Ripley & Co. - Roland Hoja - E-Book

Ripley & Co. E-Book

Roland Hoja

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Beschreibung

Vordergründig erscheinen die Figuren in den Romanen der Patricia Highsmith als 'Opfer' ihrer persönlichen Geschichte und als letztlich 'Gefangene' ihrer psychischen Anatomie, andere und sich selbst für"mörderische" Zwecke gebrauchend oder aber selbst in solche hineingezogen.

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Seitenzahl: 56

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Ripley & Co

Roland Hoja

Ripley & Co

Die sieben Todsünden des Kleinbürgers oder

Kleinbürgerlichkeit und dekadente Genialität in

tragenden Roman-Figuren der Patricia Highsmith

Bibliograische Information der Deutschen Bibliothek:

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliograie; detaillierte bibliograische Daten sind im Internet überhttp://dnb.ddb.deabrufbar.

Originalausgabe

Inhalt

7Einleitung

13I. Individualisierung gegen System Kapitalismus und Establishment

13Die sieben Todsünden – kleinbürgerlich

17Modus des kleinbürgerlichen Lebensstils als Symptom morbider kapitalistischer Lebenszusam- menhänge

19Realkapitalistische Außenwelt im Spiegel der Figurationen

32Individuelle Mordfantasien und Mord als psy- chorealer Befreiungsakt

55II. Ripley & Co – Die Talente des Mr. Ripley als Paradigma

57Bohème – die Kunst des exilierten kleinbürgerli- chen Lebens im Luxus

60Sexualität – Triebkraft, Ritual & Destruktion

77Alkohol – Genuss, Ritual & Verderbnis

97III. Ripley – die Kunst des exilierten kleinbürgerlichen Lebens im Luxus und dekadenter Genialität

97Bohème – die Kunst des Lebens im exilierten Luxus und dekadenter Genialität

101Psychologie des Alltäglichen – Kleinbürgerlich- keit als Verhaltensmodi der Lebensbewältigung

108Kleinbürgerliche Einstellungs- und Verhaltens- modi als authentische Facetten des Lebensstils

110Der Plot als Logik entwickelter Charakterstruk- turen

145IV. Der süße Wahn als Sinn und Triebkraft

145Die gutsituierte Weiblichkeit: Frauen erkennen ihren sublimierten Anticharakter

151Die Liebe zu Frauen: Realität korreliert mit Fantasie

164Männliche Homosexualität an weiblicher Sinnlichkeit – die mörderische Gefahr liegt im Männlichen

172Promiskuität als Notwendigkeit des Seins

179V. Individualismus und gesellschaftsverantwortliche Haltung der Autorin als Kulturschaffende

179Textimmanente Rekurse und Diskurse zu Poli- tik und Kultur

197Schluss

200Literaturverzeichnis

203Biografie

Einleitung

Nach dem genussreichen Lesen hauptsächlich der Ripley-Romane, der dann folgenden Erweiterung auf andere Romane, wie z.B. derGeschichtenerzählerals unterhaltende Bett- und Urlaubslektüre, folgte eine längere Zeit ohne weitere Berührung. Die »Sucht« hatte nachgelassen bevor sie mich überhaupt regelrecht erfasst hatte, Kriminalromane anderer Autoren rückten in den Vordergrund zu ebensolchem Zweck, nämlich der anregenden und aufregenden Unterhaltung, aber eben mehr kurzweilig. Ein Übriges hatte 1999 die meines Erachtens miserabel verunglückte Verilmung des »ta- lentierten Mr. Ripley« getan. Nicht nur die eigentlich großartigen SchauspielerInnen Mat Damon, Gwyneth Paltrow und besonders die wunderschöne Cate Blanchett waren hier völlig verkehrt in ihren Rollen platziert, sondern auch Anthony Minghella hatte es nicht verstanden, die widersprüchliche Brisanz dieses genialen Typen in passende Schauspielerei und Szene zu setzen. Damit war auch ungerechter- und unbeabsichtigter Weise erst einmal die Au- torin für meine weitere Lektüre uninteressant geworden, verlegt, aber ohne Entscheidung natürlich gegen die Autorin.

Wäre diese nicht ausgerechnet Patricia Highsmith, hätte ich wahrscheinlich keine Wiederaufnahme gesucht, bzw. wäre nicht nochmals auf die Highsmith gezielt zugegangen, aber der mich voll- ends beeindruckende Kriminalroman hatte mich zwischenzeitlich auch nicht erreicht. Ich erinnerte mich plötzlich wieder, nach fast einem Jahrzehnt, eben beim Suchen nach der Krimilektüre, an die fast uneingeschränkte Identiizierung mit dem Mörder, mit demMörderischen, dem genial Abnormen, dem Dekadenten, der Pro- duktivität des vermeintlich Pathologischen bei Patricia Highsmith und der genial fesselnden psychocharakterlichen Entwicklung der Handlung mit ebensolchen ungeheuerlichen und absonderlichen Figuren des Alltags, nicht meines real existierenden Lebens, aber damit sozusagen innerlich verbunden zustimmend-ablehnend

mit einigen wünschenswerten, aber auch ungeheuerlichen Seiten, beispielsweise bei Guy Haines und Bruno Anthony inZwei Frem­ de im Zug, Bei gleichzeitig vollständiger Ablehnung dekadenter Verhaltensmodi, insbesondere im Falle Ripley & Co, wie auch kleinbürgerlich-spießiger in anderen Fällen, die mir igürlich nicht mehr genau in Erinnerung waren, aber doch die Erinnerung an bestechend protokollarische Detail-Schilderungen. Zudem die Auffassung, dass hier eine Autorin regelrecht am Werk ist, die fantasierend genial Fälle zu konstruieren in der Lage ist, die unter meine Haut beim Lesen gehen, die mir aber auch verdeutlichen, dass nur biograisch authentisches Sein dafür den Boden bereiten kann.

Gleich der Wiedereinstieg (sozusagen ›Highsmith reloaded‹) mit demZittern des Fälscherserfasste mich komplett, es war die angenehm süß-exotisch, exilierte Situation des Schriftstellers und Drehbuchautoren Howard Ingham in Tunis. Ich griff dann zum nächsten:Ein Spiel für die Lebenden, worin mit Señor Theodore Schiebelhut, Ramón und Lelia in Oaxaca eine Kulisse und ein Treiben geschaffen wurde, das mich in seiner exotisch latenten Kriminalität innerhalb einer Bohemien unter einfachen mexikani- schen Menschen faszinierte. Gerade auch die unbedarft dekadente Luxuriösität mexikanischer Szene Kulturschaffender eine Faszi- nation schaffte, die ich ihrem Wesen nach dennoch ablehnte. Um dann mit demStümperder Autorin vollständig ausgeliefert zu sein, weil darin das mittelständisch Gutsituierte nahezu erstickend wirkt, während dasMörderische, vollstreckt oder nur gedacht, produktiv Befreiendes in sich birgt. Was war geschehen, gerade anhand solch unterschiedlicher Plots und Figurationen?

Die Psychologie der Ungeheuerlichkeit wird logisch und alltäg- lich normal entwickelt, ja sogar in die Normalität des Alltags mit allen Affekten gestellt, als sei es so oder könne, ja müsse einfach so sein. Die Gewohnheiten der Figuren, gewohnt gewöhnlich normal kleinbürgerlich bis spießig im Kleinen bis hin zu großbürgerlich dekadent ›normal‹ im Leben eines Künstlers und Schriftstellers wie Schiebelhut (ein Spiel für die Lebenden), Ingham (das Zittern des

Fälschers), eines gut gestellten Ingenieurs oder Architekten, der sein Berufsleben normal lebt, außerhalb dessen aber anomal denkt und handelt, wie beispielsweise Robert Forester (Der Schrei der Eule), Walter Stackhouse (Der Stümper), David Kelsey alias William Neumeister (Der süße Wahn) und gerade auch der überzeugende und genial schöngeistige Scharlatan Tom Ripley in diversen Rollen in den auf ihn zugeschnittenen Ripley-Romanen. Ich entdeckte auch verschiedene Seiten gutsituierter und schöner Frauen, wie Carol und Therese, Homosexualität sinnlich schleichend entwi- ckelnd, auslebend neben aller gesellschaftlicher Tabuisierung, wie auch Frauen in lebender Promiskuität, wie beispielsweise Nickie Forester, Melinda Van Allen, Lelia Ballesteros und Alice Bartleby mit Einschränkungen. Das faszinierte mich, regte mich auf und an, weil sich insbesondere solche Frauen notwendig oder aus pu- rer Lust am Leben gegen meist ungeschriebene gesellschaftliche Regeln stellen.

Hinzu fügte sich in meiner Lesart die sozialpolitische Einmi- schung und Kommentierung der Autorin, die mich sehr stark ver- einnahmte und überzeugte. Nun las ich aber selbst anders als vor Jahren, weil sich meine Denk- und Lebensumstände selbst geändert hatten. Nicht allein dadurch, dass ich selbst Autor verschiedener wissenschaftlicher Bücher, einem dokumentarischen Roman und auch einem Kriminalroman geworden war. Und ich entdeckte in PH’s Romanen großartige Literarität, geradezu geniale!

Das wollte ich nicht mehr nur für mich entdeckt lassen, sondern diese Entdeckungen weitertreibend aufdecken, literaturwissen- schaftlich beschreiben, analysieren und werten. Doch nicht im Ganzen und auch nicht biograisch, das ist schon geleistet, sondern ausgewählt partikulär komparatistisch im Gesamtkontext ihres Werkes.

Nämlich: das auffällig Kleinbürgerliche mit dessen spießigen Affektionen, die Dekadenz des Großbürgerlichen in ihrer jeweiligen Erscheinungsform als Symptom der seit Jahrzehnten morbiden kapitalistisch orientierten Gesellschafts- und Lebensordnung, nicht nur für die erste Dekade nach dem zweiten Weltkrieg und nicht

nur für die US-amerikanische Gesellschaft. Das in Verbindung nicht nur entlang eingebetteter Symptomatik von Handlungs- und Figurenkonstruktionen im Plot, sondern auch ausdrücklich in der Lesbarkeit von Einstellungen und Kommentaren der geschaffenen Figuren, z.B. zum Vietnamkrieg, dem so genannten 6-Tagekrieg des israelischen Staatsapparates gegen das Volk von Palästina und dem heftigen amerikanischen Antikommunismus zu Zeiten eines McCarthy, zur Diskriminierung von Homosexualität, zu Nixons Watergate oder Ronald Reagans Politik zu Zeiten des so genannten

›Kalten Krieges‹ oder in Europa nicht nur De Gaulles und Jacques Chiracs Außen- und Atompolitik…etc.! Wie sich PH auch als überschauende Autorin kritisch bis hasserfüllt in die funktionie- rende manipulative Zuständlichkeit verschiedener Medien genau zu diesen Themen einmischte.

Vordergründig erscheinen Figuren als Opfer ihrer ganz per- sönlichen Geschichte und letztlich Gefangene ihrer psychischen Anatomie, die sich in sich selbst winden und wenden, andere in ihren festgefahrenen Zirkel einbinden, indem sie diese und sich selbst fürmörderische