute sich, Lady Simpson in spätestens einer Stunde mit einem gerade eingeflogenen Tee verwöhnen zu können. Und er dachte mit Sicherheit nicht an eine Begegnung mit Gaunern oder Gangstern.

Zur Zeit gab es keinen Fall. Die kriminelle Szene schien eine Verschnaufpause eingelegt zu haben. Wahrscheinlich hing dies mit einem Prozeß zusammen, der vor dem höchsten Gericht verhandelt werden sollte, von dem Parker aber nur aus Zeitungsberichten wußte. Er hatte seinen Privatwagen noch nicht ganz erreicht, als ein etwa fünfundvierzigjähriger Mann aus einem Bentley stieg und sich den Hut zurechtrückte. Als er dann die rechte Hand vom Hutrand wieder herunternahm, zückte der seriös aussehende Mann plötzlich eine Automatic, die mit einem Schalldämpfer versehen war. Parker blieb höflich-abwartend stehen, zumal der Lauf auf ihn gerichtet war.

»Muß man davon ausgehen, daß Sie auf meine Wenigkeit gewartet haben?« fragte Parker.

»Muß man«, bestätigte der Mann und lächelte dünn, »und das ist kein Scherz, Parker ...«

»Da Sie meinen Namen kennen, dürfte eine Verwechslung ausgeschlossen sein.«

»Ich bin nicht allein. Rechts hinter Ihnen steht mein Partner. Nein, nicht umdrehen, ich könnte das verdammt mißverstehen!«

»Ihr Wunsch ist mir verständlicherweise Befehl«, antwortete Josuah Parker. »Darf man erfahren, wie es weitergehen soll? Sie haben in dieser Hinsicht sicher konkrete Vorstellungen.«

»Bis in die letzte Kleinigkeit, Parker«, warnte der Fünfundvierzigjährige und lächelte erneut dünn. »Kommen Sie, steigen Sie ein! Wir haben ’ne kleine Rundfahrt vor uns.«

»Hegen Sie möglicherweise die Absicht, meine bescheidene Person in das sogenannte Jenseits zu spedieren?«

»Warten Sie’s doch ab. Vielleicht kommen Sie auch mit blauen Augen davon.«

»Bevorzugen Sie meinen Wagen, wenn man fragen darf?«

»Wir nehmen den Bentley«, entschied der Mann, der seine Waffe in die Schulterhalfter zurückgesteckt hatte. Parker hütete sich nach wie vor, eine falsche Bewegung zu machen. Er hatte längst erkannt, daß er es mit einem Mann zu tun hatte, den man nicht ohne weiteres überlisten konnte. Parker ging also vorsichtig zu dem Bentley, in dessen Fond jetzt plötzlich ein zweiter Mann zu sehen war. Er schien sich die ganze Zeit über flach auf das Sitzpolster gelegt zu haben.

Dieser zweite Mann öffnete die hintere Wagentür und überwachte das Einsteigen des Butlers, der behutsam Platz nahm. Der Fünfundvierzigjährige setzte sich ans Steuer und verließ dann langsam den kleinen Parkplatz. Bei dieser Gelegenheit entdeckte Parker den Mann, der schräg hinter ihm Posten bezogen hatte. Dieser Mann saß in einem kleinen Toyota und blieb anschließend dicht hinter dem Bentley.

»Hatte man in der Vergangenheit vielleicht bereits das Vergnügen?« erkundigte sich der Butler nach einer Weile.

»Bestimmt nicht, Parker, wir sind neu in der Stadt.« Der Fahrer des Bentley warf einen schnellen Blick in den Rückspiegel. »Und ob Sie später noch von ’nem Vergnügen sprechen werden, steht auf ’nem anderen Blatt.«

»Meine Bemerkung war selbstverständlich nur als Floskel zu verstehen«, äußerte Josuah Parker. Er war schon allein vom Aussehen her das Urbild eines hochherrschaftlichen Butlers, den nichts zu erschüttern vermochte.

Parker trug an diesem frühen Nachmittag einen schwarzen Zweireiher, einen weißen Eckkragen und einen schwarzen Binder. Auf dem Kopf saß eine schwarze Melone. Zwischen den Knien hielt er seinen altväterlich gebundenen Regenschirm. Das Päckchen mit den Teesorten lag neben ihm auf dem Polster.

Sein Mitfahrer ließ ihn nicht aus den Augen. Er hielt einen kurzläufigen Revolver ohne Schalldämpfer in der Hand und drückte den Lauf gegen Parkers Seite.

»Wollen Sie gar nicht wissen, wer Sie sprechen will?« fragte der Fahrer nach einer Weile.

»Meine Wenigkeit möchte Sie keineswegs inkommodieren«, lautete Parkers umgehende Antwort.

»Mann, Sie haben vielleicht ’ne komische Sprache drauf«, amüsierte sich der Fahrer. »Sie reden wie ein Film-Butler.«

»Das ist eine Frage der Erziehung und Gewohnheit, wenn man es mal so ausdrücken darf«, gab Josuah Parker zurück. »Eine gepflegte Ausdrucksweise erleichtert die Kommunikation, wie die Erfahrung lehrt.«

»Mal sehen, ob Sie das durchhalten, Parker«, reagierte der Fünfundvierzigjährige skeptisch. »Man hat uns gesagt, daß Sie sowas wie’n Wunderknabe sind. Ich laß mich überraschen, aber ich sag Ihnen gleich, bei mir ist bisher noch jeder weich wie ’ne faule Birne geworden. Ich habe da so meine Methoden.«

*

Nicht weit entfernt von den weltbekannten Tennisplätzen in Wimbledon ließ der Fahrer den Bentley auf ein Grundstück rollen, das zur Straße hin von einer übermannshohen, dichten Taxushecke abgeschlossen wurde. Hinter hohen Sträuchern lag ein kleines Haus, das eigentlich nur aus Anbauten bestand. Man schien immer wieder ein weiteres Zimmer angefügt zu haben, ohne jede erkennbare Regel.

Dieses seltsame Haus machte einen unbewohnten Eindruck, doch als der Bentley vor dem Eingang stoppte, wurde die Tür geöffnet. Zwei weitere Männer tauchten auf und zeigten ungeniert ihre Schußwaffen.

Parker verließ den Wagen und entdeckte den kleinen Toyota, der gerade von der Straße einbog. Der Butler fürchtete vorerst nicht um sein Leben. Man hätte ihn auf dem Parkplatz in der City ohne weiteres niederschießen können. Da man aber darauf verzichtet hatte, schien es hier um andere Dinge zu gehen. Um sie herauszufinden, hatte Parker bisher auf jede Gegenwehr verzichtet.

Gemessen und würdevoll betrat er das Haus, flankiert von den beiden Männern, die ihn am Eingang erwartet hatten. Er ließ sich durch eine geräumige Diele in einen Wohnraum bringen, der mehr als spärlich möbliert war. Es gab da nur einige alte, sehr mitgenommen aussehende Sessel, einen Schrank und einen Couchtisch, auf dem jede Menge Bierdosen standen.

»Setzen Sie sich, Parker«, sagte der Fünfundvierzigjährige. »Tanken Sie noch etwas Energie auf. Sie werden sie brauchen.«

Josuah Parker setzte sich. Dabei legte er den altväterlich gebundenen Universal-Regenschirm quer über die Knie. Er hatte seinen Zweireiher beiläufig aufgeknöpft und zeigte seine Weste, in deren Taschen erstaunlich viele Kugelschreiber zu sehen waren. Die Gangster aber hatten erfreulicherweise keinen Blick dafür. Der Fünfundvierzigjährige hatte sich eine Zigarette angezündet und warf nun einen Blick auf seine Armbanduhr.

»Sie erwarten Besuch, wie zu vermuten ist?« erkundigte sich der Butler höflich.

»Überlegen Sie sich inzwischen schon mal, wo Sie ein paar Disketten versteckt haben«, erwiderte der Mann.

»Disketten?« wiederholte Parker. »Darf man erfahren, was der normale Mensch sich darunter vorzustellen hat?«

»Mann, ziehen Sie hier bloß keine Show ab«, fuhr ihn der Mann an. »Natürlich wissen Sie verdammt genau, was Disketten sind, oder?«

»Sie sehen einen alten, müden und relativ verbrauchten Mann vor sich, für den die moderne Technik nicht mehr nachvollziehbar ist«, antwortete der Butler.

»Wenn man Sie so sieht, Parker, glaubt man’s sogar«, redete der Fünfundvierzigjährige weiter. »Disketten sind so ’ne Art Schallplatten, die man mit Informationen vollstopfen kann. Diese Dinger sind noch kleiner als Compact-Discs, klar?«

»Es handelt sich also um Speichereinheiten in Form kleiner, schallplattenähnlicher Scheiben?«

»Kapiert, Parker. Und die Dinger werden Sie ja erst vor ein paar Tagen in Händen gehabt haben, oder?«

»Sie erlauben, daß ich meiner Irritation Ausdruck verleihe?«

»Uns machen Sie nichts vor, Parker, Sie haben einige von diesen Dingern an Land gezogen. Und die wollen wir zurückhaben. So einfach ist das.«

»Könnte man Sie möglicherweise mit einer falschen Information bedient haben, was meine Wenigkeit betrifft?«

»Warten Sie, bis der Boß kommt, Parker, dann reden wir weiter und werden uns ... Aha, er rauscht an. Gleich wird Ihr Gedächtnis wieder voll funktionieren. Wetten?«

Parker hörte durch das Fenster das Knirschen von Kies, der von Autoreifen gedrückt wird. Die beiden Türwächter verließen den Wohnraum, um dem Neuankömmling zu offenen. Der Toyota-Fahrer baute sich an der Tür zur Diele auf, während der Fünfundvierzigjährige und sein Partner sich kühl gaben, was allerdings gespielt war, wie Parker sofort erkannte.

Um die allgemeine Entwicklung nicht außer Kontrolle geraten zu lassen, gab Josuah Parker seine bisher geübte Reserve auf. Er drückte mit dem rechten Zeigefinger seiner schwarz behandschuhten Hand auf einen Knopf, der oben am Schaft des Schirmes versteckt angebracht war. Daraufhin entwich komprimierte Kohlensäure aus einer kleinen Stahlpatrone und trieb einen stricknadellangen Pfeil durch den hohlen Schirmstock ins Freie. Die Spitze des Schirmes enthielt diesen kurz gefiederten Pfeil, der fast unhörbar durch die Luft jagte und kurz danach zielsicher in der rechten Brust des Fünfundvierzigjährigen landete.

Das Resultat war beeindruckend.

Der Getroffene zuckte zusammen, blickte auf die leicht schmerzende Stelle und zog ein angewidertes Gesicht. Der Mann öffnete den Mund, um einen Schrei auszustoßen, doch die Stimme hatte ihm den Dienst gekündigt. Der Mann schnappte verzweifelt nach Luft und bekam einen roten Kopf.

Der Mann, der im Bentley neben Parker Platz genommen und ihn mit dem kurzläufigen Revolver bedroht hatte, war natürlich aufmerksam geworden und ließ sich ablenken.

»Was is’, Ben?« fragte er und übersah dabei, daß Parker nach seiner konventionellen Kopfbedeckung griff. Bevor er sich dann wieder dem Butler zuwenden konnte, war es bereits geschehen.

*

Die schwarze Melone hatte sich in eine Frisbee-Scheibe verwandelt und schwirrte auf den Verdutzten zu, der unwillkürlich den Kopf zurücknahm, dennoch aber voll erwischt wurde. Der Rand der Melone traf haargenau die Nasenwurzel des Mannes, der nun ebenfalls nach Luft schnappte und sich zu diesem Zwischenfall äußern wollte, es jedoch nicht schaffte.

Der Toyota-Fahrer war herumgefahren und blickte zuerst mal leicht fassungslos auf seinen Partner, der auf dem Boden lag. Als er sich nun Parker widmen wollte, wurde er von einer noch vollen Bierdose besucht, die der Butler ihm zugedacht hatte. Das Wurfgeschoß setzte sich wuchtig und kraftvoll auf seine Stirn, worauf der Toyota-Fahrer eine Art Grunzlaut produzierte und am Türrahmen entlang nach unten zu Boden rutschte.

Josuah Parker sammelte diverse Waffen ein und kümmerte sich dann um den Fünfundvierzigjährigen, der mit Vornamen also Ben hieß.

»Wen erwarten Sie?« erkundigte sich der Butler.

»Wen wohl? Chris Alpton natürlich«, lautete die Antwort.

»Und Sie sind?«

»Ben Cattly, wer sonst?«

Parker hätte gern noch weitere Fragen gestellt, doch er hörte bereits Stimmen, Gelächter und Schritte. Der Besucher war im Kommen und mußte jeden Augenblick vorn in der Diele erscheinen. Parker nahm einen seiner Patent-Kugelschreiber und verdrehte beide Hälften gegeneinander. Dann warf er dieses seltsame Schreibgerät in die Diele und begab sich würdevoll zurück in den Wohnraum. Er wollte jetzt so schnell wie möglich zu seiner Herrin, um endlich den Tee aufzubrühen. Es war Tea-Time, und er wollte diese geheiligte Tradition keineswegs leichtfertig durchbrechen.

*

Lady Agatha Simpson war eine imposante Erscheinung, groß, füllig und von unbestimmbarem Alter. Sicher war nur, daß sie das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte. Sie war mit dem Blut- und Geldadel des Landes eng verschwistert und verschwägert, immens vermögend und konnte sich jede erdenkbare Skurrilität leisten.

Parker hatte den Tee serviert. Sie kostete und nickte zweifelnd.

»Nicht schlecht«, urteilte sie dann, »aber auch nicht gerade umwerfend, Mister Parker.«

»Ein Spitzentee der neuen Ernte aus dem Himalaya, Mylady.«

»Er erinnert mich etwas an Heu«, mäkelte sie weiter. »Aber vielleicht haben Sie den Tee nicht richtig zubereitet, Mister Parker.«

»Meine Wenigkeit stand möglicherweise noch unter dem Eindruck eines Geschehens, Mylady, das man nur als erstaunlich bezeichnen kann«, gab der Butler zurück, der sich grundsätzlich durch nichts erschüttern ließ. Er kannte die Rechthaberei seiner Herrin nur zu gut.

»Ein erstaunliches Geschehen?« Agatha Simpson stellte die Teetasse ab und beugte sich vor. Sie saß in der großen Wohnhalle ihres altehrwürdigen Hauses in Shepherd’s Market und trug ein wallendes Hausgewand. Parker goß etwas Tee nach und berichtete dann von seinem Erlebnis.

»Und das erfahre ich erst jetzt?« grollte sie, nachdem der Butler geendet hatte. »Wer ist dieses Subjekt, das Sie gerade erwähnt haben?«

»Man dürfte meine Wenigkeit im Auftrag des genannten Mister Chris Alpton entführt haben, Mylady.«

»Kenne ich diesen Gangster?«

»Zu einem Kontakt mit Mister Chris Alpton ist es bisher nicht gekommen, Mylady. Nach meinem momentanen Kenntnisstand beschäftigt er sich mit illegaler Buchmacherei.«

»Und er vermutet Schallplatten bei Ihnen, Mister Parker?« Sie schüttelte unwillig den Kopf.

»Disketten, Mylady, um genau zu sein. Man scheint von der Annahme auszugehen, daß meine Wenigkeit sich im Besitz von Speichereinheiten befindet.«

»Wie auch immer, Mister Parker, keine Details.« Sie winkte ungnädig ab.« Ich werde mich dieser Sache selbstverständlich umgehend annehmen. Ich kann es nicht zulassen, daß man Sie so einfach entführt. Wie leicht hätte Ihnen da etwas passieren können. Nicht auszudenken! Man hat doch schließlich so etwas wie eine Fürsorgepflicht...«

»Aus taktischen Gründen hielt meine Wenigkeit es für opportun, das sogenannte Weite zu suchen«, erklärte der Butler seine Absetzbewegung.

»Nun gut, ich werde Ihnen nichts nachtragen«, sagte sie danach. »Sie müssen eben noch viel lernen, Mister Parker.«

»Meine Wenigkeit wird stets ein dankbarer und aufmerksamer Schüler sein und bleiben, Mylady.«

»Wie werde ich also vorgehen?« Sie freute sich eindeutig auf einen neuen Kriminalfall. »Treffen Sie alle erforderlichen Vorbereitungen, Mister Parker.«

»Geht meine Wenigkeit recht in der Annahme, daß Mylady beabsichtigen, Mister Chris Alpton zu besuchen?«

»Genau das ist es, Mister Parker.« Sie nickte wohlwollend. »Ich werde diesem Subjekt einige unangenehme Fragen stellen. Aber jetzt unter uns, Mister Parker: Sie besitzen diese Schallplatten, nicht wahr?«

»Diese Frage muß eindeutig verneint werden, Mylady.«

»Wie kommt es dann zu dieser verrückten Annahme?«

»Man dürfte Mister Chris Alpton mit Sicherheit falsch informiert haben, Mylady. Um eine Verwechslung meiner Wenigkeit kann es sich unmöglich handeln, denn der getriebene Aufwand, sich meiner Person zu versichern, war dafür einfach zu groß.«

»Absichtlich falsch informiert, Mister Parker?« Agatha Simpson runzelte die Stirn. »Und was schließe ich daraus?«

»Man könnte vielleicht unterstellen, Mylady, daß man Mister Chris Alpton als den verlängerten Arm eines Interessenten benutzen möchte, der Mylady und meiner Wenigkeit Schaden zufügen soll.«

»Richtig«, gab sie zurück. »Genau das wollte ich gerade sagen, Mister Parker. Ich hatte das sofort durchschaut. Nun, ich denke, in einer Viertelstunde bin ich umgekleidet. Ich rechne mit ein paar recht hübschen Stunden.«

Josuah Parker sah das alles weniger unter dem Gesichtspunkt des Zeitvertreibs, doch er hütete sich, das auch nur andeutungsweise zu sagen. Er rechnete mit Überraschungen, die durchaus tödlich enden konnten.

*

Parkers Privatwagen war ein ehemaliges Taxi, wie man es von der Bauart her kaum noch im Straßenverkehr bestaunen konnte. Im Grund gehörte der hochbeinige, eckige Wagen längst in ein Museum für Oldtimer, doch der äußere Eindruck täuschte ungemein.

Es handelte sich bei diesem hochbeinigen Monstrum, wie es von Freund und Feind bezeichnet wurde, um eine raffinierte Trickkiste auf Rädern. Parker hatte den Wagen nach seinen eigenwilligen Vorstellungen technisch völlig umbauen lassen.

Er verfügte über einen Motor, nach dem sich jeder Rennwagen gesehnt hätte. Das Fahrwerk war entsprechend neu konzipiert worden und jeder Lage gewachsen. Hinzu kam eine Fülle von Tricks, die der Butler je nach Bedarf anwenden konnte.

Lady Agatha saß im Fond dieses Gefährts und überprüfte sicherheitshalber den Inhalt ihres Pompadours. Dieser perlenbestickte Handbeutel stammte aus der Zeit der Jahrhundertwende, als die Damen der Gesellschaft in solchen Schnürtäschchen Toilettenartikel zu verwahren pflegten.

In diesem Pompadour aber befand sich ein Hufeisen, das von einem stämmigen Brauereipferd stammte. Aus Gründen der Humanität hatte die passionierte Detektivin etwas dünnen Schaumstoff um dieses Requisit geschlagen. In Lady Simpsons Hand war dieser Pompadour eine wirksame Nahkampfwaffe, zumal die Perlen kleine, bunt emaillierte Eisenkugeln waren.

Sie blickte wiederholt nach hinten durch die Windschutzscheibe des Wagens und hoffte auf Verfolger.

»Sie sprachen eben von illegaler Buchmacherei, Mister Parker«, schickte sie voraus. »Was stelle ich mir speziell darunter vor?«

»Man schließt Wetten unter Umgehung der staatlichen Konzessionäre ab, Mylady«, lautete die Antwort des Butlers. »Und man kreditiert großzügig Wetten zu horrenden Zinssätzen. Falls man die geliehenen Beträge aber nicht überpünktlich zurückzahlt, haben die Schuldner mit brutalen Eintreibungen zu rechnen.«

»Das dachte ich mir.« Sie nickte. »Und dieses Subjekt, zu dem ich jetzt fahre, kontrolliert diese Buchmacher?«

»Mister Chris Alpton gilt als der Kopf der Buchmacher, Mylady.«

»Rechnet er nicht mit meinem Kommen?«

»Davon sollten Mylady ausgehen, auch wenn nicht erwiesen ist, daß Mister Ben Cattly sich daran erinnert, den Namen Alpton erwähnt zu haben.«

»Benn Cattly, Mister Parker?« Sie konnte sich einfach keine Namen merken.

»Der Fünfundvierzigjährige, Mylady, der meine Wenigkeit nötigte, mit ihm nach Wimbledon zu fahren.«

»Ich weiß«, wehrte sie ungnädig ab, »ich habe alle Details fest im Kopf. Werde ich übrigens endlich verfolgt?«

»Nach Lage der Dinge ist davon noch nichts zu bemerken, Mylady.«