Parker spielt mit scharfen Bällen - Günter Dönges - E-Book

Parker spielt mit scharfen Bällen E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Ich glaube, Mr. Parker, daß ich zutiefst empört bin«, stellte Lady Agatha Simpson mit grollender Stimme fest und bremste jäh ihre majestätische Fülle, »in welcher Zeit leben wir eigentlich?« »Bestehen Mylady auf einer präzisen Antwort, was das genaue Datum betrifft?« erkundigte sich Josuah Parker in gewohnt höflicher Weise. Er war ein etwas über mittelgroßer Mann undefinierbaren Alters, der in Sprache und Aussehen den Prototyp eines englischen hochherrschaftlichen Butlers darstellte. Er und die Lady hatten gerade ein Geschäft für feine Porzellanwaren verlassen und strebten einem nahen Parkplatz zu. Agatha Simpson ging auf die Frage ihres Butlers nicht ein und musterte einige Mädchen und Jungen, die freigebig ihr mit Sicherheit nicht geringes Taschengeld unter das Volk streuten. Es handelte sich um Pfundnoten, deren Wert sie nicht recht einzuschätzen wußten. Die minderjährigen Kinder benutzten die Pfundnoten als Baumaterial für ihre Papierschiffchen, die sie im Rinnstein fahren ließen. »Zu meiner Zeit haben wir von solchem Taschengeld nur geträumt«, stellte Lady Agatha fest. Sie war eine hochgewachsene, füllige und majestätisch aussehende Dame, die das sechzigste Lebensjahr mit Sicherheit überschritten hatte. Dennoch machte sie einen sehr dynamischen Eindruck, dem man sich nicht entziehen konnte. Sie blickte konsterniert auf die wertvollen Papierschiffchen, die im angeschwollenen Wasser des Rinnsteins lustig davontrieben. Die Mädchen und Jungen, die im Schnitt vielleicht sechs Jahre alt waren, amüsierten sich und machten eifrig Gebrauch von dem bedruckten Papier, das sie bündelweise in ihren Händen hielten. »Was für eine Verschwendung«, seufzte die ältere Dame, die für ihre ausgeprägte Sparsamkeit berüchtigt war. Sie hatte längst mitbekommen, daß einige Passanten sich für die kleinen Papierschiffchen lebhaft interessierten, sich bückten und sie aus dem schmutzigen Wasser nahmen. Lady Agatha kämpfte einen wilden, entschlossenen Kampf mit sich und siegte souverän.

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Leseprobe: Ball der glücklichen Herzen

»Ich glaube, Mr. Parker, daß ich zutiefst empört bin«, stellte Lady Agatha Simpson mit grollender Stimme fest und bremste jäh ihre majestätische Fülle, »in welcher Zeit leben wir eigentlich?«

»Bestehen Mylady auf einer präzisen Antwort, was das genaue Datum betrifft?« erkundigte sich Josuah Parker in gewohnt höflicher Weise.

Er war ein etwas über mittelgroßer Mann undefinierbaren Alters, der in Sprache und Aussehen den Prototyp eines englischen hochherrschaftlichen Butlers darstellte.

Er und die Lady hatten gerade ein Geschäft für feine Porzellanwaren verlassen und strebten einem nahen Parkplatz zu. Agatha Simpson ging auf die Frage ihres Butlers nicht ein und musterte einige Mädchen und Jungen, die freigebig ihr mit Sicherheit nicht geringes Taschengeld unter das Volk streuten.

Es handelte sich um Pfundnoten, deren Wert sie nicht recht einzuschätzen wußten. Die minderjährigen Kinder benutzten die Pfundnoten als Baumaterial für ihre Papierschiffchen, die sie im Rinnstein fahren ließen.

»Zu meiner Zeit haben wir von solchem Taschengeld nur geträumt«, stellte Lady Agatha fest. Sie war eine hochgewachsene, füllige und majestätisch aussehende Dame, die das sechzigste Lebensjahr mit Sicherheit überschritten hatte. Dennoch machte sie einen sehr dynamischen Eindruck, dem man sich nicht entziehen konnte.

Sie blickte konsterniert auf die wertvollen Papierschiffchen, die im angeschwollenen Wasser des Rinnsteins lustig davontrieben. Die Mädchen und Jungen, die im Schnitt vielleicht sechs Jahre alt waren, amüsierten sich und machten eifrig Gebrauch von dem bedruckten Papier, das sie bündelweise in ihren Händen hielten.

»Was für eine Verschwendung«, seufzte die ältere Dame, die für ihre ausgeprägte Sparsamkeit berüchtigt war. Sie hatte längst mitbekommen, daß einige Passanten sich für die kleinen Papierschiffchen lebhaft interessierten, sich bückten und sie aus dem schmutzigen Wasser nahmen. Lady Agatha kämpfte einen wilden, entschlossenen Kampf mit sich und siegte souverän. Sie hatte plötzlich Ärger mit ihrem rechten Schuhband und bückte sich unvermittelt. Sie nestelte daran herum und wartete darauf, daß die nächsten Papierschiffchen ihr entgegentrieben. Als das der Fall war, langte die sparsame Dame blitzschnell zu und barg drei Banknotenschiffchen im Wert zwischen fünf und zwanzig Pfund.

Worauf Butler Parker sich diskret räusperte.

»Legen Mylady Wert darauf, daß meine Wenigkeit sich den Rettungsmaßnahmen anschließt?« erkundigte er sich, als seine Herrin sich aufrichtete und die Banknoten glättete.

»Selbstverständlich habe ich vor, sie den lieben Kleinen zurückzugeben«, raunzte sie dann, »hatten Sie etwas anderes erwartet?«

»Mylady dürften die Aufmerksamkeit der kleinen Schiffbauer erregt haben«, erwiderte Josuah Parker gemessen und deutete mit der Spitze seines Universal-Regenschirms auf einen Jungen und ein Mädchen, die auf Lady Simpson zuliefen.

»Man sollte diese Strauchdiebe ohrfeigen«, erklärte die resolute Dame und meinte keineswegs die Kinder, sondern einige Passanten, die den Rinnstein geplündert hatten und mit ihren gekaperten Schiffen schleunigst davonschritten. Dann aber wurde die Lady nachdrücklich abgelenkt. Der Junge und das Mädchen hatten Agatha Simpson inzwischen erreicht und wollten sie beschenken.

Sie drückten ihr ganze Bündel von Banknoten in die ausgestreckte Hand und freuten sich. Sie forderten Lady Agatha auf, sich Fisch und Kartoffelchips zu kaufen. Sie hatten auch, wie sie deutlich sagten, nichts dagegen, daß Mylady Cola trank.

»Ihr lieben Kleinen«, meinte Agatha Simpson entzückt und schnürte ihren Pompadour auf, um die Banknoten darin verschwinden zu lassen, »ihr seid ja richtig lieb zu einer armen Tante.«

Parker räusperte sich erneut diskret.

»Sie sollten etwas gegen Ihren Husten unternehmen«, grollte die Lady ihren Butler an, »selbstverständlich werde ich das Geld nur in Verwahrung nehmen.«

»Meine bescheidene Wenigkeit dachte noch nicht mal andeutungsweise an ein anderes Motiv«, gab Josuah Parker steif und würdevoll zurück, um sich dann an die beiden Kinder zu wenden. Er fragte nach der Herkunft des Geldes und erhielt prompt eine genaue Antwort. Die beiden kleinen Verschwender deuteten auf einen nahen Bauzaun und sprachen von einem riesigen Sack, der mit diesem komischen Papier vollgestopft wäre.

»Mr. Parker, folgen Sie mir!« Lady Agatha setzte sich sofort in Bewegung und wäre nicht mehr aufzuhalten gewesen. Zielstrebig und äußerst energisch marschierte sie zu dem nahen Bretterzaun und riß beherzt einige Holzlatten aus einer schmalen Lücke. Dann zwängte sie sich durch die passende Öffnung und betrat den Bauplatz, der einer Müllkippe glich. Die Bewohner der benachbarten Reihenhäuser schienen hier ihren Wohlstandsmüll großzügig gelagert zu haben. Lady Agatha wartete, bis Josuah Parker neben ihr erschien.

»Sie wissen hoffentlich, was ich denke, Mr. Parker«, sagte sie.

»Mylady dürften sich bereits mit dem Gedanken vertraut gemacht haben, einem Raubüberfall auf der Spur zu sein«, lautete Parkers höfliche, aber zurückhaltende Antwort.

»Sehr richtig«, entgegnete sie wohlwollend. »Oder sind Sie etwa anderer Meinung?«

»Nur andeutungsweise und in einem Punkt, Mylady«, erwiderte Josuah Parker und präsentierte eine Banknote im Wert von zwanzig Pfund, »es dürfte sich eindeutig um Falschgeld handeln, falls meine Augen meine bescheidene Wenigkeit nicht Lügen strafen.«

*

»Tatsächlich Falschgeld«, stellte Mike Rander fest und hielt eine der Banknoten noch mal gegen das Licht, »sieht nach einer erstklassigen Arbeit aus.«

»Die Herren Fälscher haben sich in der Tat alle erdenkliche Mühe gegeben«, antwortete Josuah Parker.

»Ich wußte sofort, daß es sich um Blüten handelt«, erklärte Lady Agatha mit Nachdruck. Sie glaubte wieder mal das, was sie sagte.

»Haben Sie bereits die Polizei verständigt, Mylady?« fragte Kathy Porter, ihre Sekretärin und Gesellschafterin. Kathy Porter war etwa dreißig Jahre alt und eine bemerkenswert junge Frau, groß, schlank und attraktiv. Mail sah es ihr nicht an, daß sie in den Künsten fernöstlicher Selbstverteidigung beschlagen war. Mochte sie auf den ersten Blick auch zurückhaltend wirken, konnte sie sich doch in Sekundenschnelle in eine zuschlagende Pantherkatze verwandeln, wenn sie angegriffen wurde. Das braune Haar mit dem leichten Rotstich umrahmte ein pikant geschnittenes Gesicht mit hohen Wangenknochen. Beherrschend in ihm waren die dunklen, eindrucksvollen Augen.

Kathy Porter war mehr als nur eine vertraute Angestellte der älteren Dame. Lady Agatha sah in ihr so etwas wie eine Tochter und war hartnäckig bestrebt, sie möglichst bald zu verheiraten. Ihr Auserwählter für Kathy war Mike Rander, den sie nicht nur als Anwalt schätzte.

Mike Rander erinnerte, was sein Aussehen betraf, an einen bekannten James-Bond-Darsteller und war vielleicht noch lässiger als dieser Schauspieler. Vor Jahren hatte er zusammen mit dem Butler in den USA viele Abenteuer überstanden, sich dann aber zurückgezogen, um nur noch als Anwalt zu arbeiten. Nach seiner Rückkehr aus den Staaten war er von Lady Agatha Simpson wie selbstverständlich vereinnahmt worden und verwaltete nun das immense Vermögen der älteren Dame. Darüber hinaus hatte er eine Anwaltskanzlei in der nahen Curzon Street, nicht weit entfernt von Shepherd’s Market, wo sich Lady Simpsons Haus befand.

In diesem altehrwürdigen Fachwerkhaus hatte man sich zusammengefunden und hielt sich in der großen Wohnhalle auf. Butler Parker hatte Sherry serviert und einen kleinen Imbiß zur fälligen Mittagstunde angekündigt, doch Lady Agatha schien das für sie doch wichtige Stichwort gar nicht gehört zu haben. Sie blickte auf den Ledersack, der das Falschgeld enthielt.

Es handelte sich dabei um eine Art Seemannsutensil, aber eben aus Leder. Parker hatte die noch vorhandenen Banknoten gezählt und war auf eine Summe von fast hunderttausend Pfund gekommen.

»Mylady hat bisher davon Abstand genommen, die zuständigen Behörden zu informieren«, behauptete Josuah Parker Kathy Porters Frage, »Mylady will sich erst noch eine Meinung bilden.«

»Wir werden die Polizei verständigen müssen«, warf Mike Rander ein, »daran führt kein Weg vorbei.«

»Zumal Gefahr im Verzug ist, Sir«, pflichtete Parker dem Anwalt bei, »die Arbeit der Fälscher kann man nur als bemerkenswert bezeichnen. Sie ist durchaus geeignet, die Währung zu gefährden.«

»Ist es wirklich Falschgeld?« Agatha Simpson suchte nach einem Ausweg, nahm einige Banknoten in die Hand und seufzte erneut.

»Wie Mylady es sofort bemerkte«, meinte Parker und deutete ein Kopfnicken an.

»All’ das schöne Geld«, meinte sie, »vielleicht haben wir uns alle nur getäuscht.«

»Mylady sind niemals zu täuschen«, gab Parker zurück, »Mylady deuteten dies bereits nachdrücklich an.«

»Und wie fanden die Kinder den Geldsack?« fragte Kathy Porter, um Lady Agatha abzulenken.

»Es dürfte sich um einen Zufall gehandelt haben, Miß Porter«, beantwortete Butler Parker die Frage, »die Kinder suchten nach einem Ball, den sie über den Bauzaun getreten hatten.«

»Eine filmreife Szene«, meinte der Anwalt Rander lächelnd, »mit diesem Ball dürften die Fälscher nicht gerechnet haben.«

»Ich denke, ich werde den Fall lösen müssen«, warf Agatha Simpson ein. Sie hatte sich innerlich endlich von den falschen Banknoten gelöst, »ich werde diesen Subjekten das Handwerk legen. Mr. Parker, ich überlasse Ihnen die Details, die ja im Grunde völlig unwichtig sind.«

»Sehr wohl, Mylady.« In Parkers glattem Gesicht rührte sich kein Muskel.

»So oder so, ich hätte die Pfundnoten natürlich niemals zurückbehalten«, erklärte sie mit Nachdruck.

»Wer käme schon auf solch einen Gedanken, Mylady?« Mike Rander unterdrückte ein Schmunzeln, Kathy Porter schaute hinauf zur Zimmerdecke, Butler Parker sicherheitshalber hinunter zum Parkett des Fußbodens. Sie alle wußten nur zu gut, wie gern die ältere Dame ihre Hand auf die Beute gelegt hätte. Wenn es ums Geld ging, war Agatha Simpson bekanntermaßen sehr besitzergreifend.

*

Josuah Parker war allein unterwegs.

Nach dem Imbiß hatte die Lady sich in das sogenannte Studio ihres Hauses begeben, um dort ein wenig zu meditieren, mit anderen Worten, sie hatte sich niedergelegt und schlief. Mike Rander und Kathy Porter waren in die nahe Curzon Street zur Anwaltskanzlei gegangen, und der Butler hatte jetzt endlich die Möglichkeit, einige Einkäufe zu tätigen.

Er saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums, wie sein Privatwagen von Eingeweihten genannt wurde. Bei diesem Monstrum handelte es sich um ein ehemaliges Londoner Taxi, das sich durch besonders hohe und kantige Aufbauten auszeichnete. Einem solchen Wagen traute man nichts zu, doch der Eindruck täuschte. Das Taxi war nach Parkers eigenwilligen Vorstellungen technisch völlig neu gestaltet worden und stellte im gegenwärtigen Zustand eine Art Trickkiste auf Rädern dar.

Parker dachte über die falschen Banknoten nach.

Noch hatte er die Polizei nicht verständigt, doch dies änderte nichts an der Tatsache, daß sich hier ein brisanter Kriminalfall ankündigte. Die Fälscher mußten früher oder später merken, daß die Falsifikate entdeckt und mitgenommen worden waren. Sie würden sich also vehement um die Personen kümmern, die diese falschen Banknoten an sich gebracht hatten. Spuren gab es ausreichend. Schließlich waren Lady Simpson und Parker zwei. Erscheinungen, die man optisch nicht so schnell vergaß.

Möglicherweise wohnten die Fälscher in der Nähe der Surrey Docks, wo sich das verwahrloste Baugelände befand. Parker konnte sich nicht vorstellen, daß die Drucker der Banknoten das Ergebnis ihrer Arbeit weit von jener Stelle deponiert hatten, wo sie die Falsifikate hergestellt hatten. Es fragte sich, ob sie nicht bereits den Abtransport des Ledersacks beobachtet hatten.

Routinemäßig blickte der Butler in den Rückspiegel seines hochbeinigen Monstrums und registrierte die nachkommenden Fahrzeuge. Parker war ein stets vorsichtiger Mensch, der dem Zufall nicht gern etwas überließ. Mit einer Verfolgung war bereits zu rechnen. Seit dem kurzen Zwischenspiel in der Nähe der Surrey Docks waren inzwischen runde zwei Stunden verstrichen. Innerhalb dieser Spanne konnten die Fälscher bereits die Spur aufgenommen haben.

Nach einigen Minuten wußte Josuah Parker Bescheid. Ja, er wurde beschattet. Es handelte sich um einen unscheinbaren Austin, der ihm hartnäckig folgte. Und da in diesem Wagen nur der Fahrer saß, ging Parker davon aus, daß es da noch ein zweites Fahrzeug gab, das ihm folgte. Es schien ein Toyota zu sein, der hin und wieder hinter dem Austin auftauchte. In ihm saßen zwei Männer mit grauen Overalls und tief ins Gesicht gezogenen Kappen.

Deshalb geriet Josuah Parker aber keineswegs in Panik. Er war nicht der Mann, der leicht aus der Fassung zu bringen war. Eher das Gegenteil war der Fall. Der Butler war angenehm überrascht, daß die Notenfälscher bereits reagierten. Jetzt bot sich die Möglichkeit, diese Leute zu stellen.

Parker hatte längst die Absicht aufgegeben, in der Innenstadt seine Einkäufe zu tätigen. Er war bereits dabei, die beiden Fahrzeuge in eine Gegend zu locken, die er bestens kannte. Die Übermacht seiner Verfolger kümmerte ihn nicht. Er hatte da seine besondere Methode, noch mehr als nur drei Gegner auszuschalten.

Nach fast geruhsamer Fahrt erreichte er die West India Docks, suchte hier eine bestimmte Straße auf und parkte sein hochbeiniges Monstrum vor einem Antiquitätengeschäft. Er betrat das Ladenlokal und wurde von einem großen, massigen Mann begrüßt, der etwa sechzig Jahre zählte und Richard Elsley hieß. Der Inhaber des Ladens rückte seinen kleinen Kneifer zurecht und blinzelte den Butler an.

»Man erlaubt sich, einen wunderschönen Tag zu wünschen«, grüßte Josuah Parker und lüftete die schwarze Melone, »darf man sich bei dieser passenden Gelegenheit nach dem allgemeinen Lauf der Geschäfte erkundigen, Mr. Elsley?«

»Mr. Parker!« Richard Elsley lächelte und rückte erneut den kleinen Kneifer zurecht. Dazu lächelte er breit und entspannt. »Daß Sie sich auch mal wieder sehen lassen.«

»Meine Wenigkeit kommt als Privatmann, Mr. Elsley.«

»Ich habe eine saubere Weste«, erklärte Elsley und kam um die Verkaufstheke herum, »ich habe sie immer, aber ich werde leider so oft mißverstanden.«

»Das Mißtrauen der Zeit und das der Polizei im besonderen«, meinte der Butler, »möglicherweise mißtraue ich auch drei Personen männlichen Geschlechts, die meiner Wenigkeit hartnäckig folgen.«

Elsley trat vor die Auslage seiner Schaufenster-Ausstellung und warf einen schnellen Blick auf die Straße. Seine kleinen, wieselflinken Augen musterten die Fahrzeuge auf der Straße.

»Ein Toyota, nicht wahr?« fragte er dann und wandte sich wieder dem Butler zu.

»Und ein Austin«, ergänzte Parker, »man dürfte die Absicht haben, meiner Wenigkeit einige Fragen zu stellen. Sie haben sich die Kennzeichen der beiden Wagen bereits gemerkt, Mr. Elsley?«

»Aber natürlich.« Richard Elsley lächelte erneut, »so etwas ist einem in Fleisch und Blut übergegangen. Kann ich Ihnen helfen, Mr. Parker?«

Der Antiquitätenhändler, der im Grund nur mit billigem Trödel handelte, war tatsächlich ein illegaler Buchmacher, der sich hin und wieder auch mal als Hehler betätigte. Er schätzte den Butler überaus, denn Parker hatte ihn in der Vergangenheit mal aus einer mehr als peinlichen Lage befreit und ihm quasi das Leben gerettet.

»Sie könnten die verfolgenden Herren vielleicht in eine Richtung schicken, die meinen Absichten entgegenkommt«, schlug Josuah Parker vor, »mit dem massierten Erscheinen der drei Verfolger dürfte fest zu rechnen sein.«

Worin Josuah Parker sich nicht täuschte...

*

Sie glaubten ihn bereits in der Falle und näherten sich dem Ladenlokal. Zwei Verfolger, junge, stämmige Männer, die einen entschlossenen Eindruck machten, stießen die Tür zum Antiquitätengeschäft auf, und Richard Elsley erwies sich als perfekter Schauspieler. Er rückte erneut an seinem Zwicker und beugte sich höflich-abwartend über die Verkaufstheke. Dann erkundigte er sich nach den Wünschen der Kunden.

»Wo is’ der Typ mit der Melone und dem Schirm?« fragte einer der beiden Männer barsch, »los, Mann, machen Sie schon die Zähne auseinander!«

»Ein Typ mit Melone und Schirm?« Richard Elsley runzelte die Stirn, erinnerte sich dann und strahlte die beiden Männer vertrauenerweckend an. »Ach, den? Der Kunde befindet sich im Magazin, meine Herren. Er sucht nach einer alten Standuhr. Ich könnte ihn sofort verständigen.«

»Du hältst die Schnauze«, fauchte ihn der junge Mann an, »und du siehst und hörst nichts. Is’ das klar?«

»Ich verstehe nicht recht, was das ...«

»Schnauze«, wiederholte der junge Mann und hatte plötzlich eine Automatik in der Hand, auf deren Lauf ein überlanger Schalldämpfer geschraubt war.

»Guter Gott«, keuchte Richard Elsley und schaffte es spielend, sich eindeutig zu verfärben, »ich bin schon überredet.«

»Wo is’ das Magazin?« fragte der zweite Mann knapp.

»Im Souterrain«, gab Elsley Auskunft und faßte in tragischer Geste nach seinem kerngesunden Herzen, »die Treppe hinunter, dort im Korridor. Sie sind von der ...Polizei?«

»Haargenau«, meinte der zweite Mann, der nun ebenfalls seine Schußwaffe zeigte, »Geheimauftrag, klar?«

»Ich werde schweigen bis in alle Ewigkeit«, versicherte Elsley und streckte drei zum Schwur erhobene Finger seiner rechten Hand hoch in die Luft.

Die beiden Männer nahmen ihm die gespielte Naivität völlig ab und liefen hinüber in den schmalen, dunklen Korridor hinter dem Ladenlokal. Sie fanden die Treppe und schickten sich an, sie zu benutzen. Dabei konzentrierten sie sich völlig auf die Stufen und das Magazin dahinter. Deshalb übersahen sie den Butler, der sich hinter einem Schrank neben der steilen Treppe aufgebaut hatte.

Parker kam umgehend zur Sache.

Er benutzte den Bambusgriff seines altväterlich gebundenen Regenschirms, um damit bei dem Mann anzuklopfen, der seinem Partner nachging, der bereits auf den ersten Stufen war. Da dieser Bambusgriff mit Blei ausgegossen war, fiel dieses Anklopfen sehr nachdrücklich aus. Der Mann warf zuerst die Waffe hoch in die Luft, stieß einen ächzenden Laut aus und legte sich dann auf den nicht gerade klinisch sauberen Boden.

Der andere Verfolger wirbelte herum wie eine zustoßende Viper und riß dabei seine Waffe hoch, doch Parker war wesentlich schneller. Mit der Spitze seines Universal-Regenschirms stach er seitlich in den Oberarmmuskel des Mannes, der daraufhin nicht mehr in der Lage war, den Schuß abzufeuern. Seine Automatik löste sich aus der geöffneten Hand und fiel auf die Treppe.

»Sie sollten sich glücklich schätzen, daß meine Wenigkeit Ihrem geplanten Schuß zuvorkam«, erläuterte der Butler in seiner höflichen Art, »wie leicht hätten Sie einen Tatbestand ausgelöst, der nicht mehr korrekturfähig gewesen wäre.«

Der Mann blickte Parker aus weit geöffneten Augen an und war noch nicht in der Lage, sich zu dieser Feststellung zu äußern. Er war völlig fassungslos.

*

»Alles gelaufen?« fragte der Austinfahrer, der das Ladenlokal betrat. Er war völlig ahnungslos und ging von der Vorstellung aus, daß seine beiden Partner ihr Opfer bereits überwältigt hatten.

»Die Dinge nahmen einen durchaus positiven Verlauf«, erwiderte Josuah Parker und trat hinter einem rollbaren Kleiderständer vor. Er lüftete höflich die schwarze Melone und benutzte sie anschließend, um die Nase des Mannes ein wenig zu verbiegen. Dies war nötig, da der Austinfahrer eindeutig nach einer Schußwaffe greifen wollte.

Der Getroffene sah vor lauter Tränen nichts mehr. Er spürte nur, daß man nach seiner Schulterhalfter griff und die Schußwaffe hervorholte.

»Sie haben eine gewisse Neugier in meiner Wenigkeit erregt«, schickte Josuah Parker voraus, »dürfte man erfahren, in wessen Auftrag Sie und Ihre Freunde unterwegs sind?«

»Meine Nase ... meine Nase«, nuschelte der Austinfahrer.

»Nach einer Phase des leichten Anschwellens wird sie mit Sicherheit wieder zur normalen Größe zurückfinden«, versicherte Parker dem Mann, »Sie können meine Frage also unbeschwert beantworten.«

»Mann, dafür wird man Sie rösten«, prophezeite der Austinfahrer, »dafür gibt’s ’ne Retourkutsche.«

»Ankündigungen dieser und ähnlicher Art sind meiner Wenigkeit nur zu bekannt«, erwiderte der Butler, »Sie sollten antworten, bevor sich in mir eine gewisse Ungeduld aufbaut.«

Der Mann schielte auf die schwarze Melone, dachte an seine Nase und nickte dann.

»Stop, machen Sie keinen Unsinn«, sagte er schniefend, »Tony Steffen hat uns losgeschickt.«

»Und wer ist dieser besagte Mr. Tony Steffen?« lautete Parkers nächste Frage.

»Der macht in Gerüsten«, gab der Austinfahrer Auskunft, »sein Geschäft liegt bei den Surrey Docks.«

»Demnach sind Sie und Ihre Freunde Gerüstebauer?«

»Klar doch«, behauptete der Austinfahrer, »wir haben Tony nur ’nen Gefallen getan.«

»Und diverse Schußwaffen rein zufällig mitgenommen, wie Ihre nächste Erklärung lauten dürfte.«

»Mann, Sie wissen doch Bescheid«, beschwerte sich der Angegriffene und fingerte vorsichtig an seiner Nase herum, um sie wieder in die ursprüngliche Lage zu bringen.

»Demnach sollten Sie also meine Wenigkeit zu Mr. Tony Steffen bringen, wie zu vermuten ist?«

»Nur das, mehr nicht.« Der Mann gab die Bemühungen um seine Nase auf. Er hatte wohl eingesehen, daß sie im Augenblick kaum zu korrigieren war, was ihre Schieflage betraf.

»Sie sollten sich hinunter in das Magazin begeben«, schlug Parker vor, »möglicherweise findet sich ein verschließbarer Raum.«

Parker überließ dem Austinfahrer den Transport seiner Freunde. Es fand sich ein kleiner, sicherer Raum, der gut zu verschließen war. Nach knapp fünf Minuten befanden sich die drei Gerüstbauer in diesem Gelaß und konnten vorerst nicht mehr in das Geschehen eingreifen.

Erst jetzt ließ Richard Elsley sich wieder sehen. Aus taktischen Gründen hatte er sich zurückgezogen. Er zwinkerte dem Butler zu.

»Ich bin froh, Sie nicht zum Gegner zu haben«, meinte der große Mann, »ich kenne übrigens diesen Tony Steffen.«

»Was meine Wenigkeit als sicher unterstellte, Mr. Elsley. Hoffentlich wird man Ihnen nach diesem Intermezzo in Ihrem Geschäft keine Schwierigkeiten bereiten.«

»Keine Sorge, Mr. Parker, ich werde mich schon herausreden. Sie wollten zu diesem Tony Steffen fahren?«

»Das ist selbstverständlich meine Absicht, Mr. Elsley.«

»Tony Steffen ist ein heimtückischer und harter Gangster. Sie sollten vorsichtig sein.«

»Welche Rolle spielt Mr. Steffen in der kriminellen Szene, Mr. Elsley?«

»Er verleiht Gerüste und Schläger, Mr. Parker, dafür ist er bekannt.«

»Man sollte und wird ihm die Grenzen seiner Möglichkeiten aufzeigen, Mr. Elsley. Übrigens eine Frage, die ein anderes Thema anreißt: Seit wann spricht man in einschlägigen Kreisen von Falschgeld?«

»Falschgeld?« Elsley rückte umständlich seinen Zwicker zurecht und schien Zeit gewinnen zu wollen. Schließlich hob er bedauernd die Schultern. »Ich habe bisher nichts von Falschgeld gehört.«

»Sie kennen also einschlägige Gerüchte.«

»Nun ja, ich hab so was aus zweiter und dritter Hand mal beiläufig mitbekommen«, redete Elsley sich heraus, »aber Sie können mir glauben, Mr. Parker, daß ich so gut wie nichts weiß.«

»Wer könnte Ihrer intimen Kenntnis nach als Fälscher in Betracht kommen?« erkundigte sich Parker in seiner höflichen Art.

»Das muß ein Neuer sein, Mr. Parker«, versicherte Elsley, »bisher wurde kein Name genannt. Das ist die reine Wahrheit.«

»Die meine Wenigkeit Ihnen zur Zeit noch abzunehmen bereit ist«, entgegnete der Butler würdevoll, »lassen Sie sich eine glaubwürdige Geschichte einfallen, was mein Wirken in Ihrem Ladenlokal betrifft. Ich möchte keineswegs, daß Sie Schaden nehmen.«

»Ich werde schon zurechtkommen, Mr. Parker«, versicherte Elsley erneut, »ich glaube nicht, daß Steffen sich mit mir anlegen wird. Schließlich habe ich hier so meine Freunde. Und sein Gebiet sind die West India Docks bestimmt nicht. Steffen regiert drüben bei den Surrey Docks.«

Josuah Parker lüftete höflich die schwarze Melone und verließ das Ladenlokal. Er war mit dem Verlauf der Dinge mehr als zufrieden. Die Banknotenfälscher hatten schließlich bereits Flagge gezeigt.

*

Tony Steffen war etwa vierzig, kahlköpfig, mittelgroß und hatte harte, graue Augen. Diese starrten im Moment völlig fassungslos auf Parker, der im Büro des Mannes erschienen war und seine schwarze Melone lüftete.

»Wie kommen denn Sie hier rein?« fragte er schließlich und schielte hinüber zur halb geöffneten Tür.

»Ihre Mitarbeiter vorn in der Bürobaracke waren so überaus freundlich, meine Wenigkeit einzulassen«, beantwortete der Butler die Frage, »ich möchte übrigens nicht versäumen, Ihnen gewisse Grüße auszurichten.«

»Grüße? Von wem denn?« Tony Steffen schob sich mit seinem Sessel zurück und schielte jetzt in Richtung Schublade. Danach korrigierte er wie zufällig die Stellung seines Bürosessels, um später blitzschnell die anvisierte Schublade aufziehen zu können. Josuah Parker nahm dies natürlich alles wahr, doch er ließ sich nichts anmerken.

»Es handelt sich bei den erwähnten Grüßen um die einiger Ihrer Mitarbeiter«, redete der Butler in seiner höflichen Art weiter, »sie waren so freundlich, meinen Weg durch die Stadt zu verfolgen und zu begleiten.«

»Ich hab’ keine Ahnung, wovon Sie da eigentlich reden«, behauptete Tony Steffen, »Sie sind hier an der falschen Adresse.«

»Die drei Gerüstbauer sehen sich momentan außerstande, ihre Aufmerksamkeit meiner Wenigkeit zu widmen«, erwiderte Parker gemessen, »man war so frei, ihnen eine kleine Verschnaufpause zu gönnen.«

»Jetzt reicht es mir aber langsam«, regte Tony Steffen sich auf, »was faseln Sie da zusammen? Wer sind Sie eigentlich?«

»Parker mein Name, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor, »aber das dürften Sie ja inzwischen sehr genau wissen.«

Tony Steffen schielte erneut, blickte seitlich an Parker vorbei erneut zur Tür hinüber und wartete mit Sicherheit auf seine beiden Bürokräfte aus der Steinbaracke. Doch sie erschienen nicht. Parker hatte sich auf eine sehr spezielle Art kurz mit ihnen unterhalten und sie dazu überredet, eine Art Teepause einzulegen. Sie waren seinem Vorschlag gefolgt, nachdem der Butler seinen Universal-Regenschirm argumentativ eingesetzt hatte.

»Im Mittelpunkt des gemeinsamen Interesses dürfte ein mit Banknoten gefüllter Ledersack stehen«, fuhr Josuah Parker würdevoll fort, »nach oberflächlicher Durchzählung könnte es sich um etwa hunderttausend Pfund handeln.«

»Mann, Sie reden da vielleicht was zusammen«, entgegnete Tony Steffen, »was habe denn ich damit zu tun?«

Er hatte seine Frage noch nicht ganz ausgesprochen, als er sich nach vorn warf und tatsächlich blitzschnell die Schublade aufriß. Seine rechte Hand schoß in die Lade und zerrte einen Gegenstand hervor, der aus brüniertem Stahl bestand.

Der Butler langte nicht weniger schnell mit dem Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den Schreibtisch und zog die Lade wieder zu. Er erledigte das mit einiger Energie und sorgte so dafür, daß Tony Steffens stöhnte und sich verfärbte. Seine Hand war eingeklemmt worden und schmerzte wohl ein wenig.

»Falls meine Wenigkeit Ihre Handbewegung mißverstanden haben sollte, möchte ich mich in aller Form entschuldigen«, sagte Josuah Parker, »Sie können die erwähnte Hand jetzt wieder vorziehen, doch möglichst ohne Waffe.«

Tony Steffen jaulte, befreite die Hand und hielt sie anklagend in die Höhe. Er legte sie danach in die linke Hand und litt.

»Kühle Umschläge werden aufkommende Schmerzen und Schwellungen mit Sicherheit lindern«, riet Parker dem Mann, »bevor meine Wenigkeit sich jetzt empfiehlt, sollten Sie vielleicht den Namen jener Person nennen, für die Sie Ihre Gerüstebauer auf mich ansetzten.«

»Sie liegen völlig falsch, Mann«, stöhnte Tony Steffen, »wenn Ihnen da wirklich einer gefolgt ist, dann aber ohne mein Wissen.«

»Meine Wenigkeit spielt mit dem Gedanken, Ihre Hand noch ein wenig nachzubehandeln«, entgegnete der Butler höflich, »und dazu würde ich durchaus den Griff meines Schirmes verwenden. Ich kann nur hoffen, mich deutlich genug ausgedrückt zu haben, Mr. Steffen.«

»Nein, nein, nur das nicht, Mann.« Tony Steffen stieß sich mit dem linken Fuß ab und rollte auf seinem Bürosessel zurück an die Wand. »Machen Sie keinen Blödsinn, tun Sie das nicht!«

»Für wen also ließen Sie meine Wenigkeit verfolgen?« Parker schien nichts gehört zu haben. Er stieß die Spitze seines Schirmes gegen den Boden, ließ den Schirmstock zurückfedern und in die Luft steigen. Dann griff er mit der rechten Hand zu und hielt den Schirm am unteren Drittel fest. Der Bambusgriff stand deshalb hoch in der Luft und neigte sich bereits in Richtung Tony Steffen.

»Bryan Buttons«, flüsterte Steffen jetzt umgehend und brachte seine angequetschte Hand schleunigst in Sicherheit, »aber ich habe nichts gesagt, Mann, überhaupt nichts. Ich kenne den Namen gar nicht.«

*

»Sie hätten mich natürlich mitnehmen müssen, Mr. Parker«, mäkelte die ältere Dame, als ihr Butler diesen Punkt der Erzählung erreichte, »es hat sich doch wieder mal gezeigt, daß Sie allein den Dingen nicht gewachsen sind.«

Sie saß am Tisch im kleinen Salon ihres Hauses und nahm den Tee. Parker reichte dazu etwas Gebäck, wie seine Herrin gewünscht hatte. Dabei handelte es sich nun wirklich nicht um einige Kekse, sondern um kalorienreichen Früchtekuchen, der mit Rum getränkt war. Selbstverständlich nahm Mylady nur eine Kleinigkeit. Sie war bereits beim zweiten, nicht gerade kleinen Kuchenstück.

»Die Grenzen meiner privaten und bescheidenen Möglichkeiten deuteten sich in der Tat an, Mylady«, meinte Parker höflich, ohne die Miene zu verziehen.

»Wer ist nun dieses Subjekt, von dem Sie gerade gesprochen haben?« fragte sie, nachdem sie im Anschluß an Parkers Bemerkung zustimmend und wohlwollend genickt hatte.

»Mr. Bryan Buttons, Mylady, ist vorerst noch eine Unbekannte in dem sich andeutenden Kriminalfall«, gab Josuah Parker zurück, »man wird noch genaue Ermittlungen anstellen müssen.«

»Könnte dieser Gerüstebauer Sie nicht angelogen haben?« wollte sie wissen und beförderte das dritte Kuchenstück auf ihren Teller.

»Solch eine Möglichkeit ist niemals auszuschließen, Mylady«, räumte Josuah Parker ein, »die Unterhaltung mit Mr. Tony Steffen ließ sich leider nicht vertiefen, da einige Mitarbeiter des Firmeninhabers auftauchten. Meine Wenigkeit hielt es daher für ratsam, das sogenannte Weite zu suchen.«

»Eine Lady Simpson hätte niemals das Feld geräumt«, erklärte die ältere Dame, »aber gut, ich werde Ihnen keine Vorwürfe machen, Mr. Parker. Ich kenne schließlich Ihre Schwächen.«

»Mylady sind zu gütig, diese Schwächen zu tolerieren«, meinte Parker, den nichts aus der Fassung zu bringen vermochte, was seine Herrin betraf.

»Ich denke, ich werde einiges unternehmen«, kündigte Agatha Simpson an, »aber ich möchte mich noch nicht festlegen.«

Nach dieser Feststellung wartete die Lady auf Vorschläge Parkers, doch der Butler beschränkte sich darauf, Tee auszugießen. Seine Herrin schnaufte ein wenig unwillig, denn sie hatte keine Ahnung, was sie unternehmen sollte.

»Ich überlasse Ihnen die Details«, meinte sie schließlich auffordernd.

»Meine Wenigkeit bedankt sich für dieses Vertrauen, Mylady.«

»Ich warte«, sagte sie leicht gereizt.

»Ein Stichwort, Mylady, das man aufgreifen sollte«, gab Parker zurück, »inzwischen dürfte der erwähnte Mr. Bryan Buttons bereits von Mr. Tony Steffen informiert worden sein.«

»Hatte der Gerüstebauer nicht Angst, diesen Namen zu nennen?« Lady Agatha runzelte die Stirn. Sie war ein wenig verwirrt.

»Mr. Steffen dürfte mit dieser Bemerkung ein wenig übertrieben haben«, erklärte der Butler, »Wie Mylady bereits festzustellen geruhten, könnte Mr. Steffen durchaus gelogen haben, was den Hinweis auf Mr. Buttons betrifft. Dabei könnte es sich durchaus um eine falsche Spur handeln.«

»Wie auch immer, Mr. Parker.« Sie widerstand der Versuchung, noch ein viertes Stück Früchtekuchen zu essen. »Finden Sie heraus, wer dieses geheimnisvolle Subjekt ist, damit ich mich endlich einschalten kann. Danach dürfte der Fall bereits so gut wie geklärt sein.«

»Meine bescheidenen Ermittlungen laufen bereits, Mylady.«

»Das höre ich gern«, sagte sie wohlwollend, »sollte es Schwierigkeiten geben, wenden Sie sich an mich. Aber ich werde die Hände nicht in den Schoß legen.«

»Das stand zu erwarten, Mylady.«

»Ich werde noch mal zu den Surrey Docks hinüberfahren und mir den Tatort ansehen«, redete sie weiter, »ich werde mich der Unterwelt zeigen und sie herausfordern.«

Parker hütete sich, seiner Herrin beizupflichten, sonst hätte sie sich mit Sicherheit sofort wieder anders entschieden. Er deutete nur ein knappes, zustimmendes Nicken an. Sie schritt energisch zur Treppe, die ins Obergeschoß des Hauses führte. Sie wollte sich umkleiden und in zehn Minuten wieder zurück sein. Für den Butler war das Zeit genug, gewisse Vorkehrungen für die geplante Ausfahrt zu treffen. Nach den bisherigen Erfahrungen im Umgang mit Lady Simpson deuteten sich wieder mal chaotische Zwischenfälle an.

*

Josuah Parker saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums und fuhr die Straße hinunter, in dessen Rinnstein die kleinen Papierschiffchen aus Banknoten geschwommen hatten. Er bewegte seinen Wagen nur langsam und beobachtete, aufmerksam den Straßenverkehr. Verdächtiges konnte Parker allerdings nicht feststellen. Er hielt vor einem Pub in der Nähe des bewußten Bretterzauns und erntete dafür ein zustimmendes Nicken seiner Herrin.

»Sehr aufmerksam, Mr. Parker«, sagte sie, »ich fürchte, ich werde etwas für meinen Kreislauf tun müssen.«

»Darüber hinaus können Mylady sich einer interessierten Öffentlichkeit zeigen«, erwiderte Parker. Er stieg aus, öffnete den hinteren Wagenschlag und überwachte das Aussteigen der großen, fülligen und majestätischen Erscheinung Lady Simpsons.

Es war natürlich wieder mal Josuah Parker, der in dieser Umgebung Aufsehen erregte. Er schien aus einer anderen Welt gekommen zu sein, um der Gegenwart einen Höflichkeitsbesuch abzustatten. Sein schwarzer Covercoat, die schwarze Melone, der altmodische Eckkragen und der schwarze Binder wiesen ihn eindeutig als einen hochherrschaftlichen Butler aus, der in die viktorianische Zeit paßte. Der altväterlich gebundene Regenschirm vervollständigte diesen Eindruck.

Lady Agatha hingegen wirkte wesentlich moderner und zupackender. Sie trug eines ihrer beliebten Tweedkostüme, die alle viel zu weit waren. Die Schuhe waren derb, geschnürt und sehr groß. An ihrem rechten Handgelenk baumelte der perlenbestickte Pompadour, und auf dem Kopf saß eine ihrer beliebten Hutschöpfungen. Sie erinnerte an eine mißglückte Mischung aus einem Napfkuchen und einem Südwester der Seefahrt. Dennoch, die ältere Dame in ihrer Fülle strömte Autorität und Selbstbewußtsein aus.

»Man scheint mich sofort wiedererkannt zu haben, Mr. Parker«, sagte sie wohlwollend. Natürlich irrte sie. Die Aufmerksamkeit einiger junger Männer vor dem Eingang zum Pub galt eindeutig dem Butler.

»Wie wär’s denn mit ein paar Scheinchen für ’ne kleine Erfrischung?« sagte einer der jungen Männer. Er trug Jeans, hatte sich den Kopf kahl rasiert und gab sich herausfordernd. Er versprach sich einen Spaß mit Parker und wollte seinen Freunden beweisen, wie überzeugend er war.

»Darf man fragen, wie Ihr Hinweis gemeint ist?« erkundigte sich der Butler. Agatha Simpson baute sich seitlich hinter ihrem Butler auf und brachte ihren Pompadour in leichte Schwingung.

»Rück mal ein paar Kohlen raus, Alterchen«, erwiderte der junge Mann und grinste, »is’ nur ’ne kleine Anleihe, klar? Wir zahlen alles zurück. Ehrenwort!«

»Sie werden verstehen, daß man Zweifel an Ihrem Versprechen hegt«, meinte Parker höflich wie stets.

»Willst du damit sagen, ich würde lügen?« Der junge Mann wurde ernst.

»So kann man es selbstverständlich auch ausdrücken«, entgegnete der Butler gemessen.

»Das lasse ich nicht auf mir sitzen, Mann.«

»Das ist ein Problem, mit dem Sie sich ganz allein auseinandersetzen müssen. Sie erlauben, daß man Mylady in das Lokal führt?«

»Zuerst werd’ ich dir mal was auf die Nase geben«, schickte der junge Mann voraus, »un’ dann unterhalten wir uns noch mal über die kleine Anleihe, klar?«

Parker hatte den altväterlich gebundenen Regenschirm vom angewinkelten linken Unterarm gelöst und in die rechte Hand genommen, über die sich ein schwarzer Lederhandschuh spannte. Der Butler stach mit der Spitze dieses Schirms auf den ausgefransten Tennisschuh des jungen Mannes und traf zielsicher die Zehenpartie.

Der junge Kreditnehmer verfärbte sich, holte ungemein tief Luft, hielt sie ungewöhnlich lange in den Lungen und stieß dann endlich einen spitzen Jaulton aus.

»Sie sollten sich wegen einer offensichtlichen Bagatelle nicht entschuldigen«, meinte Josuah Parker und lüftete überaus höflich die Melone, »warum sollte es Ihnen nicht erlaubt sein, sich mal zu irren?«.

Der junge Mann nahm diesen Hinweis nicht entgegen, hüpfte inzwischen auf dem noch intakten Fuß herum und produzierte weitere Heultöne. Seine Begleiter, etwa vier oder fünf junge Gleichaltrige, wußten nicht so recht, wie sie sich verhalten sollten.

Lady Agathas Temperament war natürlich geweckt worden. Sie schritt energisch auf diese jungen Männer zu und ließ ihren Pompadour kreisen. Ihre dunklen Augen funkelten.

Instinktiv spürten die jungen Männer, daß Gefahr im Verzug war. Sie wichen respektvoll zurück und rotteten sich neben dem Hydranten zusammen. Butler Parker hatte inzwischen die Tür zum Pub geöffnet und ließ Mylady eintreten.

»Ich will doch sehr hoffen, Mr. Parker, daß ich diese Lümmel gleich noch antreffen werde«, sagte sie.

»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Mylady«, versicherte Parker der älteren Dame, »man wird diese erlittene Schmach kaum auf sich sitzenlassen.«

*

Mylady trank einen doppelten Brandy und belebte ihren Kreislauf. Sie saß in einer Nische und musterte die Gäste im Pup. Hier hatte man wohl bereits mitbekommen, was sich draußen abgespielt hatte. Viele Gäste musterten Mylady und Parker unverhohlen, tuschelten miteinander und prosteten den beiden Neuankömmlingen zu.

»Nichts als nette Leute«, räsonierte die passionierte Detektivin, »wo bleiben diese Subjekte aus der Unterwelt?« .

»Man wird früher oder später erscheinen, Mylady«, erwiderte Josuah Parker, »der Vorfall vor dem Pub muß sich erst noch ein wenig herumsprechen.«

»Man soll sich gefälligst beeilen«, sagte die ältere Dame ungeduldig, »ich habe meine Zeit nicht gestohlen.«