Der Rote1 Mark-Roman - Roland Hoja - E-Book

Der Rote1 Mark-Roman E-Book

Roland Hoja

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Beschreibung

Über literarische Formen muss man die Realität befragen, nicht die Ästhetik, auch nicht die des Realismus. Die Wahrheit kann auf viele Arten verschwiegen und auf viele Arten gesagt werden. Wir leiten unsere Ästhetik wie unsere Sittlichkeit von den Bedürfnissen unseres Kampfes ab. (Bertolt Brecht)

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Die Revolution greift nicht nur in den Verstand, sondern ebenso in die Phantasie ... Sie greift gerade in die Phantasie des Verstands, in die außerordentliche Spannung der prozessualen Wirklichkeit ... es gilt nun, zu Menschen völlig wahr von ihren Sachen zu sprechen.

(Ernst Bloch, Vom Hasard zur Katastrophe. 1934-1939)

INHALT

VORWORT

POLITISCH-ÖKONOMISCHE ZUSAMMENHÄNGE IN DER WEIMARER REPUBLIK

Einleitung

- Die Phase der relativen Stabilisierung 1923-1929

- Die Phase der Erschütterung der relativen Stabilisierung 1929-1930. Das Anwachsen der faschistischen Gefahr

DIE NOTWENDIGKEIT DER ENTWICKLUNG PROLETARISCH-REVOLUTIONÄRER LITERATUR

Einleitung

- Exkurs zur internationalen Entwicklung proletarisch-revolutionärer Literatur und ihrer Organisation

- Der 'Bund Proletarisch-Revolutionärer Schriftsteller' als inhaltlicher und organisatorischer Ausdruck der Entwicklung proletarisch-revolutionärer Literatur in der Weimarer Republik

ELEMENTE REALISTISCHER SCHREIBWEISE IN ROMANEN DER 'ROTE 1MARK-ROMAN' REIHE

Einleitung

- Anforderungen an eine revolutionäres Lernen ermöglichende Literatur

1.1. Proletarisch-revolutionäre Literatur und der Hinweis auf Ökonomismus in der Literaturfrage

- Reportage, Montage, Dokumentation – Techniken realistischer Schreibweise

- Das Prinzip der Parteilichkeit

- Typische Charaktere unter typischen Umständen

- Volkstümlichkeit – Volkssprache und Realismus

SCHLUSSBETRACHTUNGEN

Anmerkungen

Editorial

Literatur

Der Autor

VORWORT

Hauptgenstand dieser Arbeit soll, wie schon in der Überschrift ausgedrückt, der 'ROTE 1MARK-ROMAN' sein. Gleichermaßen die gedenkende Erinnerung an Gründung und Arbeit des Bundes Proletarisch-Revolutionärer Schriftsteller (BPRS) im Oktober 1928.

Die Romanreihe selbst erschien ab August 1930 im Internationalen Arbeiter Verlag (IAV) unter der verantwortlichen Herausgeberschaft des 'BPRS'. Sie wollte verstanden werden als wichtiger Schritt und Versuch zur Schaffung einer wirklich proletarischen Massenauflage1 revolutionärer Literatur.

Aufgabe wird es hier sein, unter Einbezug der Auseinandersetzungen über realistische Schreibweise anhand der »Linkskurve« als Organ des 'BPRS' und der Kontroverse hauptsächlich zwischen Bertolt Brecht und Georg Lukács, notwendige Kategorien realistisch-sozialistischer Schreibweise herauszuarbeiten. Inwieweit diese auch schon oder gerade als Elemente einer manifesten Theorie des sozialistischen Realismus begriffen werden können, muss untersucht werden. Tragende Erkenntnisse auf dem Wege zu einer solchen Theorie ergaben sich zeitlich jedenfalls nicht schon unbedingt mit der faktischen Auflösung des 'BPRS' im Jahre 1933 und auch nicht mit dem letzten Erscheinen des 'Rote 1Mark-Romans', da die eigentliche Kulmination der Realismusdebatte außerhalb der 'Linkskurve' zwischen 1937-1941 datiert ist.2

Die herausgearbeiteten Kategorien sollen im weiteren Teil der Arbeit auf ihre mögliche Realisierung in vier ausgewählten Rote-1-Mark-Romanen analysiert werden. Dabei wird es darauf ankommen, die literaturästhetische Betrachtung der Romane tatsächlich historischmaterialistisch durchzuführen, um nicht in eine literarische Betrachtung zu verfallen, die, wie schon Brecht mit Recht kritisierte, nur ästhetisch begründet ist.

Über literarische Formen muß man die Realität befragen, nicht die Ästhetik, auch nicht die des Realismus. Die Wahrheit kann auf viele Arten verschwiegen und auf viele Arten gesagt werden. Wir leiten unsere Ästhetik, wie unsere Sittichkeit, von den Bedürfnissen unseres Kampfes ab.3

Von daher leitet sich auch die Begründung für den ersten Teil dieser Arbeit ab, indem dort die politisch ökonomischen Bedingungen

Mitte bis Ende der Weimarer Republik reflektiert werden, ohne diese kein Hintergrund und keine Voraussetzung für o.a. Aufgabenstellung vorhanden wäre. Ebenso unerlässlich ist es, in diesem Zusammenhang die historische Bedeutung des 'BPRS' als proletarisch-revolutionärer Kulturorganisation herauszustellen. Weil dadurch wiederum die Verknüpfung Weimarer Republik / 'BPRS' / 'Rote 1Mark-Roman' in Einheit ihren Sinn erhält und die Romanreihe selbst nicht als Literaturprodukt an sich erscheint.

Die Ergebnisse der Realismus-Debatte, die sich als Kategorien und Elemente einer realistischen Schreibweise herauskristallisieren, sind immer, zeitbezogen auf die Weimarer Verhältnisse, zuzuordnen dem Primat Kunst ist Waffe. So wie es auch der Entwurf zu einem verantwortlichen Aktionsprogramm des 'BPRS' (1928) zum Ausdruck bringt:

Es besteht also die Aufgabe, die Ansätze der proletarisch-revolutionären Literatur in Deutschland bewußt weiterzuentwikkeln, ihr die führende Stellung innerhalb der Arbeiterliteratur zu verschaffen und sie zur Waffe des Proletariats innerhalb der Gesamtliteratur zu gestalten.4

Wurde auch der 'Rote-1Mark-Roman' als eine solche Waffe begriffen und eingesetzt, so sagte dies noch nichts über seine Reife aus. Ja, er konnte gar nicht ausgereift sein, befand sich doch die Diskussion über realistische Schreibweise noch in sehr widersprüchlichem, unausgegorenem Prozess. Die Jahrgänge II-IV der 'Linkskurve' geben davon ein sehr eindrucksvolles Bild.

Ebenfalls befand sich diese Debatte außerhalb der 'Linkskurve' noch in der Entwicklung. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen, die in dieser Arbeit rückwirkend auf die Romane bezogen werden, stellten sich im wesentlichen erst später heraus. Von daher wird von vornherein vorausgesetzt sein, dass die zu begründenden Erfolgsschreibweisen wie auch die Mängel auf deren Entstehungszeit zu beziehen sein werden.

Andererseits aber Anspruch und Funktion der Romane gerade zur Zeit verhärteter Klassenfronten in der Weimarer Republik Grundlage und respektvoll gedenkende Berechtigung zur vorliegenden Untersuchung geben.

'Die Linkskurve', Organ des 'BPRS' (rh©copy2018)

I. Politisch-ökonomische Zusammenhänge in der Weimarer Republik (1923-1929)

Einleitung

Die Phase der relativen Stabilisierung 1924-1929

Die Phase der Erschütterung der relativen Stabilisierung 1929-1930

Das Anwachsen der faschistischen Gefahr

EINLEITUNG

Die bürgerliche Republik war in Deutschland das Werk der Arbeiterklasse. Das Bürgertum selbst hatte die werdende Deutsche Republik entweder bekämpft oder nur lau unterstützt. 1930 ging die bürgerliche Republik in Deutschland zugrunde, weil ihr Schicksal den Ständen des Bürgertums anvertraut war, um die Republik zu retten.

Die deutsche Arbeitnehmerschaft umfaßte zwar drei Viertel des Volkes, aber da sie sich weder in ihren politischen Idealen noch in ihren taktischen Methoden einigen konnte und weil sich ihre Riesenkräfte im Kampfe gegeneinander verbrauchten, kam die (schon seit der Novemberrevolution 1918 agierende, RH) Gegenrevolution wieder zur Macht. 5

Dieser allgemeinen Einschätzung Arthur Rosenbergs folgend, sollen im weiteren Besonderheiten des letzten Jahrzehnts Weimarer Verhält nisse dargestellt werden, die den später zu entwickelnden Auffassungen von einer dialektischen Verbindung von politischer Realität und Literatur als Kampfmittel ihren Hintergrund geben sollen.

Des weiteren soll damit, sozusagen als nebenwirkender Aspekt, den verbreiteten populärhistorischen Auffassungen von den sogenannten 'goldenen' zwanziger Jahren entgegen getreten werden; jene Epoche des Deutschen Reiches war für die Mehrheit der rund 63 Millionen Einwohner keineswegs als golden zu bezeichnen, wie noch zu sehen sein wird.

1. Die Phase der relativen Stabilisierung 1924-1929

Mit der Verschärfung der politischen Lage durch die Ruhrbesetzung seitens französischer und belgischer Truppen im Januar 1923 zur produktiven Pfändung ausstehender deutscher Reparationszahlungen, mit der bis Ende 1923 massiv anwachsenden Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit,6 dem ständigen Sinken des Reallohnes bei gleichzeitiger Erhöhung der Arbeitszeit auf neun Stunden für Arbeiter und Angestellte, war eine revolutionär gährende Stimmung unter breiten Teilen der Arbeiter- und Volksschichten herangewachsen. Doch führte das Fehlen einer einheitlichen und organisierten nationalen Massenaktion zu vielerortigen Niederlagen der deutschen Arbeiterklasse. Damit waren die innenpolitischen Voraussetzungen für das verstärkte Eindringen des amerikanischen Finanzkapitals und für die Restabilisierung der Weimarer Republik geschaffen. So waren die monopolkapitalistischen Kreise bestrebt, Deutschland vor inneren Krisen zu bewahren. Entsprechend äußerte Reichskanzler Stresemann im November 1923, dass dies eine Forderung sei, die von allen ausländischen Finanzkreisen erhoben wurde, weil sie der Ansicht sind, daß nur bei ruhiger und stetiger politischer Entwicklung eine Gesundung unserer Wirtschaft möglich ist. Dafür zu sorgen, ist unsere Sache. Für Mehrleistung und Mehrproduktion wird die Regierung die Voraussetzung schaffen.7

Als Antwort auf die grassierende Inflation wurde mit der Rentenmark eine neue Währung geschaffen, die Notenpresse stillgelegt, und dadurch um die Jahreswende 1923/24 ein erster Schritt zu Stabilitätsmaßnahmen getan. Das Interesse des amerikanischen Kapitals und der US-Regierung an der Funktionsfähigkeit der deutschen Wirtschaft aus kapitalpolitischen Gründen realisierte sich im April 1924 mit dem sogenannten 'Dawes-Plan'. Der ermöglichte eine vorläufige Festlegung der Reparationszahlungen und eine internationale Anleihe von ca. Einer Milliarde Mark allein für das Jahr 1924.

Diese Auslandsanleihen stiegen bis 1930 auf ca. 27 Milliarden –. Modernisierungen und Rationalisierungen der technischen Ausrüstungen kapitalintensiver Industrien bei gleichzeitig zunehmender Monopolisierung8 wurden möglich.

Nachdem das deutsche Finanzkapital seine politischen und wirtschaftlichen Stabilisierungsmaßnahmen eingeleitet hatte, konnten die vorbereitenden Maßnahmen zur Einrichtung einer Diktatur in Form des Ermächtigungsgesetzes9 mit Wirkung zum 1.März 1924 aufgehoben werden. Die deutsche Innenpolitik benötigte den Schein von Legalität und Solidität, denn ein Land, in dem Bürgerkrieg, Terror und Diktatur herrschten, wäre der New Yorker Börse nicht kreditwürdig erschienen.10

Eine Beruhigung trat ein. Die Zahl der Arbeitslosen und Kurzarbeiter sank schon 1925 auf ihren absoluten Tiefpunkt in der ganzen Dauer der Republik.11 Die Arbeitsleistung pro Arbeitsstunde steigerte sich dank intensivierter Ausbeutung der Arbeitskraft mit Hilfe verfeinerter technischer und arbeitswissenschaftlicher Verfahren in der Phase 1924-1929 um 40%; der deutsche Anteil an der Weltindustrieproduktion erhöhte sich von 1923-1928 von 8 auf 12%. Parallel dazu gingen die Streikaktivitäten zurück: 1919-1923 gab es im Jahr durchschnittlich 3,7 Mio Streikende, 1924-1929 jährlich nur 0,7 Mio; … die Zahl der gleichzeitig Streikenden sank von 2 Mio 1923 auf den in der Republik insgesamt absoluten Tiefstand von 1000t im Jahre 1926.12

Diese Lage schuf die Voraussetzungen, die werktätige Bevölkerung mit Steuern zu belasten, die den größten Teil der Reparationszahlungen ausmachten und diese sicherten. Sprachen sich die Regierungsparteien und die Sozialdemokratie in der Reichsdebatte vom 23. bis 29. August 1924 für den 'Dawes-Plan' aus, so votierte die Reichstagsfraktion der KPD gegen diesen Gesetzesentwurf, indem sie ihn als ein Dokument brandmarkte, das allein die Ausbeutung der werktätigen Massen Deutschlands 13 bezwecke.

An den Ergebnissen der beiden Reichstagswahlen im Jahre 1924 ließen sich die neuen Machtverhältnisse erkennen und gleichsam waren sie ein Ausdruck dessen, dass mit der relativ günstigen Konjunkturentwicklung und der Festigung des Weimarer Staates in weiten Teilen der Bevölkerung die Hoffnung über Möglichkeiten der Verbesserung, ihrer ökonomischen und polischen Lage im Rahmen des herrschenden Kapitalismus und der zugehörigen Parlamentarischen Demokratie aufgekeimt waren.

Die Maiwahlen brachten der KPD 3,7 Mio Stimmen, die im Vergleich zu den 6 Mio SPD-Stimmen einen bedeutenden Anstieg darstellten. Dagegen konnte die SPD in den Dezemberwahlen fast 1,9 Mio Stimmen dazu gewinnen, während die KPD 1 Mio verlor. Auf der Seite der bürgerlichen Parteien ähnliche Verwerfungen. Im Mai büßten die bürgerlichen Regierungsparteien Stimmen ein, ihr Anteil schmolz von 40 auf 30%, während der Zuwachs der Deutschnationalen mit 5,7 gegenüber 4 Mio 1920 einen erheblichen Machtanstieg der reaktionär-monarchistischen Kreise signalisierte. Die Faschisten von der NSDAP erhielten 2 Mio im Mai und büßten im Dezember fast die Hälfte der Stimmen wieder ein.14

Resultat dieser Wahlen waren die rechten Bürgerblockregierungen, meist mit Beteiligung der DNVP und bei weitgehender parlamentarischer Toleranz durch die SPD.

Wie sich die Gegenrevolution auf legalem Wege die Macht über die Weimarer Republik verschafft hatte, zeugte ebenso die Wahl Hindenburgs (kaiserlicher Generalfeldmarschall) zum Reichspräsidenten im April 1925. Gleichzeitig blieben Massenaktionen, wie der Volksentscheid gegen die Abfindungen der Fürsten im Juni 1926 ohne Erfolg. Obwohl sich mehr Wähler dagegen ausgesprochen hatten als KPD und SPD zusammen jemals an Wahlstimmen bekommen hatten.

SPD-Plakat zur Abstimmung über die Fürstenenteignung 1924 (rh©copy2018)

Die Lebenslage der Arbeiter, Angestellten und Beamten verbesserte sich im Vergleich zu dem Elend der Inflationszeit im allgemeinen bedeutend. Es gelang ihnen unter Ausnutzung des wirtschaftlichen Aufschwungs im zähen sozialen Kampf wesentliche Lohnerhöhungen zu erreichen. Aber sie kosteten auch gleichermaßen ihren Preis. Im gleichen Zuge stiegen die Lebenshaltungskosten wesentlich, besonders die Ausgaben für Mieten, so daß die Reallöhne der Arbeiter erst 1928 wieder den Vorkriegsstand erreichten. Wobei beachtet werden muss, dass die Mehrheit der Arbeiter noch 1927 zum Teil erheblich länger als 48 Stunden in der Woche arbeiten musste.

(…) Infolge der Rationalisierungen und der Stillegungen zahlreicher Betriebe verloren hunderttausende Arbeiter und Angestellte ihre Arbeitsplätze. Es entstand eine ständige Erwerbslosenarmee, die seit Ende 1925 selbst in Zeiten höchster Konjunktur immer über 750tsd. zählte.15

George Grosz: 'Hunger' 192416 (rh©copy2018)

Um die Jahreswende 1925/26 steuerte die Republik in eine sogenannte Zwischenkrise, die sich in Absatzschwierigkeiten und Kapitalmangel zahlreicher Unternehmen äußerte. Die Zahl der Erwerbslosen näherte sich im Februar 1926 der 2,3 Mio-Grenze. In dieser Lage veröffentlichte der Reichsverband der Deutschen Industrie in seiner Denkschrift 'Deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik' das Sanierungsprogramm des Finanzkapitals. Es forderte die Reichsregierung auf, die Monopol- und Kapitalbildung noch mehr zu fördern. Seinem Inhalt nach bedeutete dies einen erneuten Angriff auf die soziale Lage der Massen, einen Angriff auf die Errungenschaften der Arbeiterschaft und anderer Werktätiger, - wie den sozialen Leistungen, den Lohnerhöhungen und der Arbeitszeit -, zur Beschleunigung von Rationalisierungsmaßnahmen. Zynisch wurde dort bemerkt:

Für den Achtstundentag können gesundheitliche, soziale und kulturelle Auswirkungen sprechen. Aber in unserer Lage ist und bleibt nun einmal die Notwendigkeit entscheidend ...17

Forderungen dieser Art und die nach Steuererleichterungen, die gegen zu weitgehende Ausgesstaltung sozialer Abgaben und die gegen die Wiederherstellung des Achtstundentages wurden 1926 zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage gegenüber der Reichsregierung erhoben.

Es ging den Kapitalmagnaten also um die Maximierung ihres Profits, denn nur der konnte ihnen den wirtschaftlichen Aufschwung erbringen. Der war wiederum nicht identisch mit der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Arbeiter- und Volksmassen. Dies bewiesen die vielen Streiks um Lohnerhöhungen und Wiederherstellung des Achtstundentages, wie beispielsweise der Hamburger Hafenarbeiterstreik im Oktober 1926 und die zahlreichen Tarifstreiks in der Textilindustrie im Sommer 1927. Im Herbst 1927 bildete sich ein erneuter Aufschwung der Streikbewegung in Deutschland heraus.

Eingeleitet wurde dieser durch den achttägigen Lohnkampf von 80tsd. Mitteldeutschen Bergarbeitern. Unter dem Einfluss kommunistischer Gewerkschafter und Betriebsräte gelang es, eine Bewegung zur Verkürzung des Zwölfstundentages und zur Lohnerhöhung herzustellen, diese Forderungen der Arbeiter dem Monopolkapital entgegenzustellen. Diese Kämpfe zeigten, dass die Kampfbereitschaft um die Errungenschaften der Arbeiter gewachsen war und die Bereitschaft, diese offensiv zu führen. Dies ebenso im Falle der Metall- und Hüttenarbeiterbewegung im Rhein-Ruhrgebiet im November 1927. Augenscheinlich bewiesen diese Kämpfe, dass die Arbeiterklasse die Niederlagen von 1923 überwunden hatte und sich in einer erneuten Offensive befand. Auf der Gegenseite formierte sich die Militärregierung, die, geführt von Generälen und Kapitalisten, zum Schlag gegen die organisierte demokratische Arbeiterschaft antrat.

Plakat für den Achtstundentag 1927 (rh©copy2018)

Auch 1928 dauerte in der Weimarer Republik die Hochkonjunktur an, wenn auch in verschiedenen Bereichen allmähliche Abschwächungen zu erkennen waren.

Um die Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt zu halten, kam die Reichsregierung den Forderungen des Monopolkapitals (Dezember 1927) weit entgegen. So kürzte sie im Haushaltsetat 1928 die Mittel für soziale Ausgaben auf 700 Mio. gegenüber 1,1Milliarden Reichsmark 1927. Für die 'unterstützende Arbeitslosenfürsorge' und für Arbeitsbeschsffungsmaßnahmen standen nur noch 125 Mio. gegenüber 580 Mio. Reichsmark im Vorjahr zur Verfügung. Dagegen wurden für die Reichswehr 827 gegenüber 490 Mio Reichsmark 1924 bereitgestellt.

Gelungen war es der Arbeiterschaft nicht, die Konjunktur noch erfolgreicher zur Verbesserung ihrer Lohn- und Arbeitsbedingungen auszunutzen. Eine wesentliche Ursache lag in der reformistischen Streiktaktik des ADGB-Vorstandes und seiner Verbandsleitungen, der/die sich in der Regel den staatlichen Schiedssprüchen unterwarf.

Der Bürgerblock, - der seit 1924 regiert hatte, brach 1928 an inneren Widersprüchen auseinander -, führte zur Beendigung der Koalition der Blockparteien und zur Auflösung des Reichstages durch den Reichspräsidenten. Die Neuwahlen im Mai 1928 brachten der SPD den größten Erfolg seit 1919 mit 9 Mio. Wählerstimmen.

Ebenso konnte die KPD ihre Basis auf 3,25 Mio. Wähler ausdehnen. Gegenüber diesem relativ hohen, gemeinsamen Stimmenanteil von fast 2,5 Mio. Wählern aus Arbeiter- und kleinbürgerlichen Schichten gewann die faschistische NSDAP nur 800tsd Stimmen hinzu. Alle großen bürgerlichen Parteien erlitten erhebliche Stimmenverluste. So errang die DNVP (Deutschnationale Volkspartei) nur noch 4,4, die Deutsche Zentrumspartei und BVP (Bayrische Volkspartei) erhielten zusammen nur noch 4,4, die DVP (Deutsche Volks Partei) 2,7 und die DDP (Deutsche Demokratische Partei) 1,5 Mio. absolute Stimmen. Ein Teil der vom Bürgerblock enttäuschten Wähler ging über zu kleinen Rechtsparteien mit argrarischen und mittelständischen Programmen.

Aufgrund dieser Wahlergebnisse kam es zu einer großen Regierungskoalition unter Reichskanzler Müller, SPD.

Die Stellung der SPD in dieser Reichsregierung war außerordentlich stark und ermöglichte daher ihren politischen Führungsanspruch. Noch hielt die Mehrheit der deutschen Bevölkerung den Bestand der Weimarer Republik für konsolidiert und gesichert. Die Arbeiter wählten SPD, weil sie im allgemeinen mit den bestehenden Verhältnissen zufrieden waren. Die im System steckenden Gefahren für die Volksmassen und die Republik waren noch zu wenig aufgebrochen und zugespitzt.

Die Hoffnung der Rechten auf die Entfachung einer reaktionären Massenmobilisierung war gescheitert. Der Mißerfolg der DNVP und der NSDAP führten zu einer anwachsenden Radikalisierung der Rechten unter Alfred Hugenberg und Adolf Hitler, die zum Kampf gegen das bestehende verhasste parlamentarische System aufgerufen hatten.

2. Die Phase der Erschütterung der relativen Stabilisierung 1929-1930 Das Anwachsen der faschistischen Gefahr

Um die Jahreswende 1928/29 verdeutlichte sich bereits das Abflauen der Hochkonjunktur. Bestes Anzeichen dafür war der rapide Anstieg der Arbeitslosenzahlen von 1,6 auf über 3 Mio von November 1928 bis Februar 1929. Die Reparationsforderungen liessen den Fehlbetrag im Staatshaushalt ansteigen.18 Diese sich anbahnende Lage und der spätere Ausbruch der Weltwirtschaftskrise im Oktober 1929 ließ maßgebende Kreise des deutschen Finanzkapitals die Ansicht vertreten, dass dem bürgerlichen Parlamentarismus eine Politik diktatorischer Herrschaftsformen entgegenzusetzen sei.

Ausdruck dessen war unter anderem, dass A. Hugenberg sich nun an die Spitze der DNVP stellte, um den Sturm auf die Republik zu wagen, ehe diese noch stärker und stabiler werden könne. Gleichzeitig unterstützten die hinter Hugenberg sich versammelnden extrem antidemokratischen Kräfte von Kohle, Stahl, Chemie immer mehr die NSDAP Hitlers. Mit finanziellen Zuwendungen gelang es dieser faschistischen Bewegung, die Anzahl und Auflagen ihrer Presse zu erhöhen, um durch völkische Demagogie Einfluss auf die kleinbürgerlichen Schichten in Stadt und Land zu gewinnen.

In den nationalsozialistischen Zeitungen und in der Hugenberg-Presse häuften sich die Angriffe auf die bestehende Republik. Es war ihre gemeinsame Strategie, dem Volk Lügen einzupauken bis große Teile von ihrer Wahrheit überzeugt waren. Nach dem Scheitern des Volksentscheides gegen die Abfindungen der Fürsten triumphierte die Hugenberg-Presse: Der Schlag der Novemberverbrecher gegen das rechtmäßige Eigentum war ein Schlag ins Wasser und die faschistischen Zeitungen der NSDAP jubelten, dass die jüdisch-marxistische Räuberei am Rechtsbewußtsein des deutschen Volkes gesccheitert sei.19 Desweiteren verbreitete diese Presse im Einklang ein Bild von der Weimarer Republik als einem System der Novemberverbrecher, von Juden und Marxisten beherrscht. Die ungeheure Macht der Meinungsmache wird erst wirklich deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass für diese Massenbeeinflussung während der ganzen Dauer der Weimarer Republik ein gewaltiger Pressekonzern verantwortlich zeichnete. Es war jener Pressekonzern, dessen Holding den Namen 'OPriba' (Ostdeutsche Privatbank) führte. Er beherrschte die Presse der Mittel- und Kleinstädte und des flachen Landes. In Berlin gehörte ihm der Zeitungsverlag 'August Scherl GmbH', in dem Zeitungen mit einer Tagesdurchschnittsauflage von 500tsd Exemplaren erschienen. Ferner war ihm die zweitgrößte Nachrichtenagentur des Reiches 'Telegraphen-Union' angeschlossen, und später noch die 'Ufa', des Reiches größte Filmherstellungs- und Vertriebsgesellschaft. Hinter allem stand Geheimrat Alfred Hugenberg, u.a. völkischer Reichstagsabgeordneter und Vorstand des Reichsverbandes der Deutschen Industrie. Rechnet man noch andere nationalliberale bis ultrarechte Organe hinzu, z.B. auch die der Industriemagnaten, dann waren in der Weimarer Republik über dreiviertel der deutschen Zeitungen und Zeitschriften extrem antidemokratisch, auch SPD- und gewerkschaftsfeindlich. Dies gibt ein klares und gleich erschreckendes Bild davon, auf welche medialen Mittel Hugenberg und Hitler sich stützen konnten in ihrem Angriff auf die Republik.

Auf dem XII. Parteitag der KPD im Juni 1929 sagte Ernst Thälmann weitsichtig voraus, dass sich die Offensive des Monopolkapitals gegen die Arbeiterklasse mit der Abschwächung der Konjunktur und unter dem Druck der Reparationsverpflichtungen verschärfen werde. Da aber die Arbeiterklasse zunehmend Widerstand leiste, wie dies in den Wirtschaftskämpfen seit Ende 1928 zum Ausdruck gekommen sei, könne die bürgerliche Klasse ihre Pläne nur verwirklichen, wenn sie eine scharfe Wendung in der Richtung der faschistischen Herrschaftsmethoden vollzieht.20

In den Parteitagsbeschlüssen hieß es dann: