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Princes of Passion: Diesen Männern liegt die Welt zu Füßen. Sie können alles haben, was sie begehren – außer der Einen, die sie am meisten wollen … Mein Name ist Logan St. James. Ich bin in einer kriminellen Familie aufgewachsen, aber heutzutage sind meine Tattoos und meine Narben unter einem Anzug versteckt. Ich beschütze die königliche Familie von Wessco. Und durch die Heirat ihrer Schwester gehört auch Ellie Hammond zu dieser Familie. Ich bin gut in meinem Job. Wirklich, wirklich gut. Aber wenn Ellie einen Raum betritt … dann ist es plötzlich verdammt schwer, an irgendetwas anderes zu denken als daran, wie gern ich sie berühren würde. Wie gern ich mehr tun würde, als sie nur zu berühren … Band 3 der Erfolgstrilogie aus den USA.
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Seitenzahl: 406
Emma Chase
Prince of Passion - Logan
Roman
Aus dem Englischen von Anita Nirschl
Princes of Passion: Diesen Männern liegt die Welt zu Füßen. Sie können alles haben, was sie begehren – außer der Einen, die sie am meisten wollen ...
Band 3 der Erfolgstrilogie aus den USA.
Mein Name ist Logan St. James. Ich bin in einer kriminellen Familie aufgewachsen, aber heutzutage sind meine Tattoos und meine Narben unter einem Anzug versteckt. Ich beschütze die königliche Familie von Wessco. Und durch die Heirat ihrer Schwester gehört auch Ellie Hammond zu dieser Familie. Ich bin gut in meinem Job. Wirklich, wirklich gut. Aber wenn Ellie einen Raum betritt, dann ist es plötzlich verdammt schwer, an irgendetwas anderes zu denken als daran, wie gern ich sie berühren würde. Wie gern ich mehr tun würde, als sie nur zu berühren …
Emma Chase lebt mit ihrer Familie in einem kleinen Ort in New Jersey, USA. Sie hat 2013 ihren ersten Liebesroman veröffentlicht, der ein sofortiger Erfolg wurde. Seitdem finden sich ihre Bücher regelmäßig auf den Bestsellerlisten der New York Times und der USA Today wieder und wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Auf die Frage, welche Bedeutung Liebesromane heutzutage haben, antwortete sie Folgendes: «Für manche Leute ist es leicht, auf das Romance-Genre herabzublicken, weil viele Bücher (aber bei Weitem nicht alle) humorvoll, temporeich und nicht sehr anspruchsvoll sind. Aber deshalb sollte man sie nicht einfach abtun. Diese Bücher sind wichtig. Weil sie uns Erholung und Zuflucht bieten. Weil sie uns stärken, erfrischen und bereit machen für alles, was das Leben uns in den Weg wirft.»
Mehr Informationen über Emma Chase und ihre Bücher sind auf der Homepage der Autorin (authoremmachase.com) oder der Seite von KYSS (endlichkyss.de) zu finden.
Manche Männer denken mit dem Schwanz. Ihr kennt die Sorte. Aalglatte Süßholzraspler, immer auf der Suche nach einem hübschen Paar Beine, nach vollen Brüsten oder einem knackigen Hintern, den sie begaffen können.
Andere Kerle sind ständig in ihrem Kopf. Die Sorte kennt ihr auch. Irritierend vorsichtig und langsam, ewig wägen sie ihre Worte ab und gucken aus der Wäsche, als wüssten sie schon von vornherein, dass alles, was sie sagen, sich irgendwann rächen wird.
Ich bin weder der Kopf- noch der Schwanztyp. Ich höre immer auf meinen Bauch. Zieht der sich warnend zusammen, handle ich, ohne zu zögern. Kribbelt er, halte ich inne und schätze die Situation neu ein. Wenn er aber rumort und grummelt, weiß ich, dass ich gewaltig Mist gebaut habe.
Mein Bauchgefühl ist mein bester Freund, mein Gewissen, mein größtes Kapital. Und es hat mich noch nie im Stich gelassen.
Dieses Bauchgefühl ist es, das mich zu ihrer Tür zieht. Das mich entschlossen anklopfen lässt. Das mir die Worte eingibt. Flehende, ungewohnt reuevolle Worte, die ich dennoch gerne sage, um das hier in Ordnung zu bringen.
Um sie zurückzubekommen.
Denn obwohl mein Bauchgefühl so zuverlässig ist, kann ich manchmal ein richtiger Idiot sein. Wie gestern zum Beispiel.
«Ellie. Ich bin’s. Mach auf, wir müssen reden.»
Ich nehme sie auf der anderen Seite der soliden Eichentür wahr, nicht durch Geräusche oder Schatten unter der Tür, sondern eher als ein Gefühl. Ich kann sie dort drin spüren. Nah und lauschend.
«Geh weg, Logan.» Ihre Stimme ist angespannt, höher als sonst. Aufgebracht.
«Ellie, bitte. Ich war ein Trottel, ich weiß …» Ich bin nicht scharf darauf, winselnd im Flur herumzustehen, aber wenn es nun mal nötig ist … «Es tut mir leid. Lass mich rein.»
Ellie ist nicht leicht zu verärgern, und sie vergibt schnell; sie ist einfach nicht hart oder gemein genug, lange zu grollen. Deshalb ziehen mir ihre nächsten Worte regelrecht die Beine unter den Füßen weg.
«Nein, du hattest recht. Die Schwester der Prinzessin und der Bodyguard aus East Amboy, das ergibt keinen Sinn. Das mit uns würde nie halten.»
Habe ich das tatsächlich zu ihr gesagt? Was zum Teufel ist los mit mir? Was ich für sie empfinde, ist das Einzige in meinem Leben, was Sinn ergibt.
Aber das habe ich nie gesagt.
Stattdessen … Stattdessen habe ich genau das Falsche gesagt.
Ich stütze mich mit der Hand am glatten Holz ab und lehne mich vor, weil ich ihr so nah sein will wie möglich. «Ellie …»
«Ich habe meine Meinung geändert, Logan.»
Sie klingt wie ein lebender Leichnam. Ausdruckslos, leer.
«Ich will das Märchen. Ich will, was Olivia hat … Schlösser und Kutschen … Und wie du schon sagtest, du wirst mir das nie bieten können. An deiner Seite müsste ich mich mit so viel weniger zufriedengeben. Du würdest mich nicht glücklich machen.»
Das meint sie nicht so. Es sind meine Worte, die sie jetzt zu mir zurückschleudert. Und es tut verdammt weh, diese Worte zu hören. Sie treffen mich wie ein Schlag in die Magengrube, zerquetschen meine Brust, zermalmen mir die Knochen. Ich habe das ernst gemeint, als ich sagte, ich würde für sie sterben … und im Moment fühlt es sich so an.
Ich greife nach dem Türknauf, um reinzugehen, um ihr Gesicht zu sehen. Um zu sehen, dass sie es nicht so meint.
«Ellie …»
«Komm nicht rein!», kreischt sie in einem Ton, wie ich ihn bei ihr noch nie zuvor gehört habe. «Ich will dich nicht sehen! Geh weg, Logan. Es ist aus. Geh einfach!»
Ich atme heftig. Das tut man, wenn einen der Schmerz in die Knie zwingen will, man atmet ihn weg. Dann schlucke ich den bitteren Geschmack im Mund hinunter, straffe den Rücken, drehe mich um und gehe den Flur hoch. Weg von ihr. So, wie sie es will, wie sie es erbeten hat. Wie sie es mir entgegengeschleudert hat.
Mein Verstand sagt, ich soll schneller gehen. So schnell wie möglich von hier verschwinden, es akzeptieren und meine Wunden lecken. Mein Herz … Gott, das erbärmliche Ding ist zu verwundet und blutig, um irgendetwas zu sagen.
Aber dann, auf halbem Weg den Flur entlang, werden meine Schritte langsamer, bis ich schließlich stehen bleibe.
Denn mein Bauchgefühl … kämpft sich durch den Schmerz und rebelliert. Es schreit mich an, das hier ist falsch. So ist sie nicht. Irgendetwas stimmt hier nicht.
Irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht.
Ich blicke den Flur hoch und runter. Keine Wache, kein Zimmermädchen in Sicht. Die Tür nach wie vor geschlossen und still und stumm.
Dann drehe ich mich um und marschiere schnurstracks zu ihr zurück. Ich klopfe nicht oder warte oder bitte um Erlaubnis. Mit einer einzigen Bewegung drehe ich den Türknauf und trete ein. Und was ich sehe, lässt mich wie angewurzelt stehen bleiben. Denn was immer ich auch erwartet hatte, es war ganz sicher nicht das hier.
Ganz und gar nicht …
Fünf Jahre zuvor
«Sie wollten mich sprechen, Prinz Nicholas?»
Ich muss etwas gestehen: Als mir eine Stelle im Security-Team der königlichen Familie angeboten wurde, hatte ich anfangs kein Interesse. Die Vorstellung, auf Schritt und Tritt irgendeinem aufgeblasenen Aristokraten zu folgen, der in den Klang seiner eigenen Stimme verliebt ist – vermutlich sogar in den Geruch seines eigenen Arsches –, sprach mich nicht gerade an. So, wie ich das sah, standen Bodyguards nur eine Stufe über Dienern, und ich bin der Diener von niemandem.
Ich wollte Action. Ruhm und Ehre. Eine Aufgabe. Ich wollte Teil von etwas sein, das größer ist als ich. Teil von etwas Noblem und Beständigem.
«Ja, Logan. Setzen Sie sich doch.»
Ich hatte mir beim Militär ziemlich schnell Sporen verdient. Und Winston, dem Chef der Palast-Security, war das aufgefallen. Sie suchten für das persönliche Team von Prinz Nicholas nach jungen Männern mit sehr speziellen Fähigkeiten, erklärte er mir. Über schnelles Reaktionsvermögen müsste man verfügen, loyal und im Notfall unerbittlich sein. Der Typ, der kein Problem damit hat, mit einem Messer zu einer Schießerei zu kommen, weil er nämlich kein verdammtes Messer oder Schießeisen braucht, um zu gewinnen.
Schon nach wenigen Wochen hatte ich eine andere Meinung von dem Posten. Er fing an, sich wie eine Berufung anzufühlen, wie eine Verpflichtung. Bedeutende Männer bewirken etwas, bewegen etwas. Sie haben die Macht, den nicht so bedeutenden Leuten das Leben leichter zu machen.
Ich beschütze sie, damit sie das tun können.
Und der junge Prinz, der mir nun hinter dem Schreibtisch in der Bibliothek seiner luxuriösen Penthouse-Suite gegenübersitzt – er ist ein bedeutender Mann.
«Wie alt sind Sie, Logan?»
«In meiner Akte steht, dass ich fünfundzwanzig bin.»
Wenn Petrus ein Menschenfischer war, dann bin ich ein Menschenleser. Das ist eine Fähigkeit, die für diesen Beruf wesentlich ist: ein Bauchgefühl für die Absichten des Gegenübers zu haben, außerdem die Fähigkeit, den Blick eines Mannes zu deuten, die Veränderung seiner Haltung, zu wissen, wozu er fähig ist und was für ein Mensch er ist.
Nicholas Pembrook ist ein guter Mensch. Durch und durch.
Und das ist selten. Meistens sind bedeutende Männer richtige Drecksäcke.
Seine Mundwinkel zucken. «Ich weiß, was in Ihrer Akte steht. Das war es nicht, wonach ich gefragt habe.» Er ist auch kein Idiot, und er wurde in seinem Leben schon oft genug angelogen, um ein Gehör dafür entwickelt zu haben, wann etwas nicht wahr klingt. «Wie alt sind Sie wirklich?»
Ich sehe ihm in die Augen und frage mich, worauf er hinauswill. «Zweiundzwanzig.»
Er nickt bedächtig, massiert mit dem Daumen die Handfläche seiner anderen Hand, während er nachdenkt. «Also haben Sie sich mit … fünfzehn beim Militär gemeldet? Und über Ihr Alter gelogen? Das ist früh.»
Ich zucke mit den Schultern. «Man war nicht wirklich wählerisch im Rekrutierungsamt. Ich war groß, kräftig und gut mit meinen Fäusten.»
«Sie waren noch ein Kind.»
«Ich war nie ein Kind, Hoheit. Ebenso wenig wie Sie.»
Kindheit ist, wenn man Mist bauen soll, wenn man herausfinden soll, wer man ist und was man sein will. Man bekommt die Erlaubnis, ein Blödmann zu sein. Dieses Privileg hatte ich nicht, ebenso wenig wie Nicholas. Unsere Wege waren schon vor der Geburt vorgezeichnet. Gegensätzliche Wege, gewiss, aber ob man nun in einer Hütte oder in einem Palast aufwächst, die Erwartungen und Forderungen jener um einen herum neigen dazu, jegliche Unschuld ziemlich schnell zu ersticken.
«Warum sind Sie so früh von zu Hause fortgegangen?»
Jetzt bin ich es, der schmunzelt. Weil ich auch kein Idiot bin. «Sie wissen, warum. Das steht auch in meiner Akte.»
Ich bin gut darin, Drecksäcke zu erkennen, weil ich einer langen Reihe von Drecksäcken entstamme. Von Kriminellen. Nicht besonders erfolgreichen Kriminellen allerdings. Es waren kleine Gauner und Schmarotzer, verzweifelt genug, um gefährlich zu sein, von der Sorte, die dir ins Gesicht lächelt, dir auf die Schulter klopft und dir dann ein Messer in den Rücken rammt.
Mein Großvater starb im Gefängnis. Er saß für Mord während eines Raubüberfalls. Mein Dad wird auch dort sterben. Er sitzt wegen Totschlags. Ich habe Onkel, die wegen einer ganzen Bandbreite krimineller Aktivitäten im Bau waren, Cousins, die am helllichten Tag mitten auf der Straße umgebracht wurden, und Tanten, die ihre Töchter auf den Strich geschickt haben. Als ich fünfzehn war, wusste ich, falls ich in diesem Scheißloch blieb, würde ich in der Scheiße untergehen. Gefängnis oder Friedhof. Keins von beidem wollte ich.
«Worum geht es hier? Wozu all diese Fragen?» Es ist immer besser, gleich zur Sache zu kommen, schnell und schmerzlos.
Mit prüfender Miene richtet er seine graugrünen Augen auf mich, die Schultern leicht gebeugt.
«Nach der Sache mit Henry will die Queen, dass wir zurück nach Wessco kommen, in zwei Tagen. Das wissen Sie.»
Ich nicke.
«Ich möchte Olivia mit nach Hause nehmen, den Sommer über.»
Eine Zeitlang war ich hin- und hergerissen, was die hübsche New Yorker Bäckerin betraf. Sie setzte Nicholas Flausen in den Kopf, machte ihn leichtsinnig. Aber sie ist ein gutes Mädchen, fleißig, ehrlich – und sie hat ihn wirklich gern. Nicht seinen Titel oder sein Geld. All das könnte ihr nicht gleichgültiger sein, und wahrscheinlich wäre er ihr ohne sogar lieber.
Sie macht ihn glücklich. Und in den knapp zwei Jahren, seit ich für den Kronprinzen arbeite, ist Glück etwas, das ich noch nie bei ihm gesehen habe, glaube ich.
«Ist das klug?», frage ich.
Olivia Hammond ist ein süßes Mädchen. Aber der Palast … ist gut darin, süß in bitter zu verwandeln.
«Nein. Aber ich will es trotzdem.»
Sein Gesicht ist jetzt offen und ungeschützt, und der Ausdruck darauf sehnsüchtig. Man könnte meinen, ein Royal kann alles haben, was er will. Nicholas hat Privatjets, Diener, Schlösser und mehr Geld, als er in einem ganzen Leben ausgeben kann, aber ich erinnere mich an keine einzige Situation, in der er je getan hat, was er wollte, einfach nur so zum Spaß. Oder in der er sich erlaubte, etwas zu tun, von dem er wusste, dass er es nicht tun sollte.
Ich bewundere ihn, aber ich beneide ihn nicht.
«Olivia will mitkommen, aber sie macht sich Sorgen, ihre Schwester den Sommer über allein zu lassen. Ellie ist jung, noch in der Schule und … naiv.»
Sie hat auch einen wilden Zug an sich. So wild wie die pinke Strähne in ihrem blonden Haar, zu der sich in den zwei Monaten, seit wir in New York sind, noch eine blaue und dann eine grüne gesellt haben.
«Ich könnte mir vorstellen, dass sie Schwierigkeiten magisch anzieht», sage ich.
«Genau. Außerdem wird Ellie den Coffee Shop allein führen müssen, mit nur Marty als Hilfe. Olivias Vater ist …»
«Er ist ein Trinker.» Trinker rieche ich auf eine Meile.
«Ja.» Nicholas seufzt. «Sehen Sie, Logan, Sie sind schon lange genug dabei, um zu wissen, dass ich nicht allzu oft oder gar leichtfertig jemandem vertraue. Aber Ihnen vertraue ich.» Er fährt sich mit der Hand durch seine schwarzen Haare und sieht mir in die Augen. «Aus diesem Grund frage ich Sie. Werden Sie in New York bleiben? Werden Sie Ellie helfen, auf sie aufpassen … für ihre Sicherheit sorgen?»
Sie scheint ein anständiges Mädchen zu sein, aber wie ich schon sagte, bin ich kein Diener – und ich bin auch kein Babysitter. Die königliche Familie zu beschützen, ist eine Verpflichtung, die ich gewählt habe. Einen amerikanischen Teenager im Auge zu behalten, da ist der Ärger verdammt noch mal vorprogrammiert.
Nicholas sieht aus dem Fenster. «Ich weiß, das ist viel verlangt. Das ist nicht Ihre Aufgabe. Sie können nein sagen. Aber es gibt niemand sonst, den ich dafür wählen würde … niemand sonst, auf den ich mich derart verlassen kann. Also würde ich es als persönlichen Gefallen betrachten, wenn Sie ja sagen.»
Ach … verdammt. Ich habe einen Bruder. Zu sagen, dass ich mir wünsche, ich hätte keinen, wäre untertrieben. Und das ist wirklich etwas anderes als Nicholas’ Wunsch, sein königlicher Schnösel von einem Bruder würde verdammt noch mal endlich erwachsen werden, oder Miss Olivias Sorge um ihre jüngere Schwester. Die Welt wäre ohne meinen Bruder ein besserer Ort, und das ist eine Meinung, die andere durchaus teilen. Aber wenn ich die Wahl hätte, wenn ich mir einen Bruder basteln könnte, dann wäre es am Ende der Mann, der gerade vor mir sitzt. Und darum, obwohl ich das verdammt noch mal bereuen werde, dauert es nur einen einzigen Moment, bis ich ihm meine Antwort gebe.
«James hat einen Sohn daheim», sage ich, «ungefähr ein Jahr alt, deshalb wird er mit Ihnen nach Hause fahren wollen. Tommy wird gern bleiben. Die Bronx ist wie ein persönlicher Harem für ihn. Wir zwei und noch zwei weitere Männer, Cory und Liam vielleicht, können das Mädchen den Sommer über aus Schwierigkeiten raus und den Laden über Wasser halten.»
Ein breites Lächeln legt sich auf Nicholas’ Gesicht, und seine Augen leuchten. Er steht auf, streckt mir die Hand hin und klopft mir auf die Schulter.
«Danke, Logan. Wirklich. Das werde ich Ihnen nicht vergessen.»
Dieser Sommer wird … mal was anderes werden.
Was Musik angeht, bin ich altmodisch. Dafür gebe ich meiner Mutter die Schuld. Eine meiner frühsten Erinnerungen ist, wie sie mich mit einem Wiegenlied von Led Zeppelin in den Schlaf singt: All of My Love. Wenn sie in der Küche des Amelia’s backte, des Coffee Shops unserer Familie, der nach ihr benannt ist, dann wummerte stets ihr Ghettoblaster. Manchmal brachte sie etwas Abwechslung rein, aber meistens waren es die kehligen, aufwühlenden, kraftvollen Songs großartiger Sängerinnen. Das prägte mich und meine große Schwester.
Ich meine, wenn man einmal gehört hat, wie Janis Joplin bei Bobby McGee alles gibt, kann man nicht mehr mit weniger zufrieden sein.
Heute Morgen, kurz nach vier, habe ich mich für Gloria von Laura Branigan entschieden. Es hämmert gegen meine Trommelfelle, energiegeladen und peppig. Und heute kann ich etwas Pep gebrauchen.
Olivia ist gestern nach Wessco aufgebrochen, und ich freue mich für sie, empfinde echte, aufrichtige, kreischende Freude. Sie hat es verdient, von vorne bis hinten hofiert, von einem umwerfend schönen Prinzen mit schmutziger Seele und goldenem Herzen verwöhnt und vergöttert zu werden. Liv verdient die ganze Welt, selbst wenn es nur für drei Monate ist.
Aber ich werde sie schrecklich vermissen.
Außerdem ist da noch das kleine Detail, dass ich seit vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen habe. Keine Sekunde. Und wenn ich das recht sehe, wird es demnächst viele schlaflose Nächte geben. Ich bin im letzten Jahr der Highschool, ich habe für Prüfungen zu büffeln, Projekte zu stemmen, außerschulische Tätigkeiten zu bewältigen, lebenslange Erinnerungen zu schaffen – und jetzt auch noch ein Geschäft zu führen.
Wer hat da schon Zeit für Schlaf, verdammt?!
Ich drehe die Lautstärke meines Handys hoch und schiebe mir einen gehäuften Esslöffel Instant-Kaffeepulver in den Mund, um die bitteren, spitzen Körnchen dann mit einem Schluck kalten, schwarzen Kaffees hinunterzuspülen. Im Laden bieten wir keinen Instant-Kaffee an. Instant-Kaffee ist widerlich. Aber er erfüllt seinen Zweck. Er ist effektiv, effizient. Ich liebe Koffein. Das High, den Rausch, das Gefühl, dass ich Wonder Womans lang verschollene Cousine bin und es nichts gibt, das ich nicht schaffen kann.
Ich würde mir Koffein spritzen, wenn das ginge.
Wahrscheinlich wäre ich längst Meth-Junkie, wenn da nicht die Sache mit den verfaulenden Zähnen, dem ruinierten Leben und dem Tod an einer Überdosis wäre. Ich bin in meinem letzten Jahr an der Highschool, kein Volltrottel.
Nachdem ich mein widerliches Lebenselixier hinuntergeschluckt habe, steige ich wieder in den Song ein. Ich wackle mit Hüften und Schultern und schüttle mein blondes Haar mit den meerjungfrau-bunt gefärbten Strähnen. Ich drehe mich auf den Zehenspitzen, ich twerke und springe ziemlich ballerinamäßig durch die Küche, während ich die Pieformen auf der Arbeitsfläche mit klebrigem, leckerem, frisch geschnittenem Obst fülle und die bemehlten Teigkugeln für die Deckel der zwei Dutzend Pies ausrolle, die ich noch machen muss, bevor wir öffnen.
Die Pies meiner Mutter, ihre Rezepte – dafür ist das Amelia’s bekannt. Diese Pies sind der einzige Grund, warum wir nicht schon vor Jahren dichtmachen mussten. Früher brauchten wir nur ein Dutzend, aber als die Nachricht von der Romanze meiner Schwester mit dem Kronprinzen von Wessco sich herumsprach beziehungsweise wie eine Bombe einschlug, kamen die ganzen Prinzen-Groupies, Royals-Fans, interessierten Passanten und Psycho-Stalker aus ihren Löchern … und direkt zu unserer Tür.
Das Geschäft boomt, was ein zweischneidiges Schwert ist. Das Geld ist ein bisschen weniger knapp, aber das Arbeitspensum hat sich verdoppelt, und jetzt, wo meine Schwester fort ist, hat sich die Arbeitskraft halbiert. Mehr als halbiert, um genau zu sein. Ein Drittel ist übrig, weil Olivia eigentlich den Laden schmiss. Bis vor kurzem war ich noch eine absolute Faulenzerin. Das war übrigens auch der Grund, warum ich so eisern darauf bestanden habe, dass sie nach Wessco geht, warum ich geschworen habe, dass ich mich der Situation gewachsen zeigen und alles regeln werde, solange sie fort ist.
Das war ich ihr nämlich schuldig. Und wenn ich meinen Teil der Abmachung tatsächlich einhalten will, dann muss ich, was diese Pies angeht, wirklich den Arsch hochkriegen.
Ich stäube etwas Mehl auf den Teig und rolle ihn mit dem schweren hölzernen Nudelholz aus. Sobald er die perfekte Größe und Dicke hat, wirble ich das Nudelholz herum und singe in den Griff, als wäre ich bei American Idol.
«Calling Gloriaaaaaaaaaaaaaaaaaaa …»
Und dann drehe ich mich um.
«AHHHHHHHHHHHHHH!»
Ohne nachzudenken, hole ich aus und schleudere das Nudelholz wie einen Tomahawk … direkt an den Kopf des Kerls, der in der Küchentür steht.
Des Kerls, den ich nicht habe reinkommen hören.
Des Kerls, der das wirbelnde Nudelholz auffängt, ohne mit der Wimper zu zucken, einhändig und eiskalt wie ein Schneemann, nur Zentimeter von seinem umwerfend perfekten Gesicht entfernt.
Er neigt den Kopf nach links, um mich um das Nudelholz herum mit seinen gefühlvollen braunen Augen anzusehen. «Netter Wurf.»
Logan St. James. Bodyguard. Absolut knallhart. Der sexyste Kerl, den ich je kennengelernt habe – und das schließt Bücher, Filme und Fernsehen mit ein, national und international. Er ist die perfekte Kombi aus jungenhaft könnte-auf-meine-Schule-gehen gutaussehend und gefährlich heiß, eine verführerisch geheimnisvolle Mischung. Wenn Superman, James Dean, Jason Bourne und ein Typ mit dem geschmeidigsten, perfektesten wessconischen Akzent zu einer einzigen Person verschmelzen würden, dann käme Logan St. James heraus.
Und dem habe ich gerade versucht, eins überzubraten, und trage zu allem Überfluss meine Rick-and-Morty-Schlafshorts, ein Winnie-Puuh-T-Shirt, das ich schon habe, seit ich acht war, und meine SpongeBob-Pantoffeln.
Und keinen BH.
Nicht, dass bei mir obenrum viel los wäre, aber trotzdem …
«Ach du grüne Kacke!» Ich greife mir an die Brust wie eine alte Frau mit Herzschrittmacher.
Logans Stirn runzelt sich. «Das hab ich noch nie gehört.»
Oh Mist, hat er mich tanzen gesehen? Hat er gesehen, wie ich herumgesprungen bin? Lieber Gott, lass mich sterben.
Ich ziehe am Kabel meiner Ohrstöpsel und reiße sie mir aus den Ohren. «Was zum Teufel soll das, Alter?! Mach ein bisschen Lärm, wenn du reinkommst, damit ein Mädchen weiß, dass sie nicht allein ist. Du hättest mir einen Herzinfarkt verpassen können. Und ich hätte dich mit meinen umwerfenden Ninja-Fähigkeiten killen können.»
Seine Mundwinkel zucken. «Nein, hättest du nicht.» Er legt das Nudelholz auf die Küchenzeile. «Ich habe an die Küchentür geklopft, damit ich dich nicht erschrecke, aber du warst beschäftigt mit … deiner Performance.»
Hitze schießt mir ins Gesicht. Und ich würde am liebsten im Boden versinken und dann bis ganz runter zum Erdkern.
Logan zeigt zum vorderen Teil des Coffee Shops. «Die Tür war nicht verriegelt. Ich dachte, Marty wollte das kaputte Schloss ersetzen?»
Erleichtert, einen Grund zu haben, ihn nicht ansehen zu müssen, drehe ich mich um und hole das Schloss aus der Schublade. Es ist immer noch in der Verpackung. «Er hat es gekauft, aber wir waren gestern so mit Arbeit eingedeckt, dass wir keine Zeit hatten, es einzubauen.»
Logan nimmt es und dreht es in den Händen. «Ich kümmere mich daraum.»
«Brauchst du einen Schraubenzieher?»
«Nein, ich habe Werkzeug im Wagen.»
Den Ellbogen auf die Arbeitsfläche gestützt, schaue ich zu ihm hoch. Logan ist wirklich groß. Und zwar nicht nur, weil ich winzige eins fünfundfünfzig klein bin. Er ist richtig, richtig groß. Wie ein sexy Baum. Und kräftig. Mit breiter Brust in seinem schwarzen Hemd. Muskulös.
«Du bist so ’ne Art Pfadfinder, was?»
Das ist mein Versuch zu flirten, wahrscheinlich kaum wirkungsvoller als «ich hab eine Wassermelone getragen» bei Dirty Dancing.
Wieder dieses Mundwinkelzucken.
«Nicht mal annähernd.»
Er sagt es mit einem Bad-Boy-Tonfall, einer Andeutung des Verbotenen, die mein Herz schneller klopfen lässt.
«Genau, ich auch nicht … War nie bei den Pfad…» Ich nicke heftig.
Zu heftig.
So heftig, dass mein Ellbogen auf der bemehlten Arbeitsfläche wegrutscht und ich mich fast selbst k.o. schlage. Aber Logan ist nicht nur groß und muskulös, er ist auch schnell. Schnell genug, um mich am Arm und an der Taille festzuhalten, bevor ich mir den Schädel an der hölzernen Arbeitsplatte einschlage.
«Alles okay, Ellie?»
Er beugt sich herunter und mustert mich mit einem Blick, den ich heute Nacht in meinen Träumen sehen werde … vorausgesetzt, ich kann schlafen. Und, wow, hat Logan tolle Wimpern. Dick und lang und mitternachtsschwarz. Ich wette, sie sind nicht der einzige Teil von ihm, der dick und lang ist.
Mein Blick zuckt hinunter zu seinem Gelobten Land, wo seine Hose gerade eng genug ist, um meinen Verdacht zu bestätigen. Dieser Bodyguard mag vielleicht eine Dienstwaffe im Halfter haben, aber in seiner Hose hat er eine Magnum. «Ja, ich bin okay.» Ich seufze. «Nur … müde, weißt du. Aber das ist … cool … alles cool.»
Er nickt und machte einen Schritt zurück. «Dann repariere ich mal das Schloss. Und danach gebe ich dir den Schlüssel. Behalt ihn bei dir; verlier ihn nicht. Von jetzt an schließt du die Tür hinter dir ab, wenn du gehst, und du lässt sie verschlossen, wenn du allein hier bist. Verstanden?»
Wieder nicke ich. Livvy muss mit ihm gesprochen haben. Ist nicht meine Schuld, dass mir Schlüssel ständig abhandenkommen. Ich lege sie an eine bestimmte Stelle, damit ich später weiß, wo sie sind, und ich schwöre bei Gott, sie bekommen Beine und laufen davon.
Schlüpfrige kleine Houdini-Scheißerchen.
Nachdem ich den letzten Kuchen aus dem Ofen geholt und auf das Abkühlgitter gestellt habe, flitze ich die Treppe hoch, um mich für die Schule fertigzumachen. Ich habe weder viel Zeit noch tolle Klamotten, aber ich mache das Beste aus dem, was ich habe: dunkle Jeans, ein durchsichtiges, kurzärmeliges rosa Top mit weißem Tanktop darunter, schwarze Ballerinas und eine schwarze Lederjacke, die ich letztes Jahr in einem Secondhandladen ergattert habe.
Ich mag Schmuck, ich klimpere gern beim Gehen – wie eine menschliche Musicbox. Also kommen billige Ringe an jeden Finger, noch billigere Armreifen an meine Handgelenke und ein langes Silberkettchen um meinen Hals.
Ich betone mein Gesicht nicht mit Contouring oder fülle meine blonden Augenbrauen mit dunklem Augenbrauenstift auf wie Kylie Jenner; wenn ich das versuchen würde, sähe ich am Ende aus wie eine Serienkillerin. Aber ich benutze Concealer unter den Augen, praktisch die ganze Tube, dazu ein bisschen Mascara und helles rosa Lipgloss.
Als ich kurz vor sechs die Hintertreppe hinunterhüpfe, ist Logan mit dem Schloss fertig und redet in der Küche mit unserem Kellner Marty.
Marty McFly Ginsberg ist nicht einfach nur ein Angestellter, er ist wie ein Bruder für Livvy und mich. Ein schwarzer, jüdischer, schwuler und arschcooler Bruder. Marty ist bombe.
«Hey, Küken.» Er umarmt mich. Und ich liebe es, dass der Mann nicht knauserig ist mit seinen Umarmungen. «Wie geht’s dir? Hast du was von Liv gehört?»
Ich nicke. «Hat sie dir das Foto von ihrem Zimmer geschickt?»
Marty seufzt. «Als wär sie gestorben und im Schöner-Wohnen-Himmel wieder aufgewacht.» Er streicht mir eine grüne Strähne aus dem Gesicht. «Wie ist es gestern Abend gelaufen?»
«Ganz okay.» Ich gähne. «Ich habe noch nicht geschlafen, aber das ist ja nichts Neues.»
Marty mahlt die Kaffeebohnen, füllt zwei Filter und fängt an, die erste von vielen Kannen Kaffee aufzubrühen. «Wie schlägt sich dein Dad?»
«Ganz okay, schätze ich. Er ist nicht nach Hause gekommen.»
Das kommt nicht häufig vor, aber oft genug, um keine große Sache zu sein. Zumindest nicht für mich.
Logan dreht sich zu mir um. «Wie meinst du das?»
Ich zucke mit den Schultern. «Er ist noch nicht wieder zu Hause. Wahrscheinlich hat er sich aufgeregt, weil Liv nach Wessco gegangen ist, hat sich volllaufen lassen und liegt bewusstlos in Mulligan’s Bar oder auf einer Parkbank zwischen hier und dort. Das kommt manchmal vor.»
Die Augen des Bodyguards flackern auf, als wäre ein Feuer in ihm entzündet worden. «Willst du damit sagen, du hast die Nacht ganz allein in der Wohnung im ersten Stock verbracht, mit einer verdammten unverriegelten Tür im Erdgeschoss?»
«Ja. Aber ich hatte Bosco bei mir.»
Bosco ist unser Shih-Tzu-Chihuahua-Mischling. Er hat nicht gerade das Zeug zum Wachhund, aber er könnte durchaus Eindringlinge zu Tode zu erschrecken, weil er so hässlich ist, dass es schon fast wieder süß ist. Und falls ein Einbrecher zufällig versuchen würde, Hot Dogs aus dem Kühlschrank zu stehlen, würde er es hier nie lebend raus schaffen. Für einen Hot Dog würde Bosco ihm die Kehle durchbeißen.
«Das ist keine große Sache, Logan.»
Logan sieht Marty an, und sie wechseln einen dieser Jungs-Club-Blicke. Als er sich wieder mir zuwendet, sind sein Gesicht und seine Stimme hart. Er ist definitiv sauer.
«Wir werden uns abwechseln, ich und die Jungs. Wir können hier unten im Diner bleiben, wenn es dir unangenehm ist, uns in der Wohnung zu haben, aber von jetzt an wird rund um die Uhr jemand hier bei dir sein. Du wirst nicht wieder allein bleiben. Ja?»
Ich nicke und habe ein warmes, bizzeliges Gefühl in den Adern, als wäre mein Blut mit Kohlensäure versetzt.
«Okay.»
So ist das also, jemanden zu haben, der für mich da ist.
Versteht mich nicht falsch, meine Schwester würde sich für mich eine Kugel einfangen und trotzdem noch denjenigen, der den Schuss abgefeuert hat, windelweich prügeln. Aber das hier ist völlig anders. Heißer. Tarzanmäßiger. Tröstlicher. Ich habe für diesen harten, gutaussehenden Kerl absolute Priorität. Er wird sich um mich kümmern, mich beschützen … als wäre es sein gottverdammter Job.
Weil es sein gottverdammter Job ist.
Ich weiß von Liv, dass Nicholas den ständigen Schutz erdrückend findet. Aber für mich fühlt es sich einfach nur … wirklich schön an.
Ein Lastwagen rumpelt in die Gasse hinter dem Laden.
«Das ist der Gebäck-Lieferant», sagt Marty. «Falls er wieder versucht, uns total zerdrückte Plunderteilchen anzudrehen, werde ich ihn einen Kopf kürzer machen müssen.» Er lässt seine Knöchel knacken. «Bin gleich wieder da.»
Als er zur Hintertür geht, schlüpft meine Freundin Marlow an ihm vorbei in die Küche.
«Hey, Bitch. Bist du startklar?»
«Ja, in fünf Minuten.»
Marlow kommt aus einer reichen Familie. Ihr Dad ist ein Hedgefonds-Manager und irgendwie ein Blödmann. Ihre Mom ist sehr schön und sehr traurig, und ich habe sie noch nie ohne ein Glas Pinot Grigio gesehen. Sie schicken Marlow nicht auf eine Privatschule, obwohl sie es sich leisten könnten, weil sie wollen, dass sie Biss kriegt. Straßenschläue.
Ich weiß nicht, ob es wirklich das öffentliche Schulsystem ist oder ob es ihr einfach im Blut liegt, aber wenn ich wetten müsste, welches Mädchen eventuell mal die Welt regieren wird, dann würde ich mein Geld auf Marlow setzen.
«Die Vordertür ist abgeschlossen, was ist denn da plötzlich los?»
«Logan hat das Schloss repariert», erkläre ich ihr.
Ihr knallroter, herzförmiger Mund lächelt. «Gut gemacht, Kevin Costner. Aber du solltest Ellie den Schlüssel an die Stirn tackern, sonst verliert sie ihn garantiert.»
Sie hat auch für die anderen Typen Spitznamen, und als ihr Lieblingsbodyguard Tommy Sullivan ein paar Minuten später reinkommt, spricht Marlow ihn mit seinem an. «Hallo, Sahneschnitte.» Sie wickelt sich ihre honigfarbenen, wippenden Locken um den Finger, schiebt die Hüfte raus und legt den Kopf schief wie ein Pin-up-Girl aus den Fünfzigern.
Tommy, der für sein Leben gern flirtet, zwinkert ihr zu. «Hallo, hübsches minderjähriges Mädel.» Dann nickt er Logan zu und lächelt mich an. «Grüß dich, Lo. Guten Morgen, Miss Ellie.»
«Hey, Tommy.»
Marlow grinst. «Drei Monate noch, Tommy. Drei Monate noch, bis ich gesetzlich volljährig bin, dann werde ich dich benutzen, auslutschen und wegwerfen.»
Der dunkelhaarige Teufel grinst. «So stell ich mir ein gutes Date vor.» Dann deutet er zur Hintertür. «Also, sind wir bereit für einen unterhaltsamen Tag des Lernens?»
Einer der Security-Typen begleitet mich zur Schule, seit die Öffentlichkeit und die Presse wegen Nicholas’ und Olivias technisch gesehen immer noch unbestätigter Beziehung völlig durchdrehen. Sie sorgen dafür, dass mir niemand Ärger macht, und wenn es regnet, fahren sie mich mit ihrem kugelsicheren, verdunkelten SUV – ein ziemlich cooler Deal.
Ich schnappe mir meine superschwere Messenger-Bag.
«Ich kann nicht fassen, dass ich nicht eher draufgekommen bin. Ellie, du solltest heute Abend eine Mega-Party hier feiern!», sagt Marlow.
«Auf gar keinen Fall», sagen Tommy und Logan wie aus einem Mund und mit synchronem Kopfschütteln.
Beschwichtigend hebt Marlow die Hände. «Hab ich Party gesagt?»
«Mega-Party», korrigiert Tommy.
«Nein, das ist falsch rübergekommen. Ich meinte, wir sollten ein paar Freunde einladen, um … zusammen rumzuhängen. Nur ganz wenige. Sehr erwachsen. Wie … fast wie eine Lerngruppe.»
Ich spiele mit meiner Halskette. «Das hört sich wirklich nach einer guten Idee an.»
Eine Party zu schmeißen, wenn die Eltern weg sind, gehört auf der Highschool zum Erwachsenwerden dazu. Und nach diesem Sommer wird Liv höchstwahrscheinlich nie wieder weg sein. Es heißt also jetzt oder nie.
«Das ist eine furchtbare Idee.» Logan macht ein finsteres Gesicht. Er sieht irgendwie furchteinflößend aus, wenn er ein finsteres Gesicht macht. Aber immer noch heiß. Womöglich noch heißer.
Marlow macht einen Schritt vorwärts, als hätte sie Eier aus Stahl. «Ihr dürft sie nicht aufhalten, das ist nicht euer Job. Das ist wie, als man die Bush-Zwillinge in dieser Bar mit gefälschten Ausweisen erwischt hat, oder als Malia Obama auf dem Coachella beim Kiffen gefilmt wurde. Der Secret-Service konnte sie nicht aufhalten; die mussten nur dafür sorgen, dass sie nicht draufgehen.»
Lässig, sogar wenn er auf knallhart macht, schiebt Tommy die Hände in die Hosentaschen. «Wir könnten ihre Schwester anrufen. Ich wette, die könnte sie sogar von der anderen Seite des Ozeans aus aufhalten.»
«Nein!» Ich zucke zusammen. «Nein, belästigt Liv nicht damit. Ich will nicht, dass sie sich Sorgen macht.»
«Wir könnten die verdammten Türen und Fenster zunageln», schlägt Logan vor.
Weil das ja überhaupt nicht übertrieben wäre angesichts von so was Harmlosem wie einer Party.
Ich trete vor die beiden Bodyguards und lege meinen Fall dar. «Ich verstehe, warum ihr euch Sorgen macht, okay? Aber ich hab ein Motto. Ich will die Zitrone lutschen, heißt es.»
Tommy fallen fast die Augen raus. «Du willst was lutschen?»
Lachend schüttle ich den Kopf. Jungs sind dumm.
«Ihr kennt doch den Spruch, ‹Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach Limonade draus›? Nun, ich will die Zitrone auslutschen, sie komplett essen.»
Keiner von beiden sieht sonderlich beeindruckt aus.
«Ich möchte das Leben voll und ganz auskosten, alles erleben, was es zu bieten hat, das Gute und das Schlechte.» Ich ziehe meine Jeans hoch, um ihnen meinen Knöchel zu zeigen, und die kleine Zitrone, die ich dort hingemalt habe. «Seht ihr? Sobald ich achtzehn bin, werde ich mir das richtig tätowieren lassen. Als Erinnerung daran, so viel und heftig und großartig zu leben, wie ich kann, und nichts als selbstverständlich zu betrachten. Und heute Abend meine Freunde einzuladen gehört dazu.»
Ich schaue zwischen den beiden hin und her. Tommy wird weich, das kann ich spüren. Logan ist immer noch hart wie eine Ziegelmauer.
«Es wird nur klein. Und ruhig, das schwöre ich. Total kontrolliert. Und außerdem werdet ihr Jungs ja hier bei mir sein. Was könnte da schon schiefgehen?»
Alles. Alles geht total schief.
Um halb elf ist der komplette Gastraum des Cafés vollgestopft mit Leuten. Und ich kenne niemanden. Überall auf den Tischen stehen leere Bier- und Schnapsflaschen, und in der Küche riecht es wie in einem Coffeeshop in Amsterdam.
Wie gerate ich nur immer in solche Situationen? Warum passiert mir das? Und wo zum Teufel steckt Marlow?
Ein Matrose drängt sich an mir vorbei.
Ja, ein richtiger, waschechter Matrose, wie Popeye, in voller Ausgehuniform. Und dabei ist noch nicht mal Flottenwoche!
«Siehst du den auch?», sage ich stotternd zu Logan, der neben mir finster dreinschaut. Und dabei immer noch verdammt sexy aussieht.
«Ich hab doch gesagt, dass das eine schlechte Idee ist», knurrt Logan.
Ich stampfe mit dem Fuß auf. Weil ich eine Erwachsene bin. Fast. «So was sagt man nicht! Man sagt nicht: ‹Ich hab’s doch gesagt.› Das ist unhöflich!»
«Ist mir scheißegal, was unhöflich ist. Du musst auf mich hören. Von jetzt an tust du, was ich dir sage, verstanden?»
Mir liegt die Frage auf der Zunge, was Special Agent Sexy macht, wenn ich mich weigere. Mir den Hintern versohlen? Mich fesseln? Mich mit Handschellen an ihn ketten? In dem Fall werde ich ein sehr unartiges Mädchen sein.
Bevor ich die Frage stellen kann, reißt mich ein lautes Krachen aus der Küche aus meiner schmutzigen Phantasie und zurück in meine beschissene Realität.
Die Musik ist so laut, dass die Holzstühle vibrieren, und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis einer der Nachbarn die Bullen ruft. Ich bin müde und … verdammt noch mal, die essen unsere Kuchen! Ich entdecke drei, nein, vier Leute, die rumstehen, sich unterhalten und sich dabei die Pies für morgen reinschaufeln. Arschgeigen!
«Du hast recht. Das war’s. Ziehen wir den Stecker.»
Logan verdreht die dunkelbraunen Augen zur Decke. «Na endlich.»
Händeringend überlege ich, wie wir es anstellen sollen. «Also, vielleicht könntest du diese Sache mit dem auf den Fingern Pfeifen machen, um die Aufmerksamkeit von allen zu bekommen? Und ich stelle mich auf einen Stuhl und sage: ‹Danke, dass ihr alle gekommen seid. Es war toll. Ich hoffe, ihr …›»
Aber Logan hört nicht zu. Weil er gar nicht mehr neben mir steht. Er ist drüben bei der Stereoanlage und macht die Musik aus, dann legt er die Hände wie einen Trichter um den Mund. «Raus hier, verdammt noch mal!»
Feingefühl, dein Name ist nicht Logan St. James.
«Du könntest ein bisschen helfen, weißt du.»
Nachdem die Party aufgelöst wurde, hat Logan Tommy nach Hause geschickt. Er will die Nachtschicht übernehmen und sichergehen, dass alles wieder in Ordnung gebracht wird. Die anderen sollen ihn dann morgen ablösen.
Allmählich bekomme ich das Gefühl, dass Logan nicht besonders gut im Delegieren ist.
«Warum sollte ich?», fragt er, an die Wand gelehnt, während er mit dem Daumen über den Touchscreen seines Handys wischt. «Ich hab dir doch gesagt, du sollst keine verdammte Party feiern.»
Zeus sei Dank, dass ich meine Hausaufgaben gleich nach der Schule gemacht habe, in der Küche, zwischen dem Zubereiten der Bestellungen. Ich schreibe morgen in der vierten Stunde eine Prüfung, aber ich kann in der Mittagspause lernen. Im Moment kratze und wische ich auf allen vieren die klebrigen, zerdrückten Kuchenreste vom Fußboden auf. Die Recyclingtonnen sind bis zum Rand mit leeren Flaschen gefüllt, die Küche ist sauber, und die Tische sind abgewischt. Der Boden ist das Letzte, was noch übrig ist.
«Das wär, was ein Gentleman tun würde.»
«Ich bin kein Gentleman, und ich kehre keine verdammten Fußböden.»
«Nett.»
Er neigt den Kopf, doch bevor er etwas sagen kann, kommt mein Dad zur Tür herein. Nach zwei ganzen Tagen.
Er schlurft herein, nicht direkt torkelnd, aber unsicher auf den Beinen, den Blick stur geradeaus gerichtet.
Wie Logan ist auch mein Dad groß, breit und attraktiv auf eine raue Weise. Der Typ, der nach der Arbeit duscht, nicht davor. Oder zumindest war er das mal. Jetzt, besonders nach einer Sauftour, neigt er dazu, den Kopf zwischen die Schultern zu ziehen, was ihn gebeugt und alt aussehen lässt. Sein Flanellhemd ist zerknittert und schmutzig, und sein schwarz-graues Haar hängt ihm in die Augen.
«Was ist denn hier los, Ellie?», lallt er.
Und das Merkwürdige ist, ich hoffe, er schreit mich an. Gibt mir Hausarrest. Nimmt mir das Handy weg. Wie es normale Eltern tun würden, ein richtiger Vater … der sich tatsächlich kümmert.
«Ich, äh, hatte ein paar Leute hier. Es wurde ein bisschen verrückt. Ich räume alles wieder auf, bevor wir morgen aufmachen.»
Er sieht nicht mal in meine Richtung. Reagiert nur mit einem kleinen, knappen Nicken, das ich bloß bemerke, weil ich ihn so genau beobachte.
«Ich geh ins Bett. Morgen steh ich auf und helfe Marty, wenn du in die Schule gehst.»
Dann stampft er an den Tischen vorbei und durch die Schwingtür der Küche zur Hintertreppe, die zu unserer Wohnung im ersten Stock führt.
Ich senke den Kopf und putze weiter den Boden.
Ein paar Minuten später sage ich, ohne hochzublicken, zu Logan: «Das brauchst du nicht, weißt du? Das ist wirklich nicht nötig.»
«Was denn?»
«Dir Sorgen machen. Du bist total angespannt, als ob du denkst, er würde mir weh tun oder so was. Er bringt kaum die Energie auf, mit mir zu reden. Er würde mich nie schlagen.»
Logan schaut mit diesen tiefen, dunklen Augen auf mich herunter, als könne er direkt in mich hineinsehen, meine Gedanken lesen.
«Es müssen nicht seine Fäuste sein. Es gibt alle möglichen Methoden, jemandem weh zu tun. Nicht wahr?»
Für gewöhnlich bringt mich nichts aus der Fassung. Das würde ich gar nicht zulassen. Aber die letzten paar Tage waren nicht gewöhnlich. Und große, schmerzhafte Tränen treten mir in die Augen.
«Er hasst mich», sage ich. Und dann schluchze ich, und meine Schultern beben. «Mein Dad hasst mich.»
Logan runzelt die Stirn und holt tief Luft. Dann, mit für einen Kerl seiner Größe überraschender Anmut, kommt er rüber und lässt sich neben mir auf dem Boden nieder, die Beine angewinkelt, die Unterarme auf den Knien, den Rücken an die Wand gelehnt.
Er beugt sich dicht zu mir und flüstert sanft: «Ich glaube nicht, dass das stimmt.»
Ich schüttle den Kopf und wische mir über die Wangen. «Du verstehst das nicht. Ich war krank. In der Nacht, in der Mom getötet wurde, hatte ich Halsschmerzen, Husten. Ich habe die ganze Zeit rumgejammert. Die Apotheke den Block runter hatte wegen Renovierung geschlossen, also nahm sie die U-Bahn.»
Wenn du in einer Großstadt aufwächst, reden deine Eltern schon früh mit dir darüber, wie man sich bei einem Raubüberfall verhält. Dass keine Menge an Geld oder Schmuck dein Leben wert ist. Wenn also jemand diese Dinge von dir will, dann gibst du sie ihm einfach. Die lassen sich ersetzen, du nicht.
«Er hat uns vor ein paar Jahren aus dem Gefängnis einen Brief geschrieben, der Kerl, der es getan hat. Er schrieb, dass es ihm leidtut, dass er sie nicht erschießen wollte, dass die Pistole einfach … losging.» Als ich hochblicke, stelle ich fest, dass Logan mir aufmerksam zuhört. «Dass es ihm leidtut, dass er es nicht mit Absicht getan hat, hilft kein bisschen. Wir haben uns dadurch nicht besser gefühlt. Wenn überhaupt, hat es nur bewiesen, dass sie zur falschen Zeit am falschen Ort war. Und dass … wenn es mich nicht gäbe, die große Liebe meines Dads noch leben würde. Ich bin nicht theatralisch, das ist einfach eine Tatsache. Und deshalb kann er mich nicht mal ansehen.»
Schweigend hocken wir eine ganze Zeit da, ich auf den Boden starrend, Logan den Blick geradeaus gerichtet.
Dann reibt er sich den Nacken und fragt: «Du weißt doch, dass man New Jersey die Achselhöhle Amerikas nennt?»
«Das fand ich schon immer blöd. Ich mag Jersey.»
«Wo ich aufwuchs, East Amboy, das ist praktisch die rechte Arschbacke von Wessco.»
Ein kleines Lachen platzt mir aus der Kehle.
«Da gab es diesen Kerl, Wino Willie nannten ihn alle. Er brachte den Tag damit zu, auf der Straße zu betteln und in der Gosse nach Kleingeld zu suchen. Davon kaufte er sich die größte, billigste Flasche Fusel, die er kriegen konnte.»
Logans tiefe Stimme und der melodische, britisch-schottisch klingende Akzent sind beruhigend. Wie ein dunkles Wiegenlied.
«Aber er war nicht immer Wino Willie. Früher mal war er William und hatte eine hübsche Frau und drei kleine Kinder. Sie waren arm wie wir alle und lebten in einer winzigen Einzimmerwohnung im dritten Stock eines heruntergekommenen Gebäudes, aber sie waren glücklich.»
Seine Stimme wird leiser.
«William arbeitete die Nachtschicht im Supermarkt, er lud Lastwagen ab, räumte Regale ein. Und eines Abends gab er seiner Frau einen Abschiedskuss, deckte seine Kinder gut zu und ging zur Arbeit. Und als er wieder nach Hause kam … war alles, was er liebte, alles, wofür er lebte, nur noch ein Haufen Asche.»
Ich schnappe nach Luft, mit einem kleinen, leisen Keuchen.