Reise durch Persien - Pierre Loti - E-Book

Reise durch Persien E-Book

Pierre Loti

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Beschreibung

Mit Lotis eigenen beeindruckenden Worten beschreibt er seine Reise durch die heutige iranische Provinz Isfahan.

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Reise durch Persien

Pierre Loti

Inhalt:

Pierre Loti – Biografie und Bibliografie

Reise durch Persien

Erster Teil

Vorspiel

Unterwegs

Zweiter Teil

Dritter Teil

Vierter Teil

Fünfter Teil

Reise durch Persien, Pierre Loti

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849624989

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com

Pierre Loti – Biografie und Bibliografie

Eigentlich Julien Viaud, franz. Roman- und Reiseschriftsteller, geb. 14. Jan. 1850 in Rochefort, verstorben am 10. Juni 1923 in Hendaye. Einer Hugenottenfamilie entstammend. wurde er mit 17 Jahren Marineaspirant, bereiste als Seeoffizier fast alle Meere und nahm 1883 als Leutnant am Feldzug in Tongking teil. Allzu aufrichtige Berichte an den »Figaro« hatten damals seine zeitweise Enthebung zur Folge. Viaud nahm als Schriftsteller den Namen der indischen Blume L. an, den ihm seine Kameraden aus Spott über seine Schüchternheit gegeben hatten. Seine Romane, Novellen und Reisebeschreibungen zeichnen sich durch farbenprächtige, meist aber auch melancholisch angehauchte Schilderung exotischer Landschaften aus.Er veröffentlichte: »Aziyadé« (1879); »Le mariage de L.«, Liebesidyll mit einer Eingebornen von Tahiti (1882); »Le roman d'un Spahi« (1881); »Fleurs d'ennui« (1882); »Mon frère Yves« (1883); »Pêcheurs d'Islande«, sein bestes Werk (deutsch von Carmen Sylva, zuletzt Bonn 1902); »Madame Chrysanthème« (1887); »Au Maroc« (1890); »Le roman d'un enfant«, Selbstbiographie (1890); »Fantôme d'Orient« (1892); »Jérusalem« (1895); »Ramuntcho«, ein baskischer Bauernroman (1897); »Matelot« (1898); »Les derniers jour de Pékin« (1901);. »L'Inde (sans les Anglais)« (1903); »Vers Ispahan« (1904); »La troisième jeunesse de madame Prune« (1905).Die meisten dieser Schriften erschienen in deutschen Übersetzungen. Auf der Pariser Bühne Antoines debütierte er mit dem Hugenottendrama »Judith Renaudin« (1898) und lieferte ihm auch mit Vedel eine sehr getreue Prosaübertragung von Shakespeares »König Lear« (1904). L. ist seit 1891 Mitglied der französischen Akademie. Von seit,en »Œuvres complètes« erschienen bisher 8 Bde.(1893 bis 1903). Vgl. »Pages choisies de Pierre L.« (mit Biographie von Bonnemain, Par. 1896).

Reise durch Persien

Erster Teil

Vorspiel

Wer mit mir kommen und die Zeit der Rosenblüte in Ispahan sehen will, der entschließe sich, langsam in Etappen an meiner Seite zu wandeln, so wie im Mittelalter.

Wer mit mir kommen und die Zeit der Rosenblüte in Ispahan sehen will, der mache sich gefaßt auf die Gefahren eines Rittes über unwegsame Pfade auf stürzenden Pferden und auf das Gewirre der Karawansereien, wo man übereinander geschichtet in einer Nische aus gestampftem Lehm zwischen Mücken und Ungeziefer schläft.

Wer mit mir kommen und in ihrer trübseligen Oase, inmitten ihrer Felder von weißem Mohn und ihrer Gärten von roten Rosen die alte Stadt der Ruinen und der Mysterien, mit allen ihren kleinen Kuppeln, ihren blauen Minaretts von unwandelbarer Glasur aufsteigen sehen will, wer mit mir kommen und Ispahan unter dem schönen Maienhimmel sehen will, der bereite sich vor auf lange Märsche, in der sengenden Sonne, bei den rauhen kalten Winden der höchsten Regionen, über diese Hochländer Asiens, die hochgelegensten und ausgedehntesten der Welt, die einst die Wiege der Menschheit waren, heute aber in Wüsten verwandelt sind.

Wir reiten vorüber an Phantomen von Palästen aus mausgrauem Kiesel, dessen Gestein dauerhafter und feiner ist als das des Marmors. Dort wohnten einstmals die Herren der Erde, und an ihrem Eingang wachen seit mehr als zweitausend Jahren Kolosse mit großen Flügeln, von der Gestalt eines Stieres, dem Antlitz eines Menschen und der Tiara eines Königs. Wir reiten vorüber, aber hinfort sehen wir nichts als das unendliche Schweigen der blühenden Gräser und der grünenden Gerste.

Wer mit mir kommen und die Zeit der Rosenblüte in Ispahan sehen will, der mache sich gefaßt auf unermeßliche Ebenen, so hoch gelegen wie die Gipfel der Alpen, bekleidet mit niedrigen Kräutern und seltsamen bleichen Blüten, wo nur hin und wieder ein aus taubengrauem Lehm erbautes Dorf auftaucht, mit seiner kleinen baufälligen Moschee, deren Dom von entzückenderem Blau ist, als das eines Türkis, wer mir folgen will, der füge sich in eine lange Reihe von Tagen, deren Einsamkeit und Eintönigkeit nur von Luftspiegelungen unterbrochen wird.

Unterwegs

Dienstag, 17. April.

In der Dämmerung liegt unser Nomadengepäck ausgebreitet auf der Erde, durchnäßt von dem Sprühregen, trostlos anzuschauen. Der Wind fegt unter den sich hochauftürmenden drohenden Wolken dahin. Die weiten Sandflächen, in die wir uns jetzt auf gut Glück hineinstürzen sollen, heben sich hell vom Horizont ab; die Wüste ist weniger dunkel als der Himmel.

Eine große Segelbark, die wir in Bender-Bouchir geheuert haben, wirft uns hier an der Schwelle der Einsamkeiten aus, auf das glühende Ufer des Persischen Golfes, wo Menschen aus unserem Klima die fiebergeschwängerte Luft kaum atmen können. Und hier ist der Ausgangspunkt, wo sich gewöhnlich die Karawanen bilden, die nach Chiraz und Mittel-Persien aufsteigen sollen.

Wir waren vor ungefähr drei Wochen auf einem Schiff von Indien fortgefahren, das uns jetzt langsam an der Küste entlang vorwärts trägt, indem es sich auf den schweren und heißen Gewässern dahinschleppt. Und seit mehreren Tagen sehen wir am nördlichen Horizont eine Art endloser Mauer, die, bald blau, bald rosa, uns zu folgen scheint, und die auch an diesem Abend sich vor uns aufgetürmt hat. Der Rand Persiens, das Ziel unserer Reise, das, zwei- oder dreitausend

Meter über dem Meeresspiegel, in den ungeheuren Höheflächen Asiens ruht.

Der erste Empfang auf persischem Boden war für uns kein freundlicher: Als wir von Bombay ankamen, wo die Pest wütete, mußten mein französischer Diener und ich dort fünf Tage in Quarantäne liegen, allein auf einer sumpfigen kleinen Insel; eine Barke brachte uns jeden Abend die nötigen Lebensmittel, die uns vor dem Hungertode schützen sollten. In einer Backofenhitze, inmitten der Qualen des heißen Sandes, den uns das benachbarte Arabien sandte, inmitten der rätselhaften Winde, mußten wir lange dort leiden. Tagsüber von der Sonne zu Boden gedrückt, mit Bremsen und giftigen Fliegen bedeckt, nachts die Beute ungezählten Ungeziefers, das das Gras verpestete.

Als wir endlich in Bender-Bouchir, der Stadt der Trauer und des Todes, mit ihren verfallenen Mauern, mit ihrem unheilvollen Himmel, einziehen durften, trafen wir in aller Eile unsere Vorbereitungen, kauften Lagergegenstände, mieteten Pferde, Maultiere, Maultiertreiber, die, um wieder mit uns zusammenzutreffen, heute morgen aufbrechen mußten; sie hatten eine Bucht zu umschreiten, wir aber schnitten zu Wasser eine ganze Ecke ab, um auf diese Weise einen Marsch in der glühenden Sonnenhitze zu vermeiden.

So haben wir uns also an der Schwelle der Wüste niedergelassen, gegenüber einem ganz verfallenen Dorf, wo die Leute in Lumpen gehüllt auf Mauertrümmern hocken und rauchen und unserem Treiben zuschauen.

Lange Unterredungen mit unseren halbnackten Schiffern, die uns auf ihren triefenden Schultern ans Land getragen haben, denn die Barke mußte wegen der Sandbänke ungefähr hundert Meter vom Ufer entfernt liegen bleiben. Lange Unterredungen mit dem Ortsvorsteher, der von dem Gouverneur von Bouchir den Befehl erhalten hat, mir eine berittene Begleitmannschaft zu stellen, und schließlich mit einem "Tcharvadar" (dem Anführer meiner Karawane), dessen Pferde und Maultiere hier sein sollten, die aber nicht ankommen.

Von allen Seiten der weite Raum, den der Wind bewegt, der Raum der Wüste oder des Meeres. Und wir befinden uns ohne Schutz, unser Gepäck liegt zerstreut auf dem Boden. Und der Tag erlischt langsam über unserer Verwirrung.

Einige Tropfen Regen. Aber in diesem Lande achtet man nicht darauf; man weiß, daß es nicht regnen wird, daß es nicht regnen kann. Die Leute, die rauchend auf den Ruinen saßen, haben soeben ihr Moghreb Gebet gesprochen, und die Nacht sinkt herab, Unheil verkündend.

Wir warten auf unsere Tiere, die noch immer nicht kommen. In der Dunkelheit tönen von Zeit zu Zeit die Glöckchen zu einem Glockenspiel zusammen, und jedesmal flößen sie uns Hoffnung ein. Aber nein, es ist irgendeine fremde Karawane, die vorüberzieht; zu zwanzig oder dreißig, die Maultiere streifen uns; um sie daran zu verhindern, unser Gepäck und uns selbst zu zertrampeln, schreien unsere Leute – und alsbald verschwinden sie, dem fernen Nebel entgegen. (Wir sind hier am Eingang zu der Straße von Bouchir nach Ispahan, einer jener großen Straßen Persiens, und dieser kleine, verfallene Hafen ist ein sehr besuchter Durchgang.)

Endlich kommen sie an, die Unsrigen, auch sie mit lauttönenden Glöckchen.

Eine Nacht, die immer dichter wird, unter einem niedrigen, unruhigen Himmel.

Alles liegt auf der Erde durcheinander geworfen. Die Tiere machen Sprünge, schlagen hinten aus – und die Zeit schreitet fort, wir sollten uns eigentlich schon längst auf dem Marsche befinden. Zuweilen hat man im nächtlichen Alpdruck ähnliche unlösbare Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, hat vor diesen unentwirrbaren Hindernissen, inmitten wachsender Nebel gestanden. Wirklich, es erscheint unmöglich, wie so viele verschiedene Dinge, Waffen, Decken, Geschirre, die in aller Eile in Bouchir gekauft und nicht eingepackt wurden, und die jetzt hier im Sande verstreut liegen, in einer solchen Nacht wie der heutigen so schnell auf glöckchenbehangenen Maultieren verladen werden können, die dann in einer langen Reihe, eins hinter dem anderen in der schwarzen Wüste untertauchen.

Indessen, man geht an die Arbeit, indem man von Zeit zu Zeit innehält, um Gebete zu sprechen.

Die Gegenstände in große Karawanensäcke von buntbemalter Wolle verstauen, dieselben zuschnüren, umwinden, wägen, das Gewicht jedes Tieres abmessen – das alles geht unter dem Scheine zweier kleiner, jämmerlich anzuschauender Laternen, inmitten des unruhvollen Dunkels vor sich. Kein Stern, keine Öffnung dort oben, durch die der geringste Strahl fällt. Die Windstöße wirbeln mit klagendem Geheul den Sand auf. Und während der ganzen Zeit ertönt hinter der Szene das Geläute der Schellen und Glöckchen; unbekannte Karawanen ziehen vorüber. Jetzt führt mir der Ortsvorsteher drei Soldaten zu, die mit meinen Dienern und meinen Maultiertreibern diese Nacht meine Wache ausmachen sollen. Die beiden kleinen Laternen, die man auf die Erde gestellt hat, und die die Heuschrecken anziehen, zeigen mir von unten in unbestimmtem Licht die beiden Ankömmlinge: hohe schwarze Hüte über feinen Gesichtern, lange Haare und lange Bärte, weite Kleider mit einem Einschnitt in der Taille und mit Ärmeln, die wie Flügel herunterhängen ...

Endlich gelingt es dem Mond, dem Freund der Nomaden, das schwarze Chaos zu entwirren. In einem jähen Riß, am Rande des Horizontes geht er riesenhaft und rot auf und enthüllt im selben Augenblick die noch nahen Gewässer, auf denen sein Widerschein sich zu einem blutigen Tuch verlängert (eine Ecke des Persischen Golfes), enthüllt auch die Berge dort unten, die er zu einer Silhouette ausschneidet (die große Kette, die wir morgen besteigen müssen). Sein wohltuendes Licht ergießt sich über die Wüste, macht den Unmöglichkeiten des Alpdrucks ein Ende, befreit uns von den unlösbaren Verwirrungen, zeigt uns einander, Gestalten, die sich von dem weißen Sand in schwarzer Zeichnung abheben, und vor allen Dingen, sondert uns ab, uns die Gruppen, die für dieselbe Karawane bestimmt sind, von anderen gleichgültigen Gruppen oder Wegelagerern, die hier und dort Aufstellung genommen haben und deren Gegenwart uns überall beunruhigte.

Neuneinhalb Uhr. Der Wind legt sich. Es teilen sich die Wolken, die Sterne kommen zum Vorschein. Alles ist eingepackt, verladen. Meine drei Soldaten sitzen im Sattel und halten ihre langen Gewehre gerade vor sich hin. Man führt uns unsere Pferde zu, auch wir sitzen auf. Unter fröhlichem Geläute setzt meine kleine Karawane sich in Bewegung, ein kleiner unordentlicher Haufe, aber schließlich schlägt sie durch die grenzenlose Ebene eine bestimmte Richtung ein.

Eine Ebene von grauem Schlamm, der gleich nach dem Sande beginnt, eine Ebene von Schlamm, den die Sonne getrocknet hat, und der mit Eindrücken übersät ist: Wege von hellerem Grau, die unzählige Fußtritte im Laufe der Jahre getreten haben, das sind die Pfade, die uns führen, und die sich vor uns in dem unendlichen Raum verlieren.

Sie befindet sich auf dem Marsch, meine Karawane. Und sechs Stunden Weges liegen vor uns, dann werden wir unser Quartier um drei oder vier Uhr morgens erreichen.

Trotz des entmutigenden Aufbruchs, der niemals ein Ende zu nehmen schien, befindet sie sich auf dem Marsch, ziemlich schnell, ziemlich leicht und behend zieht sie dahin, durch den unbestimmten Raum, dessen Ausdehnung durch keinen Merkstein begrenzt wird.

Noch nie zuvor war ich früher in tiefer Nacht durch die Wüste gereist. In Marokko, Syrien, in Arabien schlug man stets noch vor der Stunde des Moghreb sein Lager auf. Aber hier ist die Sonne so vernichtend, daß weder Menschen noch Tiere eine Reise am hellen Tage aushalten könnten: diese Wege kennen nur nächtliches Leben.

Der Mond geht am Himmel auf, schwere Wolken, die noch nicht verschwunden sind, hüllen ihn von Zeit zu Zeit in geheimnisvolle Nebel.

Meine Begleitung bilden lauter Fremde, Silhouetten, deren Umrisse echt persisch erscheinen; die Gesichter sind alle neu für mich, diese Kleidung, diese Rüstungen sehe ich zum erstenmal.

Unter eintönig harmonischem Geläute dringen wir allmählich in der Wüste vor: Große Glocken mit ernstem Ton, die unter den Bäuchen der Maultiere hängen, kleine Glöckchen und Schellen, die sich in einem Kranz um ihren Hals winden. Und ich höre auch die Leute meines Gefolges, wie sie in den hohen Tönen des Muselmanns ganz leise singen, als träumten sie.

Meine Karawane ist schon ein abgeschlossenes Ganzes geworden. Ein abgeschlossenes Ganzes, das sich zuweilen in einer langen Reihe ausdehnt, dessen einzelne Glieder unter dem Mond, in der grauen Unendlichkeit weiten Abstand voneinander nehmen, aber das sich dann unwillkürlich wieder schließt, das sich von neuem zu einem geschlossenen Körper formt, so eng, daß man sich gegenseitig mit den Beinen streift. Und man faßt Zutrauen zu diesem instinktiven Zusammenhang, so daß man nach und nach die Tiere laufen läßt, wie es ihnen beliebt.

Allmählich klärt sich der Himmel auf; mit einer Geschwindigkeit, die diesen Zonen eigen ist, zerteilen sich die Wolken dort oben, die so schwer erschienen, ohne Regen zu spenden.

Und in dieser Einöde strahlt jetzt der Vollmond, wunderbar und einsam. Die ganze heiße Atmosphäre ist gebadet in seinen Strahlen, die ganze sichtbare Ausdehnung ist überflutet von einer weißen Klarheit.

Es kommt zuweilen vor, daß irgendein launenhaftes Maultier sich hinterlistig entfernt, daß es, man weiß nicht warum, eine verkehrte Richtung einschlägt; aber es ist leicht zu erkennen, da es sich mit seiner Last, die wie ein großer buckliger Rücken aussieht, schwarz inmitten dieser ruhigen, hellen Fernen abhebt, wo weder ein Felsen noch ein Grasbüschel die gerade Fläche unterbricht; einer unserer Leute läuft ihm nach und führt es zurück, indem er mit geschlossenem Mund den langen Schrei ausstößt, der hier der Ruf der Maultiertreiber ist.

Und die leise Musik unserer Reiseglocken fährt fort, uns mit ihrer süßen Eintönigkeit einzuwiegen; das unaufhörliche Glockenspiel in dem unaufhörlichen Schweigen schläfert uns ein. Einige der Leute schlafen jetzt ganz; ausgestreckt liegen sie wie tot auf dem Halse ihres Maultieres, den sie mechanisch mit beiden Armen umschlingen. Ihr bewußtloser Körper ist durch ein Nichts aus dem Sattel zu werfen, und ihre langen nackten Beine baumeln herunter. Andere sitzen noch aufrecht und singen ohne Unterbrechung zu dem Geläute der hängenden Glocken, aber vielleicht schlafen auch sie.

Wir haben jetzt die Zonen des rosa Sandes erreicht, mit einer seltsamen Regelmäßigkeit ist er gezeichnet, auf dem getrockneten Schlamm des Bodens zieht er sich in zebraartigen Streifen dahin, und die weite Wüste gleicht einem großgemusterten Teppich. Und vor uns am Horizont, aber noch weit entfernt, liegt die Gebirgskette mit ihrer senkrechten Mauer, die die erstickenden Regionen hier unten begrenzt und die den Rand der weiten Hochebene Asiens bildet, den Rand des wirklichen Persiens, den Rand von Persien, Chiraz und Ispahan: dort oben, zwei- oder dreitausend Meter über den todbringenden Ebenen, ist das Ziel unserer Reise, das Land, das wir ersehnen, aber das so schwer zu erklimmen ist, das Land, wo unsere Mühen ein Ende haben werden.

Mitternacht. Etwas, das einem erfrischenden Windhauch ähnlich ist und uns nach der Backofenhitze des Tages erquickend erscheint, wirkt plötzlich wie befreiend auf uns. Über die rosa und grau gemusterte unendliche Ebene ziehen wir wie hypnotisiert dahin.

Ein Uhr, zwei Uhr morgens. Wie auf dem Meere in Nächten, wenn man Wache geht, alles bei schönem Wetter leicht erscheint, und man nur das Schiff gleiten zu lassen braucht, so auch hier. Man verliert das Bewußtsein von der Dauer der Zeit, bald erscheinen die Minuten lang wie Stunden, bald sind die Stunden kurz wie Minuten. Übrigens ist auch hier nicht mehr zu sehen als auf dem ruhigen Meer, nichts hebt sich in der Wüste ab, das uns den zurückgelegten Weg angeben könnte.

Ich schlafe sicher, denn das kann nur ein Traum sein!... Ganz in meiner Nähe reitet ein junges Mädchen auf einem Esel, der Mond enthüllt mir ihre wunderbare Schönheit. Sie trägt einen Schleier und einen Madonnenscheitel. Um Schritt zu halten, bewegt der Esel seine kleinen Beine in leisem Trab vorwärts...

Aber nein, sie ist wirklich von Fleisch und Blut, meine hübsche Reisebegleiterin, und ich, ich wache!... Und dann kommt mir in dem ersten Augenblick der Verwirrung der Gedanke, daß mein Pferd meinen Halbschlaf benutzt hat, um mich davonzutragen und sich irgendeiner fremden Karawane anzuschließen.

Indessen erkenne ich zwei Schritt von mir entfernt einen der Soldaten meiner Begleitmannschaft, und dieser Reiter vor mir ist ja mein Tcharvadar, der sich im Sattel umdreht und mich mit seinem ruhigsten Lächeln begrüßt ... Rechts und links von uns reiten andere Frauen auf anderen kleinen Eseln; es ist ganz einfach eine Schar Perser und Perserinnen, die von Bender-Bouchir zurückgekehrt sind und jetzt der Sicherheit wegen um die Erlaubnis gebeten haben, mit uns diese eine Nacht reisen zu dürfen.

Drei Uhr morgens. Auf der hellen Ebene zeichnet sich vor uns ein dunkler Fleck ab und nimmt an Größe zu. Die Palmen, das Grün der Oase, unser Marschquartier, und wir sind angelangt.

Vor einem Dorfe, vor schlafenden Hütten steige ich mechanisch ab, ich schlafe stehend, von einer guten, gesunden Müdigkeit heimgesucht. Unter einer Art Scheune, die mit Stroh bedeckt ist und in die die Mondstrahlen hineindringen, schlagen meine persischen Diener in aller Eile kleine Feldbetten für meinen Diener und für mich auf, nachdem sie hinter uns ein durchsichtiges, plumpes aber sicheres Gitter geschlossen haben. Ich sehe dies alles nur unbestimmt und sinke dann in einen traumlosen Schlaf.

Mittwoch, 18. April.

Vor Tagesanbruch wurde ich von Männer- und Frauenstimmen geweckt, die ganz in der Nähe und ganz leise mit meinem Dolmetscher flüsterten. Sie baten sehr bescheiden um die Erlaubnis, das Tor öffnen und hinausgehen zu dürfen.

Wie es scheint, ist das Dorf von Mauern und Schanzwerken umgeben, fast befestigt, gegen die Strolche der Nacht und gegen die Bösewichte. Und wir lagen nun am Eingange, am einzigen Eingange, unter dem Schutzdach des Tores. Und diese Leute, die uns mit Bedauern weckten, waren Hirten, Hirtinnen: Es ist an der Zeit, die Herden auf die Weide zu treiben, denn der Sonnenaufgang ist nah.

Sobald die Erlaubnis gegeben und die Pforte geöffnet wurde, ergoß sich ein ganzer Strom von Ziegen und schwarzen Böcklein, die sich in dem engen Gang an uns scheuerten, zwischen uns hindurch, an unseren Betten entlang; man hört ihr anhaltendes Meckern, hört das leichte Trappeln der ungezählten kleinen Hufe auf dem Boden, sie riechen nach dem Stall, nach dem Gras, nach den würzigen Düften der Wüste. Und dieser Zug ist so lang, es sind ihrer so unendlich viele, daß ich mich schließlich frage, ob ich Halluzinationen habe, ob ich träume: Ich strecke die Arme aus, um mich davon zu überzeugen, daß es wirklich ist, um den Rücken, die harte Wolle der vorüberströmenden Tiere zu befühlen. Alsbald folgt die Schar der Esel und der Füllen, auch sie scheuern sich an uns entlang, aber schon habe ich eine weniger klare Vorstellung von ihnen, denn von neuem versinke ich in die Bewußtlosigkeit des Schlafes.

Vielleicht eine Stunde später werde ich wieder geweckt; aber diesmal durch ein brennendes Gefühl an den Schläfen, es ist die blendende Sonne, die an die Stelle des Mondes getreten ist. Kaum aufgegangen, sendet sie schon ihre sengenden Strahlen auf uns herab. Unsere Hände, unsere Gesichter sind schwarz von Fliegen. Und eine Schar kleiner Babys, braun und nackend, hat sich um unsere Betten versammelt; ihre jungen, lebhaften, weit offenen Augen starren uns in höchstem Erstaunen an.

Schnell müssen wir aufstehen, um irgendwo im Schatten einen Schutz zu suchen.

Ich miete bis zum Abend ein Haus, das man für uns in aller Eile leert. Geborstene Mauern, aus Lehm, der unter dem Atem der Wüste zerbröckelt, Stämme von Palmen als Deckenbalken, Palmenblätter als Dach und eine Gittertür aus dem Gewebe der Palmen.

Kinder kommen wiederholt, um uns zu besuchen, sehr kleine Kinder, fünf oder sechs Jahre alt, ganz nackend und wunderbar schön. Sie begrüßen uns, halten Reden und ziehen sich wieder zurück. Wahrscheinlich sind es die Kinder des Hauses, die sich ein wenig als zu uns gehörig betrachten. Sogar die Hühner bestehen darauf, einzutreten, und schließlich erlauben wir es ihnen. Und um die Stunde der Mittagsruhe kommen auch die Ziegen herein, um sich in den Schatten zu legen, und wir wehren ihnen nicht.

Öffnungen in der Mauer dienen als Fenster, durch die der Windhauch wie der Atem eines Feuerschlundes streift. Sie zeigen auf der einen Seite nach der blendenden Wüste, auf der anderen nach den Kornfeldern, wo die Ernte schon begonnen hat, und nach der persischen Mauer dort unten, die sich während der Nacht sichtbar dem Himmel genähert hat. Nach dem langen nächtlichen Marsch möchte man in der Mittagsstille und der allgemeinen Müdigkeit gern schlafen. Aber ungezählte giftige Fliegen sind hier, sobald man sich nicht rührt, bedecken sie Gesicht und Hände, man wird schwarz übersät von ihnen; so viel es auch kosten mag, man muß sich bewegen, muß den Fächer in Schwingungen versetzen.

Um die Stunde, wo die Schatten der Lehmhäuser länger werden, gehen wir hinaus, um uns vor die Tür zu setzen. Und bei allen Nachbarn tut man dasselbe. Das Leben beginnt sich zu regen in diesem bescheidenen Hirtendorf; die Männer schärfen ihre Sensen, die Frauen sitzen auf Strohmatten und spinnen die Wolle ihrer Schafe; mit sehr gemalten Augen sind sie fast hübsch, diese Mädchen der Wüste, scharf heben sich ihr Profil und die reinen Linien der Rasse Irans ab.

Auf einem schweißtriefenden Pferd kommt ein hübscher junger Mann herangesprengt; die kleinen Kinder unseres Hauses, die ihm ähnlich sehen, eilen ihm entgegen, sie bringen ihm frisches Wasser, und er küßt sie; es ist ihr Bruder, der älteste Sohn der Familie.

Jetzt schreitet ein Greis mit weißem Haar auf mich zu, alle verneigen sich vor ihm, man eilt herbei und breitet den schönsten Teppich des Dorfes aus, auf den er sich setzen soll; aus Ehrfurcht ziehen die Frauen sich unter tiefen Verbeugungen zurück, und Männer, mit langen Gewehren und langen Bärten, die ihn begleiten, bilden einen schreckeneinflößenden Kreis um ihn: es ist der Häuptling der Oase; an ihn hatte ich einen Brief, mit der Bitte um Begleitmannschaft für die folgende Nacht gesandt, und er sagt mir jetzt, daß er mir vor Sonnenuntergang drei Reiter zur Verfügung stellen wird.

Sieben Uhr abends; eine durchsichtige Dämmerung hat sich herabgesenkt, es ist die Stunde, wo ich aufzubrechen gedachte. Trotz der langen Unterredungen mit meinem Tcharvadar, dem es gelungen ist, mir noch ein Maultier und einen Maultiertreiber mehr aufzudrängen, würde alles bereit sein, wenigstens würde nicht viel mehr fehlen; aber die drei Reiter, die mir versprochen waren, stellten sich nicht ein, als man sie ruft, ich habe schon meine Boten nach ihnen ausgesandt, aber auch diese kommen nicht wieder. Wie gestern, wird es auch heute dunkle Nacht, bevor wir aufbrechen können.

Bald acht Uhr. Wir warten noch immer. Desto schlimmer für die drei Reiter. Ich werde auch ohne Begleitung reisen; ich rufe nach meinem Pferd, und dann aufgesessen! ... Aber plötzlich wird das kleine Dorf, wo man nichts mehr sehen kann, und das schon von meinen Leuten angefüllt ist, von einem Strom schwarzer Herden überflutet, die blökend heimkehren. Die unabsichtlichen und lustigen Püffe Tausender von Schafen, Ziegen und Geißlein trennen uns voneinander, bringen uns vollkommen in Verwirrung. Sie laufen zwischen unseren Beinen hindurch, sie bahnen sich unter den Bäuchen der Maultiere einen Weg, überall dringen sie vor, schmuggeln sich ein, und immer wieder kommen noch neue hinzu.

Und als endlich der Zug ein Ende nimmt, nachdem der Platz sich geleert hat, das Vieh zur Ruhe gegangen ist, da begegnen wir einem neuen Abenteuer: wo in aller Welt ist mein Pferd? Während der allgemeinen Verwirrung, die durch die Ziegen hervorgerufen wurde, hat der Mann, der es hielt, es laufen lassen; das Tor des Dorfes war geöffnet, und so ist es entflohen; mit dem Sattel auf dem Rücken, dem Zügel um den Hals, ist es in die freie Wüste hineingaloppiert ... Zehn Männer stürzen hinterher, um es einzufangen, sie lassen alle unsere anderen Tiere los, die sofort eine heillose Verwirrung anstiften und auch im Begriff sind, auf und davon zu gehen. Wir werden niemals aufbrechen.

Acht Uhr und darüber. Endlich führt man den Flüchtling zurück. Er ist sehr aufgeregt und ungeduldig. Und wir verlassen das Dorf, indem wir uns unter den Balken bücken, die das Schirmdach des Tores bilden, hinter dem wir in der letzten Nacht geschlafen haben.

Zuerst sind wir an allen Seiten von großen Dattelbäumen umgeben, deren schwarze Federbüschel sich von dem reichen Sternhimmel abheben.

Aber bald treten sie nur spärlich auf, die großen Flächen zeigen uns von neuem ihre ruhige Kreislinie, die durch kein Hindernis unterbrochen wird. Als wir gerade im Begriff stehen, die Oase zu verlassen, pflanzen sich drei bewaffnete Reiter vor mir auf und begrüßen mich; meine drei Beschützer, denen ich schon nachgetrauert hatte. Es sind dieselben Silhouetten wie gestern, schöne Gestalten, hohe Hüte und lange Bärte. Und nachdem wir eine seichte Stelle durchwatet haben, bildet meine Karawane endlich eine geschlossene Linie, die durch den unbegrenzten Raum, durch das Ungewisse der nächtlichen Wüste zieht.

Die unebene Wüste ist heute noch ungastlicher als gestern. Der Boden ist schlecht, er flößt kein Vertrauen mehr ein. Die tückischen, schneidenden Steine machen unsere Tiere straucheln. Und ach! der Mond wird noch lange nicht aufgehen. Zwischen den fernen Sternen sendet Venus allein, die glänzend und silbern dort oben steht, ein wenig von ihrem Licht auf uns herab.

Nach zweiundeinhalb Stunden Weges erreichen wir eine andere Oase, die viel größer, viel grüner ist als die des gestrigen Tages. Wir streifen sie, ohne einzudringen, aber eine wunderbar kühle Luft weht uns hier entgegen, in der Nähe der Palmen, unter denen man Bäche fließen hört.

Elf Uhr. Endlich verkündet hinter dem Berge dort unten – es ist noch immer derselbe Berg, dem wir uns stündlich nähern, und der den Rand der Felsenküste Irans darstellt – endlich verkündet hinter dem Berge ein helles Licht, daß der Mond, der Freund der Karawanen, erscheinen wird. Er geht auf, rein und schön, sendet ein Meer von Strahlen herab und zeigt uns die Nebel, die wir bis jetzt nicht haben sehen können. Es sind nicht mehr, wie in den letzten Tagen, Schleier von Staub und Sand, es sind wirkliche köstliche Wasserdämpfe, die sich dicht über dem Boden der ganzen Oase lagern, als wollten sie in diesem kleinen bevorzugten Himmelsstrich Menschen und Pflanzen zum Leben erwecken, während überall sonst im ganzen Umkreis Trockenheit herrscht; sie haben sehr bestimmte Formen, man könnte fast sagen, gestrandete Wolken, die greifbar geworden sind; ihre Umrisse leuchten auf in demselben blassen Gold wie die luftförmigen Flocken, die dort oben nahe dem Monde hängen; und darunter tauchen die Stämme der Datteln auf, mit ihren Zweigen, die sie zu schwarzen Sträußen geordnet haben. Dies ist keine irdische Landschaft mehr, denn der Boden ist verschwunden, nein, vielmehr glaubt man es mit einem Garten der Fata Morgana zu tun haben, die sich am Himmel zeigt.

Ohne dort einzutreten streifen wir Boradjoune, das große Oasendorf, dessen weiße Häuser unter schillernden Nebeln und dunklen Palmen liegen. Zwei persische Reisende, die gebeten hatten, sich uns anschließen zu dürfen, lassen mich wissen, daß sie hier haltzumachen gedenken, sie nehmen Abschied und verschwinden. Und wo sind meine drei Reiter, die sich mir mit einer so schönen Verbeugung vorstellten? Wer hat sie gesehen? – Niemand. Sie haben Reißaus genommen, bevor der Mond aufging, um nicht gesehen zu werden. So ist meine Karawane bis auf die allernotwendigsten Glieder zusammengeschmolzen: mein Tcharvadar, meine vier Maultiertreiber, meine zwei persischen Diener, die ich in Bouchir gemietet hatte, mein treuer Diener und ich. Zwar habe ich einen Brief an das Oberhaupt von Boradjoune bei mir, der mich berechtigt, drei neue Reiter zu fordern; aber der wird schon schlafen, es ist nach elf Uhr, und das ganze Dorf scheint zur Ruhe gegangen zu sein; wir würden unendlich viel Zeit verlieren, wenn wir die Flüchtlinge durch neue ersetzen wollten, die dann schließlich auch noch bei der ersten Biegung der Wüste das Weite suchen könnten. So Gott will, laßt uns lieber alleine ziehen, der helle Mond beschützt uns.

Und hinter uns schwindet die Oase, das ganze Blendwerk der goldenen Wolken und der schwarzen Palmen erlischt; – statt dessen eine Wüste, deren Schrecken mit jedem Schritt vorwärts größer werden, und in der man den Mut verlieren muß. Löcher, Höhlen, Spalten; ein wellenförmiges, hügeliges Land; ein Land mit großen zerklüfteten und rollenden Steinen, wo die Pfade bergauf, bergab führen, und wo unsere Tiere bei jedem Schritt straucheln. Und auf diese ganze schimmernd weiße Landschaft fällt das volle Licht des weißen Mondes.

Der frische Hauch, der von den Bäumen und den Bächen zu uns herüberwehte, ist nicht mehr zu spüren; von neuem begegnen wir der glühenden, trockenen Hitze, die auch um Mitternacht nicht nachläßt.

Unsere aufgeregten Maultiere gehen nicht mehr in einer Reihe, einige laufen davon, verschwinden hinter den Felsen; andere, die zurückgeblieben sind, geraten plötzlich in Angst, weil sie sich verlassen sehen, sie traben, was sie nur können, um sich dem Zug anzuschließen und scheuern dabei rücksichtslos mit ihrer Last gegen unsere Beine.

Die schreckeneinflößende Felswand Persiens, die sich stets vor uns auftürmte, hat sich jetzt, wo wir ihr näher gekommen sind, um das Doppelte vergrößert. Sie zeigt sich uns in ihren Einzelheiten, zeigt mehrere aufeinander liegende Stockwerke, und den ersten Absatz werden wir bald erreichen.

Es ist gar nicht möglich, in aller Ruhe hier seinen Weg zu verfolgen und sich den Träumen hinzugeben, was sonst den Reiz der flachen, eintönigen Wüsten ausmacht; in diesem schrecklichen Durcheinander von Steinen, wo man sich verloren glaubt, muß man unaufhörlich über das Pferd, über die Maultiere, über alles wachen; – wachen, wachen, selbst wenn der unbezwingbare Schlaf uns die Augen schließt. Gegen diese Lähmung anzukämpfen, die plötzlich die Arme, die Hände kraftlos macht, so daß sie die Zügel nicht mehr halten können, gegen diese Lähmung anzukämpfen, die die Gedanken verwirrt, dies Bestreben wird schließlich zu einer wirklichen Angst. Man versucht alle Mittel, die Stellung zu wechseln, die Beine auszustrecken, oder sie nach Art der Beduinen auf den Kamelen vor dem Sattelknopf zu kreuzen. Man versucht abzusteigen, – aber alsbald wird man bei dem schnellen Marsch durch die vielen Steine verwundet, das Pferd nimmt Reißaus, und man verliert den Anschluß in dieser großen, weißen Einöde, wo man in dem Chaos von dunklen Felsen kaum einander zu sehen vermag. So schwer es einem auch fallen mag, man muß im Sattel bleiben.

Mitternacht findet uns am Fuße der Gebirgskette Persiens, schrecklich von unten ist sie in dieser Nähe anzuschauen; eine gerade, steile Wand von dunklem Braun, deren Falten, Löcher, Höhlen, deren ganzes stummes, riesenhaftes Gewirr, der Mond rücksichtslos bloßstellt. Diese schweigenden, leblosen Felsmassen atmen uns eine schwere Hitze entgegen, die sie während des Tages von der Sonne aufgesogen haben, oder vielmehr, die sie von dem großen unterirdischen Feuer entleihen, das auch die Vulkane speist, denn sie riechen nach Schwefel, nach dem Schmelzofen und nach der Hölle.

Ein Uhr, zwei Uhr, drei Uhr, wir schleppen uns am Fuße der riesenhohen Gebirgswand dahin, die die Hälfte des Himmels über unseren Häuptern verdunkelt; rötlich braun richtet sie sich vor diesen weißen Steinfeldern auf; der Geruch von Schwefel, von faulen Eiern, den sie ausströmt, wird unerträglich, sobald man an den großen Spalten, an den großen klaffenden Höhlen vorbeikommt, die aussehen, als wenn sie bis zu den Eingeweiden der Erde reichten. Inmitten eines unendlichen Schweigens, in dem sich das Getrampel unserer bescheidenen Karawane und die mit geschlossenem Munde ausgestoßenen Schreie unserer Maultiertreiber zu verhallen, sich zu verlieren scheinen, schleppen wir uns noch immer durch die Schluchten und Spalten dieser blassen Wüste dahin. Hin und wieder sieht man einige schwarze Gestalten, deren Schatten der Mond auf die weißen Steine zeichnet; man könnte sagen, es seien Tiere oder Menschen, die sich dort aufgestellt haben, um uns aufzulauern, aber wenn man sich ihnen nähert, ist es nur Buschwerk, verkümmertes, verkrüppeltes Gesträuch. Überall herrscht eine Backofenhitze, man erstickt, man ist durstig. Zuweilen hört man das Wasser in den Felsen der höllischen Mauer brodeln, und in der Tat sprudeln ganze Ströme daraus hervor, die man durchwaten muß; aber das Wasser ist lau, verpestet, unter den Mondstrahlen erscheint es von weißlicher Farbe, und es verbreitet einen schwefligen Gestank, den man nicht einatmen kann. In diesen Bergen müssen ungeheure, ungeahnte metallische Reichtümer liegen, die bis jetzt von keinem Menschen ausgebeutet wurden.

Zuweilen glaubt man dort unten die Palmen der ersehnten Oase zu erspähen – die sich diesmal Daliki nennen wird –, und wo man endlich seinen Durst löschen und sich zur Ruhe begeben kann. Aber nein; immer wieder sind es die traurigen Sträucher und nichts weiter. Man ist besiegt, man schläft im Sattel ein, man hat nicht mehr den Mut, vergebliche Ausschau zu halten, man vertraut sich dem Instinkt des Tieres und dem Zufall an ...

Diesmal täuschen wir uns indessen nicht; vor uns liegt wirklich die Oase; diese dunklen Wände können nur die Palmenreihen, diese kleinen weißen Vierecke nur die Häuser des Dorfes sein. Und um uns von der Wirklichkeit der noch fernen Dinge zu überzeugen, um uns den Willkommsgruß entgegenzurufen, dringt jetzt das Gebell der Hunde, der natürlichen Wächter, die schon unsere Ankunft gewittert haben, dringt auch das helle Morgenständchen der Hähne durch das große Schweigen des anbrechenden Tages an unser Ohr. Es ist drei Uhr morgens.

Bald befinden wir uns auf den schmalen Wegen des Dorfes, zwischen den Stämmen der herrlichen Palmen, und endlich öffnet sich vor uns die schwere Pforte der Karawanserei, in die wir uns, wie in einen schirmenden Zufluchtsort, durcheinander hineinstürzen.

Donnerstag, 19. April.

Ich weiß nicht, ob ich wache oder schlafe ... Seit einem Augenblick habe ich das unbestimmte Gefühl, als befände ich mich inmitten einer Schar von singenden Vögeln, die so dicht an mir vorüberfliegen, daß ich den Wind ihrer Flügel spüre, wenn sie mich streifen... Und in der Tat, es sind geschäftige Schwalben, die ihre Nester an den Balken meiner niedrigen Decke gebaut haben! Die Nester sind voll von Jungen. Wenn ich meine Hand ausstrecke, würde ich sie fast berühren. Durch meine Fenster – die weder Scheiben noch Läden haben, um sie zu schließen – fliegen und kommen sie mit fröhlichem Gezwitscher; und die Sonne geht auf! Jetzt kehrt die Erinnerung wieder; ich befinde mich in der Oase Daliki, ich bewohne das Ehrenzimmerchen der Karawanserei. Gestern abend bin ich auf einer an die Außenseite des Hauses angebrachten Treppe in diese kleine Wohnung geführt, die nur aus weißgekalkten Lehmwänden besteht. Meine beiden Perser Yomsouf und Yakout beeilten sich, unsere Feldbetten aufzuschlagen und unsere Decken auszubreiten, während mein Diener und ich vom Schlaf überwältigt warteten und gierig aus einem Kruge frischen Wassers tranken.

Die Hitze ist hier schon weniger schwer als am Rande des schrecklichen Golfes, und es ist so strahlend schön! Mein Zimmer, das einzige des Dorfes, das nicht im Erdgeschoß liegt und das seine Umgebung bis zu einem gewissen Grade beherrscht, ist durch seine vier kleinen Fenster den vier Winden zugänglich. Ich liege inmitten der frischen, grünen Dattelbäume, unter einem flachsblauen Himmel, der von sehr leichten Wölkchen von weißer Wolle übersät ist. Auf der einen Seite türmt sich etwas Dunkles, Riesenhaftes, etwas Rotbraunes so hoch auf, daß ich den Kopf zum Fenster hinausstecken und in die Höhe sehen muß, um sein Ende mit den Augen zu erreichen: es ist die große Kette Irans, die dort ganz in der Nähe uns fast zu überdachen scheint. Auf der anderen Seite erstreckt sich das Dorf, ganz in der Ferne schimmert ein Stückchen der Wüste durch die vielen schlanken, gleichmäßigen Stämme der Palmen hindurch. Der Schrei der Hähne, das Gezwitscher der Schwalben ertönt um die Wette. Die kleinen Lehmhäuser haben spitzbogige Türen in rein arabischem Stil, und flache, terrassenförmige Dächer, auf denen das Gras so üppig wie in den Feldern wächst. Die schönen Mädchen der Wüste treten ins Freie, um ihre Toilette unter offenem Himmel zu machen, sie sind nicht verschleiert, setzen sich auf irgendeinen Stein vor ihrer Wohnung und scheiteln ihr schwarzes Haar. Man hört die Gerätschaften der Weber klappern. Da dieser Ort sehr besucht, und da es die Ankunftsstunde der kaufmännischen Karawanen ist, die allnächtlich langsam diese Wege dahinziehen, so ertönen jetzt von allen Seiten die Glocken der Maultiere, die der Karawanserei entgegeneilen, und die mit geschlossenem Munde ausgestoßenen Rufe der Maultiertreiber; den hohen schwarzen Hut der Perser weit auf dem feinen dunklen Kopf zurückgeschoben, schreiten die Führer leichtfüßig und fröhlich heran.

Nachmittags wiederholte lange Wortstreitigkeiten mit meinem Tcharvadar. In Bouchir hatte ich nach der Karte beschlossen, den Marsch heute abend zu verdoppeln, er hatte sich geweigert, war in Aufregung geraten, war nur durch Drohungen zum Nachgeben zu bewegen gewesen, nachdem er zuvor Miene gemacht hatte, auszureißen, ohne den Kontrakt zu unterschreiben. Heute da ich mich von der Verfassung der Wege überzeugt habe, ziehe ich vor, nur 6 Stunden zu marschieren, um, so wie er es zuerst vorgeschlagen hatte, in dem Dorfe Konor-Takté ausruhen zu können – und jetzt ist er derjenige, der nicht darauf eingehen will. Schließlich, als mir die Geduld reißt, rufe ich aus: "Übrigens bleibt es so, wie ich gesagt habe, aus dem einfachen Grunde, weil ich es will, und damit ist die Unterredung beendet!" Sein fein gemeißeltes Gesicht klärt sich plötzlich auf, und er spricht lächelnd: "Wenn du sagst: ich will, so kann ich nur antworten: es sei."

Er stritt um zu streiten, um die Zeit totzuschlagen, einen anderen Grund hatte er nicht.

Sechs Uhr abends. Meine drei neuen Begleiter, die mir das hiesige Oberhaupt gestellt hatte, treten an; sie haben schöne geblümte Kleider aus Baumwolle und sehr alte Gewehre. Zum erstenmal seit der Abreise bricht meine Karawane noch am Tage, bei den letzten roten Strahlen der Sonne, auf. Und wir verlassen ruhig die Oase, wo unter hohen Palmen an den Ufern der klaren Bäche zahllose, fast ausnahmslos hübsche Frauen mit ihren kleinen Kindern sich der Süße des melancholischen Abends hingeben.

Alsbald beginnt die Einsamkeit des Sandes und der Steine. Die lange persische Felsenküste, in die wir uns endlich über Nacht hereinstürzen werden, erstreckt sich, so weit das Auge reicht, bis ans Ende des unermeßlichen Horizontes; man kann sagen, sie sei von mutwilliger Hand mit grellen, schreienden Farben angestrichen, Gelb-orange oder Gelb-grün wechseln in seltsamen Streifen mit einem Rotbraun ab, das die untergehende Sonne bis zum Unmöglichen und Schreckhaften steigert, ganz in der Ferne gehen die Töne ineinander über, um als ein wunderbares Violett, der Farbe des Bischofgewandes, wieder zu erstehen.

Wie in der letzten Nacht riecht dieser ungeheure Wall Irans auch heute nach Schwefel, nach unterirdischem Feuer. Man hat den Eindruck, daß er mit giftigen Salzen, mit Stoffen gesättigt ist, die dem Leben feindlich sind; er nimmt die Farben vergifteter Dinge an, er zeigt sich in Formen, die Furcht einflößen. Außerdem hebt er sich von einem drohenden Hintergrunde ab, denn die eine Hälfte des Himmels ist schwarz, schwarz wie die Sintflut oder der Weltuntergang: wieder eins jener falschen Gewitter, die in diesem Lande heraufsteigen, als wenn sie alles vernichten wollten, aber die, man weiß nicht wie, verschwinden, ohne jemals einen Tropfen Wasser zu schenken .... Ein Mensch, der niemals unser Klima verlassen hat, und den man ohne irgendwelche Vorbereitung hierher führen, ihn vor eine Erscheinung von solcher Kraft und Größe stellen würde, dieser Mensch könnte sich nicht freimachen von der Angst vor dem Unbekannten, von dem Gefühl, nicht mehr auf Erden zu sein, oder von dem Schrecken des Weltunterganges ...

Der wellenförmigen Wüste, durch die wir seit zwei Tagen geritten sind, folgt ein Abhang, der bis zum Fuße dieser Berge hinaufführt, die jetzt über unseren Häuptern zu hängen scheinen; von dem Punkte aus gesehen, wo wir stehen, liegt die weiße Ebene der Wüste schon unter uns; bis ins Unendliche dehnt sie sich vor unseren Augen aus, hebt sich blaß von dem drohenden Himmel ab, und zwei oder drei fernliegende Oasen sind als gar zu grüne Flecken, mit einem grellen Grün, wie man es auf chinesischen Aquarellen sieht, hineingezeichnet.

So trostlos wie die Wüste, von der wir jetzt Abschied nehmen, auch aussehen mag, so gastfreundlich und leicht zugänglich erscheint sie im Vergleich zu dieser Gebirgswand, die sich dort geheimnisvoll und drohend unter den schwarzen Wolken erhebt, als wolle sie niemandem Zutritt gewähren.

Zu der Stunde, wo die blutrote Scheibe der Sonne hinter dem Horizont der Ebenen untertaucht, öffnet sich jäh ein großer dunkler Einschnitt in der persischen Mauer, zwischen den zwei- bis dreihundert Meter hohen senkrechten Felswänden.

Wir reiten dort hinein. Eine plötzliche Dämmerung senkt sich auf uns herab, fällt von den überhängenden Felsen, als sei sie ein Schleier, in den wir ganz unerwartet eingehüllt werden. Das Schweigen, die Schallempfindlichkeit steigern sich in demselben Maße wie der Schwefelgeruch. Und die Sterne, die man noch vor kurzem nicht entdecken konnte, erscheinen alsbald, als hätte man sie alle gleichzeitig angezündet, und als würden sie aus der Tiefe eines Brunnens geschaut; sie stehen am hellen Zenit, den die Gewitterwolken noch nicht erreicht haben.