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Wie geht es weiter mit Iona und Lando? Der spannungsgeladene dritte Teil führt die beiden nicht nur an den Rand ihrer persönlichen Grenzen, sondern auch in eine Welt, aus der es keine Rückkehr zu geben scheint. Was stimmt nicht mit den Menschen auf Morkor und wieso werden magische Spuren wieder verwischt? Gibt es doch noch einen Weg für die unmögliche Liebe zwischen dem Lumaren und der Magierin?
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Inhaltsverzeichnis
Eingekerkert
Blitze
Felsenpark
Absturz
Rückkehr
Wand der Namen
Allversum
Die Mauer
Magie der Gefühle
Verborgenes Tor
Losan
Tigerpranken
Feuerflecke
Morkor
Seltsames Bündnis
Portal
Seltsames Dorf
Waldwanderung
Ankunft
Mondfest
Wilangard
Sternenaal
Gewaltmarsch
Abgeholt
Menschenkette
Finn-ale
Epilog
Danksagung und Nachwort
Ode an meine Testleser
Lexikon
Impressum
Sternentanz
Wispern der Dunkelheit
Isabella Mey
Band III
Lando, Planet Luno
Die schwere Metalltür kracht ins Schloss und lässt mich in einer Finsternis zurück, die selbst einen Lumaren mit Blindheit schlägt. Schwer atmend kauere ich bäuchlings auf steinernem Untergrund. Noch auf dem Weg hierher sandte ich heilende Magie in die geschundenen Handgelenke, soweit mir das in meinem geschwächten Zustand möglich war. In diesem Verließ wirkt jedoch keine Zauberkraft, sodass ich mich jetzt nur noch auf die viel langsameren Selbstheilungskräfte meines Körpers verlassen muss. Wie bei den Futaren wird die Magie im Kerker höchstwahrscheinlich mittels Lomolith-Kristallen unterbunden. Inzwischen sind meine Arme schon so taub, dass ich selbst den Schmerz kaum mehr spüre, daher lässt sich schwerlich beurteilen, welche Wirkung meine Heilversuche bisher entfalten konnten.
So stickig, wie die Luft hier drin ist, existiert sicher nicht einmal ein Belüftungsschacht. Alles in allem stehen die Chancen denkbar schlecht, aus diesem Verließ zu entkommen.
Wie muss es den bedauernswerten Futaren erst ergehen, die dazu verdammt sind ihr gesamtes Leben hier zu verbringen?
Auf dem Weg hier herunter schleppten mich die Wachen an Gefängnissen vorbei, in denen mehrere Futaren beider Geschlechter zusammen eingepfercht waren. Lediglich Gitter trennten ihren Bereich vom Flur. Im Gegensatz zu meiner waren die meisten Zellen immerhin notdürftig mit Möbeln ausgestattet und vergitterte Fenster ermöglichten einen Blick nach draußen. Dort sein gesamtes Dasein fristen zu müssen, wünschte ich nicht mal meinem ärgsten Feind – Develor ausgenommen. Diesem miesen Subjekt wünschte ich, einmal die Qualen seiner Opfer erleiden zu müssen.
Die Bilder all dieser grimmig-tristen Gesichter haben sich unwiderruflich in mein Gedächtnis gebrannt – vor allem die der Kinder, die mit großen Augen an den Gitterstäben hingen, um mich zu begutachten. Es war eine Sache gewesen, zu ahnen, welches Dasein die Futaren auf der Festung fristen, doch eine ganz andere, das mit eigenen Augen sehen zu müssen. Und einmal mehr regen sich bei mir Gewissensbisse. Selbst wenn die anderen Lumaren ihre Futaren wesentlich besser halten, so hat Ionas Aufbegehren doch Zweifel heraufbeschworen, ob alles rechtens ist, was wir dort treiben. Andererseits wiederum kann etwas doch nicht verwerflich sein, was zwingend dem eigenen Überleben dient.
Ein Dasein als Schmarotzer!, meldet sich eine fiese Stimme in meinem Inneren.
Aber so läuft es doch immer in der Natur: Der eine nährt sich vom anderen und es gibt kein Entfliehen aus diesem Kreislauf, widerspreche ich mir selbst.
Diese Überlegungen können allerdings nicht verhindern, dass ich mich elend fühle wie nie zuvor. Wieder einmal habe ich Iona gegen ihren Willen überrumpelt und zu einem Kuss genötigt, ohne ihr die Not meines Handelns darzulegen. Mein wundes Herz erträgt kaum den Zwiespalt zwischen meiner Zuneigung und meinem übergriffigen Verhalten gepaart mit der Furcht vor ihrem Hass. Unbedingt muss ich zu ihr zurückkehren, um ihr zumindest meine ausweglose Situation zu erklären.
Andererseits wartet Develor doch genau auf diese Gelegenheit, um ihrer endlich habhaft zu werden, was es wiederum mit allen Mitteln zu verhindern gilt. Im Unterschied zu den hier gefangenen Futaren habe ich somit immerhin den Vorteil, dass mich der Fürst nicht lange im Verließ darben lassen wird. Gewiss füllt er lediglich seine Energie an den Futaren auf, um mich dann auf irgendeine Weise zu nötigen, ihm den Weg zu Iona zu weisen. Dabei kann ich nur hoffen, dass er Lida zwischenzeitlich nicht in seine Klauen bekommen hat. Auch beim Gedanken an meine Schwester wird mein Herz unendlich schwer.
Wie es ihr wohl gerade in der Waldhütte ergeht? Ihre Energie sollte noch eine Weile ausreichen, wenn sie sparsam damit haushaltet. Aber werde ich es rechtzeitig schaffen, sie unbemerkt aufzusuchen?
Vor lauter Sorge spüre ich kaum den harten Boden – den kalten, von einer dünnen Schmutzschicht bedeckten Stein unter meiner Wange. Feine Krümel davon finden immer wieder ihren Weg in meine Lungen, welche sie durch einen heftigen Hustenreiz wieder loszuwerden versuchen. In meiner Lethargie bin ich einfach liegengeblieben, doch die unbequeme Lage wird zunehmend unerträglicher, sodass ich mich nun doch in die sitzende Position stemme, was mit hinter dem Rücken gefesselten Händen recht umständlich vonstattengeht. Schwer atmend sitze ich nun herum und versuche, die quälenden Schatten aus meinem Geist zu vertreiben.
Hier drin, in der absoluten Finsternis, verliert sich jedes Zeitgefühl, daher kann ich kaum einschätzen, wie lange ich trübsinnig ausharre, bis mich plötzlich etwas aufschreckt: Ein heftiges Krachen erschüttert die Festung. Wände und Boden wackeln beängstigend, sodass ich fürchte, das ganze Gebäude könnte gleich über mir zusammenstürzen.
Andererseits … Dann wäre wenigstens alles zu Ende …
Um mich selbst sorge ich mich dabei nicht, lediglich die Erinnerung an Lida schmerzt bei diesem Gedanken. Sie würde umsonst auf meine Rückkehr warten und dieses Leid wollte ich ihr eigentlich unter allen Umständen ersparen.
Während ich bereits mit meinem Leben abschließe, ringt mein Körper ums Gleichgewicht, doch die Erschütterung will einfach kein Ende nehmen. Mörtel rieselt auf mich herab und obwohl ich es nicht sehen kann, bin ich mir sicher, dass sich bereits Risse in den Wänden auftun. Ein Ruck wirft mich in dem Moment in die Senkrechte, als unter mir der Boden einstürzt. Samt einer Menge an losem Gestein purzele ich in die Tiefe. Dabei strampele ich reflexartig mit den Beinen, die verzweifelt den verlorenen Halt zurückzugewinnen versuchen, doch der Sturz hält nicht lange an. Kurz darauf werde ich von festem Untergrund gebremst. Zusammen mit weiterem Geröll kippe ich nach hinten weg, vollführe rückwärts einen Überschlag, um auf den Knien zu landen. Ein paar blaue Flecken sind durch den Sturz sicher noch hinzugekommen, doch die zusätzlichen Schmerzen fallen schon gar nicht mehr ins Gewicht. Noch immer erschüttert ein leises Zittern den Boden, doch allmählich beruhigt sich die Lage wieder.
Was, zum Dorrum, war das? Etwa ein Vulkanausbruch?
Schließlich wurde die Festung auf einem erloschenen Vulkankegel errichtet – ein Irrsinn, wenn man mich fragt, andererseits hat sich dieser Vulkan seit Anbeginn der Aufzeichnungen der Lumaren noch nie gerührt.
Ich befinde mich in einem schmalen steinernen Gang, was ich deshalb erkennen kann, weil vereinzelte Lomolith-Kristalle in die Decke eingearbeitet wurden, welche ein mattes Leuchten verbreiten. Wie es scheint, wurden sie schon lange nicht mehr magisch aufgeladen, was wiederum darauf hindeutet, dass dieser Weg nur selten benutzt wird.
Vor mir türmt sich ein ansehnlicher Geröllberg auf, den der eingestürzte Kerkerboden hinterlassen hat. Zwar könnte ich mich darüber hinwegarbeiten, doch es erscheint mir sinnvoller, zuerst den freien Weg zu untersuchen, daher wende ich mich um. Ein Stück weiter vorne verliert sich der Gang in einer Linkskurve.
Womöglich hat mir das Schicksal diese Erschütterung geschickt, damit ich entfliehen kann.
Ich stemme mich in die Höhe und folge, noch ein wenig wackelig auf den Beinen, dem fensterlosen Gang. Hie und da sind aus den Seitenwänden oder der Decke ein paar Steine herausgebrochen, doch eine größere Öffnung wie beim Kerker, durch die man eventuell hindurchkriechen könnte, entdecke ich nirgends. Dafür erreiche ich wenig später eine Wendeltreppe, welche sich steil nach oben schraubt. Die neue Situation lässt mich hoffen, doch noch einen Weg hier raus zu finden und all meine Probleme lösen zu können. Das verleiht mir wieder Energie und Kraft, sodass ich bald den oberen Treppenabsatz erreicht habe. Hier versperrt etwas den Weg, das eher einer ebenen Platte aus massivem Hartholz gleichkommt als einer Tür. Bedauerlicherweise befinden sich weder Riegel noch Schloss daran, sodass ich keine Möglichkeit sehe, sie zu öffnen.
Mit meiner Magie scanne ich die Wand darum herum ab, ob sich dort eventuell irgendwelche Mechanismen verborgen halten, doch entweder ist der Zauber gut getarnt oder es handelt sich um einen rein mechanischen Verschluss. Als ich die Steine in Kniehöhe jedoch genauer betrachte, fällt mir auf, dass drei davon ein wenig speckiger glänzen als die übrigen. Um sie mit den gefesselten Händen zu erreichen, muss ich mich hinknien. Leicht verrenkt blicke ich über die Schulter nach hinten, während ich auf die entsprechenden Stellen tippe. Tatsächlich gleitet die Platte plötzlich lautlos zur Seite. Noch immer auf den Knien hockend blicke ich jetzt auf das Innere eines Kleiderschranks. Von den schweren Mänteln und sonstigen Kleidungsstücken strömt mir ein mufflig verstaubter Geruch entgegen. Bei einem Teil davon könnte es sich durchaus um die Kleidung von Lumaren handeln, doch zwischendrin befinden sich auch völlig fremdartige Kostüme, eines ist mit goldenen und silbernen Stickereien versehen, andere Stoffe leuchten in schrecklich grellen Farben.
Wahrscheinlich hat hier ein Lumar diese Sachen von seinen Portalreisen mitgebracht, folgere ich.
Eigentlich hatte ich gehofft, irgendwo außerhalb der Festungsmauern herauszukommen. Wie es jedoch scheint, habe ich stattdessen eine Geheimtür zu einem der Zimmer entdeckt. Gerade, als ich einen Schritt hineingehe, um zwischen der Kleidung hindurch zu schlüpfen, vernehme ich deutlich das Knarren einer Tür.
Mein Herz galoppiert. Lumaren können sich gegenseitig spüren, daher kann ich nur hoffen, dass zu viele von ihnen auf dieser Burg weilen, um meine Präsenz herauszufiltern. Mir selbst ergeht es jedenfalls so, dass ich eine diffuse Energie mehrerer Personen wahrnehme, deshalb konnte ich den Eintretenden auch nicht eher orten.
Den Atem anhaltend schleiche ich in den Geheimgang zurück. Eine Tür fällt hörbar ins Schloss, was von einem weiblichen Auflachen begleitet wird – eine gleichermaßen wollüstige wie hinterlistige Art von Lachen.
Mein Verstand gebietet mir, die entsprechenden Steine zu berühren, um die Holzplatte wieder in ihre ursprüngliche Position zu befördern, die Neugier lässt mich jedoch bewegungslos innehalten, da ich als heimlicher Lauscher womöglich pikante Details aufschnappen könnte.
»Was gibt’s da zu lachen?«, knurrt Develor unwillig. Diese Stimme würde ich unter tausend anderen wiedererkennen. »Durch eure verschmockte Zauberei wäre beinahe der gesamte Vulkan explodiert.«
»Ach, das bisschen Lava, das an den Felshängen ausgetreten ist …«, wiegelt die Frau ab. Der Stimme nach bin ich mir ziemlich sicher, dass es sich um Strintha handelt.
»Die Festung gleicht einer Ruine«, entgegnet Develor aufgebracht. »Wie überaus hirnverbrannt muss man sein, ein Feuerwerk in den Boden statt in den Himmel zu schicken!?«
»Was regst du dich noch immer so auf, die anderen sind doch bereits dabei, ihre Magie für einen gemeinschaftlichen Reparaturzauber zu vereinen.«
»Natürlich. Dabei kamst du ja noch gut davon, oder warum wolltest du mich so dringend unter vier Augen sprechen, Strintha?«
»Aber das wisst Ihr doch ganz genau, mein Fürst …«, raunt sie anzüglich.
»Ach, komm! Für wie naiv hältst du mich? Dir ging es doch lediglich darum, deine Energie aufzusparen«, knurrt Develor.
»Natürlich, weil ich sie für sehr viel sinnvollere Dinge zu verwenden gedenke. Ich hätte da schon einige Ideen, um Euch ganzheitlich zu verwöhnen, mein Fürst.«
»Tatsächlich?«, raunt er argwöhnisch. »Nun, wir wollen sehen … Doch vorher verrätst du mir, was in euch gefahren ist. Welchen Zweck hatte dieses Feuerwerk? Ihr plant doch nicht etwa eine Revolte!?«
»Natürlich nicht!«, ruft sie empört aus. »Ihr seid mal wieder allzu misstrauisch, mein Fürst. Aber was sollen wir den ganzen Tag lang schon treiben auf dieser Festung? Wir benötigen schließlich irgendeine Zerstreuung. Solange Ihr uns den Portalschlüssel vorenthaltet, um in anderen Welten neue Futaren einzufangen, gibt es für uns nichts zu tun. Die letzte Reise unternahmt Ihr ganz alleine«, knurrt Strintha erbost. »Und davor wart ihr lediglich mit eurer Gemahlin unterwegs.« Ihre Stimmlage zeigt eine deutliche Antipathie gegenüber Lyndia.
»Ach, eifersüchtig?«
»Auf dieses argwöhnische, vor Einbildung triefende Unding?« Strintha schnaubt verächtlich. »Ich frage mich täglich, weshalb du sie nicht schon längst aus der Festung gejagt hast.«
»Zügele deine Zunge! So hast du weder mit mir noch über Lyndia zu reden. Sie ist beinahe so mächtig wie ich selbst und im Übrigen würde unserer Affäre die Würze fehlen, ohne sie.«
»Tzzz, du bist schon ein verdammter Schmore …«, faucht Strintha, doch ihre Worte gehen in Geräusche über, die nach äußerst leidenschaftlichen Küssen klingen.
Develor und Strintha? Ist ja interessant. Wie Lyndia wohl darauf reagieren würde, wenn sie davon wüsste?
Was nach Leidenschaft geklungen hatte, endet jedoch in etwas, das sich wie eine schallende Ohrfeige anhört.
»Was soll das, du Biest?«, knurrt Develor.
»Wie kannst du mich zu einem Kuss nötigen, während ich dir meinen Zorn entgegenschleudere?«, keift sie erbost.
»Deine Wut entfacht nun einmal die Leidenschaft in mir. Biedere dich bloß nicht an, so etwas kann ich nicht ausstehen.«
»Phhh, na, wenn man danach geht, hast du in Lyndia ja die perfekte Frau gefunden, dieses Zankweib«, zischt Strintha voller Zynismus. »Und diese widerspenstige Futarin scheint es dir ebenfalls angetan zu haben. Wie besessen bist du hinter ihr her.«
»Gut erkannt. Die wilde Futarin wird das Prunkstück in meiner Sammlung werden. Nicht nur, dass sie Unmengen an Energie verströmt, ihre überaus anziehenden weiblichen Reize werden mir äußerstes Vergnügen bereiten, bei jedem Kuss, den ich ihr abringe. Obendrein spricht sie unsere Sprache, was einer intimen Beziehung mit ihr die besondere Würze verleihen könnte.«
Mein gesamter Körper versteift sich und die Hände ballen sich unwillkürlich zu Fäusten, als ich mitanhören muss, in welch widerlicher Weise Develor über meine Iona spricht und ich schwöre mir zum wiederholten Male, niemals zuzulassen, dass er ihr zu nahekommt. Aber auch Strintha wirkt wenig begeistert.
»Pah! Intime Beziehung …«, schnaubt sie verächtlich. »So kannst du es nun wirklich nicht bezeichnen. Aber immerhin verstehe ich jetzt, weshalb du Lando eingekerkert hast. Du wirst mit ihm losziehen, um dir die wilde Futarin anzueignen«, stellt sie mit einer frostigen Kälte in der Stimme fest. »Und du willst uns nicht dabeihaben, weil man eine Trophäe schließlich nicht im Pulk jagt.«
»Schlaues Mädchen …«, bestätigt Develor selbstzufrieden. »Aber warum denn so steif? Du wirst doch nicht etwa eifersüchtig sein – auf eine Futarin?«
»Wie käme ich denn zu so etwas?«, schnaubt sie abfällig. »Lächerlich!«
»Wirklich schade, dabei hat diese wilde Futarin so Einiges zu bieten, womit ich dich zu reizen gedenke.« Unter Strinthas erbostem Schnauben fährt er fort: »Und gib es zu, auch dich ergötzt es, hinter Lyndias Rücken mit mir das Bett zu teilen.«
»Um ehrlich zu sein, jeder meiner Futaren wäre ein besserer Partner für mich, als mich mit einem derart verlogenen, hinterhältigen Fürsten einzulassen«, faucht sie, was jedoch weder Develor noch ich ihr abnehmen.
»Dir ist schon klar, dass derartige Beleidigungen stets schwer bestraft werden«, knurrt er lüstern. »Aber bevor ich mit dir fertig bin, beantworte mir noch eine Frage: Wer von euch kam auf die glorreiche Idee, ein derart gigantisches Feuerwerk zu zünden?«
»Und was, wenn ich es war? Was werdet ihr dann mit mir anstellen, mein Fürst?«, erwidert sie in einer Mischung aus erotischer Anzüglichkeit und neckischer Herausforderung.
»Ach, du Weib machst mich noch wahnsinnig …« In meinem geistigen Auge sehe ich, wie er sie wahlweise gegen die Wand oder aufs Bett presst und die beiden unter Keuchen leidenschaftliche Küsse austauschen.
Das plötzliche Poltern an der Tür lässt sie jedoch augenblicklich innehalten.
»Dev! Mach sofort auf!« Lyndias schrille Stimme betäubt schier meine Ohren, obwohl der Schall sowohl die geschlossene Zimmertür als auch den gefüllten Kleiderschrank passieren muss, um bis zu mir in den Geheimgang zu dringen.
»Ich verstecke mich im Schrank«, zischt Strintha, was eher belustigt als ängstlich klingt. Mir jedoch jagt es einen gigantischen Schreck ein und ich sinke bereits in die Knie, um die entsprechenden Stellen auf den Steinen zu aktivieren, die die Rückplatte hoffentlich wieder in ihre ursprüngliche Position befördert.
Mein Finger bleibt in dem Moment in der Luft stehen, als ich Develors Antwort vernehme: »Nein, nicht der Schrank. Klettere aus dem Fenster.«
»Da kann man doch nicht klettern«, protestiert Strintha bemüht, nicht zu laut zu reden. Dennoch müssen sich die beiden direkt vor dem Schrank befinden, so deutlich, wie ich die Unterhaltung hören kann.
»Doch, schau genau hin, es gibt extra Einbuchtungen in der Wand.«
»Dev! Ich warne dich! Öffne sofort die Tür, oder ich schicke dir einen Flammenzauber durchs Schloss!«
»Jaja, … ich komme ja schon …«, brummt er.
Dieser hinterlistige Schauspieler klingt doch tatsächlich, als wäre er gerade aus einem tiefen Schlaf geweckt worden.
Unter Knarren öffnet sich die Tür und ich kann förmlich sehen, wie Lyndia hereinrauscht, um alle Ecken nach der Nebenbuhlerin abzusuchen. Jetzt endlich überwiegt die Angst der Neugier und ich lasse meine Finger in derselben Reihenfolge über die Steine gleiten wie vorhin. Doch nichts geschieht. Ich versuche eine andere Sequenz – erfolglos.
Schmoreck! Wenn sie jetzt den Schrank durchsucht, wird sie mich entdecken und mit den gefesselten Händen werde ich wohl kaum schnell genug flüchten können.
Ich verfluche mich dafür, dass ich mich von meiner Schaulust leiten ließ, statt schon viel eher das Weite zu suchen. Schließlich besteht immerhin eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Gang in der anderen Richtung nach draußen führt.
Ein verzweifelter letzter Versuch bringt schließlich doch das gewünschte Ergebnis: Im selben Augenblick, wie die Schranktür aufgerissen wird, gleitet die Rückplatte in ihre ursprüngliche Position und versperrt den Geheimgang.
Ob Lyndia etwas bemerkt hat?
»Mach dich doch nicht lächerlich. Ich habe geschlafen, nichts weiter …« Develors Stimme dringt nun wesentlich gedämpfter an mein Ohren, wieder einmal staune ich jedoch über die Überzeugungskraft in seinen Worten. Hätte ich nicht die Szene mit Strintha mitbekommen, hätte ich kaum an ihm zweifeln können.
»Geschlafen! Natürlich …« Ihre Stimme trieft vor Ironie. »Während die halbe Festung in Trümmern liegt, legst du ein gemütliches Nickerchen ein.«
»Nun übertreibe mal nicht. Ein paar Risse und Löcher hie und da. Das werden die Wachen bald wieder behoben haben, nach einer kleinen Stärkung bei ihren Futaren.«
Ich habe genug von diesem Streit mitbekommen. So leise wie möglich stemme ich mich auf die Beine und schleiche die Treppe hinunter. Gerade, als ich auf der letzten Stufe angekommen bin, erschüttert ein leichtes Zittern die Mauern, womöglich ausgelöst vom Reparaturzauber der Wachen. Und tatsächlich scheinen sich jegliche Risse in den Mauern wieder zu schließen. Als ich kurz darauf an der Stelle eintreffe, wo der Kerkerboden eingekracht ist, heben sich gerade die Steine vom Boden, um sich wieder genau dort einzufügen, wo sie herausgebrochen waren. Staunend beobachte ich das Schauspiel. Für einen derart mächtigen Zauber werden gigantische Mengen vereinter Magie benötigt. Vermutlich haben ihn sämtliche Wachen – bis auf Strintha – gemeinschaftlich gewirkt. Viel Energie dürfte ihnen danach jedoch nicht übrigbleiben und auch ihre Futaren geben jetzt vermutlich nichts mehr her.
Dann gibt es nur noch Lyndia, Develor und Strintha, die mir mit ihrer Magie im Moment noch gefährlich werden könnten. Nach dem Reparaturzauber sind sämtliche Mauern im Verließ wieder unversehrt, sodass niemand mehr sehen kann, wo und auf welche Weise ich daraus entfliehen konnte. Das verleiht mir ein wenig Hoffnung, denn wenn dieser Geheimgang nicht allseits bekannt sein sollte, wird man mich hier unten wohl kaum suchen. Eilig marschiere ich nun weiter. Durch die Frauen war Develor relativ gut abgelenkt, doch irgendwann wird er sicher auf die Idee kommen, mal nach seinem Gefangenen zu sehen, dann wäre es gut, wenn ich mich außerhalb seiner Reichweite befände. Immerhin habe ich es geschafft, die Verbindung zu meinem Haar in seinem Amulett aufzuheben. Auch davon hat er bislang offenbar nichts bemerkt, wahrscheinlich, weil ich mich ohnehin dauernd in seiner Nähe befand. Und da er ja annimmt, mich jederzeit aufspüren zu können, besteht für ihn zu keinem Zeitpunkt ein Grund, sich über eine eventuelle Flucht meinerseits zu sorgen.
Bisher führte der Gang steil bergab, bis ich eine Höhle erreiche. Tropfsteine hängen von der Decke und ein Wasserlauf schlängelt sich zwischen denjenigen hindurch, die vom kalkweißen Boden in die Höhe ragen. Eine steinerne Brücke führt darüber hinweg zu einem weiteren schmalen Gang auf der gegenüberliegenden Seite. Hier geht es nun wieder etwas bergauf und mein Herz beginnt bereits leicht vor Freude zu hüpfen, denn wenn ich mich richtig orientiert habe, bin ich schon wesentlich weiter gekommen, als die Festung breit ist, was eigentlich nur bedeuten kann, dass ich mich bereits irgendwo außerhalb der Mauern befinden muss.
Mein Weg führt mich weiter bergan bis zu einer Treppe. Das runde Loch an ihrem Ende wird durch eine steinerne Platte versperrt, doch auch hier kann ich an den speckigen Stellen auf der linken Wand erkennen, wo sich der Mechanismus zum Öffnen befindet. Allerdings liegt dieser so hoch über dem unteren Treppenabsatz, dass ich durch die Fesseln nicht mit den Fingern rankomme. Stattdessen versuche ich mein Glück mit der Nasenspitze. Kaum habe ich das getan, klappt die Deckplatte nach oben weg und die Strahlen der Lunaatis fluten den Innenraum.
Blinzelnd steige ich empor um zwischen Farnen und Büschen an die Oberfläche zu treten. Ich stehe auf einem trockenen Fleckchen inmitten eines grün-trüben Teiches. Langes, fädiges Sumpfgras stößt überall durch die Wasseroberfläche. Rundherum wachsen Vorhangbäume, deren dichte Hängezweige die Sicht in die Ferne verhindern. Lediglich der Festungskrater überragt die Wipfel. An einer Stelle wird noch deutlich, dass dort Lava ausgetreten war, welche sich wie ein zähflüssiger Brei zum Fuß der abschüssigen Felswand herabwälzte. Auf der Oberfläche hat sich bereits eine schwarze Kruste gebildet, die an einigen Stellen aufgerissen ist und die rote Glut im Inneren offenbart.
Der Vulkan ist also tatsächlich ausgebrochen. Ob auch im Inneren der Festung Lava ausgetreten ist?
Jedenfalls scheint der Strom mittlerweile wieder versiegt zu sein und an den Mauern lässt sich von hier aus auch keinerlei Schaden mehr erkennen.
Ich werfe einen Blick zurück zu dem Loch, aus dem ich getreten bin, doch statt der Öffnung finde ich lediglich einen von Farnen und Blättern bedeckten Boden vor. Verwirrt scharre ich mit dem Schuh im Humus. Auf eine harte Steinplatte treffe ich aber erst unter einer knöcheltiefen Erdschicht. Zu sehen sind weder die Ränder der Falltür noch irgendwelche speckigen Flecken oder sonstige Hinweise auf einen Geheimgang.
Ein äußerst gut getarntes Versteck.
Sicher könnte ich die Steinplatte vollständig freilegen, was jedoch wenig Sinn machen würde. Ich sollte lieber schleunigst von hier verschwinden, um endlich nach Lida zu sehen.
Vorsichtig tapse ich zum Wasserrand. Um im See gefesselt herumzuschwimmen erscheint mir viel zu gefährlich.
Wenn es hier einen Geheimgang gibt, dann existiert höchstwahrscheinlich auch ein verborgener Weg aus diesem Sumpf heraus.
Und mit ein bisschen Suchen habe ich ihn auch tatsächlich gefunden: Etwa knöcheltief unter der grünlich schimmernden Wasseroberfläche befindet sich ein mit Steinplatten gepflasterter Pfad. Ein schleimiger Algenteppich markiert den Weg, doch es muss sich um magisch erzeugte Pflanzen handeln, denn im Gegensatz zu den echten bieten diese einen äußerst rutschfesten Halt unter meinen Schuhen. So dauert es nicht lange, bis ich das Ufer erreicht und mich durch die Hängezweige aus dem Dickicht herausgearbeitet habe. Erst jetzt erlaube ich mir, kräftig durchzuatmen.
Niemand scheint mir gefolgt zu sein, niemand hat mitbekommen, auf welchem Weg mir die Flucht gelang. Wenn Develor mein Fehlen bemerkt, wird er gewiss annehmen, dass ich mich noch immer irgendwo innerhalb der Festung verborgen halte.
Nun gilt es erst einmal, mich zu orientieren. Auf einen Baum kann ich gefesselt nicht klettern, aber da ich die Wälder um die Festung herum recht gut kenne, bin ich mir sicher, dass ich mich östlich davon befinde. Das wiederum bedeutet, ich muss zunächst in einem großen Bogen um den Krater herumwandern. Wenn ich dann im Norden auf den Flusslauf des Jempro treffe, kann ich diesem folgen und von dort aus dürfte die Hütte leicht zu finden sein. Das Schicksal scheint sich auch mit der Tageszeit auf meine Seite geschlagen zu haben, denn solange die Lunaatis am Himmel steht, brauche ich die Raubmonster nicht zu fürchten. Erfüllt von Zuversicht und neuem Mut marschiere ich drauf los.
Das Heulen der Raubmonster jagt einen eisigen Schauer meinen Rücken hinab. Immerhin habe ich noch etwas Energie zur Verfügung, sonst wäre ich ihnen absolut schutzlos ausgeliefert. Meine schmerzenden Füße treiben mich unaufhörlich vorwärts. Den Jempro habe ich bereits erreicht.
Doch wo befindet sich diese Hütte?
Leider liegt sie nicht direkt am Fluss, sondern lediglich in der Nähe.
Bin ich etwa versehentlich an ihr vorbeigelaufen?
Mittlerweile ist die Nacht hereingebrochen und ich kann mich noch nicht einmal an den Sternen orientieren, da sich eine fast undurchdringliche Wolkendecke über den Himmel geschoben hat. Dementsprechend finster ist es im Wald. Um überhaupt etwas sehen zu können, bleibt mir nichts anderes übrig, als mittels meiner Magie ein Licht aus meinen Augen strahlen zu lassen. Das hilft mir zwar, meine Umgebung wahrzunehmen, nicht aber bei der Orientierung. Und diese Bäume sehen mal wieder alle gleich aus.
Nein, so weit weg kann es nicht gewesen sein. Sicherlich bin ich schon längst daran vorbeigelaufen.
Schweren Herzens kehre ich wieder um.
Klang das Raubmonster gerade nicht schon viel näher als zuvor?
Bekanntlich schmeckt ihnen das Fleisch der Lumaren nicht besonders, doch konnte man beobachten, dass diese Tiere mit der Zeit immer aggressiver wurden. Man munkelt, dass der Grund dafür Develors erbarmungslose Treibjagden sind. Wenn Jungtiere miterleben müssen, wie ihre Eltern oder Artgenossen abgeschlachtet werden, verwundert der Jähzorn gegenüber unserer Spezies wenig.
Mein Fuß versinkt plötzlich im sumpfigen Morast. Erschrocken wie freudig gleichermaßen weiche ich zurück.
Sumpf! Das könnte bedeuten, dass ich ganz in der Nähe der Hütte angekommen bin.
Mit meinen Leuchtstrahlaugen schaue ich zu den Wipfeln der Bäume empor. Ja, sie sehen genauso aus wie diejenigen, die um die Hütte herum stehen.
Habe ich sie tatsächlich erreicht?
Tief durchatmend stapfe ich weiter, um den Sumpf herum, um nach dem Eingang zu suchen.
Das leise Knacksen im Unterholz hatte noch nicht einmal Zeit, bis in mein Bewusstsein durchzudringen, als sich ein dunkles schwarzes Etwas aus den Schatten löst und lautlos durch die Luft segelt. Mein Licht trifft auf zwei rotglühende Augen, welche geblendet die Lider zukneifen, während mich das Vieh auch schon mit sich zu Boden reißt. Wie ein Wurm liege ich mit meinen gefesselten Händen unter dem Vieh, das seine dicken Pranken auf meine Brust presst: Ein Raubmonster!
Gleich mehrere Gedanken zucken wie Blitze synchron durch mein Hirn: Das Tier kam aus Richtung der Hütte! O Lida! Was hat ihr das Monster angetan?
Ich sollte mich wehren, doch mit gefesselten Händen ist es ungleich schwerer, meine Magie zielgerichtet einzusetzen. Außerdem überwältigt mich die Angst und Sorge um Lida gerade dermaßen, dass ich mich wie gelähmt fühle. Wenn sie tot sein sollte, dann gibt es auch für mich keinen Grund mehr, diese Existenz fortzuführen.
Der Sabber des Raubmonsters tropft auf meinem Hals hernieder und rinnt dort bis zum Waldboden herab.
Gleich wird das Raubmonster seine langen Reißzähne in meine Kehle schlagen. Worauf wartet es denn noch?
Statt mich zu töten, hebt das Vieh den Kopf und stößt einen schaurigen Ruf aus, der sich vibrierend in meinem gesamten Leib fortsetzt.
Ruft es jetzt etwa nach seinen Artgenossen, damit sie mich gemeinschaftlich erledigen können?
Das Vieh ist deutlich kleiner als üblich, daher muss es sich um ein Jungtier handeln.
Vielleicht will es seiner Mutter die tolle Beute präsentieren.
»Lando!«
Irritiert wende ich den Kopf und sehe, wie Lida auf mich zueilt.
Sie lebt! Zumindest jetzt noch …
»Nicht! Lauf schnell weg!«, schreie ich sie an.
Aber statt auf mich zu hören, eilt meine Schwester herbei und tätschelt das Raubmonster mit ausgestrecktem Arm an der muskulösen Schulter. »Gut gemacht, Ripro. Aber jetzt geh runter. Das ist doch Lando, mein Bruder.«
Ich glaube nicht recht zu hören und zu sehen, aber das Vieh mit den Reißzähnen und den rot leuchtenden Augen gehorcht Lida, als wäre es ein Schoßtier. Das Raubmonster tritt von mir herunter und senkt seinen Kopf, um ihn an Lidas Schulter zu schmiegen, wie es die zahmen Toralk-Jungtiere manchmal tun. Ich wälze mich zur Seite, um mich umständlich hinzusetzen. Schon wieder bin ich auf die gefesselten Handgelenke gefallen und allmählich frage ich mich, ob sich diese vielen Verletzungen jemals wieder heilen lassen.
»Ripro?« Noch immer ungläubig schüttele ich den Kopf, als Lida nun neben mir in die Knie geht, um ihre dünnen Arme um meinen Hals zu schlingen.
»Lando! Endlich bist du wieder da. Ich bin ja so froh!« Sie lässt mich los und lugt hinter meinen Rücken, wo die gefesselten Hände ihr einen ziemlichen Schock versetzen. »Was ist denn da passiert?«
Das Raubmonster neigt den Kopf, um Lida das Gesicht abzulecken. »Hör auf, Ripro, das kitzelt«, kichert sie. »Geh wieder spielen.«
»Das war Develor«, gehe ich auf ihre Frage ein, während ich mich mit ihrer Unterstützung auf die Füße stemme. »Aber jetzt erkläre mir doch mal, wie du dazu kommst, ein Raubmonster zu zähmen. Es sind die wildesten und jähzornigsten Wesen, die ich kenne. Außerdem haben sie unsere Futaren gerissen, wie du dich sicher erinnerst.«
»Sie ernähren sich von Lebewesen, wie andere auch«, meint Lida leichthin. »Und Ripro ist ganz lieb. Meine Freunde frisst er nicht. Das habe ich ihm verboten.«
»Und darauf hört er?« Zweifelnd schüttele ich den Kopf, während ich dem Tier zuschaue, wie es im Licht meiner Augen Purzelbäume schlägt und hohe Sprünge vollführt, was sogar ein wenig drollig aussieht.
»Ja, das hast du doch gesehen. Er hat dir nichts getan.«
»Und wie kommt er hierher? Hattest du keine Angst vor ihm?«
»Nein. Er war ganz alleine und schon ziemlich schwach auf den Beinen. Ich glaube, seine Mama ist gestorben.«
»Aber wie hast du ihn dann gefüttert?«
»Mit ein wenig von meiner Energie«, gibt Lida kleinlaut zu.
»Du hast ihm etwas von deiner Lebensenergie abgegeben?« Ich schnappe empört nach Luft. »Einem Raubmonster?! Und seit wann kann so etwas überhaupt funktionieren bei einem Tier?«
»Es hat geklappt und ich habe es nicht bereut. Ripro ist sooo lieb. Ich mag gar nicht mehr ohne ihn sein.«
Noch immer entgeistert schüttele ich den Kopf über meine kleine Schwester.
»Aber das machst du bitte nicht noch einmal. Unsere Energie ist kostbar und ich werde sie Iona bestimmt nicht abringen, um damit ein Raubmonster zu ernähren.«
»Keine Sorge. Ripro ist jetzt so stark, dass er auch selbst auf die Jagd gehen kann. Und durch die Energie bin ich mit ihm verbunden. Er wird meine Tiere und mich beschützen und auch dich, wenn du magst.«
»Nicht zu fassen …« Noch immer ein wenig durcheinander folge ich Lida auf dem Weg durch den Sumpf zur Hütte. »Sag mal, wo ist denn der Toralk?« Ich schaue mich nach meinem Reittier um, das zuletzt unter dem Obstbaum lag, als ich Lida verlassen hatte.
»Ach, der fliegt schon wieder herum. Alles ist gut verheilt.«
»Na, das ist ja mal eine gute Nachricht«, freue ich mich.
Offenbar sind auch noch ein paar andere neue Freunde hinzugekommen, denn neben den beiden Steckenziegen entdecke ich auch einen Nebelhorn – ein äußerst elegantes, weißes Huftier mit einem gedrehten Horn auf der Stirn. Diese scheuen Wesen bekommt man sonst nur äußerst selten zu Gesicht, aber meine Schwester scheint sämtliche Tiere auf unerklärliche Weise anzuziehen.
Auch die Hütte hat sich seit meinem letzten Besuch verändert. Im Licht der Augenscheinwerfer fällt mir ein deutlicher Unterschied auf. Die Hauswände wurden geflickt und mit weißer Farbe gestrichen. Beim ersten Anblick bemerke ich gar nicht, dass sich die echten blühenden Schlingpflanzen in den Wandgemälden fortsetzen. Im Inneren der Hütte prasselt ein helles Feuer im Kamin und taucht den Raum in Wärme und Helligkeit, sodass ich hier drin die Leuchtmagie aus meinen Augen zurückziehe.
Aber auch ohne sie blendet mich das Licht des Feuers, weshalb ich die Lider ein wenig zusammenkneifen muss, während ich mich auf einem Hocker niederlasse. Der Rollbilch liegt zusammengekugelt in einer mit Moos und Farnen ausgekleideten Kiste neben dem Bett. Alles sieht sehr gemütlich und aufgeräumt aus. Auch hier drin zieren Gemälde von Blumen und Tieren die Wände.
»Du hast dich aber sehr verbessert mit deiner Malerei«, lobe ich mit Blick auf die Bilder, die ein erwachsener Lumar kaum besser hinbekäme.
»Die erste Schicht war nicht so schön, aber ich hatte ja viel Zeit zum Üben und als alles vollgemalt war, habe ich einfach mit weißer Farbe drüber gestrichen und alles neu gemacht«, gesteht Lida und kniet sich hinter mich, um meine Fesseln zu begutachten.
»Und woher hast du die Farben?«
»Selbst gemischt, aus Pflanzen und Steinen. Da ist ein Buch im Regal, das beschreibt, wie es geht. Auch Heilpflanzen sind da beschrieben.« Lida zerrt an den magischen Fesseln um meine Handgelenke. Der Schmerz entlockt mir ein Keuchen. Ich will gar nicht wissen, was da alles kaputt ist.
»Lass mal, es sind magische Fesseln. Die kannst du nicht lösen.«
»Du kannst sie nicht lösen, weil du gefesselt bist. Ich könnte das schon, aber ich habe nicht mehr genug Energie.«
»Zum Dorrum! Bist du schon so schwach?!«, rufe ich entsetzt aus und schaue auf Lida herab, um sie intensiv zu begutachten. Tatsächlich hat der Verdorrungsprozess schon kaum merklich seinen Anfang genommen, was ich an den feinen Linien auf Stirn und Hals erkenne.
Dieses schmoreck Raubmonster! Wie viel von ihrer Lebensenergie hat sie dafür geopfert?
Ich bin jedoch viel zu entsetzt über die Tatsache, dass ich gerade mal wieder rechtzeitig zurückgekehrt bin und viel zu froh darüber, meine Schwester nahezu unversehrt vorzufinden, um irgendeinen Groll gegen sie zu hegen.
»Komm, schiebe deinen Scheitel unter meine Hände«, sage ich sanft.
»Hast du denn selbst noch genug Energie?«
»Ja, habe ich. Mach dir keine Sorgen, ich konnte Iona küssen, leider gelang es mir aber nicht, mit ihr zu sprechen, weil Develor uns auflauerte.«
»Na gut.« Niederkniend schiebt Lida ihren Kopf unter meine gefesselten Hände und empfängt die Energie, welche ich ihr sende – ein bisschen über die Hälfte von dem, was ich noch zur Verfügung habe.
Daraufhin atmet meine Schwester tief ein und aus. »Das tut gut. Ich fühle mich wieder so schön stark.« Sie legt ihre Hände nun ihrerseits auf die Fesseln, die sich daraufhin spielend leicht lösen lassen.
»Herzlichen Dank.« Mit einem erleichterten Stöhnen ziehe ich die Arme vor den Körper, um sie auf dem Tisch abzulegen und zu begutachten. Blau angelaufen sind die Hände, um die sich blutrote Striemen und abgewetzte Haut ziehen, aber immerhin bin ich wieder frei. »Wie hast du das nur gemacht?«
»War ganz leicht.« Lida steuert ein Regal an, in dem mehrere kleine Schüsseln stehen.
»Wahrscheinlich hast du recht und der Zauber lässt sich lediglich vom Gefesselten nicht lösen.« Ich schließe die Lider, weil ich den Blick auf meine geschundenen Hände kaum ertrage. Alles schmerzt darin, doch ich kann nicht erkennen, ob etwas gebrochen oder verstaucht ist.
Plötzlich berührt etwas Kühles, Feuchtes meine Hände. Erschrocken zucke ich zurück und öffne die Augen. Mit einem Löffel hat meine Schwester irgendeine grüne Paste auf meine Haut gestrichen.
»Die Salbe habe ich selbst gemischt. Da sind alle Kräuter drin, die heilen können«, erklärt sie.
Misstrauisch beäuge ich die grüne Pampe, die an der Stelle, wo sie mein Handgelenk berührt, eine kühlende Wirkung entfaltet. »Na gut, ich probiere das aus. Vielleicht erspart mir das etwas von der nötigen Heilenergie.«
Dennoch komme ich mit derart geschundenen Händen sicherlich nicht weit. Ich muss aber unbedingt zurück zu Iona, um ihr meine Zwangslage zu erklären. Ob sie mir allerdings dabei zuhört, ist natürlich eine andere Sache.
Während Lida nun ihre selbstgemischte Paste auf meinen Händen und Handgelenken verteilt, schließe ich wieder die Lider und sende dosierte Heilströme hinein, um zumindest das Schlimmste zu reparieren, also Sehnen, Gelenke, Knorpel und Knochen zu flicken, damit zumindest die Funktionstüchtigkeit wiederhergestellt wird. Aber dabei merke ich schon, dass sich meine Energie bald dem Ende neigt.
Nachdem Lida den Löffel zurück in die Schale gestopft hat, schmiegt sich meine Schwester an mich. »Leg dich da hin und ruh dich aus, Lando.« Sie deutet zu ihrem Bett, das förmlich nach mir zu rufen scheint, obwohl wir Lumaren normalerweise keinen Schlaf benötigen. Meine geschundenen Glieder und der niedrige Energiepegel verlangen jedoch nach einer Erholungspause, daher komme ich gerne der Einladung nach, ziehe noch meine schmutzigen Sachen aus und lege mich seufzend nieder.
»Und wenn du ausgeschlafen bist, erzählst du mir alles …«, höre ich noch Lidas Worte, während mein Bewusstsein bereits zu der Sorge abdriftet, wie das anstehende Gespräch mit Iona verlaufen wird.
Davon hängt unser weiteres Überleben ab, daher begleitet mich die Beklemmung noch bis in den Traum hinein.
Iona, Fabolon, Faresia, 1211 Romajan 14
Die Strahlen der Farella kitzeln mich im Gesicht, als ich in meinem Himmelbett erwache. Genüsslich rekele ich mich in meiner Bettwäsche, die so herrlich nach Zuhause duftet.
Endlich wieder daheim …
Nie hätte ich gedacht, dass ich das mal so dermaßen positiv empfinden würde.
Heute besteht außerdem keinerlei Grund, sich mit dem Aufstehen zu beeilen, denn der Sternentanz ist mit seinen zwei Ruhetagen an der Reihe. Hier in meinem vertrauten Zimmer kommen mir meine Erlebnisse so unwirklich und fern vor, dass ich erst einmal meine Unterarme betrachten muss, um meine Erlebnisse nicht als ziemlich wirren Traum abzutun. Die Verbrennungen sind zwischenzeitlich so gut verheilt, dass nur noch ein blasses Liniengeflecht von der einstigen Verletzung zeugt und von dieser schrecklichen Nummer ist überhaupt nichts mehr zu sehen.
So war die verpatzte Zauberei wenigstens zu etwas gut.
Ich atme tief aus und lasse das Abenteuer noch einmal im Schnelldurchlauf durch meinen Geist ziehen.
Was Finn wohl gerade treibt?
Meinen leiblichen Bruder kennenzulernen, war ein tiefgreifendes Erlebnis und es fällt mir wirklich schwer, zu akzeptieren, dass ich ihn wahrscheinlich niemals mehr wiedersehen werde. Außerdem liegt es mir schwer im Magen, dass er sich sicher große Sorgen um mich macht. Da ich daran jedoch absolut nichts ändern kann, dränge ich die Erinnerung an ihn vehement beiseite und strecke mich noch einmal genüsslich, bevor ich meine Beine aus dem Bett schiebe. Zunächst gönne ich mir ein ausgiebiges Bad, das meinem verschwitzten Haar den gewohnt seidigen Glanz verleiht, bevor ich dann gut gelaunt in meinem Lieblingskleid in den Gastraum hinabsteige.
»Meine persönliche Farella geht auf!«, begrüßt mich Gravik freudestrahlend, wobei er die Worte eher singt als ausruft. »Wie hast du geschlafen, Herzchen?«
»Hervorragend, Opi«, antworte ich in einem ähnlichen Singsangton und drücke ihm einen dicken Kuss auf die kahle Stelle zwischen den wenigen weißen Haaren.
»Ich bereite mir dann mal ein Frühmahl. Hast du denn schon gegessen?«
»Ja, obwohl ich gerne auf dich gewartet hätte, aber deine Mutter hat es mal wieder zu gut mit mir gemeint«, erklärt Opi breit grinsend.
Ich weiß genau, was er meint, denn Meonore achtet immer sehr darauf, dass mein Großvater seine Mahlzeiten pünktlich einnimmt, was wahrscheinlich daher rührt, dass sie an Betriebstagen sehr viel zu tun hat und ihre Zeit deshalb gut einteilen muss. Mein Weg führt mich in die Küche, wo Handrich gerade das Kochgeschirr blitzblank poliert. Dabei pfeift er fröhlich vor sich hin.
»Guten Morgen, Papa«, grüße ich.
»Ah, Iona. Dir auch einen guten Morgen, wobei wir aber eigentlich schon Mittag haben«, lacht er. »Hast du denn gut geschlafen?«
Seine Freude sprudelt wie ein warmer Quellbach durch mich hindurch.
»Ja, sehr gut.« Ich nehme eine Pfanne vom Haken.
»Ach, du brauchst dir nichts zu kochen. Ich habe noch eine Pastete, jede Menge frisches Wattasbrot und Papfelbeerkompott.«
»Das klingt lecker.« Papa zieht die genannten Dinge aus dem Vorratsschrank und positioniert sie auf einem Tablett.
»Wo ist denn Mama?«, will ich wissen.
»Meonore hat sich nochmal hingelegt. Die Aufregung der letzten Zeit war einfach zu viel für ihre Nerven. Du weißt doch, wenn sie viel Stress hatte, wird sie danach immer von Kopfschmerzen geplagt.«
»Jaja, ich weiß.«
Papa bringt das Tablett in den Gastraum und ich trabe beladen mit Tellern und Besteck hinter ihm her. Wir hocken uns so hin, dass Gravik uns von seinem Hochstuhl aus gut im Blick hat.
Seit meiner Ankunft auf Fabolon hat mich das Buch mit dem Titel das Anderssein wieder in seinem Griff. Die Angst vor neuen Enthüllungen schiebt einen Besuch der Bibliothek zwar auch gerne hinaus, doch auf der anderen Seite wächst das Begehren, endlich nachzusehen, ob sich auf den leeren Seiten neue schicksalhafte Bilder zeigen. Abgelenkt von meinem Vorhaben bin ich auch jetzt, beim gemeinsamen Essen, geistig mehr ab- als anwesend.
Ein wenig bleich um die Nase kommt meine Mutter schließlich die Treppe herunter. Eine Hand auf die Stirn gepresst gesellt sie sich zu uns an den Tisch. »Gut siehst du aus, Iona.« Sie schenkt mir ein gequältes Lächeln, was mit einem sanften Zwicken in meiner Magengegend einhergeht. »Ich hätte ja heute gerne gemeinsam etwas mit euch unternommen, doch diese vermoxten Kopfschmerzen wollen einfach nicht verschwinden. Ich hoffe sehr, dass es mir wenigstens morgen beim Sternenfest wieder bessergeht.«
»Das Sternenfest! Richtig! Das hätte ich ja fast vergessen …«, rufe ich aus. Da der Monat Romajan nur fünfzehn Tage hat und zumindest in Nicht-Schaltjahren mit dem fünfzehnten das Jahr zu Ende geht, wird dann das Sternenfest gefeiert. Jedem fabolonischen Monat ist eine Farbe zugeordnet, die sich als Schimmer im Himmel zeigt. So ist das Sternenfest auch nicht willkürlich gewählt, denn an diesem Tag vereinen sich sämtliche Farbmagien zu einem leuchtend weißen Himmelsstern, der alle Spektralfarben ausstrahlt wie ein Regenbogen. Symbolisch dazu dürfen an diesem einen Tag alle Stände beliebige Kleidungsfarben tragen.
»Na, da siehst du mal, wie lange du weg warst, dass du sogar einen so wichtigen Tag vergisst«, meint Papa. »Wir haben übrigens einen Nadelbaum für dich organisiert, in Gedenken an deine Reise. Der Brauch, ihn zu schmücken und davor Lieder zu singen, gefällt mir sehr gut, deshalb dachte ich, das könnten wir auch im Sternentanz einführen, als Festtagsritual für den Tag deiner Rückkehr am Romajan 13.«
»O ja, das würde mir sehr gefallen«, freue ich mich. »Am besten schreibe ich gleich alle Weihnachtslieder auf, bevor ich sie wieder vergesse.«
»Stille Nacht, heilige Nacht …«, krakeelt Opi, wobei seine gute Laune von meinen Zehen- bis in die Haarspitzen hineinsprudelt.
»Oh, nein! Gravik …« Mama presst sich mit gequält verzogenem Gesicht die Handflächen auf die Ohren. »… mein Kopf!«
Opi verstummt, um meiner Mutter einen Luftkuss zur Entschuldigung zuzupusten.
»Wo ist eigentlich Schinto? Er ist doch nicht schon abgereist, ohne sich zu verabschieden, oder?« Ich tunke eine Ecke meines Wattasbrotes ins Papfelbeerkompott.
»Nein, der ist in der Stadt unterwegs.« Papa schlürft seinen heißen Kräutertee. »Das Sternenfest in Faresia feiern zu können, lässt er sich doch nicht entgehen. So viel bunten Trubel auf den Straßen wirst du sonst nirgends finden. Und das Feuerwerk, das der Jo in den Himmel sendet, übertrifft jedes Mal das vom Vorjahr. Ich bin schon gespannt, welche Effekte er sich dieses Mal einfallen lässt.«
»Bestimmt sind das nicht seine eigenen Ideen und ich finde auch nicht, dass es jedes Jahr besser wird«, widerspreche ich. »Das glaubst du nur, weil das letzte schon wieder so lange her war.«
»Na, wie dem auch sei. Es wird sicherlich wundervoll.«
»Das glaube ich auch.« Ich schlucke meinen letzten Bissen runter und erhebe mich, um die Tür anzusteuern.
»Iona! Wo willst du denn hin?«, entfährt es meiner Mutter, wobei eine panische Note in ihrer Stimme mitschwingt. Meine Eingeweide verkrampfen sich unter kaltem Zwicken.
»Äh, zur Bibliothek …« Mit leicht irritiertem Blick wende ich mich zu ihr um. Noch immer die Hand auf die Stirn gepresst, schaut Meonore mit deutlicher Furcht in den Augen zu mir auf und schüttelt den Kopf.
»Jetzt bist du gerade erst zurück und willst gleich wieder fortgehen. Bitte bleib doch heute mal hier.«
Mit in Falten gelegter Stirn wende ich mich ganz zu ihr um. »Mama, ich will nur eine Weile zur Bibliothek. Da war ich jetzt schon so lange nicht mehr.«
»Aber wenn dort wieder dieser Entführer auf dich lauert? Dieser Lumor oder Lumar? Er könnte doch jederzeit zurückkehren, wenn ich das richtig verstanden habe. Oder auch noch andere … Ich würde es nicht ertragen, die gleiche Angst nochmals durchleben zu müssen«, haucht sie erstickt.
»Mach dir keine Sorgen Mama. Tagsüber ist es denen viel zu hell. Die Farellastrahlen blenden die Lumaren so sehr, dass sie nichts sehen können. Außerdem weiß ich ja jetzt, womit ich es zu tun habe und ich passe gut auf mich auf, versprochen.«
Ein Blick zu meinem Vater zeigt mir jedoch, dass auch er nicht glücklich über mein Fortgehen ist. »Am besten, ich begleite dich.«
»Nein, also das brauchst du wirklich nicht, Papa.«
»Doch, ich bestehe darauf, dass Handrich mit dir mitgeht«, beharrt Meonore.
»Aber ohne Bibliotheksausweis kommst du gar nicht hinein, Papa.«
»Ich bringe dich eben hin und hole dich bei Anbruch der Dunkelheit wieder ab«, schlägt er vor.
»Na gut, wenn ihr meint …«, lenke ich schließlich seufzend ein.
Natürlich kann ich verstehen, dass die beiden große Angst vor einer Wiederholung der Ereignisse haben, aber deshalb kann ich doch mein Leben von jetzt an nicht unter ständiger Bewachung verbringen.
Wenn nicht wieder etwas passiert, wird sich das mit der Zeit schon legen, hoffe ich.
So mache ich mich gemeinsam mit meinem Vater auf den Weg. Es ist ein schöner, warmer Farellatag und ich genieße die vertrauten Gerüche und Kleiderfarben der Menschen auf den Straßen. Vor der Bibliothek verabschiede ich mich von Handrich.
»Pünktlich zum Gong stehe ich wieder hier«, sagt er noch, dann hebt er die Hand zum Abschied und ich komme mir vor, als wäre ich zu einem sechsjährigen Mädchen geschrumpft, das man bei den Eltern der besten Freundin zum Spielen abgibt.
Kaum wende ich mich jedoch der Pforte zu, beschleunigt sich mein Herzschlag. Nicht nur der Gedanke an das Schicksalsbuch bereitet mir Sorgen, auch eine mögliche Begegnung mit diesem widerlichen Wachmann versetzt mich in Aufregung. Verstohlen luge ich zunächst ein Stück weit durch die Tür hinein. Doch unter den drei Wachleuten finde ich kein bekanntes Gesicht.
Aufatmend trete ich nun ein und drehe ihnen meinen Oberkörper zu, weil ich dort über der Brust die Eintrittsplakette gut sichtbar befestigt habe: Ein in Gold gefasstes Relief eines aufgeschlagenen Buches auf einer runden Scheibe aus Schwarzgranit.
Nickend lassen mich die Wachleute passieren, woraufhin ich eilig die Treppen ansteuere. Immer höher und höher steige ich hinauf, wobei mein Puls nun durch die Anstrengung zusätzlich an Fahrt aufnimmt. Schwer atmend biege ich in den entsprechenden Flur ein, um schließlich am ganzen Körper bebend vor dem Regal zum Stehen zu kommen. Mein Blick huscht suchend von der Stelle, wo ich es zuletzt hineingestopft habe, über die gesamte Bücherreihe, doch ich kann es nirgends finden.
Es wird doch nicht verloren gegangen sein. Oder wurde es etwa falsch eingeordnet?
Doch da bleibt mein Blick auf dem lädierten ledernen Buchrücken hängen – in der Reihe ganz oben.
Da ist es!
Mit zittrigen Fingern ziehe ich das Anderssein hervor und lasse mich damit in den Sessel sinken.
Der Zykel der Wahrheit ist gekommen …
Mein Herz donnert bis in den Hals hinein, als meine Finger über den Einband gleiten.
Dieses vermoxte Buch! Wie kann es mich nur derart aus der Ruhe bringen? So gesehen war die Warnung auf der ersten Seite durchaus berechtigt. Aber was hat sie gebracht? Gar nichts! Das alles ist ein Witz. Dieses Buch sollte besser überhaupt nicht existieren …
Und doch kann ich mich nicht erwehren, es aufzuklappen. Der Hinweis auf der ersten Seite ist schon mal unverändert. Auch das Schatten-Licht-Symbol sieht nicht anders aus, oder doch?
Tritt es nicht deutlicher und klarer hervor als beim letzten Mal?
Jetzt kommt die Seite mit Landos Gesicht, wobei ich damals noch nicht wusste, um wen es sich handelt. Dieses Bild hat sich definitiv verändert und es raubt mir sofort den Atem, als ich in die intensiv leuchtend blauen Augen schaue. Es wirkt so dermaßen lebendig, als würde er leibhaftig vor mir stehen und mich ansehen –- so tief traurig, dass mein Herz förmlich zu bluten beginnt und sich Feuchtigkeit in meinen Augen sammelt. Ich versuche, sie wegzublinzeln, den Blick abzuwenden, doch es will mir nicht gelingen.
Ist es nur das Bild oder liegt es an diesem Lumar, weshalb mich der Anblick so sehr aus der Bahn wirft? Woher kommt das? Verflucht! Das kann doch nicht wahr sein …
Endlich gelingt es mir, die Seite umzublättern, um dort zu landen, wo die Laterne mit den Käfern abgebildet ist. Das war in der Nachtlichtergasse, wo Lando mich geküsst und daraufhin entführt hat. Die Erinnerung daran lässt Zorn in mir aufsteigen.
Wie konnte er es wagen … Hinterhältiger Schmarotzer!
Um diese unschönen Szenen aus meinem Hirn zu vertreiben, blättere ich hastig weiter. Hier zeigt eine Kohlezeichnung eine Gestalt, die rücklings auf steinernen Bodenplatten liegt. Ihre Konturen sind leicht verwischt, sodass ich nicht erkennen kann, um wen es sich handelt, doch da sie offensichtlich eine dunkle Hose trägt, statt eines Kleides, handelt es sich vermutlich um einen Mann. Auf der Erde könnte es auch eine Frau sein, welche dort ja ebenfalls in Hosen herumlaufen, aber ich gehe mal nicht davon aus, dass ich in der nächsten Zeit noch einmal ein Portal benutzen werde.
Auch wenn ich keine Ahnung habe, was genau mir dieses Bild zeigt, ob es sich um einen Verletzten, eine Leiche oder einfach um einen schlafenden Bettler handelt, überkommen mich beim Anblick schreckliche Gefühle, die mein Herz schmerzhaft entflammen. Da ich diese Empfindungen nicht länger ertrage, klappe ich das Buch zu und lehne mich mit geschlossenen Augen zurück.
Was war das? Wer liegt da? Wird etwa jemand sterben? Papa? Schinto? Oder dieser Lando? Am liebsten wäre mir ja Develor …
Da es sich um eine Kohlezeichnung handelt, fehlt mir leider die Information über die Kleiderfarbe und damit den Stand oder Beruf des Mannes.
Vermoxt! Was ist das nur für ein schreckliches Buch …
Doch statt es wieder im Regal zu verstauen, schlage ich es zwanghaft erneut auf, nämlich um nachzusehen, ob noch eine weitere Seite etwas zeigt, die einen Hinweis auf meine Fragen geben könnte. Aber als ich mich hastig bis dorthin durchgeblättert habe, finde ich ein leeres Blatt vor.
Seufzend klappe ich das Buch abermals zu, um es dieses Mal tatsächlich wieder im Regal zu verstauen.
»Blödes Ding! Machst mir nur wieder Angst …«, schimpfe ich schlecht gelaunt. »Ich sollte dich ein für alle Mal vergessen.«
Aber das ist natürlich leichter gesagt als getan.
Wie diese schreckliche Neugier doch nerven kann …
Jedenfalls ist mir die Lust auf Bücher gründlich vergangen. Da es aber bis zum Gong noch bestimmt zwei Zykel dauern wird, macht es keinen Sinn, hier nur herumzusitzen, um auf meinen Abhol-Service zu warten.
Ich werde einfach alleine nach Hause gehen,dann kann Papa sich den Weg sparen, denke ich, während ich auch schon die Treppen hinabsteige.
Am Ausgang ist wenig los, sodass die Wachmänner ziemlich gelangweilt dreinschauen. Da fällt mein Blick jedoch auf das bekannt-verhasste Gesicht des Kerls, der mir vor einiger Zeit hinterhergelaufen ist. Düster starrt er mich an, wobei ein zornig-lüsternes Brummen durch meinen Unterleib rauscht. Glücklicherweise fällt es weniger heftig aus als ich es von der Zeit vor meiner Reise in Erinnerung habe.
»Na, mal wieder die Knubbelnase in Büchern eingeklemmt?«, versucht er mich durch seinen abfälligen Ton zu provozieren. »Da wüsste ich aber was Besseres.« Dieses Mal werde ich meinen Fehler von damals sicher nicht wiederholen, daher antworte ich lediglich im Vorbeigehen: »Ja, die Bücher … Schönen Tag noch!« und eile zur Pforte hinaus.
»Fühl dich nicht zu sicher Kleine, ich krieg dich schon noch!«, ruft er mir nach, wobei sich alles in mir verkrampft.
Vielleicht wäre es doch nicht falsch gewesen, auf Papa zu warten.
Aber jetzt ist es zu spät und wieder reingehen mag ich auch nicht. Sicherheitshalber beschließe ich jedoch, einen kleinen Umweg nach Hause zu wählen, nur für den Fall, dass mich der Kerl wieder verfolgen sollte. So marschiere ich schnellen Schrittes durch den Bibliotheks-Park, um das Gelände in westlicher Richtung zu verlassen. Immer wieder sehe ich mich nach etwaigen Verfolgern um und fühle in mich hinein, bis ich schließlich erleichtert aufatme. Kein Wachmann folgt mir und weder ein diffuses noch ein gieriges Verlangen kann ich spüren.
»Dreh jetzt nur nicht so durch, wie deine Eltern, Iona«, ermahne ich mich selbst. »Es ist alles gut und niemand stellt mir nach.«
So verlangsame ich nun meinen Schritt und lasse mich mit der Menge vorwärtstreiben, die hier die Einkaufsstraße bevölkert. Für das morgige Sternenfest will noch einiges vorbereitet und eingekauft werden, daher herrscht relativ viel Betrieb in der Stadt. Da ich mich zwischen all den Leuten relativ sicher fühle, schweifen meine Gedanken nun wieder ab zu dem Buch.
Ein auf dem Boden liegender Mann … Wurde er niedergeschlagen, oder weshalb lag er dort herum?
Es macht mich schier wahnsinnig, dass ich nicht herausfinden kann, wer dort liegt und weshalb. Und alles Nachgrübeln macht die Sache nicht besser.
Es könnte ja im Grunde jeder sein, selbst ein Fremder, Schinto, Gravik, nein, bitte nicht Gravik …
»Iona! Sag mal, was treibst du denn hier?! Hast du mit Papa nicht vereinbart, dass er dich später abholt?« Vor mir steht meine Mutter mit hochrotem Kopf und einem Korb voller Gemüse.
»Ich hatte eben keine Lust mehr auf Bücher und wollte schon früher nach Hause«, antworte ich missmutig. Es passt mir absolut nicht, mich so von ihr gängeln zu lassen.
»Iona, du hast es versprochen.« Sie greift sich an die schmerzende Stirn, die sie angespannt runzelt. »Wir gehen jetzt sofort nach Hause, hast du verstanden?!« Ihre von Sorge getränkte Wut strudelt wie ein Meer aus Kieseln zwischen meiner Brust und meinem Bauch hin und her.
»Ach, lass mich in Ruhe!«, pflaume ich meine Mutter an. »Ihr könnt mich doch nicht ewig bewachen.« Damit wende ich mich ab und dränge durch die Menge davon.
»Iona, so warte doch …«, keucht meine Mutter zornig.
Aber alle weiteren Diskussionen sind mir so dermaßen zuwider, dass ich nur noch wegwill. Im Slalom zwänge ich mich eilig zwischen den Leuten hindurch, bis ich eine ruhigere Straße erreiche.
»Sollen sie mich doch alle in Frieden lassen …« Mit geballten Fäusten haste ich weiter. Dieses Buch hat mir schon gründlich die Laune verdorben, jetzt auch noch von meiner Mutter maßgeregelt zu werden, die nicht mal meine Mutter ist … Na gut, so weit will ich jetzt nicht gehen, aber trotzdem wühlt mich dieser Streit mehr auf als mir guttut.
Ohne weiter auf den Weg zu achten, überlasse ich meinen Beinen die Führung, biege links ab und dann wieder nach rechts.
Blödes Buch, nervige Meonore, immer wieder diese Angst vor den Lumaren … Kommen sie wirklich wieder?
Während meine Gedanken von einem Thema zum nächsten hetzen, treibt es mich innerlich aufgewühlt in eine dunkle Gasse hinein. Gestützt von den Gebäuden rechts und links, wurde ein Haus direkt über den Weg gebaut, sodass lediglich die Laterne in einiger Entfernung etwas Licht spendet. Dass ich mich in der berüchtigten Nachtlichtergasse befinde, hätte mir eigentlich auffallen müssen, aber ich bin noch immer so mit meinen Sorgen- und Zornesgedanken beschäftigt, dass ich erst innehalte, als ein Mann durch die zerbrochene Tür einer der verlassenen Läden tritt.
Die Nachtlichtergasse … Ich bin wieder hier …
Das Poltern meines Herzens dröhnt so laut bis in die Ohren hinein, dass ich kaum noch etwas anderes wahrnehme, als ich direkt in Landos leuchtend blaues Augenpaar starre.
Das darf doch wohl nicht wahr sein … Dieser Mistkerl hat mich in die Falle gelockt und ich bin ihm abermals ins Netz gegangen.
Ich wende mich um, um wegzurennen, doch irgendetwas hält mich gefangen, lässt meinen Fuß in der Schwebe verweilen und zieht mich zurück.
Wendet dieser verfluchte Lumar etwa seine bescheuerte Magie auf mich an?! Aber nicht mit mir! Nicht schon wieder!
»Iona!«, ruft er aus. »Bitte bleib. Ich muss …«
Doch durch meinen emotionalen Ausnahmezustand sind meine Ohren taub für betörende Gespräche. Ich fahre herum und strecke ihm dabei abwehrend die Hände entgegen. Schon einmal gelang es mir, mich zu verteidigen und auch jetzt wieder fühle ich, wie sich mein Zorn gefährlich zusammenbraut. »Dieses Mal nicht!«, schreie ich ihn an, wobei sich tatsächlich ein Blitz aus meinen Handflächen löst. Das bläuliche Leuchten streift zischend Landos Arm, der zurückweicht, um in den verlassenen Laden zu flüchten. Mittlerweile bin ich jedoch so in Rage, dass ich ihm einfach hinterherlaufe. Meine Angst hat sich in grenzenlose Wut verwandelt, vermengt mit dem Frust über die Diskussion mit meiner Mutter. Außerdem sucht das ganze erlittene Leid dieser Entführung schon lange eine Gelegenheit, sich Ausdruck zu verschaffen und jetzt, wo ich mich endlich nicht mehr machtlos und ausgeliefert fühle, drängt es danach, Lando all das um die Ohren zu pfeffern.
»Weißt du eigentlich, wie sich das anfühlt?«, brülle ich den Lumaren an, während ich im Inneren des Ladens nach ihm Ausschau halte. Er steht in einer dunklen Ecke, aus der er nicht mehr entkommen kann. Sein Leib verschwindet fast in den Schatten, doch das leuchtende Augenpaar verrät ihn.
Dieser miese Schmarotzer!
»Entführt zu werden in eine finstere Welt, eingesperrt, um wie ein Stück Vieh gemolken zu werden?«, kreische ich und schleudere ihm einen weiteren Blitz entgegen, der knapp seinen Bauch verfehlt. Mein Zauber prallt von der Wand ab, zischt über den Boden, wo er eine schwarze Schmauchspur in das morsche Holz eines zerbrochenen Stuhls fräst. Die verheerende Auswirkung meiner Magie hätte mich bremsen müssen, aber ich bin so blind in meiner Rage, dass ich nichts mehr anderes fühle als meinen übermächtigen Zorn.
»Diese sogenannten Futaren sind nicht eure Futtertiere«, speie ich ihm blindwütig entgegen. »Es sind Magier und ihr raubt ihnen ihre Zauberkraft, nur um sie für euch selbst auszunutzen.«
»Ma-Magier?!«, bringt er heiser hervor, doch darauf gehe ich erst gar nicht ein.
»Tu doch nicht so, als hättest du das nicht gewusst. Schließlich sind diese bescheuerten Kristalle doch nur dazu da, um zu verhindern, dass eure Futtermenschen ihre Magie für sich selbst nutzen können.«
Den Blick in seine mich anstarrenden Augen vermeidend, tigere ich zornig im Raum auf und ab, kicke dabei ein morsches Stück Holz vor mir her, das sich aus dem zerbrochenen Stuhl gelöst hat.
»Und mich einfach auf der Straße zu überfallen! Das war schlimmer als jeder Albtraum! Danach konnte ich nicht mehr richtig schlafen, lebte in ständiger Angst!« Cholerisch schreiend wechsele ich abermals die Richtung, während Lando einfach nur stocksteif dasteht. »Hast du nur einen Zykeltick lang mal daran gedacht, wie es sich für deine Opfer anfühlen muss, gejagt und beobachtet zu werden? So was kann man doch nicht mehr als Leben bezeichnen …«, kreische ich nun hysterisch, wobei sich abermals ein Blitz aus meinen Handflächen löst, den ich zornig in seine Richtung schleudere. Obwohl ich gar nicht richtig gezielt habe, reißt es den Lumaren plötzlich von den Füßen und meine Magie schleudert ihn gegen die Wand. »Du elender Schmaro …« Während Lando schlaff in sich zusammensackt, ersterben meine letzten Worte im Nichts. Als er einfach auf den Steinplatten liegen bleibt, rinnt unwillkürlich ein Gruselschauer durch mich hindurch, denn das Bild, auf das ich nun blicke, kenne ich bereits: Es handelt sich exakt um dieselbe Szene aus dem Schicksalsbuch.
Ganz sicher habe ich diesen Lumaren nicht tödlich verletzt. Bestimmt rappelt er sich gleich wieder auf. Ich sollte verschwinden, bevor er doch noch versucht, mich wieder zu verzaubern.
Mit donnerndem Herzen wende ich mich um und renne davon, während ich mich bemühe, das eben Geschehene so gut wie möglich aus meinem Geist zu verdrängen. Weder die Straßen noch die Menschen darauf nehme ich wahr, während es mich Richtung Sternentanz treibt. Mir ist, als ob ich mich unfassbar weit von mir selbst entfernt hätte, während mein tauber Körper vorwärts hastet.
»Er wird wieder aufstehen und sich erholen«, wiederhole ich in einem Mantra, das ich selbst dann noch auf den Lippen trage, als ich das Restaurant erreiche. Mein Arm reagiert wie automatisch, um die Tür zu öffnen. Drinnen hocken meine Eltern zusammen an ihrem Lieblingstisch, aber ich kann jetzt unmöglich mit ihnen reden.
»Iona, was ist denn los mit dir?«, ruft Mama entnervt. »So bleib doch hier!«
»Lass sie. Sie beruhigt sich schon wieder«, versucht mein Vater, Meonore zu beschwichtigen.
Ich eile zur Treppe und renne hinauf in mein Zimmer, um mich schwer atmend aufs Bett fallenzulassen.
Da ist ein dunkles Monster in meinem Kopf, dass fortwährend gegen mein Hirn hämmert. Es will einfach keine Ruhe geben, aber es sieht so eklig aus, dass ich es einfach nicht anschauen kann. Auch meinen Kopf unter dem Kissen zu verstecken, will nicht helfen.
Ich habe Lando doch nicht getötet, oder? Was wird dann aus Lida? Sie kann doch nichts dafür … Das ist alles meine Schuld …
Die innere Unruhe zwingt mich wieder auf die Füße. Ich tigere im Zimmer auf und ab, schaue aus dem Fenster, um noch eine weitere Runde zu drehen. Mein ganzer Leib ist in Aufruhr, findet keine Ruhe mehr.
Ich kann hier nicht bleiben, muss wieder raus …
So kehre ich in den Gastraum zurück, wo jetzt glücklicherweise niemand mehr sitzt, sodass ich mich unbemerkt hinausschleichen kann. Noch etwa einen Zykel dauert es, bis die Dämmerung hereinbricht. Aber das ist mir jetzt alles egal. Meine Beine treiben mich unaufhörlich vorwärts, erst in schnellem Schritt, dann beginne ich zu rennen.
Es darf nicht zu spät sein …
Mit stechenden Lungen erreiche ich keuchend die Nachtlichtergasse, verlangsame mein Tempo und schaue mich verunsichert nach allen Seiten um.
Ob er hier noch irgendwo steckt, um mir aufzulauern?