Sagenhafte Orte - Gerfrid Arnold - E-Book

Sagenhafte Orte E-Book

Gerfrid Arnold

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Beschreibung

Heimat wurzelt tief in ihren Sagenorten. Hier liegen 57 Sagen und Legenden von Hesselberg und Wassertrüdingen samt den 24 umliegenden Dörfern als Sammelband neuer Erzählungen vor. Sagen wollen geglaubt werden und ranken sich um einen wahren Kern. Ort und Zeit des Geschehens sind angegeben, in Spaziergängen kann man sie als "Sagenhafte Orte" aufspüren. Mit Quellenverzeichnis und schaurigen Schwarzweißbildern von Anette Reitsch.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Hinter der Teufelsmauer (Fränkischer Limes)

Der Reiter ohne Kopf (Altentrüdingen / Obermögersheim / Unterschwaningen)

Das Teufelsheer (Ammelbruch / Dühren)

Die Wunibaldsquelle (Aufkirchen: Wunibaldsquelle)

Der Hirsch am Scheunentor (Dambach: Kreuthof)

Serpentina (Hesselberg / Dinkelsbühl: Spital)

Der Kaufmannsfluch (Dinkelsbühl / Gelbe Bürg)

Die Entstehung von Dürrwangen (Dürrwangen / Schwaighausen: Zirkelkapelle)

Das Totengerippe (Dürrwangen / Hopfengarten)

Das feurige Männlein (Frankenhofen)

Der Löll (Großlellenfeld)

Die blanke Kehrseite (Großlellenfeld / Königshofen)

Die vergrabene Glocke (Großlellenfeld / Königshofen / Unterschwaningen)

Der verprügelte Markgraf (Grüb/Unterschwaningen)

Der Häselesberg – Vulkan und Wetterberg (Hesselberg)

Der fehlende Drudenstein (Hesselberg / Dillenberg)

Die Dud-Osel (Hesselberg)

Die Teufelsmauer (Hesselberg/ Limes von Mönchsroth bis Kleinlellenfeld)

Das Teufelsloch (Hesselberg: Gerolfinger Berg / Gerolfingen)

Der Schatz im Gottmannsloch (Hesselberg: Ehinger Berg)

Gottmannsloch und Osterwiese (Hesselberg: Ehinger Berg / Osterwiese)

Die Schlüsseljungfrau (Hesselberg: Ehinger Berg / Ehingen)

Die Schlangenjungfrau (Hesselberg: Ehinger Berg / Ehingen)

Der Schatz im Schlössleinsbuck (Hesselberg: Schlössleinsbuck / Lentersheim)

Der Schwarze Conrad (Hesselberg: Schlösssleinsbuck / Röckingen)

Die Gold-Gunhild (Hesselberg: Schlösssleinsbuck / Lentersheim)

Der bestrafte Bäckerlehrling (Hesselberg: Weißes Kreuz / Röckingen)

Der Berggeist (Hesselberg: Schlösssleinsbuck / Lentersheim)

Die drei Schlösslesbuckjungferle (Hesselberg: Schlösssleinsbuck / Röckingen: Himmelreich)

Das Schatzgeld (Hesselberg: Schlösssleinsbuck / Röckingen: Brändlein)

Der edle Hundetreiber (Hesselberg: Schlösssleinsbuck / Lentersheim)

Der grüne Dukatenbusch (Hesselberg: Schlösssleinsbuck / Lentersheim)

König Gustav Adolfs Frühstück (Hesselberg: Schwedenstein / Ehingen)

Das Wunderkreuz (Hesselberg)

Die Heilung Wolfkers (Obermögersheim / Monheim)

Zwei weiße Frauen (Obermögersheim: Schloss)

Das Nebelwunder (Obermögersheim / Dinkelsbühl)

Das Flussheiligtum (Ruffenhofen: St. Nikolauskirche)

Der geköpfte Schwede (Ruffenhofen: St. Nikolauskirche)

Das wütige Gejag (Untermichelbach: Limes)

Der Teufelsofen (Untermichelbach: Gelsmühle)

Das klopfende Totenmännlein (Unterschwaningen)

Die Widderköpfe von St. Veit (Veitsweiler: St. Veitskirche)

Die lahme Manswinda (Wassertrüdingen / Monheim)

Das Truhen-Ding (Wassertrüdingen: Schloss)

Die Trüdinger Krapfen (Wassertrüdingen: Schloss)

Der unterirdische Gang (Wassertrüdingen: Alte Volksschule / Auhausen)

Der Bleicher ohne Kopf (Wassertrüdingen: Bleichhaus / Dennenlohe)

Der kopflose Reiter (Wassertrüdingen: Baudenhard)

Der feurige Sonnwendmann (Wassertrüdingen: Schafhof / Lentersheim)

Die Russli (Wassertrüdingen / Weiltingen)

Die schöne Jungfer Wilia (Weiltingen: Schloss)

Die drei Fräulein vom Wasserschloss (Weiltingen: Gemeindewiese)

Wie der Adelbergwald an Weiltingen kam (Weiltingen: Adelbergwald / Veitsweiler: Klingenhof)

Die Bäume im Wörnitztal (Von Wilburgstetten bis Gerolfingen)

Von den Druden (Wittelshofen)

Der feurige Siebener (Wittelshofen / Ruffenhofen / Aufkirchen)

Zum Buch

Quellennachweis

Vorwort

Hier sitzt allenthalben die protestantische Nüchternheit dem farbigen Schmucke des Katholizismus auf dem Nacken, und diese Nüchternheit kündet sich auch in der größeren Armut an Legende, Sage und Märchen. So wurde für Mittelfranken generell in der Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern 1865 festgestellt. Für das Hesselbergland ist das nicht richtig. Variationsreich ist hier das ganze Spektrum der Sagenwelt überliefert: Geschichtliche Sage und Heldensage, Legende, Göttersage und Mythisches; es wird von Druiden, Jungfrauen- und Teufelsspuk, von Menschenopfern, Schlangen, Hunden und Schätzen fabuliert.

Vielmehr trifft eine zuvor gemachte Äußerung aus dem Jahr 1853 zu: Auf dem Gipfel des Hesselberges in Mittelfranken ist eine Osterwiese, […] wo Sagen, wie Funken in den Steinen schlummern. Und das gilt nicht nur für den als wundersam und unheimlich empfundenen Berg, sondern auch für das Umland.

(Fentsch, Eduard: Volkssage und Volksglaube in Mittelfranken. In: Bavaria. Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern, Band 3, München 1865, S. 902. – Colshorn, Theodor: Deutsche Mythologie fürs deutsche Volk. Hannover 1853, S. 304.)

1

Hinter der Teufelsmauer

Nach J. A. Döderlein, 1731

Fränkischer Limes

In der Gegend von Ehingen an dem Hesselberg wird es schlechthin die Mauer oder auf der Mauer genannt. Wer es angeleget und erbauet hat, ist noch gar wenig untersuchet.

Unter allen Namen aber ist dem gemeinen Volk keiner so bekannt und üblich als der Name Teufelsmauer.

Von dieser fürchterlichen Benennung mich zu vergewissern und die wahre Ursache zu erkunden, verfügte ich mich in die nächste Gegend, wo die Überbleibsel der Mauer noch besonders wahrzunehmen sind.

Als ich einen Bauersmann, welcher auf den Mauerresten arbeitete, antraf, fragte ich denselben, was doch der mit vielen Steinen zu beiden Seiten bestreute breite Rain sei oder bedeute.

Es zauderte selbiger lang eine Antwort zu geben. Doch als ich die Frag wiederholte, sprach er, diesen Rain oder verfallene Mauer habe der Böse, Gott behüte uns, der Satan, gemacht; und gehe die Mauer um die ganze Welt.

Womit er auf einmal still wurde; und mochte ich keine Rede weiters von ihm in dieser Sach erpressen.

Doch werden um die Teufelsmauer so viel Abenteuer und teuflische Gaukeleien verspüret und wahrgenommen, dass jedermann davon redet.

Denn wer weiß nicht, dass in verschiedenen Gegenden, wo man auf öffentlichen Straßen die Mauer oder vielmehr deren Überbleibsel passieret, Menschen und Vieh, zumalen nächtlicherweile, in Furcht und Schrecken geraten?

Desgleichen erzählt man, dass zu gewissen, zumalen heiligen Zeiten, zum öftern ein abscheuliches und sehr fürchterliches Jagdgetöse, bellende Hunde nebst einem grässlichen Geheul, Schreien und Rufen der Jäger und was sonsten bei hitzigen, zumalen Parforcejagden, vorzugehen pfleget, gehöret werde, welches bald nah, bald ferne zu sein erachtet wird.

Wie deswegen auch an einigen Orten zu erwähnten Zeiten, Stein und Ziegel von Back- und anderen Öfen unfern der Mauer pflegen abgehoben zu werden.

Es ist bestens bekannt, dass man gemeinhin die Orte und Stätte, wo Mord und Totschlag geschehen und Blut vergossen wurde – wie an und neben unserer Mauer gar oft geschehen – für schrecklich und gefährlich hält. Auch wohl deswegen, weil an solchen Orten der Satan gewöhnlich sehr geschäftig ist und gar gerne furchtsamen Gemütern mit seinen Gaukeleien zusetzet.

Was das Jagdgetös, welches man allgemein das Wütende Heer zu nennen pfleget, anbelanget, so leugne ich zwar solches nicht; dennoch folget auch daraus noch nicht, dass, weil unfern unserer Teufelsmauer ein solches wahrgenommen wurde – oder auch noch wird – , die Mauer selbst deswegen ihren Ursprung dem Satan zuzuschreiben habe.

2

Der Reiter ohne Kopf

Altentrüdingen / Obermögersheim / Unterschwaningen

Einst ging vom Römerkastell Ruffenhofen, das am Fuß des Hesselbergs liegt, eine Straße nach Altentrüdingen zum Lager Unterschwaningen. Von dort zog sie dann über den Ort Obermögersheim weiter zum Kastell Gnotzheim am Hahnenkamm.

Zwischen den beiden Dörfern Altentrüdingen und Obermögersheim geht es seit alten Zeiten nicht geheuer zu.

Wenn die Bauern zur Erntezeit draußen sind und nachts im Scheinwerferlicht des Traktors Mais häckseln oder ihre Äcker pflügen, müssen sie sich auf eine ungewöhnliche Erscheinung gefasst machen.

Urplötzlich taucht ein Reiter auf, der sich rabenschwarz gegen den sommerlichen Nachthimmel abhebt. In schnurgerader Linie jagt er über Wiesen und Felder, setzt über Bäche, Gräben und Raine hinweg, wo es weder Weg noch Steg gibt.

Er reitet ohne nach rechts und links zu blicken; denn er trägt den Kopf nicht auf seinen Schultern. Kommt man nahe genug an ihn heran, sieht man, dass er ihn unter dem Arm hält.

(Die Römerstraße zwischen Kastell Gnotzheim und dem kleinen Holzkastell Unterschwaningen wurde erst 1981 entdeckt.)

3

Das Teufelsheer

Ammelbruch / Dühren

Im Waldstück zwischen den beiden Dörfern Ammelbruch und Dühren macht die Teufelsmauer eine scharfe Ecke. Einst war dort ein Tordurchgang, wo heute nur ein schmaler Waldweg über die kaum sichtbaren Mauerreste hinweggeht.

Der Frischamichel aus Dühren, sonst ein kreuzbraver Bauersmann, saß am letzten Tag des Jahres 1900 im Wirtshaus von Ammelbruch.

Eigentlich wollte er rechtzeitig aufbrechen um mit seiner Frau das neue Jahr zu begrüßen. Aber bekanntlich gehen die Uhren im Wirtshaus später.

"Etz schau i aber, dass i ham komm!", sagte er schließlich und hatte es auf einmal mordseilig.

Die Silvesternacht war sternenlos und auch der Mond blieb hinter dichten Wolken verborgen. Ohne den hellen Schnee hätte pechschwarze Finsternis geherrscht.

Doch der Frischamichel kannte sich hier aus wie in seiner eigenen Hosentasche und verließ das Sträßlein, wo der Wald beginnt. Stattdessen nahm er den kürzeren Holzweg, der über das Teufelsmauereck zu seinem Hof führte.

Bei der Teufelsmauer blieb er stehen und lauschte: Eben begann die Dührener Kirchenuhr Mitternacht zu schlagen. Die Zeit zwischen dem alten und dem neuen Jahr stand still.

Da brach die Hölle los. Ein blendend heller Schein fuhr auf ihn zu, ein Rauschen und Brausen war in den Baumwipfeln zu hören, das lauter und lauter wurde und über ihn hinwegheulte. Auf der Mauer jagte ein schwarzes Ungeheuer mit glühendem Schweif daher, ein Höllenhund, und hinterdrein kamen allerlei gespenstische Wesen, schaurige Weiber und Mannsbilder aus reinem Feuer. Im Nu fegte der ganze Spuk ins Sulzachtal zur Gelsmühle hinunter.

Der letzte Glockenschlag war verklungen, es war Neujahr.

Der Frischamichel hatte sich geistesgegenwärtig auf den Boden geworfen und seine Hände und Füße im Schnee verkrallt. Das Blut stockte ihm in den Adern. Wenn ihm der Teufel bei seiner wilden Fahrt das Leben genommen hätte, es wäre kein einziges Tröpflein aus ihm herausgeflossen.

"Was war etz des?"

Mit brummenden Schädel rappelte er sich hoch und stolperte durch den Wald heimwärts. Nass geschwitzt und totenbleich erreichte er seinen Hof, hundeelend fühlte er sich, wie von derben Fäusten verbläut.

Von da an blieb der Frischamichel zu Silvester brav zu Hause – das Teufelsheer hat er nie wieder gesehen.

Aber sein Enkel im Dörflein Dühren, der diesen Geisterspuk weitererzählte, behauptete felsenfest, dass dies weder ein Märchen noch eine Sage sei, sondern sich alles genauso zugetragen habe.

(In Wahrheit ist die sogenannte Teufelsmauer die römische Grenzmauer, der Limes. Im "Dührener Eck" gab es einen Durchgang ins germanische Land und das Dörflein hat von dieser "Türe" wohl auch seinen Namen erhalten.)

4

Die Wunibaldsquelle

Aufkirchen: Wunibaldsquelle

Zwischen der ehemaligen Reichsstadt Aufkirchen und dem Rittersitz Reichenbach liegt eine große Erdbefestigung, die wohl römisch ist. Unterhalb von ihr entspringt ein kristallklares Wasser, die Wunibaldsquelle.

Ein Natursteinbrocken, den tausende Teufelsfinger durchziehen, ist dort als Gedenkstein aufgestellt.

Eilig rinnt das junge Nass hinab zur Wörnitz, während auf der anderen Uferseite der uralte Hesselberg in den Himmel wächst.

Auf seiner kahlen Höhe sollen die keltischen Druiden ihre heidnischen Feste mit Gesang und berauschenden Getränken gefeiert haben.

Später ließen sich die germanischen Alamannen im Hesselbergland nieder und entzündeten auf dem Berg ihre Opferfeuer, die weit in die Ferne loderten.

Für die Heiden war der Hesselberg seit eh und je ein heiliger Berg. In der Wörnitzniederung verehrten sie dagegen die Quelle als Sitz des Leben spendenden Wassergottes.

Als dann mit den Franken die christlichen Missionare ins Land kamen, erbaute der Heilige Wunibald im Jahr 752 das Kloster Heidenheim am Hahnenkamm, der damals noch unwegsam und dicht bewaldet war.

Von dort aus wanderte er zum Hesselberg um auch hier den Germanen das Christentum zu bringen. Die meisten von ihnen hingen freilich wie Pech und Schwefel an ihren alten Göttern.

"Ner nix nais!", sagten die hart gesottenen Schwaben zueinander.

Und die wenigen, die nicht am neuen Glauben zweifelten, warnten den Heiligen Wunibald: "Gang jo net aufn Berch nauf!"

Da seufzte der fromme Mann und bestimmte die schlichte Wiesenquelle am Fuß des Hesselbergs zum Taufplatz.

Hier versammelten sich die Gläubigen am Taufsonntag und Sankt Wunibald predigte vom Heiland, der stärker als alle heidnischen Götter zusammen sei, ja sogar den Tod überwunden habe.

Mit seinen bloßen Händen schöpfte er frisches Wasser aus dem Quell und ließ es sanft über die gebeugten fränkisch-schwäbischen Dickschädel rieseln.

Und wer sich aufrichtete, fühlte sich neu geboren und sah den heidnischen Opferberg mit anderen Augen an. Rasch verbreitete sich die frohe Botschaft von der Quelle des Sankt Wunibald im ganzen Land.

(Tatsächlich wird diese Quelle schon im Jahr 1053 in einer lateinisch geschriebenen Urkunde als "fons Sancti Wunebaldi" bezeichnet.)

5

Der Hirsch am Scheunentor

Dambach: Kreuthof

Das Sträßlein von Dambach nach Ehrenschwinden wird beim Kreutweiher von einer kurzen Lindenallee gesäumt – Linden wurden von unseren Vorfahren gerne an unheimlichen Plätzen als Schutzbäume gepflanzt. Bei Nebelwetter ragen die sieben und acht wirr bestockten Baumstümpfe gespenstisch in den Himmel.

Linker Hand stand früher ein Schafhof, der zum Markgrafenschloss Unterschwaningen gehörte. Es ist der Kreuthof, dessen alter Name Mummengereuth oder Ammengereuth im Volk längst vergessen ist.

Auf der anderen Seite des Kreutweihers dehnte sich einmal das Römerkastell Dambach aus, von dem eine Straße zum Lager Unterschwaningen führte und über das große Kastell Gnotzheim und die Gelbe Bürg weiter zum römischen Provinzzentrum Weißenburg ging. In den endlosen Wäldern war dies auch noch im Mittelalter ein bedeutender Weg.