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Ruf der Schatten
»Du! Entschuldigung, aber da ist so ein leuchtendes Band zwischen uns«, spreche ich ihn einfach an, wobei ich seinen Oberarm berühre.
Der Mann weicht unwillkürlich vor mir zurück, während er mich mit tief in die Stirn gezogenen Falten mustert, ohne seinen Schritt zu verlangsamen.
»Entschuldigung, aber weißt du vielleicht, was das bedeutet? Diese leuchtende Schnur zwischen uns?«, versuche ich erneut mein Glück.
Der schleimige Druck, den man spürt, wenn man ein lästig-ekliges Spinnentier von sich entfernt, legt sich auf meine Brust, als sich der junge Mann wortlos abwendet, um eilig davonzumarschieren.
Eine romantische Tetralogie der tiefen Gefühle und fantastischen Abenteuer.
Sternentanz
Band I - Flüstern der Nacht
Band II - Ruf der Schatten
Band III - Wispern der Dunkelheit
Schattentanz
Band I - Windschatten
Band II - SchattenMeer
Band III - SchattenRiss (Finale)
Lichtertanz
Band I – Die Magie der Glanzlichter
Band II – Die Magie der Goldwinde
Band III – Die Magie der Lichtkristalle (Finale)
Flammentanz
Band I – Funken
Band II – Flammen
Band III – Feuer
Band IV – Brand
Band V – Glut (Finale)
Fabolon
Band I – FarbelFarben
Band II – Goldenes Glück
Band III – StaubNebelNacht
Band IV – RostRoter Rubin
Band V – SchneeFlockenBlüten
In der gleichen Welt: Romantasy
WandelTräume
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Mysteriöser Mond
Rückschau
Wasserportal
Lida und Lando
Abtransportiert
Jahresfest
Flucht
Knackende Äste
Steckenziegen und Rollbeine
Marita
Aufgeräumt
Leuchtendes Band
Finn
Niedergeschlagen
Weihnachten
Windböe
Verschleppt
Rosa Wattebäusche
Heimkehr
Danksagung und Nachwort
Ode an meine Testleser
Lexikon
Karten
Impressum
Sternentanz
Ruf der Schatten
Isabella Mey
Band II
Liebe Leser,
es zeigte sich, dass einige von euch Probleme hatten, die Kapitel über Ionas Gefangenschaft zu lesen, was womöglich auch an der Unsicherheit liegt, worauf das ganze hinauslaufen wird. Um sexuelle Gewalt geht es hierbei schon mal nicht, das kann ich euch versichern. Da die Szenen jedoch wichtig für die weiteren Zusammenhänge sind, habe ich mich entschlossen, euch bis zum Kapitel Flucht eine Zusammenfassung zur Verfügung zu stellen. Entscheidet einfach selbst in welche Kapitel ihr ganz eintauchen möchtet oder lieber die Zusammenfassung lesen wollt.
Zusammenfassung Mysteriöser Mond
Iona erwacht in einer Hütte auf einem Strohlager. Alles ist finster und ihr gegenüber schläft ein Mann ebenfalls auf einen Strohlager. Als sie vor die Tür geht, ist hier alles dunkel. An den Sternen merkt sie, dass sie sich auf einem fremden Planeten befindet und ein Zaun um das Gehege verhindert eine Flucht. Der ältere Mann im Haus, mit Namen Branton, stellt sich als ein Mitgefangener heraus, doch er empfindet sich nicht so, da er den Zaun als Schutz vor den wilden Raumonstern sieht, die im Wald leben. Es kommt heraus, dass auf dem Planeten zwei Arten Menschenwesen leben: die Futaren, die über eine Art Energie verfügen, von denen sich die Wesen mit den leuchtend blauen Augen ernähren, welche Lumaren genannt werden. Der Planet heißt Luno und hier ist es selbst am Tag immer dunkel, weil der Zentralstern, die Lunaatis nur schwaches Licht ausstrahlt – gleich einem hellen Mond. Für die Lumaren erscheint es trotzdem hell. Die Futaren sind nicht so gut daran angepasst, sehen aber trotzdem wesentlich besser als Iona. Sie erfährt außerdem, dass Branton der Futar von zwei Geschwistern ist, wobei er vor allem das kleine Mädchen sehr mag. Er ist vor allem auch deshalb zufrieden mit seinem Schicksal, weil er seine Herren für gut hält und weiß, dass es den Futaren in der Festung, welche vom Fürstenpaar Develor und Lyndia sowie ihren Wächtern gefangen gehalten werden, äußerst schlecht geht. Brantons Tochter und dessen Partner wurden einst von den Raubmonstern gerissen, daher besteht bei seinen Herren nun akuter Energiemangel. Zwischen Lumaren und Futaren besteht eine ähnliche Beziehung wie zwischen Mensch und Nutztier, womit Branton allerdings keine Probleme zu haben scheint, weil er es nicht anders gewohnt ist. Für Iona dagegen ist das alles furchtbar, vor allem, weil sie kaum eine Möglichkeit sieht, von hier wieder zu entfliehen.
Zusammenfassung Rückschau
Hier erfahrt ihr aus der Sicht des Lumaren namens Lando, wie sich alles zugetragen hat.
Als vor einiger Zeit zwei der Futaren von den Raumonstern gerissen wurden, herrsche akuter Energiemangel bei der Familie. Daher zogen Lidas und Landos Eltern aus, um in anderen Welten neue Futaren ausfindig zu machen: sogenannte wilde Futaren. Das Wasserportal, über welches man den Planeten verlassen kann, ist nur mittels eines Portalschlüssels passierbar und einen solchen besitzet normalerweise nur das böse Fürstenpaar des Planeten: Develor und Lyndia. Bei einem Streifzug durch den Wald hatte aber Lando einst eine versteckte Hütte entdeckt und darin eine Schatulle mit gleich mehreren Portalschlüsseln sowie einer Karte, auf der das Wasserportal eingezeichnet ist. So einen Portalschlüssel nutzen die Eltern, um den Planeten zu verlassen, doch sie kamen nicht mehr wieder, daher bricht nun Lando auf, um die Eltern zu finden, aber vor allem, um selbst eine wilde Futarin zu fangen. Als er sich auf den Weg machen will, begegnet er Istiana, der Schwester von Landos bestem Freund Zonk. Sie mag ihn sehr und würde ihn gerne küssen, was Lando jedoch abwehrt. Zusammen mit Zonk fliegt Lando auf dessen Reittier, ein Toralk, zum Wasserportal.
Zusammenfassung Wasserportal
Hier geht die Rückschau aus Landos Sicht weiter. Gerade, als Lando und Zonk durchs Portal treten wollen, tauchen Develor und Lyndia daraus auf. Während Lando sich noch verstecken kann, wird Zonk angegriffen, mit einer Amnesie versehen und entführt. Als alle fort sind, reist Lando mit dem Portal und kommt auf Faboln heraus. Er entdeckt Iona und dann erlebt ihr einige Szenen des ersten Bandes aus seiner Sicht.
Da es für Lando schon immer normal war, sich von der Energie der Futaren zu ernähren und da diese das auch immer gerne taten, hatte er sich bisher nie Gedanken darüber gemacht, dass daran etwas falsch sein könnte. Wie alle Lumaren glaubt er, dass die Futaren von der Natur extra dazu geschaffen wurden, außerdem haben Raubtiere ja auch kein schlechtes Gewissen, wenn sie Beute reißen, um sich davon zu ernähren. Die Energie der Futarin kam nach dem ersten Kuss gerade noch rechtzeitig, denn seine kleine Schwester Lida war bereits kurz vor dem Tod, der sich bei Lumaren in runzliger Haut zeigt, daher nennen sie es verdorren oder vertrocknen. Da Kinder noch nicht durch Küsse von Futaren ernährt werden, legt Lando seiner Schwester eine Hand auf den Scheitel, um ihr einen Teil seiner Energie zufließen zu lassen, womit er sie gerade noch rechtzeitig wiederbelebt.
Nach dem nächsten Besuch auf der Erde kommt er dann mit der entführten Futarin zurück. Allerdingst ist Lida ist nicht besonders glücklich damit, als sie erfährt, dass die Futarin auf ihrem Planeten zu einem Kuss überrumpelt werden musste.
Zusammenfassung Iona und Lando
Iona diskutiert mit Brenton über den Sinn und Unsinn dieser Futaren-Lumaren-Sache und versteht einfach nicht, wie sich dieser so in sein Schicksal fügen kann.
Lida möchte sich die neue Futarin ansehen und wundert sich, dass sie sich mit ihr unterhalten kann, denn normalerweise verstehen Lumaren ihre Sprache nicht. Iona und Lida freunden sich an, woraufhin Lida ihren Bruder bittet, Iona wieder freizulassen, weil sie unglücklich hier ist. Das wiederum sieht Lando nicht ein, weil von der Futarin sein Überleben und das seiner Schwester abhängt. Er geht zu Iona, wobei sich seine anziehende Magie verselbständigt und sich Iona zu ihm hingezogen fühlt. Dieses Mal gelingt es ihr aber, sich zu wehren. Der Zauber bricht und sie schleudert ihm einen Eisblitz entgegen, wodurch Lando leicht verletzt wird.
Brenton kann Iona nicht verstehen, weshalb sie sich so ziert wegen eines simplen Kusses.
Zusammenfassung Abtransportiert
Die Lumaren feiern ein Fest. Anders als sonst üblich, hat Fürst Develor befohlen, sämtliche Futaren abzuholen und mit einem Karren zum Festplatz zu transportieren, weil er sich einen Überblick über den Bestand verschaffen will. Wie alle anderen Futaren bekommt Iona ein Amulett umgehängt und plötzlich kommt ihr eine Erkenntnis, was es eigentlich ist, das die Lumaren von ihr absaugen: Die Futaren sind eigentlich Magier und die Kristalle sowie dieses Amulett blockieren die Magie, damit sie nicht eingesetzt und nicht für die Lumaren verschwendet werden kann.
Zusammen mit den anderen wird Iona erst in einen Raum geführt, wo man sie körperlich untersucht und dann mit einem Nummern-Tattoo versieht, wobei ein Protokollant ihre Daten aufnimmt. Durch ihre Gegenwehr fällt sie dabei jedoch Develor ins Auge, welcher vor allem von ihrer Energiefülle fasziniert ist.
Zusammenfassung Jahresfest
Develor unterbreitet Lando ein Kaufangebot, doch da er sehr viel mächtiger ist als dieser, plant er, sich Iona notfalls durch einen Vergessenszauber gegen Lando anzueignen. Bei dem Fest dürfen die Futaren in einer Arena zur Musik tanzen, was die Lumaren sich auf der Tribüne ansehen. Danach gibt es ein Festmahl.
Lida nutzt die Gelegenheit, dass Iona unbeaufsichtigt ist und befreit sie aus der Umzäunung, woraufhin sie mit ihr zum Dorf zurückkehrt. Dabei nimmt Lida Iona das blockierende Amulett ab und Iona erzählt ihr von Develors Plänen, die sie durch die Sprachmagie ja mitanhören konnte. Lida gibt Iona einen Leuchtkristall, einen Portalschlüssel, eine Landkarte, Verpflegung, Wasser und ihr Schwert mit und schickt sie in den Wald.
Develor und Lando wundern sich über Ionas Verbleib und begeben sich auf die Suche nach ihr.
Flucht
Hier könnt ihr weiterlesen, wie Iona versucht, vom Planeten Luno zu fliehen.
Iona, Fabolon, Faresia, 1211 Romajan 3
Wohl kenne ich Farbelwesen wie die Meerfrauen, die schon so manchen Mann durch einen Zauber in ihren Liebesbann gezogen haben, aber dabei hatten die Opfer stets noch eine Wahl und den freien Willen, sich dagegen zu wehren. Was ich hier jedoch gerade erlebe, ist unvergleichlich fantastisch, aber auch gruselig und beängstigend gleichermaßen.
Was genau will dieser Kerl von mir? Geht es ihm ausschließlich um meine Gabe?
Nach dem letzten Kuss habe ich nichts mehr von diesem diffusen Verlangen in meiner Umgebung wahrgenommen, daher liegt es nahe, dass sein Hunger durch mich gestillt werden konnte. Aber nun scheint der Kerl mit Zauberkräften ausgestattet zu sein, denen ich mich nicht zu widersetzen vermag.
Meine vor Anspannung zitternden Arme schlingen sich um seine Hüfte, während auch er mich zu sich heranzieht, sodass unsere Herzen aufgebracht donnernd aufeinandertreffen und meine weiche Brust von seinem Muskelpaket plattgedrückt wird. Um meine Sinne vollends zu vernebeln, umwölkt mich obendrein ein sinnlich verführerischer Duft: eine Mischung aus frisch geschlagenem Holz und einem Inbegriff von Männlichkeit, der jeder Beschreibung entbehrt.
Was ist das nur für ein fieser Lockstoff, der mich gerade ins Verderben reitet?
Ein wenig benebelt öffne ich meine Lippen, die ich dem Farbelwesen willig präsentiere. Dabei fühle ich mich wie einer dieser grünen Käfer, denen gewiss klar ist, dass es sich bei der Laterne nicht um den Mond handelt, an dem sie sich orientieren können, und dennoch knallen sie immer wieder gegen das Glas, weil ein inneres Programm wider aller Vernunft nichts anderes zulässt.
Fast zärtlich legen sich nun seine kühlen Lippen auf die meinigen, was sich so schrecklich widersinnig anfühlt zu dem gewaltvollen Akt der Willensmanipulation, welcher mich dieser Kerl unterwirft. Von Männern, die in meiner Umgebung derart übergriffig wurden, bin ich es gewohnt, Gefühle zu empfangen wie Hass, sexuelle Gier, Machtgelüste oder Ähnliches, doch stattdessen spült mich bei ihm eine wohlig warme Emotion mit sich fort, bevor ein starker Sog einsetzt, der wie beim letzten Mal meine Sinnesgabe aus mir herauszieht. Und gleichzeitig fühlt es sich an, als ob dieser Teil von mir, der nun zu einem Teil von ihm wird, eine unauslöschliche Verbindung zwischen uns schafft. Zusätzlich erschlafft mein Körper immer mehr in seinen Armen und auch meine Sinne beginnen allmählich zu schwinden.
Was passiert mit mir? Ist das jetzt das Ende? Geht es dieses Mal nicht nur um meine Gabe, sondern auch um meine Lebensenergie?
Während sich meine Gedanken in diesem Angstszenario festsetzen, spielen meine Gefühle in einer völlig anderen Liga. Sie lassen mich diesen zweifelhaften Kuss erwidern, als versuchte ich durch ihn, den Inbegriff aller Sehnsüchte zu stillen.
Oder handelt es sich etwa um seine Gefühle, welche auf mich überschwappen?
Unsere Energien haben sich derart ineinander gemischt, dass ich unmöglich noch zwischen ihm und mir zu unterscheiden vermag. Umwölkt von süßesten Empfindungen, lasse ich mich hinwegtreiben und einlullen, bis ich schließlich vollkommen das Bewusstsein verliere.
* * *
Irgendetwas piekt mich im Rücken, als ich die Lider aufschlage. Im Dämmerlicht blicke ich zu einem mit Stroh gedeckten Dach hinauf.
Wo bin ich?
Schockiert fahre ich von meinem Lager hoch, schaue fassungslos in dem kargen Raum umher. Würde nicht der blasse Mond zum Fenster hereinscheinen, wäre es hier drinnen stockdunkel. Aus den Schatten schält sich ein Tisch samt Stühlen, ein Wandregal sowie ein weiteres Lager. Die Wölbung dort unter der Decke deutet auf einen Menschen hin und der gleichmäßige Atem darauf, dass er schläft.
Ist er das etwa? Dieser Kerl mit den leuchtend blauen Augen? Oder eine weitere Gefangene?
Daran, dass ich hier drin gefangen bin, besteht für mich kein Zweifel, auch wenn ich bisher keine Gitter oder Zäune entdeckt habe, schließlich würde es keinen Sinn machen, mich zu entführen, um mir daraufhin eine Flucht zu ermöglichen.
Aber wo bin ich hier und was hat er mit mir angestellt?
Unwillkürlich blicke ich an mir herab, wobei ich den Stoff meiner Kleidung befühle. Hier scheint alles unversehrt zu sein und auch sonst spüre ich keine Verletzung – zumindest nicht körperlich. Aber mich nach einem magisch erzwungenen Kuss in dieser fremden Umgebung wiederzufinden, versetzt mich in einen Schock, sodass ich erst mal zurück auf das Lager sacke, auf welchem ich zuvor gelegen hatte. Viel ist davon im Dämmerlicht nicht zu erkennen, doch das Knistern unter dem grob gewobenen Laken deutet auf Strohballen hin, die als Polster dienen. Am ganzen Körper schlotternd lehne ich mich gegen die Wand, umschlinge meine angezogenen Beine und versuche angestrengt, wieder die Kontrolle über mein Denken zu erlangen, das gerade ein Horrorszenario nach dem anderen kreiert. Eigentlich sollte ich jetzt aufspringen und nach einem Fluchtweg suchen, aber mein Schock ist so groß, dass ich mich kaum rühren kann. Außerdem weiß ich ja nicht mal, wo ich bin und die Schatten, die ich durchs Fenster sehe, deuten auf einen Wald hin. In den Wäldern Fabolons leben viele gefährliche Raubtiere und wer weiß, was dort drin auf mich lauert.
Leere herrscht in meinem Inneren – keinerlei Emotion des schlafenden Menschen dringt zu mir durch. Mal wieder hat mir das Farbelwesen also meine Gabe geraubt, aber immerhin weiß ich jetzt, dass sie mit der Zeit von alleine wieder zurückkehrt. Wenn ich mich hier allerdings in seiner Gefangenschaft befinde, wird er höchstwahrscheinlich regelmäßig vorbeikommen, um mich auszusaugen. Da mir sonst nichts zugestoßen ist, vermute ich darin den eigentlichen Grund für die Entführung. So braucht mir der Kerl nicht aufzulauern, sondern kann mich einfach melken, wann immer es ihm beliebt.
Als wäre ich irgendein Nutztier, das man nach Belieben ausbeuten kann …
Derartige Gedanken beschwören meinen Zorn herauf.
Es muss aber doch einen Weg geben, ihn davon abzuhalten.
Vor allem erschreckt es mich, wie willenlos ich mich ihm hingegeben habe, und das obwohl ein Teil von mir die Gefahr sah und sich dagegen sträubte. Eine derart mächtige Anziehung habe ich noch nicht erlebt und selbst jetzt, wenn ich an diese leuchtend blauen Augen denke, wird mir ganz anders zumute.
Dieses verfluchte Farbelwesen muss mich verhext haben, wie könnte es sonst sein, dass ich mich noch immer nach seiner Nähe sehne.
Da hier drin nichts weiter geschieht, beruhigt sich mein Herzschlag allmählich. Ich erhebe mich von meinem Strohlager, um über den lehmigen Boden zur Tür zu gehen, welche sich mir als dunkler Schatten in der linken Wand zeigt. Es gibt einen hölzernen Griff, an dem sie sich leicht aufziehen lässt.
Also im Haus bin ich schon mal nicht eingesperrt …, stelle ich erstaunt fest, wobei ich nach draußen trete.
Die Himmelskörper verleihen der Landschaft einen silbrigen Schimmer. Die Wiese um das Haus herum ist von einzelnen Bäumen und Sträuchern durchsetzt, dahinter ragen die Wipfel eines Waldes in den Himmel. In der Ferne zeichnet sich zu meiner Linken die dunkle Silhouette eines Gebirges ab. Genau genommen könnte ich mich hier überall befinden und so genau kenne ich mich in der Welt auch nicht aus, was mich allerdings besonders beschäftigt, ist dieser Mond, der so anders aussieht als die beiden Monde Fabolons. Von zu Hause kenne ich nur den kleinen blauen und den großen blassen Mond, doch im Inneren von diesem hier glaube ich wirbelnde Bewegungen wahrzunehmen. Auch das Bild der Sterne sieht hier anders aus. Zwar bin ich keine Expertin in Astronomie, doch entdecke ich beispielsweise eine Formation von fünf sehr hell leuchtenden Sternen, die in einer Reihe stehen. So etwas wäre mir ganz sicher aufgefallen, wenn es sich irgendwann mal auf unserem Sternenhimmel gezeigt hätte. Zunächst weigert sich mein Verstand noch, die Bedeutung dessen zu realisieren, doch allmählich sackt die harte Realität zu mir durch:
Kann es wirklich wahr sein, dass ich mich gar nicht mehr auf Fabolon befinde, sondern auf einem anderen Planeten???
Meine Knie werden plötzlich so weich, dass ich mich an der Hauswand abstützen muss, um nicht einzusacken.
»Aber das kann doch nicht wahr sein …«, hauche ich fassungslos.
Vielleicht hat sich der blasse Mond transformiert oder wir haben einen neuen Mond dazubekommen …
Aber schon diese Vorstellungen erscheinen mir lächerlich, denn wenn man es nüchtern betrachtet, kommt keine andere Erklärung für dieses Mond-Phänomen infrage, als dass ich in eine fremde Welt gebracht wurde.
Wenn es lediglich um die Sterne ginge, könnte es immer noch sein, dass ich mich hier auf der Südhalbkugel Fabolons befinde, wo man andere Sternbilder sehen kann, aber ein vollkommen anders aussehender Mond, so etwas haben wir zu Hause sicher nicht.
Es war schon schrecklich gewesen, in diesem fremden Haus aufzuwachen, doch nun auch noch feststellen zu müssen, dass ich mich so weit fort von Daheim befinde, dass ich nicht die geringste Ahnung habe, wie ich wieder zurückkehren kann, stürzt mich gerade in ein finsteres, eiskaltes Loch der Hoffnungslosigkeit. Gleichzeitig scheinen meine Sinne zu schwinden, die dunkle Welt um mich herum schwankt wie ein Schiff auf hoher See, während ich auf die Knie falle und kraftlos vornüber kippe. Meine Arme fangen mich gerade noch reflexartig auf, wobei meine Hände in das vermeintliche Gras sinken. Doch auch dieses Gras fühlt sich anders an als das, was ich kenne: weicher, wolliger und dennoch von einer störrisch faserigen Konsistenz. Außerdem strömt mir ein aromatischer Duft entgegen, der mich entfernt an den Lieblingskräutertee meiner Mutter erinnert.
»Mama … Papa …«, hauche ich erstickt.
Ein schmerzhafter Stich trifft mein Herz.
Nicht einmal verabschieden konnte ich mich von ihnen …
Im Groll über meinen Vater bin ich auf die Straße hinaus geflüchtet, doch wenn ich jetzt an Handrichs Antlitz denke, quellen mir die Tränen aus den Augen. Bei allen Streitigkeiten haben sich meine Eltern doch immer liebevoll um mich gekümmert und es fehlte mir an nichts. Sämtliche jemals gehegten Sehnsüchte zu Reisen und dieses Restaurant meiner Eltern hinter mir zu lassen, sind wie weggeblasen.
Manchmal muss man erst etwas verlieren, um dessen Wert zu erkennen, geht mir das Zitat aus einem der vielen Bücher durch den Kopf, die ich in der Bibliothek gelesen habe. Schon mit meiner verlorenen Gabe musste ich diese Erfahrung machen, doch die jetzige Lage ist noch von sehr viel existentiellerer Natur.
Werde ich Gravik, meine Eltern und Sandrina jemals wiedersehen?
Aber meine Freundin wollte das ja gar nicht. Ich sollte niemals wieder unter ihre Augen treten, waren ihre letzten Worte.
Ob sie diese bereuen wird, wenn ich tatsächlich verschollen bleibe?
Durch ein paar tiefe Atemzüge versuche ich wieder Ruhe in meinen zitternden Leib zu bringen. Wie ein Tier auf vier Beinen krieche ich ein Stück vorwärts, zum Stamm eines Baumes, um dessen Rinde zu betasten – glatt, doch in regelmäßigen Abständen von kleinen Rillen durchdrungen – auch völlig anders als alles was ich kenne. Ein fruchtiger Duft umströmt meine Nase, womöglich handelt es sich um einen Obstbaum. Doch alleine beim Gedanken an Essen dreht sich mir der Magen um. Übelkeit steigt empor und kurz darauf ergießen sich die angedauten Reste von Papas Häppchen in die Wiese.
Jetzt reicht es mir aber!
Zitternd weiche ich zurück, um mich haltsuchend am Baumstamm in die Senkrechte zu stemmen.
Genug am Boden herumgekrochen, Iona! Egal wie aussichtslos es erscheinen mag, ich muss herausfinden, wo ich hier bin und wie ich wieder zurückkehren kann, rede ich mir Mut zu, doch an meiner Selbstüberzeugungskraft muss ich noch gewaltig arbeiten, denn mein schneller Puls will sich nicht so recht beruhigen.
An den Stamm gelehnt atme ich abermals tief durch, bis sich der Schwindel legt. Auch das Zittern lässt allmählich nach, dennoch kann ich mich nicht erinnern, mich schon einmal so schwach gefühlt zu haben.
Abermals sammele ich alle Kraft in mir, um dann leicht schwankend über die Wiese zu tapsen. Zunächst muss ich herausfinden, ob ich hier irgendwie eingesperrt bin. Im Grunde könnte man ja bereits den ganzen Planet als Gefängnis bezeichnen, wenn es keinen Weg für mich gibt, fortzukommen, aber dennoch sollte ich zunächst meine Grenzen erforschen. In meinen leichten Tanzschuhen aus dunkelgrünem Seeschlangenleder tapse ich durch das kniehohe Gras, an weiteren Bäumen und Sträuchern vorbei, bis ich auf eine metallene Barriere stoße – ein netzartiger Zaun, der hell aufblitzt, als ich ihn berühre. Dabei versetzt er mir zudem einen herben Stoß, der mich zurücktaumeln lässt. Verletzt bin ich nicht, aber damit ist zumindest schon mal klar, dass sich diese Begrenzung nicht so leicht überwinden lässt. Und nicht zum ersten Mal komme ich mir vor wie ein Tier hinterm Viehzaun.
Frustriert wende ich mich wieder der Hütte mit dem Strohdach zu. In einiger Entfernung dahinter zeichnen sich die Dächer weiterer Gebäude ab, welche allerdings noch so viel Raum zwischendrin lassen, dass man die Ansammlung gerade noch als Dorf bezeichnen könnte.
Ein ganzes Dorf?! Leben dort etwa mehrere dieser blauäugigen Farbelwesen? Obwohl … Handelt es sich überhaupt um Farbelwesen?
Schließlich sind es Wesen, die auf unserem Planeten Fabolon beheimatet sind, da ich mich hier aber offensichtlich auf einem völlig anderen Planeten befinde, habe ich es womöglich mit etwas komplett anderem zu tun. Das würde wenigstens erklären, weshalb in den Büchern der Bibliothek nichts darüber zu finden war. Lediglich Das Anderssein hat mir die leuchtend blauen Augen präsentiert, aber ob ich in dieses Buch jemals wieder hineinschauen kann, die Antwort darauf können mir nicht mal die Sterne geben. Ich folge dem Zaun, um das festzustellen, was ich ohnehin schon erwartet hatte: Die Hütte befindet sich innerhalb der Begrenzungen, die in ihren Ausmaßen ungefähr den doppelten Grundriss des Restaurants umfassen.
Nicht besonders viel Auslauf, denke ich voller Sarkasmus, als plötzlich Licht durch ein Fenster der Hütte nach draußen scheint. Besonders hell ist es nicht, aber sofort beschleunigt sich wieder mein Puls. Den schlafenden Menschen habe ich bislang noch verdrängt.
Das wird doch nicht der Blauäugige sein, oder?
So leise wie möglich schleiche ich zu dem Fenster und luge hinein. Drinnen erspähe ich einen älteren Mann, der gerade einen Holzscheit in den Kamin wirft. Der Feuerschein erhellt das faltige Gesicht des Alten und lässt die langen Schatten der Einrichtungsgegenstände im Raum umherflackern. Auf mich macht er keinen bedrohlichen Eindruck und definitiv handelt es sich bei diesem Mann nicht um den Kerl mit den blau leuchtenden Augen. Während das spärliche weiße Haar des Alten bereits seine Farbe verloren hat, glänzte das des unbekannten Wesens in tiefem Schwarz. In leicht gebückter Haltung geht er zum Tisch, um sich auf einem der drei Stühle niederzulassen.
Vielleicht kann er mir ein paar Antworten geben, wo wir uns hier befinden und wie ich flüchten könnte.
Ich gehe um das Haus herum zur Tür und trete ein. Erschrocken zuckt der Alte zusammen, als er zu mir aufblickt.
Erschrocken zuckt der Alte zusammen, als er zu mir aufblickt.
»Mädchen, hast du mich erschreckt!«, ruft er mit rostiger Stimme aus. »Wo kommst du denn her? Bist du etwa eine wilde Futarin?« Sein neugieriger Blick gleitet über meine Kleidung, die sich deutlich von der seinen unterscheidet. Neben einer Hose trägt er ein weites Hemd, alles vorwiegend in einem matten Grün, dennoch sind weitere Farben eingearbeitet, was im Reich Fabenia ausschließlich während des Sternenfestes erlaubt ist. Sein Hemd zeigt die Stickerei eines mir unbekannten Vogels und in der Hose ist jeder dritte Längsstreifen blau eingefärbt.
Dass ich ihn verstehen kann, obwohl wir uns auf einem anderen Planeten befinden, wundert mich nicht. Durch die Sprachmagie Fabolons können sich alle Wesen auf meinem Heimatplaneten miteinander verständigen und Menschen, die dort geboren sind, tragen die Sprachmagie in ihrem Blut, sodass sogar eine Kommunikation überall im Universum möglich wäre. Es gehen sogar Gerüchte um, dass einige Paare aus anderen Welten extra nach Fabolon reisen, um dort ihr Kind zu gebären, damit es ebenfalls mit dieser Sprachmagie geboren wird. Da ich aber noch nie zuvor einem Alien begegnet bin, habe ich bis heute Berichte von anderen belebten Planeten eher für Legenden gehalten. Und doch scheint hier mit der Sprachmagie etwas nicht ganz zu funktionieren, denn dieser Alte verwendet für mich unbekannte Worte.
»Äh? Futarin? Was soll das denn sein?«, frage ich verständnislos.
»Na, das nenne ich ja mal eine Neuigkeit.« Der Alte strahlt mich an, was irgendwie nicht zu meinem Bild eines Gefangenen passen will. Während er redet, stellt der Alte zwei Becher auf den Tisch, die er mit einer Flüssigkeit aus dem Krug füllt. »Wenn du es nicht weißt, musst du also wirklich von einer anderen Welt stammen. Mein Name ist übrigens Branton.« Er nickt mir freundlich zu, woraufhin er es sich auf einem der Stühle bequem macht und mir bedeutet, mich auf dem anderen niederzulassen. Da ich sowieso nichts Besseres zu tun habe, setze ich mich zu ihm an den Tisch. »Nun sag, wie heißt du und wo kommst du her?« Er nimmt einen Schluck von seinem Becher.
»Ich bin Iona vom Planeten Fabolon und wo bin ich hier?«
»Fabolon … nie gehört.« Der Alte schüttelt den Kopf. »Dieser Planet nennt sich Luno. Hier leben die Lumaren und die Futaren. Es freut mich, dass du mir von nun an Gesellschaft leistest, Iona.«
»Von nun an …«, hauche ich entsetzt, doch Branton fährt bereits fort: »Ich habe gar nichts von deiner Ankunft bemerkt. Hat dich der Herr mitgebracht?«
»Wer ist denn dieser Herr? Etwa der Kerl mit den leuchtend blauen Augen?« Verwirrt schüttele ich den Kopf, weil ich nicht verstehe, wie dieser Alte so normal über ihn reden kann.
»Der junge Herr ist eine rechte Augenweide, nicht wahr?«
»Augenweide …?« Meine Brauen ziehen sich so weit zusammen, dass es ordentlich in meiner Stirn zieht. »Dieser Kerl hat mich entführt und verzaubert! Das ist schlimm, das ist böse! Wie kannst du nur so ruhig von ihm sprechen!?«, fahre ich auf.
Er schaut mich schief von der Seite an.
»Hm, du musst wirklich eine wilde Futarin sein, so wie du redest. Aber glaube mir, er ist ein gütiger Herr, so gesehen hast du wirklich Glück.«
»Ach ja? Wenn dieser Herr so dermaßen gütig ist, warum sind wir dann hier eingesperrt? Warum braucht es dort draußen Zäune?«
»Die Zäune schützen uns vor den Raubtieren des Waldes. Die Raubmonster haben meine Tochter und ihren Partner gerissen, als die Zäune einen Defekt hatten. Das war der schlimmste Tag meines Lebens …« Branton senkt traurig den Blick zu seinem Becher, um ihn in einem langen Zug zu leeren.
»Da-das ist ja schrecklich …«, hauche ich erschrocken. »Also sind die Zäune nur zu unserem Schutz da?« Zweifelnd schüttele ich den Kopf. So recht kann ich das nicht glauben. »Aber ich bin nicht freiwillig hier. Ich wurde entführt!«
»Dem Herrn blieb nichts anderes übrig, ansonsten wären er und seine Schwester verdorrt«, verteidigt ihn der Alte. »Es ist nun mal das Schicksal der Futaren, den Lumaren ihre Energie zu geben, damit diese überleben können.«
In meinem Hirn beginnt es wild zu rattern, bei dem Versuch, all das zu verstehen, was dieser alte Mann von sich gibt.
»Also, du willst mir sagen, diese Lumaren brauchen die Futaren, um zu überleben und dafür halten sie sie gefangen wie Tiere, um sie ab und zu mal zu küssen und ihnen dabei die Energie abzusaugen. Und ich soll auch so eine Futarin sein?«
»Ja, na sicher. Sonst würde es keinen Sinn ergeben, dich herzubringen, Mädchen«, bestätigt Branton.
Irgendwie hatte ich ja schon geahnt, dass diesem Kerl meine Gabe als eine Art Kraftfutter dient, und von seinem Hunger darauf stammte offenbar dieses diffuse Verlangen, aber das jetzt noch mal so deutlich gesagt zu bekommen, plättet mich dann doch ziemlich.
»Ich bin aber keine Futterquelle, die man nach Belieben halten und melken kann, wie der Herr gerade Lust hat«, protestiere ich aufgebracht.
»Das verstehen wilde Futaren wie du offenbar nicht, aber so war es schon seit Urzeiten vorherbestimmt, oder was glaubst du, weshalb du diese Energie sonst in dir trägst?«
»Na für mich selbst natürlich, für meine eigene Gabe.«
»Iona, Mädchen, ich verstehe nicht, wovon du redest, aber nun ruhe dich erst einmal aus, du wirst dich schon noch an alles hier gewöhnen.« Branton schiebt mir den zweiten Becher zu. »Hier, trink etwas Wasser. Du hast bestimmt Durst.«
Aber obwohl meine Kehle tatsächlich brennt, schnürt sie sich dermaßen zusammen, dass ich sicher nichts runterbekomme. Daher schüttele ich den Kopf, wobei ich vehement versuche, das ganze Elend zurückzudrängen, was mich zu überwältigen droht.
»Und werden eigentlich alle geküsst, auch Alte und Kinder?«, will ich noch wissen.
»Von Kindern kann keine Energie abgesaugt werden und bei mir gibt es nicht mehr viel zu holen, außerdem sind männliche Energien nur mit weiblichen kompatibel, daher musste der Herr nach einer weiblichen Futarin Ausschau halten. Die Lumaren suchen sich zudem stets Futaren ähnlichen Alters aus, ich denke, das dient dem optimalen Energietransfer.«
»Aha, na klar …«, pruste ich kopfschüttelnd hervor. »Und du sagtest, er hat auch eine Schwester? Was ist mit ihr? Kommt sie dann auch zum Küssen her?«
»Nein, nein, die junge Herrin ist so ein herzensgutes Kind, aber mit ihren acht Jahren ist sie noch viel zu jung für den Energiekuss. Ich habe schon oft beobachtet, wie Eltern ihre Energie an die Kinder weitergeben, indem sie ihnen die Hände auflegen. Auf diese Weise kann auch der Herr seine Schwester ernähren. Es ist ja solch ein Glück, dass er dich gefunden hat, der Gesundheitszustand der beiden hat mir bereits mächtig Sorgen bereitet.«
»Ja, ein wahnsinniges Glück«, schnaube ich zornig. »Wie es mir dabei geht, ist ja auch völlig egal …«
»Wir führen ein gutes Leben, dafür solltest du dankbar sein. Es gibt einige Futaren, denen es weit schlechter ergeht. Wenn ich daran denke, was man über diejenigen erzählt, die in der Festung gefangen gehalten werden …« Ein tiefes Seufzen entweicht seiner Kehle. »Dort leben äußerst mächtige Herren und Herrinnen und es wäre dir wesentlich schlimmer ergangen, wenn sie dich in die Finger bekommen hätten.«
»Und was sind das für Herren? Auch irgendwelche Lumaren mit leuchtend blauen Augen?«
»Diese Augen haben sie alle, aber von den Herrschern in der Festung munkelt man, dass sie die Futaren in dunklen Kerkern gefangen halten. Ich frage mich manchmal, ob die übrigen Lumaren überhaupt ahnen, was hinter den Mauern so vor sich geht.«
»Und warum sagt ihr es ihnen nicht einfach?«
»Ja, warum nicht. Ganz einfach, sie verstehen uns nicht, weil wir verschiedene Sprachen sprechen, außerdem unterhalten sie sich nie mit den Futaren.«
»Und warum nicht? Was soll denn dieser Blödsinn!?«, rege ich mich erneut auf.
»Warum nicht … Mädchen, du stellst so viele Fragen, dass mir schon der Kopf raucht. Es war eben schon immer so und uns ging es allen gut damit.«
»Dir geht’s nur deshalb gut damit, weil du gar nichts anderes kennst«, pflaume ich ihn an.
»Nun, wenn es so sein sollte, will ich nichts anderes kennenlernen, ansonsten ginge es mir dann ja genauso schlecht wie dir.«
Darauf gibt es nichts weiter zu sagen. Man kann jemandem nicht beibringen, was er vom Leben verpasst, wenn er nicht die blasseste Ahnung davon hat, was es außerhalb seiner vom Raubtierzaun begrenzten Welt noch zu bieten haben könnte.
Mein Blick schweift zum Fenster hinüber. »Wann wird es eigentlich hell draußen?«
»Hell???« Branton runzelt die Stirn. »Der Mond ist doch schon aufgegangen. Heller wird es nicht.«
Erschüttert sacke ich auf dem Stuhl zusammen.
Ein Planet, auf dem ewige Nacht herrscht! Kann es überhaupt schlimmer kommen? Deshalb sind hier alle so schrecklich bleich.
Lando, Planet Luno, eine unbestimmte Zeit vorher
»Sind Mama und Papa noch immer nicht zurück?« Mit traurigen Augen schaut meine Schwester zu mir auf. Ihr blasses Gesicht wirkt bereits leicht ausgezehrt. Zu gerne würde ich ihr eine hoffnungsvolle Nachricht überbringen, doch noch immer fehlt jede Spur unserer Eltern.
So kann es nicht weitergehen. Wenn wir nicht bald Ersatz für die gerissenen Futaren finden, werden wir elendig verdorren.
Dabei sorge ich mich weniger um mein eigenes Leben, doch meine geliebte Schwester Lida ist noch so jung und ich ertrage es kaum, ihren Verfall beobachten zu müssen. Wenn nicht bald ein Wunder geschieht, werden wir ausdörren wie das Trockenobst, welches wir für die Futaren durchs Dörren konservieren, wenn die Ernte eines Baumes mal wieder mehr abwirft, als sie essen können. Ein wenig Hilfe erhalten wir von unseren lieben Nachbarn Lunida und Kosian, die uns etwas von ihrer Energie abgeben. Aber wie die meisten Lumaren kommen auch sie gerade so damit aus, was die Futaren hergeben. Außerdem muss man aufpassen, nicht zu viel Energie abzusaugen, weil sie dadurch rascher altern.
»Ich werde losziehen, um nach wilden Futaren zu suchen«, erkläre ich schließlich bestimmt.
Tränen sammeln sich in Lidas Augen, die so strahlend blau schimmern, dass man darin versinken könnte. »Nein, tu das nicht! Ich will dich nicht auch noch verlieren.«
»Aber sieh uns doch an, wir verdorren immer mehr und ich verspreche dir, ich werde sehr vorsichtig sein und alles genau auskundschaften, bevor ich eine wilde Futarin mitbringe.«
Tränenbäche ergießen sich über ihre Wangen, während sie den Kopf schüttelt. »Jeder weiß, wie gefährlich wilde Futaren sind. Bestimmt haben sie unsere Eltern getötet, sonst wären sie doch schon längst wieder zurückgekehrt. Ich wünschte, du hättest diese Kiste mit den Portalöffnern nie gefunden. Wenn Develor davon erfährt, dass du ohne Genehmigung durch die Welten reist, wird er dich sicher schwer bestrafen.«
»Welche Strafe kann schlimmer sein, als bei lebendigem Leibe zu verdorren? Es bleibt mir doch gar nichts anderes übrig, Lida. Der eine alte Futar bringt uns keine Energie und Develor werde ich sicher nicht um Erlaubnis bitten. Wenn die Gerüchte stimmen, jagt er selbst mit Vorliebe wilde Futaren. Sollte es mir gelingen, eine ausfindig zu machen, wird er alles daransetzen, mir zuvorzukommen. Gegen seine Macht hätte ich doch nicht den Hauch einer Chance – schon gar nicht in diesem geschwächten Zustand.«
»Aber wenn du eine wilde Futarin mitbringst, das merkt Develor bestimmt irgendwann.« Ihre großen Augen blicken flehentlich zu mir auf. »Er ist böse und schlau.«
»Dann wird sie sich aber bereits in unserem Besitz befinden und er darf sie uns nicht mehr wegnehmen. So lautet das Gesetz.«
»Ich habe Angst.« Lida schlingt ihre Arme um meine Hüfte und schmiegt sich an mich.
»Es wird alles gut. Ich verspreche es.«
»Hauptsache, du kommst wieder zurück.«
Ein letztes Mal drücke ich meine kleine Schwester an mich, dann verlasse ich das Haus. Der klare Sternenhimmel breitet sich über mir aus. Die Lunaatis ist noch nicht aufgegangen, doch wenn kleine Wolken aufziehen, sollte das Licht der Sterne ausreichen, um mich auch im Wald zu orientieren. Ich passiere das verwinkelte Haus von Lunida und Kosian und werfe einen Blick auf die Unterkunft ihrer Futaren, die in letzter Zeit aus unersichtlichen Gründen häufiger in laute Zankereien verfallen. Das Ende des Weges führt in den Wald hinein. Zum Glück sind vor Aufgang der Lunaatis selten Lebewesen unterwegs. Eine Ausnahme bilden Nachtvögel sowie die Raubmonster, welche nur nachts unterwegs sind, weil sie das Licht der Lunaatis nicht mögen. Diese Wesen haben leider eine besondere Vorliebe für Futaren, was unserem Pärchen zum Verhängnis wurde. Da der eine alte Futar den Energiebedarf unserer Familie aber nicht stillen konnte, zogen unsere Eltern vor einiger Zeit aus, um nach wilden Futaren zu suchen, doch sie kehrten nie zurück.
Ich bin gerade dabei, das Dorf hinter mir zu lassen, als jemand meinen Namen ruft: »Luo, Lando! So warte doch!«
Istiana eilt mir nach, um zu mir aufzuschließen. »Wo willst du denn hin um diese Zeit?«, erkundigt sie sich neugierig. »Die Lunaatis ist noch nicht einmal aufgegangen.«
Es handelt sich um die Schwester meines besten Freundes Zonk. Zu unserem Volk zählen gerade einmal einhundert Lumaren, davon befinden sich achtzig in einer festen Partnerschaft. Die Übrigen sind entweder unter fünfzehn Jahre alt oder über hundert. Da Istiana und ich die einzigen Lumaren im paarungsfähigen Alter sind, welche gleichzeitig noch keinen Partner gewählt haben, heftet sie sich regelmäßig an meine Fersen. Andauernd wirbt sie um mich, obwohl dies bei uns eigentlich eher dem männlichen Part vorbehalten sein sollte. Zudem habe ich bisher kein Interesse am weiblichen Geschlecht entwickelt und Istianas Aufdringlichkeit geht mir ziemlich auf die Nerven.
»Ich bin nicht auf die Lunaatis angewiesen, um in den Wald zu gehen«, entgegne ich missmutig.
»Das sagt Zonk auch immer. Hast du ihn vielleicht irgendwo gesehen oder seid ihr verabredet?«
»Nein, nicht dass ich wüsste. Bestimmt trainiert er für das große Turnier.«
Das Turnier ist mehr als nur ein Wettkampf in der Arena, wo die Stärksten ihre Kräfte messen. Es handelt sich um ein Fest, auf dem getanzt und gefeiert wird. Sogar die Futaren erhalten einen großen Auslauf, und jede Menge Speisen, um sich richtig satt zu essen. Für sie werden außerdem Aktivitäten organisiert, die bei uns immer für große Erheiterung sorgen. Auch Zonk und ich trainieren regelmäßig für das Turnier, aber jetzt fühle ich mich zu schwach dafür. Außerdem muss ich mit meinen letzten Energiereserven gut haushalten.
»Ja, kann sein. Und was ist mit dir? Du gehst doch nicht etwa alleine in den Wald? Ich finde, du siehst viel zu schwach aus, um es mit einem Raubmonster aufzunehmen. Und du weißt doch, dass sie Schwäche wittern können.«
»Keine Sorge, Istiana, ich weiß mich schon zu wehren.« Unwillkürlich berühre ich den Griff meines Schwertes, welches ich am Gurt um meine Hüfte befestigt habe. »Außerdem schmeckt den Raubmonstern das Fleisch der Lumaren bekanntlich nicht.«
»Was sie aber nicht daran hindern wird, dich dennoch in Stücke zu reißen. Warte doch wenigstens, bis die Lunaatis aufgegangen ist und sie sich schlafen legen«, redet Istiana auf mich ein, während sie weiter neben mir her an knorpeligen Nadelhölzern vorbeitrabt. »Das täte mir sehr leid. Wir sind doch füreinander bestimmt und eines Tages …«
Nun bleibe ich doch stehen, um dem Blick ihrer tiefblauen Augen zu begegnen. Das dunkle runde Mal auf der Stirn hat sie von ihrem Vater geerbt. Ihr schwarzes Haar ergießt sich ein wenig wirr über ihr bläulich schimmerndes Kleid. Istianas Haut wirkt noch etwas blutleer, als sei sie gerade erst von ihrem Lager aufgestanden, ohne sich bei ihrem Futaren mit neuer Energie für den Tag zu erfrischen.
»Nein! Die Tatsache, dass wir die einzigen unseres Alters sind, macht uns nicht automatisch zu einem Paar. Wie oft muss ich dir das erklären, bis du es verstehst?«
»Das kannst du so oft wiederholen, wie du willst, aber ich spüre doch, dass da mehr zwischen uns ist …«, beharrt Istiana. Unvermittelt fällt sie mir in die Arme, klammert sich an mir fest, um mir einen Kuss aufzuzwingen.
Das geht eindeutig zu weit!
Anders als bei den Futaren, wo man die Energie lediglich absaugt, tauschen Lumaren bei einem Kuss einen Teil ihrer Energien miteinander aus, was ein Band knüpft, welches erst nach sehr langer Zeit wieder verblasst. Dieses Band bewirkt unter anderem, dass man die Nähe des Verbindungspartners selbst über größere Distanzen hinweg zu orten vermag. Aber so etwas kann ich nun wirklich nicht gebrauchen, daher packe ich Istiana an den Oberarmen, um sie unwirsch von mir fortzustoßen.
»Zum Dorrum! Bist du verrückt!?« Wäre ich jetzt mit Magie angefüllt, würden die zornigen Blitze aus meinen Augen Istiana sicher in die Knie zwingen, aber so bleibt es lediglich bei meinem wütenden Gebrüll. »Lass! Mich! In Ruhe! Verstanden!?«
»Dann verdorre doch in Einsamkeit!« Sie dreht sich auf dem Absatz um und rennt zurück zum Dorf.
Ich atme noch einmal tief durch. Für meine Mission benötige ich alle Kraft und einen klaren Kopf. Da kommen mir solche Zwischenfälle alles andere als gelegen. Kaum setze ich meinen Weg fort, vernehme ich ein bekanntes Flattern über den Baumwipfeln und schon beim nächsten Atemzug stößt Zonk auf seinem Toralk in die Tiefe. Es gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen meines besten Freundes und mir, auf diesen geflügelten Reittieren durch die Lüfte zu segeln und Kunststücke zu vollführen. Doch es erfordert Kraft und Energie, die mir im Moment nicht zur Verfügung steht. Mit seinen scharfen Klauen umklammert der Toralk eine dicke Wurzel, auf der er sich niederlässt, und legt seinen gefiederten Kopf schief. Dabei züngelt sein schuppiger, langer Schwanz in der Luft herum.
»Luo, Lando! Was treibt dich so früh in den Wald?«, erkundigt sich Zonk, wobei er die Zügel anzieht, damit sein Reittier zur Ruhe kommt. Der Toralk klappt die Flügel zusammen und entspannt sich.
»Nicht so früh wie du. Und was ist daran denn so Besonderes?«, entgegne ich missmutig.
»Mir machst du nichts vor, Lando. Dafür kenne ich dich zu gut. Ich trainiere schließlich fürs Turnier, deshalb bin ich so früh wach. Aber da du nicht teilnehmen willst, frage ich mich, was du im Wald zu suchen haben könntest.«
»Pilze für den Futaren, was sonst …«, brumme ich und bahne meinen Weg um den Toralk herum. Doch Zonk wäre nicht er selbst, wenn er so schnell aufgeben würde. Er springt von seinem Reittier herab, um nun seinerseits neben mir herzugehen. Der Toralk steckt seinen Kopf ins Gefieder, um zu schlafen.
»Nicht du auch noch!«, beschwere ich mich. »Gerade eben ist mir schon deine Schwester auf die Nerven gegangen. Sie hat sogar versucht, mich zu küssen.«
»Das geht echt zu weit«, findet immerhin auch Zonk. » Sie sucht eben nach einem Partner und außer dir gibt es halt niemanden. Ich halte mich dabei raus, das weißt du. Aber jetzt sag mir endlich, was du vorhast. Wir sind doch schließlich beste Freunde.«
Vielleicht wäre es tatsächlich von Vorteil, Zonk einzuweihen. Er könnte mir behilflich sein.
Ich halte an, um meinem Freund eindringlich in seine blauen Augen zu sehen. »Na gut, aber du musst schwören, dass du es für dich behältst.«
»Drei Mal Geschworen.« Zum Zeichen presst er beide Handflächen drei Mal rhythmisch gegen seine Brust. »Und jetzt raus mit der Sprache!«
Zonk hat mir vier Jahre voraus, was man seiner geistigen Reife nicht unbedingt anmerkt. Waghalsige, unvernünftige und einfältige Manöver gehören zu seiner Spezialität, die ihm schon so manchen Knochenbruch und Ärger beschert haben. Als Überbleibsel eines Absturzes zeichnet eine lange Narbe seine rechte Wange. Zonk hatte so lange auf mich eingeredet, mal einen Blick in Develors Reich zu werfen, dass wir gemeinsam versucht haben, über die Festungsmauer zu klettern. Weit kamen wir jedoch nicht, weil Zonk das Gleichgewicht verlor und in einen Stachelbusch stürzte, der ihm unter anderem die Wange aufschlitzte. Für einen jungen Mann seines Alters fallen die Augenbrauen einen Tick zu buschig aus, außerdem hat er einen außergewöhnlich breiten Mund, wobei ich argwöhne, dass dieser von seinem häufigen frechen Grinsen herrührt.
Bevor ich Zonk alles erzähle, schaue ich mich nochmal gründlich nach allen Seiten um, damit uns auf keinen Fall jemand belauscht. »Ich begebe mich auf die Suche nach einer wilden Futarin.«
Da bleibt meinem Freund doch glatt der Mund offenstehen.
»Moment mal, wie willst du das denn machen? Meinst du, auf Luno laufen tatsächlich noch wilde Futaren herum? Oder weißt du da mehr als ich? Sind Develor etwa welche entlaufen?«
»Ich werde den Planeten über das Wasserportal verlassen.«
Zonk schnappt sichtlich nach Atemluft.
»Über das Wasserportal …«, äfft er mich nach, wobei er skeptisch die Augen verengt. »Zusammen mit Develor? Habe ich da etwas falsch verstanden oder ist es nicht so, dass man es nur mittels eines Portalöffners passieren kann? Und befinden sich nicht sämtliche Portalöffner im Besitz von Develor und seiner Gemahlin Lyndia?«
»… nicht alle Portalöffner. Ich besitze auch einen«, gebe ich ein weiteres Geheimnis preis und hoffe inständig, dass es die richtige Entscheidung war.
»Du? Wirklich? Woher?«
Wachsam lasse ich meinen Blick in den Wald hineingleiten und drehe mich dabei einmal im Kreis.. Ich erspüre keine weitere Lumarenenergie im näheren Umkreis, auch kann ich nirgends einen potentiellen Lauscher entdecken.
»Gefunden.«
»Gefunden!? Geht’s noch genauer?«
»Nein. Mehr musst du nicht wissen.«
Zonk schlägt sich die flache Hand auf die Stirn.
»Jetzt kapiere ich, wieso deine Eltern so spurlos verschwinden konnten. Sie haben Luno mit einem Portalöffner verlassen, um wilde Futaren zu fangen, stimmts?«
»Ja.« Ich atme tief durch, weil mich dieses Thema noch immer sehr belastet. Dabei martert mich vor allem die Ungewissheit, keine Ahnung zu haben, was ihnen zugestoßen ist.
»Wilde Futaren sind gefährlich. Deine Eltern könnten den Kampf gegen sie verloren haben …«, folgert Zonk.
»Möglich, aber das Schlimme ist, dass ich es nicht weiß. Auch deshalb muss ich gehen, verstehst du? Ich brauche nicht nur eine neue Futarin für unsere Energie, ich will auch endlich herausfinden, was mit ihnen passiert ist.«
»Krass! Gefährlich! Aber klar, verstehe ich. Kann ich mitkommen? Das klingt wie ein echtes Abenteuer nach Zonks Geschmack.«
»Ach, ich weiß nicht …«
»Komm schon, auch wenn du’s nicht zeigen willst, ich hab doch gemerkt, dass du zu schwach bist, um alleine auf dem Toralk zu fliegen, aber ich könnte dich mitnehmen, dann bist du viel schneller beim Wasserportal.«
»Klingt verlockend …«, muss ich zugeben. »Na gut, versuchen wir’s.«
Zonk und ich kehren zum Toralk zurück, der prompt unterm Gefieder hervorschaut und uns mit schiefgelegtem Kopf ansieht. Zum Zeichen seines Vertrauens blinzelt er mit seinen leuchtend gelben Augen, woraufhin er sich auf den Bauch legt, um uns das Aufsteigen zu erleichtern.
Wenn ein Lumar erwachsen wird, geht er in den Wald hinaus und stößt seinen individuellen Ruf aus, um einen Toralk anzulocken. Wenn dieser sich aus freien Stücken niederlässt, findet beim Ritt ein energetischer Austausch statt. Jedes Mal, wenn der Lumar daraufhin auf seinem Toralk sitzt, wird das Band zwischen ihm und dem Tier gefestigt, es verblasst jedoch, wenn er lange nicht geritten wird. Irgendwann ist der Toralk schließlich wieder frei, um sich mit einem anderen Lumaren zu verbinden. Daher ist es nicht üblich, jemand anderen auf seinem Toralk reiten zu lassen und mein Freund Zonk erweist mir damit eine große Ehre, dass er mich auf seinem Reittier mitnimmt, weil es damit auch mit mir eine leichte Verbindung eingeht.
Gleichzeitig versetzt es mir einen leichten Stich, dass ich meinen eigenen Toralk derzeit nicht zu reiten vermag. Wenn dieser Zustand noch länger andauert, besteht die Gefahr, dass sich das Band zwischen uns auflöst und er sich mit einem anderen Lumaren verbindet. Diese wundervollen Reittiere sind nicht allzu zahlreich auf Luno und es kommt auch immer mal wieder vor, dass sich kein Toralk zeigt, wenn ein erwachsen gewordener Lumar seinen individuellen Ruf ausstößt. Zum Glück legen manche Ältere nicht mehr so viel Wert aufs Reiten und überlassen dies eher den Jüngeren, ansonsten käme es zu einem unerträglichen Mangel, denn Toralke werden zwar über tausend Jahre alt, doch pflanzen sie sich nur selten fort.
Ich steige hinter meinem Freund auf und halte mich an ihm fest, während Zonk die Zügel ergreift. Der Toralk breitet seine Flügel aus, aber nicht vollständig, weil hier zu viele Bäume stehen. Daher galoppiert er ein Stück weit zurück Richtung Dorf, wo sich die Kronen lichten, um sich dann mit einem kräftigen Sprung in die Lüfte zu erheben. Viele hundert Male habe ich dieses Manöver schon selbst auf meinem eigenen Reittier genossen, doch noch nie habe ich mich so hilflos und schwach gefühlt, dass ich dabei fürchten musste, herunterzufallen. Ich klammere mich so fest an meinen Freund, dass er sich keuchend beschwert: »Hey, ein bisschen Luft zum Atmen musst du mir schon lassen.«
Diese Schwäche passt mir ganz und gar nicht und ich hoffe inständig, dass ich diesen unerträglichen Zustand so bald wie möglich bereinigen kann.
»Tatsächlich? Wozu brauchst du Luft?«, knurre ich, um der unangenehmen Scham keinen Raum zu lassen.
»Du hast sicher recht, Atmen wird im Allgemeinen völlig überbewertet«, führt Zonk meinen Scherz weiter.
Immerhin fliegt der Toralk nach dem rasanten Start nun etwas gemächlicher über die dunklen Wälder hinweg. Da wir Lumaren jedoch mit besseren Nachtsichtfähigkeiten ausgestattet sind als die Futaren, kann ich alle Details gut erkennen, die nicht gerade vollkommen im Schatten der Bäume liegen. Doch erst, wenn die Lunaatis aufgeht, zeigt sich die bis dahin blassgraue Landschaft auch in Farbe.
»Dort entlang!« Da Zonk die falsche Richtung einschlägt, wage ich für einen kurzen Moment, meinen Griff zu lockern, um zum Toska-Gebirge hinzudeuten. »Du weißt doch noch, wo sich das Wasserportal befindet, oder?«
»Es war in diesem See mit dem Wasserfall, aber ich erinnere mich nicht mehr genau daran, wo wir den gefunden hatten.«
»Orientiere dich an dem zackigen Felsen, der aussieht wie ein Haken.«
Auf unseren vielen Streifzügen durch das Land haben Zonk und ich schon so manche geheimnisvollen Orte entdeckt, unter anderem dieses Wasserportal. Wir selbst haben es zwar nie passiert, doch konnten wir Develor und seine Gefolgschaft einmal dabei beobachten, wie sie mit wilden Futaren im Schlepptau aus dem Wasser auftauchten. Zwar ist allgemein bekannt, dass solch ein Wasserportal existiert, doch legte das Herrscherpaar Lunos bisher keinen besonders großen Wert darauf, der restlichen Bevölkerung mitzuteilen, wo es sich befindet und wie man es benutzt. Umso mehr freuten Zonk und ich uns darüber, dieses Geheimnis selbst gelüftet zu haben. Natürlich hatten wir daraufhin versucht, das Portal ebenfalls zu benutzen, doch mussten wir feststellen, dass sich dort auf dem steinernen Grund eine Vertiefung befindet, in die offenbar so etwas wie ein Schlüssel eingefügt werden muss. Erst später hatte ich diese Schatulle in einer gut getarnten Hütte mitten im Wald entdeckt, in der gleich mehrere Portalöffner enthalten waren. Dabei lag eine Karte, auf dem der Ort von gleich zwei Wasserportalen des Planeten markiert war.
Dieses Geheimnis hatte ich nicht mit Zonk geteilt, weil ich die Schatulle zu der Zeit gefunden hatte, als die Raubmonster unser Futarenpärchen gerissen hatten. Daraufhin bin ich über mehrere Tage hinweg ziellos durch die Wälder gestreift, in der verzweifelten Hoffnung, sie vielleicht doch noch irgendwo lebendig vorzufinden oder gar irgendeinen anderen verirrten Futaren. Natürlich war das Unsinn, doch eine andere Möglichkeit sah ich nicht. Da kam mir die Schatulle mit den Portalöffnern natürlich wie gerufen. Voller Hoffnung präsentierte ich sie meiner Familie. Es ist bekannt, dass wilde Futaren äußerst gefährlich sein können, daher beschlossen unsere Eltern, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Sie zogen mit einem der Portalöffner los, doch seither haben wir nie wieder etwas von ihnen gehört oder gesehen.
Die Lunaatis lugt gerade hinterm Horizont hervor, als der Toralk zur Landung ansetzt. Selten war ich so froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Wir stehen auf einer Lichtung unweit des Sees. Da wir Zonks Reittier nicht mitnehmen können, schickt er es wieder fort. Der Flügelschlag des Toralks weht uns kräftig um die Ohren, als er sich wieder in die Lüfte erhebt, um davonzusegeln.
»Zeig mal her, den Portalöffner!«, fordert Zonk. »Ich bin echt gespannt, wie er aussieht.«
Ich greife in meine Tasche und ziehe den handtellergroßen steinernen Ring heraus, der außen mit mehr oder weniger großen Zacken versehen ist. Auf der Oberfläche wurde zudem ein Muster aus konzentrischen Kreisen und achteckigen Sternen eingearbeitet.
»Wahnsinn …« Andächtig streicht Zonk über die Oberfläche.
»Dann los!« Ich möchte die Sache so rasch wie möglich hinter mich bringen, weil die Zeit gegen mich läuft und ich mit jedem Tag ohne neue Energie schwächer werde.
Die ersten Frühdrosseln kündigen mit ihrem rätschenden Gesang bereits den nahenden Morgen an. Immerhin müssen wir mit dem Aufgang der Lunaatis keine Raubmonster mehr fürchten. Die Bäume lassen ihre Äste hier wie blaugrüne lange Schnüre bis zum Boden hängen. Um vorwärtszukommen, müssen wir sie immer wieder auseinanderschieben, während wir uns über sandigen Untergrund dem Ufer nähern. Auch von hier aus hört man schon das Brausen des Wasserfalls. Noch deutet nichts darauf hin, dass sich in der Nähe ein Wasserportal befinden könnte, erst als wir auf einer steinernen Platte ankommen, die gerade mal einen Finger breit unter der Wasseroberfläche verborgen liegt, kann man erahnen, dass hier Lunaren am Werk waren. Selbst durch die Algen hindurch erkennt man noch die Einkerbungen, die Fische und andere mir unbekannte Wassertiere darstellen sollen. Von diesem Plateau aus führt eine Treppe ins Wasser hinein.
»Also, dann mal los …« Zonk atmet tief durch, um vorauszugehen.
Zwar kann man hier durch das Brausen des Wasserfalls kaum etwas anderes hören, doch ich erspähe plötzlich einen seltsamen Wirbel – exakt an der Stelle im See, wo sich das Portal befindet.
»Warte!«, rufe ich meinem Freund zu, während ich schon zurückweiche. Aber Zonk hat mich wohl nicht gehört. Statt innezuhalten, steigt er die Treppe ins Wasser hinab.
»Zonk! Hörst du nicht? Komm zurück!«
Endlich dreht er sich zu mir um.
»Du willst doch nicht etwa kneifen, oder? Jetzt komm schon!«
Unterdessen bildet sich hinter ihm bereits ein mächtiger Strudel.
»Jemand kommt durchs Portal!« Mein Schrei geht im Brausen unter, was nun nicht nur vom Wasserfall, sondern auch durch einen Strudel verursacht wird.
Endlich hat auch mein Freund die Gefahr erkannt. Er beeilt sich, über die Treppe wieder zurückzukehren.
»Versteck dich, Lando! Ich mach das schon!«, ruft Zonk, er selbst dürfte es jedoch nicht mehr schnell genug aus dem Wasser herausschaffen. Mir bleiben zwei weitere Schritte, um hinter einem Baumstamm in die Hocke zu gehen, von wo aus ich durch die spärlichen Lücken des Blättervorhangs spähe.
Lando, Planet Luno, Teil zwei der Rückschau
Von hier muss ich mit ansehen, wie Develor und Lyndia aus dem Wasser auftauchen. Der Herrscher über Luno trägt einen bewusstlosen Mann über der Schulter.
Ein wilder Futar?
Solch kurz geschorenes blondes Haar findet man schließlich nur bei Futaren, wohingegen wir Lumaren uns durch dunkles Haar und leuchtend blaue Augen auszeichnen. Bevor Zonk das rettende Ufer erreicht hat, hat ihn das Paar bereits erspäht. Wutentbrannt schleudert Develor dem unerwünschten Beobachter einen Eisblitz um die Ohren.
Vor Schmerz aufjaulend sackt Zonk auf der Steinplatte nieder. Unfähig, mich zu rühren starre ich durch die Ritzen zwischen den Ästen hindurch, sehe zu, wie das zunächst schneeweiße Gesicht meines Freundes ungesund rot anläuft – eine Nachwirkung der Erfrierungen durch den Eisblitz. Unterdessen waten Lyndia und Develor an Land, wobei sämtliches Wasser einfach so von ihnen abperlt, ohne sie zu durchnässen.
Als der Herrscher Lunos neben meinem stöhnenden Freund zum Stehen kommt, schaut er abfällig zu ihm herab.
»Was treibst du hier, Zonk!? Rede!«, fordert Lyndia ihn mit spitzer Stimme auf. Da unser Volk lediglich aus hundert Lumaren besteht, kennt natürlich jeder jeden.
»Gar nichts …«, keucht er. »Ich habe für das Turnier … geübt und bin dabei vom Toralk … in den See gefallen.«
»Und warst du allein?«, will Develor wissen. »Hat dich jemand gesehen?«
Beide schauen sich wachsam in der Umgebung um. Nun bin ich zum ersten Mal froh über meine Schwäche, da starke Energien durchaus von anderen Lumaren wahrgenommen werden können. Für mich ist es schlimm genug, mich hier zu verkriechen, statt meinem Freund zu Hilfe zu eilen, doch das würde die Sache eher verschlimmern als verbessern. Gegen diese mächtigen Lumaren habe ich nicht den Hauch einer Chance, außerdem hatte ich Lida etwas versprochen, das ich unbedingt einzuhalten gedenke.
»Nein …« Zonk quält sich keuchend auf die Knie, wobei ihm wieder alle Aufmerksamkeit zuteilwird.
Er verrät mich nicht, ganz sicher nicht, denke ich und dennoch spannt sich mein Leib merklich an.
»… der Toralk war bei mir«, ergänzt Zonk schließlich.
»Frech, wie immer, der junge Lumar«, keift Lyndia.
»Leiste einen magischen Schwur, dass du niemandem von diesem Ort erzählst und nie wieder hierherkommst«, befiehlt Develor.
»Aber Dev, dieser Lumar verfügt doch niemals über genug Zauberkraft für einen magischen Schwur.« Lyndia lacht jedoch auf. »Warum auch so kompliziert? Lassen wir ihn einfach alles vergessen. Sagen wir die letzten zwei Jahre? Das sollte reichen.«
»Wie gut, dass ich eine so brillante Gemahlin an meiner Seite habe«, lobt Develor. »Jedoch würde ein solcher Zauber all meine noch verfügbare Energie verbrauchen. Wirke du ihn, schließlich trage ich hier einen jungen Futaren, durch welchen du dich erquicken kannst.«
Über diese Wendung scheint Lyndia nicht mehr ganz so glücklich zu sein, dennoch nickt sie zustimmend. »Nun gut.«
»He! Nein! Das könnt ihr doch nicht machen!«, protestiert Zonk, während er sich schwankend auf die Beine stemmt.
»Zunächst sollten wir ihn von hier fortbringen. Selbst mit gelöschtem Gedächtnis sollte er nicht ausgerechnet beim Portal zur Besinnung kommen«, überlegt Develor.
Die beiden nicken sich gegenseitig zu, bevor sie ihren individuellen Ruf ausstoßen, um ihre Toralke anzulocken. Die Reittiere landen neben dem Wasserfall, wo schroffe Felsen aus dem See herausragen.
»Wenn du einen weiteren Eisblitz vermeiden willst, kommst du jetzt mit«, droht Lyndia, wobei sie Zonks Handgelenk packt, um ihn mit sich fortzuziehen.
Zum Dorrum! Warum müssen wir ausgerechnet dann beim Wasserportal eintreffen, während dieser Develor und seine Lyndia es benutzen!
Doch aller Ärger und alle Verzweiflung helfen mir jetzt nicht weiter. Mir bleibt nichts anderes übrig, als tatenlos mit anzusehen, wie die beiden meinen besten Freund auf eines der Reittiere hieven – natürlich mit dem Bauch nach unten, damit die Last keinesfalls eine Verbindung mit dem Toralk eingeht. Mehrere kräftige Flügelschläge, und das Herrscherpaar fliegt mit Zonk davon.
Es dauert eine Weile, bis ich es wage, wieder normal zu atmen und meine Glieder zu recken. So bald werden sie gewiss nicht zurückkehren, hoffe ich zumindest.
Dann muss ich es jetzt endlich hinter mich bringen, und durch das Wasserportal treten.
Noch einmal spähe ich achtsam umher, bevor ich aufs Plateau hinaustrete. Kaltes Wasser umspült meine Stiefel, die Finger meiner rechten Hand umklammern den steinernen Ring. Feiner, vom Wasserfall in die Luft gewirbelter Niesel legt sich auf mein Gesicht, während ich andächtig voranschreite und die Stufen hinabsteige, bis das Wasser meine Hose durchnässt und von oben in die Stiefel hineinläuft. Nicht angenehm, aber in der anderen Welt will ich auch nicht ohne sie umherlaufen müssen.
Auf der Rückseite der Karte aus der Schatulle befand sich zudem eine Beschreibung, wie dieses Portal zu benutzen ist. Dadurch, dass man einen Portalöffner benutzt, benötigt man keine magische Energie dafür, wohl aber für den Rückweg. Dieses Detail habe ich meiner Schwester bewusst vorenthalten. Doch sollte ich keine Futarin finden, ist ohnehin alles verloren und es spielt keine Rolle mehr, wenn mir die Energie nicht für eine Rückkehr ausreicht.
Das Wichtigste bei der Reise durch ein Wasserportal ist jedoch, sich dabei zu entspannen. Nur dann kann es sich öffnen. In welcher Welt man daraufhin landet, hängt von den eigenen Gefühlen und Gedanken beim Durchtritt ab. Ob sich auf diese Weise Portale in der Nähe ganz bestimmter Menschen, Lumaren oder eben Futaren ansteuern lassen, ist mir zwar nicht bekannt, aber im Moment bereitet es mir eher Sorgen, wie ich mich unter den gegebenen Umständen entspannen soll. Zu präsent ist noch immer der Zwischenfall mit Develor sowie die Furcht vor einem Misslingen der gesamten Mission.
Ich wate tiefer hinein, bis mir das Wasser um die Hüfte schlägt, und atme mehrmals tief durch.
Es muss gelingen! Unbedingt!
Diese Gedanken tragen jedoch nicht annährend zur Entspannung bei. Solange sich alles in mir verkrampft, brauche ich gar nicht erst zu versuchen, das Portal zu öffnen.
Hoffentlich kehrt Develor nicht zurück.
»Zum Dorrum! Entspanne dich, Lando!« Aber auch derartige Befehle bewirken eher das Gegenteil.
Es hilft nichts, zunächst muss ich irgendwie die Anspannung abreagieren. Dazu schlage ich nun wie wild auf die Wasseroberfläche ein, lasse meinen ganzen Frust daran aus, bis in mir allmählich Ruhe einkehrt. Diese Aktion hat mich jedoch wieder viel Kraft gekostet und ich frage mich, wie lange ich noch durchhalten kann. Erschöpft lasse ich meinen Leib ins Wasser hinabgleiten, um den Portalöffner in die dafür vorgesehene Vertiefung einzuführen. Ein blaues Leuchten zeigt mir an, dass dort unten tatsächlich etwas passiert.
Ich habe das Bild der Futarin, wie ich sie mir wünsche klar vor Augen: Dunkelblondes, langes Haar, grüne Augen, zarte, gesunde Haut …
Da beginnt das Wasser, sich um mich herum zu drehen, während ich in die Tiefe seiner Essenz hinabgezogen werde. Der eben noch felsige Untergrund weicht einem Wasserstrudel, in dessen Zentrum ich wie durch einen Schlauch gesogen werde. Weiter und immer weiter zieht es mich in die Tiefe, doch bevor ich mir noch Sorgen über meinen Vorrat an Atemluft machen kann, verbreitert sich der Wasserwirbel und meine Füße berühren steinigen Untergrund. Während ich mich nun aufrecht hinstelle, schlägt das Wasser von allen Seiten um meine Hüften zusammen. In der rechten Hand halte ich den Portalöffner. Wie er dort hingelangen konnte, ist mir ein Rätsel, doch kann ich nur froh darüber sein, denn ohne ihn bleibt der Rückweg verschlossen. In meinem Rücken befindet sich eine weiße Säule, aus der sich Wasser ergießt, welches rundherum einen undurchsichtigen Vorhang bildet – vor allem aber erkenne ich deshalb nichts, weil dahinter unnatürlich helles Licht zu mir hindurchscheint.
Doch, dass ich es nun tatsächlich geschafft habe, durch dieses Portal in eine andere Welt zu reisen, erscheint mir noch immer wie ein unfassbares Wunder. Vorsichtig strecke ich mein Gesicht durch den Wasservorhang, um einen Blick auf die andere Seite zu werfen. Dabei muss ich heftig blinzeln, weil mich das grelle Licht schrecklich blendet. Was ich jedoch erkennen kann, sind unglaublich viele Wesen, die hier in schriller Kleidung umherlaufen. Diese Sorte Mensch verströmt jedoch nicht die süßliche Energie der Futaren, welche wir Lumaren schon aus einiger Entfernung wahrnehmen können. Natürlich war mir bekannt, dass neben Lumaren und Futaren noch mehr Sorten an Menschenwesen existieren, eine derartige Menge von ihnen in Echt anzutreffen, ist jedoch noch mal ein recht überwältigendes Erlebnis. Wenn allerdings keine Futaren darunter sein sollten, wäre die Reise völlig umsonst gewesen. Hätte ich ausreichend Energie zur Verfügung, könnte ich mit diesem Wasserportal nun eine andere Welt aufsuchen – von denen mehr existieren, als man zu zählen vermag – aber durch meine Schwäche bin ich nun dazu verdammt, hierzubleiben.