San Francisco in Flammen - Jörg Kastner - E-Book

San Francisco in Flammen E-Book

Jörg Kastner

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Beschreibung

Folge 20 von Jörg Kastners großer Auswanderersaga »Amerika – Abenteuer in der Neuen Welt«: Schüsse peitschen durch Chinatown, das Chinesenviertel von San Francisco. Der »Hai von Frisco« hat seine Männer ausgesandt, um gegen Jacob Adler und die Königin von Chinatown vorzugehen. Die Weißen setzen nicht nur ihre Schusswaffen gegen die Chinesen ein, sie legen auch Brände in ganz Chinatown. Schnell fangen die Holzhäuser Feuer, und ein Straßenzug nach dem anderen steht in Flammen. Jacob Adler und die Königin von Chinatown fliehen durch eine Feuerhölle, die bald auch die anderen Stadtteile bedroht. Während die freiwilligen Feuerwehrkompanien mit aller Kraft versuchen, das Feuer zu löschen, müssen Jacob und seine schöne Begleiterin um ihr Leben bangen. Jörg Kastners große »Amerika«-Saga begleitet die beiden Auswanderer Jacob Adler und Irene Sommer in die Neue Welt. Mit ihnen suchen zahllose Menschen – Verarmte, Verbitterte, Verfemte – eine neue Heimat jenseits des Atlantiks. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten warten auf die Auswanderer viele unbekannte Gefahren: Naturkatastrophen, wilde Tiere, Banditen und Indianer. Zudem tobt in Amerika ein erbarmungslos geführter Bürgerkrieg. Doch trotz aller Bedrohungen durchqueren Jacob und Irene den riesigen Kontinent und begegnen dabei so manch berühmter Persönlichkeit. Jede Mühsal und jedes Abenteuer nehmen die beiden auf sich für ihre neue Heimat – Amerika.

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Seitenzahl: 136

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Jörg Kastner

San Francisco in Flammen

Folge 20 der großen SagaAmerika – Abenteuer in der Neuen Welt

Roman

Was davor geschah

Als der junge Zimmermann Jacob Adler nach dreijähriger Wanderschaft in seinen Heimatort Elbstedt zurückkehrt, ist dort nichts mehr wie vorher. Seine Mutter ist tot, der Vater und die Geschwister sind angeblich nach Amerika ausgewandert, und seine Verlobte ist mit dem Bierbrauersohn Bertram Arning verheiratet. Von Arning fälschlicherweise des Mordversuchs beschuldigt, verlässt Jacob seine Heimat und schifft sich nach Amerika ein, um nach seiner Familie zu suchen. Aber auch in der Neuen Welt lauern Gefahren auf Jacob und seine Reisebekanntschaft Irene Sommer, die dort den Vater ihres kleinen Sohns Jamie zu finden hofft. Jacob, der Irene insgeheim liebt, begleitet sie auf dem Weg nach Kalifornien, wo sich der von ihr gesuchte Carl Dilger aufhalten soll. In San Francisco entführt der mysteriöse »Hai von Frisco« Irene und verfolgt Jacob bis nach Chinatown, das die Männer des Hais rücksichtslos in Brand stecken.

Kapitel 1 Kampf in Chinatown

Die Flammenspeere der Mündungsfeuer zuckten durch die Nacht. Die Schüsse und die Schreie Getroffener hallten durch den Teil Chinatowns, in dem Sun Chengs Wäscherei lag. Von allen Seiten stürmten die wild um sich schießenden Männer auf das von einer mehr als mannshohen Mauer umgebene Gelände der Wäscherei. Es waren grobschlächtige Weiße, bewaffnet mit Revolvern und Karabinern.

Die chinesischen Verteidiger wehrten sich mit allem, was ihnen zur Verfügung stand, manchmal nur mit bloßen Händen. Andere benutzten Waffen, die in den Augen eines Weißen eher skurril erscheinen mochten. Darunter lange Stangen, die wie Besenstiele aussahen. Der Chinese nannte eine solche Stange Bo. Und in seinen geübten Händen wurde sie zu einer gefährlichen Waffe. Umso gefährlicher, je mehr ein Weißer sie unterschätzte.

Einer der Angreifer, ein dünnlippiger Kerl mit einem großkalibrigen Revolver in der Faust, lächelte abschätzig über den klein gewachsenen Chinesen mit der langen Stange, der sich ihm in den Weg stellte. Seelenruhig, den Mund zu einem bösen Grinsen der Vorfreude verzogen, richtete der Weiße die Mündung seiner Waffe auf den Gegner und zog mit dem schmutzigen Daumen ganz langsam den Hahn zurück. Doch als der Hahn mit metallischem Klicken einrastete, stand der Chinese nicht mehr an seinem ursprünglichen Platz.

Mit einer fast gespenstischen Gewandtheit bewegte sich der Asiate halb in den Rücken des Revolverschützen. Dieser konnte noch herumwirbeln. Aber da traf die Spitze des Bos auch schon den schwarzen Lauf und riss die Waffe aus der Faust des Weißen.

Der Schuss löste sich, als der Revolver auf dem Boden aufschlug. Die Kugel klatschte gegen die Hofmauer und richtete keinen weiteren Schaden an.

Der Weiße hatte sich noch nicht von seiner Überraschung erholt. Er starrte auf die schmerzende Faust. Da traf der Chinese schon wieder. Diesmal krachte der Bo auf den Schädel des Angreifers.

Die speckige Schirmmütze flog in den Schmutz. Dann brach der Mann selbst zusammen und sank mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Knie. Ein dritter Stockhieb gegen den Adamsapfel löschte das Leben des Weißen aus. Er fiel seitlich zu Boden und war bereits erstickt, als sein Oberkörper hinschlug.

Aber der Chinese konnte sich nicht lange seines Sieges freuen. Ein anderer Weißer legte den kurzläufigen Karabiner an, zielte kaum und sandte eine tödliche Kugel, die den blauen Kittel des Asiaten durchdrang und direkt in sein Herz fuhr. Als der Getroffene schon am Boden lag, hielt er den Bo noch hoch. Es sah aus, als wolle er selbst im Tod den Kampf fortsetzen.

»Fahr zur Hölle, Schlitzauge!«, schrie der vollbärtige Mann mit dem Karabiner in den Kampflärm und wollte die Waffe zum Nachladen senken.

Da nahm er aus dem Augenwinkel eine rasche Bewegung zu seiner Rechten wahr. Instinktiv wirbelte er herum und riss schützend seine Waffe hoch. Das rettete ihm das Leben. Der Schlag einer anderen gefährlichen Waffe, die den Weißen wenig sinnvoll erscheinen mochte, den Chinesen dafür umso mehr, hätte sonst seinen Kopf getroffen.

Jetzt prallte der unterarmlange Holzstab nur gegen den Karabinerlauf. Der Stab war durch eine kleine Kette mit einem zweiten, in Länge und Schwere identischen Stab verbunden, den ein Chinese in der Rechten hielt. Diese Waffe hieß Nunchaku. Man sprach von ihr auch als von den acht Buchstaben, die wehtun.

Der Chinese riss seine Waffe zurück, um einen zweiten Angriff durchzuführen. Dazu wollte es der untersetzte Vollbart nicht kommen lassen. Er packte den Karabiner vorn am Lauf, schwang ihn wie eine Keule und stürmte unter lautem Gebrüll auf den Asiaten zu.

Wieder einmal unterschätzte ein Weißer die Wendigkeit eines Chinesen. Dieser wich dem Ansturm aus, ließ den Vollbärtigen ins Leere laufen und sandte ihm einen Schlag mit dem Nunchaku nach. Er traf in den Nacken des Feindes und brachte diesen aus dem Gleichgewicht. Der Weiße stolperte und fiel mit einem lauten Stöhnen hin.

Der Gestürzte rollte sich geistesgegenwärtig auf den Rücken und sah so, wie der Chinese auf ihn zusprang. Ein Stab des Nunchakus kreiste mit gefährlicher Schnelligkeit über dem schwarzhaarigen Kopf des Asiaten. Das verlieh dem Holzstab eine solche Wucht, dass der Schlag einen menschlichen Schädel zertrümmern konnte.

Die Rechte des Weißen umklammerte noch den Karabinerlauf. Mehr instinktiv als in durchdachter Abwehr riss der am Boden liegende Mann die zweckentfremde Schusswaffe hoch. Noch einmal gelang es ihm auf diese Weise, den Nunchaku-Schlag abzublocken. Ein letztes Mal.

Der Karabiner wurde aus seiner Hand gerissen. Mit solcher Wucht, dass der Schmerz seiner Hand durch den ganzen Arm bis zur Schulter hinauf fuhr. Der Arm fühlte sich an wie gelähmt.

In den schmalen Augen des Chinesen blitzte Triumph auf, als der Asiate die Wehrlosigkeit seines Gegners erkannte. Mit Ausnahme der Augen blieb das gelblich braune Gesicht ungerührt, zeigte weder Wut noch Hass. Es war nur Ausdruck der Konzentration, die der Mann auf die Handhabung seiner Waffe verwendete.

Wieder kreiste die Kette mit einem der Stöcke über dem Kopf des Chinesen. Der Mann am Boden wollte sich zur Seite rollen, um dem vernichtenden Schlag zu entgehen. Aber er war viel zu langsam. Schon flogen Kette und Stock auf ihn zu.

Unwillkürlich schloss der Weiße die Augen vor dem Verhängnis. Aber der erwartete Schlag, der seinen Schädelknochen zersplittern ließ, blieb aus. Als der Vollbärtige zwinkernd die Augen öffnete, kniete der Chinese neben ihm am Boden und presste beide Hände gegen den blutüberströmten Kopf.

Hinter ihm stand ein Weißer mit einem langläufigen Revolver, der auf den Chinesen zeigte. Der Weiße schoss, und von dem Kopf des Chinesen blieb wenig übrig. Sein Blut besudelte Stiefel und Hose des am Boden liegenden Mannes.

»So geht man mit den Schlitzaugen um, Charley«, grinste der Mann mit dem Revolver.

Der bullige, gedrungene Weiße hieß Al Winkler und wurde wegen seiner Körperform und seiner baumstammartigen Arme und Beine Eichen-Al genannt.

»Du darfst mit diesen hinterhältigen Ratten gar nicht lange fackeln«, fuhr Eichen-Al fort. »Man traut es ihnen nicht zu, aber sie haben ‘ne Menge übler Tricks auf Lager.«

»Das habe ich gemerkt«, stöhnte Charley Wagner, der noch immer den Schmerz in seinem rechten Arm spürte.

Wenigstens verschwand die Lähmung allmählich. Er konnte schon wieder, wenn auch nur mit erheblicher Anstrengung, die Finger krümmen.

Charley Wagner streckte die gesunde Linke aus und ächzte: »Hilf mir hoch, Al!«

Eichen-Al tat dem anderen den Gefallen und brummte: »Wie wär’s mit einem Dankeswort, Charley. Immerhin habe ich eben dein Leben gerettet.«

»Vielleicht kann ich mich heute noch revanchieren«, meinte Wagner und bückte sich nach seinem Karabiner. »Noch ist die Schlacht nicht geschlagen.«

Um sie herum tobte der wilde Kampf. Aber allmählich zeichnete sich der Sieg der Angreifer – der Weißen – ab. Immer weiter wurden die Chinesen zum Haus zurückgedrängt.

Das geschah nicht unbedingt, weil sie mit ihren nur auf den ersten Blick primitiv anmutenden Waffen den Weißen mit ihren Feuerwaffen unterlegen waren.

Die Hauptgründe für den Rückzug der Verteidiger waren die Übermacht der Angreifer und der auf ihrer Seite stehende Vorteil der Überraschung. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel waren die Weißen über Sun Chengs Wäscherei hergefallen.

»Ihnen nach!«, schrie ein kleiner, rattengesichtiger Mann. Es war Louis Bremer, der Anführer der Angreifer. Er zeigte zu dem verwinkelten, mit vielen Anbauten und kleinen Balkons versehenen Gebäude. »Gönnt den Langzöpfen keine Verschnaufpause!«, befahl der kleine Mann, der seinen sechsläufigen Pepperbox-Revolver in der Rechten hielt. »Stürmt das Haus!«

Schon drangen die ersten Weißen in das Gebäude ein. Bremer auch. Aber der Anführer achtete darauf, dass sich ein paar seiner Männer vor ihm befanden. Schließlich wollte er nicht einer der heimtückischen Waffen zum Opfer fallen, mit denen diese verfluchten Schlitzaugen sich zur Wehr setzten.

*

Jacob Adlers Gedanken überstürzten sich, waren ein Chaos wie das unfassbare Geschehen, das der junge Auswanderer und die beiden anderen Menschen durch das einzige Fenster des großen Raums beobachteten.

Dort unten tobte der hemmungslose Kampf Mann gegen Mann.

Weiße gegen Chinesen.

Feuerwaffen gegen Holzstangen oder bloße Fäuste.

Die Menschen an der Seite des hünenhaften Deutschen waren ein bärtiger Mann und eine junge Chinesin.

Der Mann hieß Elihu Brown. Jacob hatte den massigen Harpunier auf dem Walfänger LUCIFER kennengelernt und schnell Freundschaft mit ihm geschlossen.

Was diese Freundschaft wert war, bewies Elihu durch sein Angebot, dem Deutschen bei der Suche nach Irene Sommer und ihrem kleinen Sohn Jamie zu helfen. Die Frau und das Kind, deren Begleitung und Schutz Jacob übernommen hatte, waren von dem geheimnisvollen Mann verschleppt worden, dessen Identität niemand zu kennen schien und den alle nur furchtsam den Hai von Frisco nannten.

Die Bekanntschaft der neben ihm stehenden Frau hatte Jacob erst vor wenigen Minuten gemacht. Sie hieß Susu Wang, aber wie sie eben gesagt hatte, nannte man sie auch die Königin von Chinatown.

Wer sie war und weshalb sie Jacob und Elihu aus der Gewalt des Hais befreit hatte, interessierte den Auswanderer natürlich brennend. Er wusste nur, dass sie Unterstützung im Kampf gegen den Hai suchte. Doch bevor er die bildhübsche Chinesin nach Einzelheiten fragen konnte, hatten die schwer bewaffneten Weißen die Wäscherei in Chinatown angegriffen, in die Jacob und sein Freund auf Susu Wangs Geheiß gebracht worden waren.

Die Chinesin selbst hatte gesagt, die Angreifer seien die Männer des Hais, die ihr gefolgt wären. Oder waren sie in Wahrheit Jacob und Elihu auf der Spur?

Letztlich blieb es sich gleich. Wichtig war nur, dass ihr Erscheinen in Sun Chengs Wäscherei alles andere als ein Höflichkeitsbesuch war. Die Männer, die dort unten auf dem Hof, verwundet oder tot, zusammenbrachen, bewiesen es auf grausame Weise.

»Kommen Sie endlich!«, wiederholte Susu Wang ihre Aufforderung. »Wir müssen verschwinden!«

»Das Girl hat recht!«, knurrte der Harpunier und zog den Revolver, der einem der beiden Männer gehört hatte, die im Auftrag Louis Bremers auf Jacob und Elihu aufpassen sollten. »Es gibt nur eine Tür. Wenn die Kerle erst mal hier oben sind, sitzen wir in der Falle wie ein Pottwal in einer engen Bucht.«

Alle drei liefen zur Tür. Auch Jacob hatte seine erbeutete Waffe zur Hand genommen, einen Allen & Wheelock Seitenhammer-Revolver. Fast hätte er auf den Mann geschossen, der die Treppe heraufgestürmt kam.

Der Deutsche hatte den seitlich angebrachten Hahn bereits zurückgezogen, da erkannte er den graubärtigen Chinesen. Es war Sun Cheng, der Besitzer der Wäscherei, der Jacob und Elihu empfangen und bewirtet hatte.

Die maskenhafte Unerschütterlichkeit war aus dem faltigen Gesicht des alten Mannes gewichen. Besorgt glitt sein Blick über die drei Menschen und blieb auf der Frau haften. »Du und deine Begleiter seid in Gefahr, Shu-hsien!«

Die schlanke, ungewöhnlich große Chinesin nickte dem Alten knapp und mit ernster Miene zu. »Wir haben es gehört und gesehen, Sun Cheng.«

»Leider waren wir nicht auf den Überfall vorbereitet«, sagte der Wäschereibesitzer. »Wir wurden überrascht. Und wir sind nicht zahlreich genug, die Männer des Hais zurückzuschlagen. Meine Leute tun alles, was in ihren Kräften steht – aber sie werden es nicht schaffen. Ihr müsst fliehen, solange noch Zeit ist!«

»Sind die Angreifer nicht schon im Haus?«, fragte Jacob.

»Doch«, bestätigte der Alte. »Aber der Weg durch die Wäscherei ist noch frei – hoffe ich. Folgt mir!«

Mit einer für sein Alter erstaunlichen Behändigkeit lief Sun Cheng die Treppe hinunter. Susu Wang, Jacob und Elihu folgten ihm. Die Wäscherei war von dichten, die Sicht einschränkenden Dämpfen erfüllt. Dafür hörten die vier Menschen beim Betreten des großen Arbeitsraums die Schreie und Schüsse umso lauter.

Sun Chengs Hoffnung hatte sich nicht erfüllt. Zeitgleich drangen die Angreifer durch einen anderen Eingang in die Waschküche ein.

Schüsse fauchten durch den Raum. Kugeln klatschten irgendwo gegen Wände oder Waschkessel und jaulten als Querschläger davon. Eine pfiff so dicht an Jacob vorbei, dass er ihren Luftzug spürte.

Dann tauchte ein Gesicht aus den Dampfschwaden auf. Ein unrasiertes, knochiges Gesicht. Jacob erkannte den Mann. Er hieß Ed und war einer der beiden Wächter, die den Deutschen und Elihu im Lagerschuppen am Golden Crown bewacht hatten.

Ed riss einen Karabiner hoch und legte auf Jacob an. Aber der Auswanderer war schneller und jagte kurz hintereinander zwei Kugeln aus dem Lauf seines Allen & Wheelock.

Der Mann namens Ed brüllte vor Schmerz auf und sackte zusammen. Mehr sah Jacob nicht von ihm. Die wilde Flucht zwischen Kesseln und Wäschemangeln hindurch ließ ihm keine Zeit.

»Hierher!«, rief Sun Cheng, der an einer Wand stand und sich dort zu schaffen machte.

Was er tat, konnte Jacob nicht erkennen. Dort schien es nichts Wichtiges zu geben. Nur ein riesiges Holzgestell, das bis an die Decke reichte. Große Laken hingen dort zum Trocknen.

Als der Auswanderer das Gestell erreichte, schwenkte es plötzlich ein Stück zur Seite. Weit genug, um einen Menschen durchzulassen.

»Ein verborgener Ausgang«, erklärte der alte Chinese. »Schnell, hindurch.«

Jacob, Elihu und Susu Wang zwängten sich an ihm vorbei in den dunklen Gang.

»Was ist mit dir?«, fragte die Chinesin den Alten. »Kommst du nicht mit?«

Der Wäschereibesitzer schüttelte den Kopf. »Ich kann meine Leute nicht im Stich lassen. Und auch nicht Fei-yen.« Sun Cheng blickte suchend, gehetzt in den wabernden Dunst der Waschküche. »Ich muss sie finden. Ich weiß nicht, wo sie steckt.«

»Wer ist Fei-yen?«, fragte Jacob.

»Das Mädchen, das euch das Essen aufgetragen hat«, antwortete der alte Mann.

Susu Wang fügte hinzu: »Sie ist Sun Chengs Enkelin.«

»Geht jetzt!«, drängte der Graubärtige. »Geht zu Reverend Hume. Er wird euch aufnehmen. Außerhalb von Chinatown ist es jetzt am sichersten für euch. Der Hai wird alle Mittel einsetzen, euch hier zu finden.«

»Ein guter Vorschlag«, fand Susu Wang.

Sun Cheng drückte auf einen in der Wand verborgenen Schalter, und das mit dicken, großen Laken behangene Wandgestell verschloss den Durchgang wieder.

Der Gang umhüllte die Chinesin und ihre beiden weißen Begleiter mit Dunkelheit und verbarg sie vor den Augen der Männer, die Sun Chengs Haus mit Waffengewalt stürmten.

»Vorwärts!«, rief Susu Wang im Flüsterton.

Jacob tastete sich als Erster durch den Gang, der so niedrig war, dass sich der groß gewachsene Deutsche gehörig bücken musste. Außerdem war er so eng, dass nicht zwei Menschen nebeneinander Platz fanden. Also folgte Elihu Brown dem Freund, und die Chinesin bildete den Schluss der kleinen Gruppe.

Obwohl es stockdunkel war, war die Richtung keine Frage: Es gab nur eine. Der junge Zimmermann spürte einen beständig stärker werdenden Luftzug an seinem Gesicht. Das musste der Ausgang sein, dem sie sich näherten.

Er bog um eine Ecke und sah einen hellen Schimmer. Schließlich stieß er gegen Äste und Blattwerk. Gesträuch tarnte den Durchgang von draußen.

»Ziemlich eng«, stöhnte Jacob, als er sich hindurchzwängte. Es war nur ein kleines Loch, durch das er kriechen musste.

»Der Fluchtweg ist für meine Landsleute gebaut«, erklärte Susu Wang. »Chinesen sind nicht so groß und breitschultrig wie Sie, Mr. Adler.«

»Wohl wahr«, stöhnte Jacob, der nicht mehr vor und nicht mehr zurück konnte. »Verflucht, ich stecke fest!«

»Warte, Jake, ich schiebe!«

Das war Elihu. Schon packte der Harpunier Jacobs Beine und schob mit seinen Bärenkräften, bis der Deutsche durch das Loch rutschte.

Über sich sah er den Sternenhimmel. Ganz nah ertönte der Kampflärm. Jacob rappelte sich auf. Er stand unter einem efeubekränzten Torbogen in einer schmalen Einfahrt zu Sun Chengs Grundstück.

Da erschien auch schon Elihu. Sein Haar- und Bartgestrüpp war mit Blättern übersät, als er aus dem Busch kroch.

Obwohl der Harpunier eine massigere Gestalt hatte als der Auswanderer, hatte Elihu nicht solche Schwierigkeiten gehabt, ins Freie zu gelangen. Jacobs Durchbruch hatte das Loch ausreichend vergrößert.

Zuletzt gelangte die Chinesin ins Freie. Kaum hatte sie den Durchgang verlassen, kam sie mit katzenhafter Gewandtheit auf die Füße und zeigte zu der nahen Straße.

»Wir müssen uns nach rechts halten, um zu Reverend Hume zu gelangen.«

»Wer ist dieser Reverend?«, fragte Elihu.