Parker stellt den Stimmband-Killer - Günter Dönges - E-Book

Parker stellt den Stimmband-Killer E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Lady Agatha, die majestätische ältere Dame, groß, stattlich, mit Sicherheit über das sechzigste Lebensjahr hinaus, schluchzte erneut. Sie stand völlig im Bann von Puccinis Oper »La Bohéme«, litt mit der Sterbenden und beugte sich weit über die Brüstung, als Mimi sich nun endlich anschickte, den letzten Hauch zu tun. Butler Parker, alterslos, etwas über mittelgroß und fast schlank, sorgte sich um das Wohlergehen der Lady, in deren Diensten er stand. Er fürchtete, seine Herrin könnte sich vielleicht zu weit vorbeugen. Doch sie zuckte zusammen, als Rudolf den endgültigen Tod seiner Mimi konstatierte und den Schlußakt mit einem tragischen Aufschrei und einem Schluchzer beendete. Mylady ließ sich zurückfallen und schneuzte sich erneut. »Bedürfen Mylady vielleicht eines Kreislaufbeschleunigers?« erkundigte sich Josuah Parker. Während er fragte, holte er bereits eine flache, lederumspannte Flasche aus der rechten Innentasche seines schwarzen Zweireihers. Er schraubte den ovalen Verschluß ab, benutzte ihn als Becher und füllte eine gehörige Portion Kognak ab. »Sehr gut, Mr. Parker«, lobte die ältere Dame ihren Butler und nickte wohlwollend, »genau das brauche ich jetzt. Starb sie nicht wunderbar?« Sie wartete die Antwort ihres Butlers nicht ab, sondern griff nach dem Becher und kippte den sogenannten Kreislaufbeschleuniger in einem Zug hinunter. »Mylady waren beeindruckt?« vermutete Parker in seiner bekannt höflichen Art. »Ich hätte mich in meiner Jugend ausbilden lassen sollen«, antwortete die theaterbegeisterte Dame, »ich hatte einen glockenhellen Sopran.«

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Butler Parker – 187 –

Parker stellt den Stimmband-Killer

Günter Dönges

Lady Agatha, die majestätische ältere Dame, groß, stattlich, mit Sicherheit über das sechzigste Lebensjahr hinaus, schluchzte erneut. Sie stand völlig im Bann von Puccinis Oper »La Bohéme«, litt mit der Sterbenden und beugte sich weit über die Brüstung, als Mimi sich nun endlich anschickte, den letzten Hauch zu tun.

Butler Parker, alterslos, etwas über mittelgroß und fast schlank, sorgte sich um das Wohlergehen der Lady, in deren Diensten er stand. Er fürchtete, seine Herrin könnte sich vielleicht zu weit vorbeugen. Doch sie zuckte zusammen, als Rudolf den endgültigen Tod seiner Mimi konstatierte und den Schlußakt mit einem tragischen Aufschrei und einem Schluchzer beendete. Mylady ließ sich zurückfallen und schneuzte sich erneut.

»Bedürfen Mylady vielleicht eines Kreislaufbeschleunigers?« erkundigte sich Josuah Parker. Während er fragte, holte er bereits eine flache, lederumspannte Flasche aus der rechten Innentasche seines schwarzen Zweireihers. Er schraubte den ovalen Verschluß ab, benutzte ihn als Becher und füllte eine gehörige Portion Kognak ab.

»Sehr gut, Mr. Parker«, lobte die ältere Dame ihren Butler und nickte wohlwollend, »genau das brauche ich jetzt. Starb sie nicht wunderbar?«

Sie wartete die Antwort ihres Butlers nicht ab, sondern griff nach dem Becher und kippte den sogenannten Kreislaufbeschleuniger in einem Zug hinunter.

»Mylady waren beeindruckt?« vermutete Parker in seiner bekannt höflichen Art.

»Ich hätte mich in meiner Jugend ausbilden lassen sollen«, antwortete die theaterbegeisterte Dame, »ich hatte einen glockenhellen Sopran.«

Diese Feststellung schien allerdings ein wenig übertrieben, denn Agatha Simpson verfügte jetzt über eine Stimmlage, die an eine Mischung aus Baß und Bariton erinnerte.

»Mylady wären mit Sicherheit eine Primadonna geworden«, meinte Parker. »Kann meine Wenigkeit davon ausgehen, daß Myladys Kreislauf sich wieder zu stabilisieren geruhte?«

Sie antwortete nicht, sondern spendete Beifall. Vor dem Vorhang erschienen die Solisten und nahmen den Dank des Publikums entgegen. Unter diesen Solisten befand sich selbstverständlich auch der ein wenig dickliche Tenor, der sich übrigens mehr als bescheiden gab, wie Parker fand. Der nicht gerade kleine Mann stand halb hinter seiner Mimi und wagte sich nicht weiter hervor. Und er war einer der ersten Solisten, der schleunigst wieder hinter dem Vorhang verschwand.

Lady Agatha geizte nicht mit Beifall. Sie schlug ihre nicht gerade kleinen Hände in wildem Wirbel gegeneinander und nickte freundlich nach unten. Sie und die übrigen Zuschauer hatten leichtes Spiel mit den Solisten, die nur zu gern erneut vor dem Vorhang erschienen und sich glücklich verbeugten.

Parker fiel schon wieder auf, wie verhalten der Tenor sich gab. Er war ein Künstler, der an der internationalen Börse der Oper hoch gehandelt wurde. Normalerweise war Tonio Marcetti für seine Eitelkeit bekannt. An diesem Abend aber gab er sich überraschend zurückhaltend. Erneut schien er sich hinter der Star-Sopranistin verschanzen zu wollen, die dies allerdings als Bescheidenheit mißverstand und zur Seite trat.

Genau in dem Augenblick, als Tonio Marcetti ohne jeden Schutz an der Rampe stand, fiel eindeutig ein Schuß, der den donnernden Applaus leicht übertönte.

Tonio Marcetti fuhr zusammen, taumelte und fiel gegen den Vorhang. Wenige Sekunden später war er verschwunden. Die Falten des Vorhangs schienen ihn verschluckt zu haben.

*

»Es herrschte ein wundervolles Chaos«, berichtete Agatha Simpson noch im nachhinein, »es entstand sogar eine hübsche Panik.«

Mike Rander und Kathy Porter, die sich zusammen mit Butler Parker in der großen Wohnhalle von Lady Simpsons Haus aufhielten, wechselten einen schnellen, amüsierten Blick. Sie kannten die Besitzerin und ihre Vorlieben. Als eine immens vermögende und alleinstehende Dame der höchsten Gesellschaft Englands war es ihr Hobby, Kriminalfälle zu lösen. Und erstaunlicherweise zog sie solche Fälle an sich wie der Magnet die Eisenfeilspäne. Sie stolperte förmlich von einem Kriminalfall in den anderen und konnte eindeutig Erfolge nachweisen.

Diese gingen allerdings eher auf das Konto von Butler Parker, der diskret und beharrlich Regie führte. Ihm allein war es zu verdanken, daß die passionierte Detektivin bisher jede noch so lebensgefährliche Situation mit völlig heiler Haut überstanden hatte.

»Ein neuer Fall, Mylady?« erkundigte sich Kathy Porter. Sie war knapp dreißig, groß, schlank und eine ungemein attraktive Erscheinung. Offiziell war sie die Gesellschafterin und Sekretärin der älteren Dame, doch im Lauf der Zeit war sie von der Lady quasi adoptiert worden.

»Ich habe mich natürlich sofort um diesen Tenor gekümmert«, antwortete Agatha Simpson, »er war völlig unverletzt.«

»Und dürfte wahrscheinlich noch jetzt unter einem Schock stehen«, schaltete Josuah Parker sich ein, »er mußte ärztlich behandelt werden und ließ sich unter Polizeischutz in sein Hotel bringen.«

»Ist denn nicht scharf geschossen worden?« wollte Mike Rander wissen. Als Anwalt verwaltete er neben seiner Tätigkeit als Strafverteidiger das Vermögen der Lady, eine Aufgabe, die ihn fast völlig beschäftigte. Vor Jahren hatte Butler Parker in seinen Diensten gestanden. Die beiden äußerlich so ungleichen Männer hatten viele Abenteuer hinter sich gebracht und waren durch Agatha Simpson wieder zusammengekommen.

Mike Rander war etwa vierzig Jahre alt, groß, schlank und erinnerte in seinem Aussehen an einen bekannten James-Bond-Darsteller. Rander war ein ungemein lässig wirkender Mann, dem man keineswegs ansah, daß er sich blitzschnell in eine Kampfmaschine verwandeln konnte.

»Man sollte wohl davon ausgehen, Sir, daß es sich um einen unscharfen Schreckschuß handelte«, beantwortete Josuah Parker die Frage des Anwalts, »aber selbst ein Schreckschuß dürfte einige Fragen aufwerfen.«

»Hatten wir nicht schon mal mit Leuten von der Bühne zu tun, die beschossen wurden?« wollte der Anwalt wissen.

»Natürlich, mein Junge«, gab die Detektivin zurück, »selbstverständlich klärte ich seinerzeit auch diesen Fall. Es ging um gewisse Eifersüchteleien und persönliche Differenzen.«

»Meine Wenigkeit möchte darauf verweisen, daß Mr. Tonio Marcetti offensichtlich von einer Bedrohung wußte«, ließ der Butler sich vernehmen, »der Tenor suchte eindeutig Schutz hinter seiner Partnerin.«

»Wahrscheinlich wird er bedroht«, sagte Kathy Porter, »ob er der Polizei gegenüber Angaben machen wird, steht auf einem anderen Blatt.«

»Ich bin mal gespannt, ob der Knabe mit den teuren Stimmbändern auch morgen singen wird«, meinte der Anwalt, »ich wette darauf, daß er wegen Indisposition absagen wird.«

»Es besteht die vage Hoffnung, Sir, daß Mr. Tonio Marcetti sich an Mylady wenden wird«, warf der Butler ein, »nach dem Eklat in der Oper bot Mylady dem Hausherrn des Theaters Hilfe an.«

»Ich kenne den Operndirektor«, sagte die ältere Dame, »James Bingdale bekam vor ein paar Jahren einen neuen Vorhang von mir für sein Haus. Er ist mir verpflichtet.«

»Sie haben für die Oper einen neuen Vorhang gestiftet?« staunte Mike Rander, der die an Geiz grenzende Sparsamkeit der Lady gut kannte.

»Es war ein gebrauchter«, meinte sie, »ich bekam ihn von der Met in New York, die ihn ausmusterte. Es war eine günstige Gelegenheit.«

»Was weiß man eigentlich von Marcetti?« fragte Kathy Porter, »ich meine jetzt nicht das, was man über ihn in der Regenbogenpresse liest.«

»Marcetti gehört zu den fünf oder sechs besten Belcanto-Tenören der Welt«, erwiderte der Anwalt, »sein Rang ist unbestritten.«

»Mr. Tonio Marcetti ist neunundvierzig Jahre alt, verheiratet, hat drei Kinder, die zusammen mit ihrer Mutter in Italien leben und kümmert sich sehr intensiv um einen Nachwuchs-Sopran«, zählte der Butler höflich auf, »er unterhält eine oberflächliche Freundschaft zu einigen Kollegen, sofern sie keine Tenöre sind.«

»Neunundvierzig Jahre?« staunte Lady Agatha und schüttelte dann den Kopf, »in den Zeitungen steht doch, er sei gerade dreiundvierzig Jahre alt geworden.«

»Woher haben Sie denn ihr Wissen, Mr. Parker?« erkundigte sich Mike Rander lächelnd.

»Von einem gewissen Mr. John Destron, Sir«, der Chefmaskenbildner an der Oper ist und gewisse Interna kennt.«

»Wahrscheinlich haben Sie diesem Destron früher mal aus der Patsche geholfen, wie?«

»Er ist meiner Wenigkeit in der Tat verpflichtet, Sir«, erwiderte Josuah Parker, »Mr. Destron wurde des schweren Diebstahls bezichtigt. Er sollte Schmuck und Bargeld aus diversen Garderoben gestohlen haben. Nach einer kurzen Ermittlung stellte sich heraus, daß ein Beleuchter der Täter war. Mr. Destron konnte voll rehabilitiert werden.«

»Wo haben Sie nicht Ihre Leute, die Sie nach Bedarf anzapfen können?« gab der junge Anwalt amüsiert zurück, »wahrscheinlich wird dieser Maskenbildner unserem Tenor vorschlagen, sich mit Lady Simpson in Verbindung zu setzen, wie?«

Bevor Parker antworten konnte, läutete das Telefon. Präziser hätte ein akustisches Stichwort gar nicht sein können.

*

»Man will mich umbringen«, stöhnte Tonio Marcetti und wischte sich den Schweiß von der hohen Stirn. Ohne Toupet hatte er sogar fast eine Glatze. Der Star-Tenor trug einen weiten Hausmantel und machte einen kläglichen Eindruck.

Er hatte angerufen und Mylady gebeten, zu ihm ins Hotel zu kommen. Aus reiner Neugier war die Detektivin auf diese Einladung eingegangen, denn normalerweise hatte man sich zu ihr zu verfügen, wenn man ihre Hilfe brauchte.

»Nun reißen Sie sich gefälligst zusammen, junger Mann«, fuhr die Lady den Mann an, der in einem Sessel saß und sich immer wieder den Angstschweiß von der Stirn tupfte, »so schnell stirbt man nicht.«

»Darf man erfahren, Sir, wer Sie umzubringen gedenkt?« schaltete Josuah Parker sich ein.

»Das eben weiß ich nicht«, erwiderte Marcetti. Er sah ohne Schminke und Toupet aus wie ein fünfzigjähriger müder Mann, »ich weiß nur, daß man mich töten will, mich, Tonio Marcetti! Und dabei habe ich keine Feinde. Ich helfe doch jedem Menschen, der mich anspricht.«

»Sie wurden in einer bestimmten Form bedroht, Sir?«

»Per Telefon«, redete der Star-Tenor weiter, »seit gut zwei Wochen kommen diese Drohungen.«

»Wie viele waren es insgesamt?«

»Fünf... Nein, warten Sie, vier Anrufe sind es gewesen. Der letzte kam heute nachmittag, kurz vor meiner Fahrt in die Oper. Man sagte mir, ich würde, im Schlußakt neben Mimi sterben.«

»Ihre Disziplin ist bemerkenswert, Sir«, stellte der Butler gemessen fest, »erlauben Sie einem interessierten Laien diese Feststellung. Trotz dieser Drohung war Ihre Leistung tadellos.«

»Ich habe mich eben zusammengerissen«, lobte sich Tonio Marcetti, »aber ich habe Todesängste ausgestanden. Glauben Sie wirklich, mir helfen zu können? Mein Chefmaskenbildner behauptet das wenigstens.«

»Sie sind so gut wie gerettet, junger Mann«, prophezeite Lady Agatha, »natürlich werde ich dieses Subjekt finden und ausschalten.«

»Sie wollen darauf verzichten, die Polizei zu informieren?« fragte der Butler.

»Wie soll die mir schon helfen?« Tonio Marcetti war aufgestanden und wanderte unruhig in seinem großen Hotelzimmer auf und ab. »Wenn man mich ermorden will, schafft man das auch. Ich stehe zu oft auf der Bühne und bin eine ideale Zielscheibe.«

»Das ist allerdings richtig«, meinte Agatha Simpson, »Sie könnten eine Kugelsichere Weste tragen.«

»Dann bin ich ja noch dicker als ohnehin.« Marcetti lächelte flüchtig.

»Hegen Sie möglicherweise einen bestimmten Verdacht, was Ihren potentiellen Mörder betrifft?« wollte Josuah Parker wissen.

»Ich stehe vor einem Rätsel«, behauptete der Tenor, »diese Anrufe kamen wie aus heiterem Himmel.«

»Läßt es sich ermöglichen, für eine gewisse Zeit der Bühne fernzubleiben, Mr. Marcetti?« fragte Parker.

»Das ist ausgeschlossen.« Der Tenor winkte ab. »Ich habe meine Verträge, die ich erfüllen muß. Zudem würde die Öffentlichkeit mir Feigheit vorwerfen. Ich kann nicht anders, ich werde mich meinem Mörder stellen müssen.«

»Die Medien, Sir, werden Ihre heroische Haltung zu würdigen wissen«, sagte der Butler höflich. Marcetti stutzte, blickte Parker an und wollte eindeutig scharf erwidern, doch dann hatte er sich bereits wieder unter Kontrolle und rang sich ein Lächeln ab.

»Nein, Mr. Parker, ich brauche keine Reklame«, sagte er dann, »ich brauche keine Schlagzeilen, um meinen Ruf aufzupolieren. Ich bin bereits für die kommenden Jahre voll ausgebucht und mit Schallplattenverträgen zugedeckt.«

»Aber Sie müssen sich doch unbeliebt gemacht haben«, raunzte die ältere Dame den Tenor an, »ohne Grund will man Sie doch nicht umbringen.«

»Noch einmal, Mylady, ich stehe vor einem Rätsel.« Marcetti breitete die Arme aus, eine Geste der Hilf- und Ratlosigkeit.

»Auch ein begnadeter Künstler Ihres Formats wird das haben, was man gemeinhin ein Privatleben zu nennen pflegt«, tippte der Butler das nächste Thema an.

»Mein Privatleben ist in Ordnung«, behauptete der Star-Tenor fast gereizt, »hören Sie, Mylady, es war wohl ein Fehler, daß ich mich an Sie und Ihren Butler gewandt habe. Ich werde mit meinem Problem schon allein fertig werden, denke ich.«

»Sie sollten einen gewissen Aspekt dieser Drohungen nicht vergessen, Sir«, meinte der Butler, »es kann sich dabei auch durchaus um eine banale Erpressung handeln.«

»Ob sie meine Hilfe wollen oder nicht, junger Mann, ich werde diesen Fall lösen«, erklärte Lady Agatha mit Nachdruck, »ob sie nun tot sein sollten oder nicht. Für mich spielt das keine Rolle.«

Als sie zusammen mit Parker zur Tür des Hotelzimmers ging, war plötzlich ein Knall zu hören. Der Butler wandte sich um und nahm zur Kenntnis, daß eine der beiden Panoramascheiben des Hotelzimmers von dem Geschoß durchgestanzt worden war.

Tonio Marcetti lag auf dem Boden und rührte sich nicht.

*

»Jetzt hat er genau das, was er wollte«, meinte Lady Agatha eine halbe Stunde später, »nämlich seine Schlagzeilen. Sie hätten nicht die Polizei verständigen sollen, Mr. Parker.«

»Und den Arzt«, fügte Josuah Parker hinzu, »Mr. Tonio Marcetti befand sich in einem Zustand, den man nur als desolat bezeichnen konnte.«

»Reine Schauspielerei«, urteilte die ältere Dame abfällig, »ich habe dieses Theater doch sofort durchschaut. Ich sage Ihnen, Mr. Parker, daß der Tenor den Schuß bestellt hat. Er ging doch völlig ungefährlich hoch in die Zimmerdecke.«

Josuah Parker war anderer Meinung, doch er hütete sich, eine Diskussion zu entfachen. Gegen die Logik der Lady kam kaum jemand an. Sie bog stets alles so zurecht, bis die Dinge in ihr Bild paßten.

»Es wird nicht mehr lange dauern, bis unser guter McWarden bei mir auftaucht«, redete Agatha Simpson weiter. Man ging auf den Fahrstuhl zu, um in die Empfangshalle hinunterzufahren. Die Polizei befand sich noch in Marcettis Räumen, ebenfalls der Notarzt.

Mylady wies mit ihrem Satz auf den Chief-Superintendent hin, der im Yard ein Sonderdezernat leitete, das sich mit der Bekämpfung von organisiertem Verbrechen befaßte. McWarden war dem Innenminister direkt unterstellt und genoß dort höchstes Vertrauen.

Der Chief-Superintendent war mit Agatha Simpson gut bekannt, fast befreundet. Immer wieder, wenn er berufliche Sorgen hatte, erschien er im altehrwürdigen Fachwerkhaus der älteren Dame in Shepherd’s Market und holte sich dort Rat. Dabei überhörte er die vielen Sticheleien, denn ihm kam es darauf an, Josuah Parker zu befragen. McWarden hielt viel von den Fähigkeiten des Butlers und ging stets auf dessen Vorschläge ein.

Agatha Simpson und der Butler mußten warten, bis der Fahrstuhl ihr Stockwerk erreicht hatte. Als sie einstiegen, tauchten zwei Männer auf, die sich mit ihnen in den Fahrstuhl schoben. Sie mochten etwa dreißig sein, waren gut gekleidet und machten einen durchaus zivilen Eindruck. Das Äußere täuschte allerdings, wie sich bald zeigte.

Einer der beiden Fahrgäste drückte auf den Knopf für das Kellergeschoß, der zweite hielt plötzlich eine Automatik in der Hand, deren Lauf er auf den Butler richtete.

»Keine Panik, Herrschaften«, sagte der Mann und grinste schurkisch wie in einschlägigen Filmen, »es passiert fast gar nichts, wenn ihr keine Dummheiten macht.«

»Darf man Sie darauf verweisen, daß Sie eine Dame bedrohen?« fragte der Butler gemessen und zuckte mit keiner Wimper, als der Mann ihm den Schalldämpfer der Waffe gegen die linke Hüfte drückte.

»Schnauze«, fuhr ihn der Fahrgast an, »wir pfeifen auf die Dame, ist das klar? Wir werden nur ein paar Takte mit euch reden.«

»Ihr Benehmen gefällt mir überhaupt nicht«, grollte Agatha Simpson, »wollen Sie etwa meine Handtasche stehlen?«

»Das fehlte noch, Lady«, erwiderte der Fahrgast, der den Knopf des Fahrstuhls gedrückt hatte, »mit Kleingeld geben wir uns nicht ab.«

»Wir geben nur Ratschläge«, schaltete der andere Mann sich ein, »wir haben nämlich gehört, daß ihr auf Privatdetektiv macht.«

»Ein Hobby Myladys«, gab Josuah Parker höflich zurück.

»Ein Hobby, das sie sich abschminken wird«, verlangte der Mann, »falls sie auf stur macht, wird sie Ärger bekommen.«

Man hatte das Kellergeschoß des Hotels erreicht. Einer der beiden Männer drückte die Tür spaltbreit auf und blickte in einen Korridor, öffnete die Tür dann weit und forderte Lady Simpson und Parker durch ein Kopfnicken auf, den Fahrstuhl zu verlassen.

Der Butler nickte zurück, nahm seinen altväterlich gebundenen Universal-Regenschirm in die linke Hand und benutzte ihn als Spazierstock. Dabei drückte sein Zeigefinger auf einen kleinen Knopf, der von den Schirmfalten verdeckt wurde. Dann setzte Parker seinen Schirmstock auf und wartete auf ein ganz bestimmtes Ergebnis.

*

Es dauerte nicht lange.

Neben der Schirmzwinge erschien eine nadelspitze Dolchklinge, die das Schuh-Oberleder des Gangsters durchbohrte, der die Automatik trug. Die Dolchspitze bohrte sich mit einigem Nachdruck in die Fußwurzelknochen des Mannes, der daraufhin einen spitzen Schrei ausstieß und völlig vergaß, daß er eine Waffe trug.

Mit grüßendem Liften der schwarzen Melone setzte der Butler den zweiten Mann außer Gefecht. Die Wölbung der Kopfbedeckung, die durch zähes Stahlblech verstärkt war, reichte völlig aus, die Nase des Kriminellen in Schieflage zu versetzen. Tränen schossen aus den Augen des Betroffenen. Der Mann, der nach seiner Waffe in der Schulterhalfter greifen wollte, verbeugte sich tief vor Lady Agatha.

Sie nutzte natürlich gnadenlos ihre Chance.