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Jörg Kastner

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Beschreibung

Die dunkle Vision des jungen Jesuitenbruders Paul Kadrell wird Wirklichkeit: Kadrells früherer Lehrer, Pater Sorelli, wurde ermordet, seine Stirn trägt blutig die Zahl des Teufels: 666. Als bald darauf ein ähnlich grausam zugerichtetes Opfer gefunden wird, schließt Kadrell sich der ermittelnden Kommissarin Claudia Bianchi an. Die beiden folgen der Spur eines Manuskriptes, das ein Vorbote des Todes zu sein scheint und stoßen auf ein jahrhundertealtes Geheimnis – und den Schlüssel zu Pauls wahrer Identität.

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Jörg Kastner

Teufelszahl

Roman

Für Andrea und Roman Hocke auf dem Außenposten Rom. Zum Dank für herzliche Gastfreundschaft, funkensprühendes Brainstorming und findiges Einschleusen in die vatikanischen Katakomben. Und für meine Frau Corinna in der Heimatbasis Hannover. Zum Dank für große Geduld und ein aufmerksames Auge. JK

»Wer Verstand hat, der überlege die Zahl des Tieres, denn es ist eines Menschen Zahl, und seine Zahl ist sechshundertsechsundsechzig.« (Aus der Offenbarung des Johannes)

Prolog

Rom, Gianicolo

Rom lag ihm zu Füßen, nicht so laut und hektisch wie bei Tag, aber auch in dieser regnerischen Nacht nicht ruhend und schon gar nicht schlafend. Wie ein riesiges Tier, dem ein alter Fluch oder ein ständiger Schmerz den Schlaf verwehrte. Das gepeinigte Tier blinzelte aus unzähligen erleuchteten Fenstern, und die Motorengeräusche und das Hupen der Autos erschienen ihm wie Klagelaute.

Mitternacht war lange vorüber, aber das Tier Rom kam ebenso wenig zur Ruhe wie die Menschen, die da unten ihre nächtlichen Vergnügungen suchten: Tanz, Musik, Gelächter, Küsse, Umarmungen, Kopulation – ein ewiger Reigen der Nichtigkeiten, nur dazu da, die Menschen von sich selbst abzulenken, von Geist und Seele. Sorelli empfand Mitleid, aber auch Verachtung. Mitleid, weil sie das Menschsein opferten, um wie Tiere von einem Reiz zum nächsten zu jagen. Jedem von ihnen hatte der Schöpfer das höchste Gut mitgegeben, den Verstand – die Möglichkeit, die Welt zu erkennen und auf sie einzuwirken. Sie aber machten davon keinen Gebrauch, sondern ließen sich verleiten von billigen Fernsehshows und riesigen Einkaufstempeln, von Industrien und Marketingstrategen, die ihnen vormachten, mit Geld könnten sie das Glück kaufen. Doch die Menschen verkauften nur sich selbst, und das aus freiem Willen. Deshalb war Sorellis Verachtung genauso groß wie sein Mitleid, vielleicht sogar größer.

Er gab sich einen Ruck und wandte sich ab von der Stadt am Tiber, in der die Menschen seit Jahrtausenden ihr Heil suchten und Unheil fanden. Hier oben auf dem Gianicolo fühlte er sich fern von den alltäglichen Nichtigkeiten, erhaben über die Menschen und das, was sie antrieb. Konnte es in Rom für eine solche Empfindung einen geeigneteren Ort geben als den bewaldeten Hügel, der sich am rechten Tiberufer entlang zog, von der Vatikanstadt bis zum alten Stadtteil Trastevere? Der Gianicolo hatte eine Sonderstellung inne. Er gehörte nicht zu den sieben Hügeln der Stadt, obwohl er doch mitten in ihr lag, nur einen Steinwurf entfernt vom Vatikan, dem Zentrum der Christenheit. Janiculum lautete der antike Name des Hügels. Dass er nach dem geheimnisvollen Gott Janus benannt war, erschien Sorelli mehr als passend. Der Gott mit den zwei Gesichtern symbolisierte für ihn die Stadt Rom ebenso wie die ganze Welt: den blendenden äußeren Schein und das, was sich dahinter verbarg. Das, was die meisten Menschen nicht wussten und, aus Bequemlichkeit oder auch aus Furcht, nicht wissen wollten. Aber er, Renato Sorelli, wusste es.

Er wusste um die Veränderungen, die der Welt bevorstanden, und um die Gefahren, die damit verbunden waren. Denn er selbst spielte darin eine zentrale Rolle. Und ihm war klar, dass er sich mit seinen Plänen viele Feinde machte. So mochte es leichtsinnig sein, dass er zu dieser nächtlichen Stunde ganz allein auf den Gianicolo gestiegen war, nur auf einen Anruf hin. Aber die Stimme am Telefon hatte alle Bedenken beiseite gewischt: »Reno, ich brauche deine Hilfe, dringend. Komm, bitte komm zu San Pietro in Montorio! Ich erwarte dich dort zur dritten Stunde nach Mitternacht. Und sag niemandem etwas davon, bitte!«

Ein kurzes, trockenes Knacken in der Leitung, und die Verbindung war unterbrochen gewesen. Danach hatte Sorelli minutenlang reglos auf seinem Stuhl gesessen. Er hatte geglaubt, nichts könne ihn mehr erschüttern, jedenfalls nichts, das von einem Menschen ausging. Der Anruf hatte ihn eines Besseren belehrt. Nach so vielen Jahren diese Stimme zu hören, darauf war er nicht vorbereitet gewesen. Er hatte sich gefühlt, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen und ihn in ein sehr tiefes Loch gestürzt, zurück in die Vergangenheit. Obwohl viele Jahre vergangen waren und die Stimme unbestreitbar älter geworden war, hatte er sie beim ersten Wort erkannt – bei der Koseform seines Namens: Reno. Schon lange nannte ihn niemand mehr so.

Vergebens hatte er zu ergründen versucht, was hinter dem Anruf steckte. Hatte die Stimme ängstlich geklungen? Vielleicht. Auf jeden Fall war sie erregt gewesen. Neugierig und besorgt zugleich hatte Sorelli beschlossen, der Bitte nachzukommen, auch um dessentwillen, was einmal gewesen war.

Der Wind frischte auf und trieb ihm den feinen Regen ins Gesicht, während er die Via Giuseppe Garibaldi entlangging, ohne die Büsten italienischer Patrioten, die hier tagein, tagaus Spalier standen, auch nur eines Blickes zu würdigen. Vorgestern noch hatte eine für die Jahreszeit ungewöhnlich starke Sonne auf Rom herabgestrahlt, gestern aber war es schlagartig um ungefähr zehn Grad kälter geworden, und seitdem regnete es ununterbrochen. Das Wetter schlug in letzter Zeit viele solcher Kapriolen. Die Konservativen unter den Römern schoben das auf den »verrückten März«, der ihnen, was das Wetter betraf, seit jeher als unzuverlässigster aller Monate galt. Die Aufgeklärteren dagegen – oder zumindest die, die sich dafür hielten – orakelten vom Klimawandel und der Katastrophe, die der Welt deshalb drohen sollte. Sorelli lächelte dünn bei dem Gedanken an schmelzende Polkappen oder eine neue Eiszeit. Die Menschen wussten wahrlich nichts von den wirklich bedeutenden Dingen auf dieser Welt.

Er schlug den Kragen hoch und schob die Hände in die Manteltaschen, wobei seine Rechte auf kühles Metall stieß. Im Lichtkegel einer Straßenlaterne blieb er stehen und zog die Goldkette hervor, um sie nachdenklich zu betrachten. Vor dem Anruf hatte er sie fast vergessen gehabt. Nach dem Telefonat, als seine Gedanken um die Vergangenheit kreisten, hatte er die verschlossene Schublade geöffnet, in der er seine wenigen persönlichen Habseligkeiten aufbewahrte. Warum er die Kette aufgehoben hatte, vermochte er nicht zu sagen. War er sentimental?

Sein Daumen glitt über den winzigen Mechanismus, der den herzförmigen Anhänger aufschnappen ließ. Die beiden Porträts im Innern waren Farbaufnahmen, aber so ausgebleicht, dass sie fast wie Schwarzweißbilder aussahen. Und das, obwohl der Anhänger kaum je geöffnet worden war. Es schien, als hätte die Zeit selbst dafür gesorgt, dass die Fotos ebenso alterten wie die Menschen, die auf ihnen zu sehen waren. Das Bildnis des Dorian Gray gibt es nur im Roman, dachte Sorelli in einer seltenen Gefühlsaufwallung, einer Mischung aus Bitterkeit und Wehmut.

Der Mann, Sorelli, hatte auf dem Foto noch dunkles, volles Haar, und seine Züge waren schärfer, wenn sie auch jetzt, da er weit über sechzig war, immer noch asketisch wirkten. Das zweite Foto zeigte eine blonde Frau mit einer neugierigen Stupsnase im hübschen, etwas naiv anmutenden Gesicht. So vertrauensvoll wie auf dem Bild hatte sie immer ausgesehen, einfach deshalb, weil es ihrer Natur entsprach. Fast bedauerte Sorelli, was er ihr angetan hatte.

Abrupt klappte er den Anhänger zu und verstaute die Kette wieder in der Manteltasche. Nein, er war nicht sentimental, schon lange nicht mehr. Nicht deshalb war er mitten in der Nacht auf den Gianicolo gestiegen, sondern weil er sich Klarheit verschaffen wollte. Es mochte harmlose Gründe für den Anruf geben, aber vielleicht war er auch ein Alarmsignal. In wenigen Minuten würde er es wissen. Er setzte seinen Weg fort, und bald tauchte vor ihm San Pietro in Montorio auf, die Kirche des heiligen Petrus. Sie war im Mittelalter an dieser Stelle errichtet worden, weil einer Legende zufolge Petrus hier am Kreuz gestorben war. Eine von vielen Legenden, die mit der römischen Geschichte und dem christlichen Glauben verwoben waren. Niemand hätte sie alle aufzählen oder gar Wahres von Erfundenem unterscheiden können. Auch Sorelli nicht, obwohl er so viel mehr wusste als die meisten anderen. So viel mehr und doch nicht genug, dachte er, während er langsam auf die Kirche zutrat, die von mehreren Laternen beleuchtet wurde. Von dem mittelalterlichen Bauwerk war nicht viel übriggeblieben, nachdem San Pietro in Montorio im fünfzehnten Jahrhundert stark verändert worden war. Die einfachen Formen der Antike, die man damals bevorzugt hatte, prägten die Fassade bis heute.

Aber Sorelli war nicht gekommen, um sich mit den Architekturvorstellungen der Renaissance zu beschäftigen. Er suchte nicht nach Erbauung durch die klare Schönheit der Kirchenfassade, sondern nach einem Menschen, nach einer Frau aus seiner Vergangenheit. Sie würde zu dieser Nachtstunde doch nicht in der Kirche auf ihn warten? Er schüttelte bedächtig den Kopf. Das Gebäude musste schon seit Stunden geschlossen sein.

»Ich bin hier«, klang es leise zu ihm herüber, ein Flüstern, im stetigen Prasseln des Regens kaum zu hören.

War das eine menschliche Stimme gewesen, ein Trugbild seiner überreizten Sinne, ein geisterhafter Ruf aus der Vergangenheit?

Es war nicht von der Kirche her gekommen, sondern aus seinem Rücken. Er drehte sich um und bemühte sich, jenseits der Straße zwischen den Bäumen, die ihre noch kahlen Arme in den Himmel reckten, als müssten sie das finstere Dach der Nacht abstützen, etwas zu erkennen.

»Hier bin ich.«

Das Flüstern war ebenso leise wie zuvor. Aber jetzt bemerkte Sorelli eine Gestalt, die halb hinter einem großen Baum hervorgetreten war und eine Hand auf Schulterhöhe bewegte. Er sah die Gestalt nur schemenhaft, und doch war ihm klar, dass sie ihn zu sich winkte. Zögernd folgte er der Aufforderung, und als er die asphaltierte Straße verließ, sog der aufgeweichte Boden bei jedem Schritt schmatzend an seinen Schuhsohlen.

Noch immer stand die Gestalt halb hinter dem Baum, und Sorelli konnte sie nicht erkennen. Der Baum, die Dunkelheit und ein tief ins Gesicht seines Gegenübers gezogenes Kopftuch ließen es nicht zu. Gebannt starrte er auf die dunklen Umrisse, wagte kaum zu blinzeln. Er fürchtete, das Wesen vor ihm könnte von einer Sekunde zur anderen verschwunden sein wie ein Spuk, der sich am Ende der Geisterstunde in Luft auflöst.

Aber das da vor ihm war kein Geist, das hämmerte er sich ein. Es war ein Mensch, es musste einer sein!

Keine zehn Meter trennten ihn mehr von dem Baum, da blieb er stehen und fragte: »Maria?«

Während er vergebens auf eine Antwort wartete, brach der Mond zwischen den Wolken hervor und warf seinen fahlen Schein auf das Wesen, das ihn erwartete. Eine Woge des Zweifels und der Furcht stieg in ihm auf. Furcht, wie er sie schon lange nicht mehr empfunden hatte. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, und seine Hände begannen zu zittern. Groß und kräftig, mit breiten Schultern – das war nicht Maria, es gab nicht die geringste Ähnlichkeit.

Eine Falle!, schoss es ihm durch den Kopf. Es ist doch eine Falle!

Wie war das möglich? Er hatte ihre Stimme am Telefon zweifelsfrei erkannt. Aber dieses Wissen änderte nichts an dem, was seine Augen untrüglich feststellten: Das da vor ihm war nicht Maria!

Während diese Gedanken noch durch sein Gehirn wirbelten, machte er kehrt und begann zu laufen, zurück zur Straße! Laut, beinahe wütend schmatzte es unter seinen Sohlen, aber er schenkte dem keinerlei Beachtung.

Weg hier! Nur weg!

Der Unbekannte folgte ihm. Sorelli brauchte sich nicht umzudrehen, um es zu wissen. Er hörte ihn, wusste, dass der andere – oder das andere?– hinter ihm war.

Endlich erreichte er die Straße und wandte sich nach rechts, um den Hügel hinunterzulaufen. Jetzt fand er es nicht mehr angenehm, den Menschen, die das nächtliche Rom bevölkerten, so fern zu sein. Im Gegenteil, er musste so schnell wie möglich in die Nähe anderer Menschen gelangen, nur so konnte er sich retten. Er rannte, so schnell er nur konnte.

Als junger Mann war er ein recht guter Läufer gewesen, aber das war lange her. Viele Jahrzehnte am Schreibtisch lagen dazwischen. Schon nach wenigen Schritten spürte er brennende Stiche in der Seite und bereute, dass er in den vergangenen Jahren seinen Körper nicht so trainiert hatte wie seinen Verstand. Die Schritte hinter ihm kamen näher. Sein Verfolger war höchstwahrscheinlich jünger, auf jeden Fall aber schneller als er.

Und wenn es kein menschliches Wesen war? War dann nicht jeder Versuch davonzulaufen zwecklos?

So durfte er nicht denken, nicht jetzt! Er musste einen kühlen Kopf bewahren, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. So wie die, in welche Richtung er floh. Schon bedauerte er, zurück zur Straße gelaufen zu sein. Hier konnte der Verfolger seine Schnelligkeit voll ausspielen. Im Unterholz hätte Sorelli ihm eher entkommen können.

Vielleicht ist es noch nicht zu spät!

Er schlug einen Haken nach rechts und verließ die Straße, tauchte zwischen den Bäumen ein. Neue Hoffnung keimte in ihm auf. Hier konnte er sich mit etwas Glück verstecken.

Dann packte etwas, wie eine Hand, die aus dem Boden geschossen kam, seinen rechten Fuß. Eine halbkreisförmig aufragende Baumwurzel, die er in seiner Hast und in der Dunkelheit, die alle Umrisse miteinander verschmelzen ließ, übersehen hatte. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte, sein Kopf schlug hart gegen die rissige Borke eines Baumstamms. Der jähe Schmerz in seinem Schädel rief Übelkeit und Benommenheit hervor. Er kämpfte dagegen an, durfte jetzt nicht erlahmen. Jede Sekunde zählte!

Seine Hände umfassten den Baumstamm, und ächzend zog er sich hoch. Er stand noch nicht ganz aufrecht, da peinigte ihn ein weiterer, noch viel heftigerer Schmerz, diesmal im rechten Fuß. Als würde er von glühenden Nadeln durchbohrt. Verrenkt oder verstaucht, aber darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen. Humpelnd setzte er seine Flucht fort, und bei jedem Schritt trieb der verletzte Fuß ihm neue Schweißperlen auf die Stirn.

Wo war sein Verfolger? Sorelli hielt einen Augenblick inne, stützte sich am feuchten Stamm einer Pinie ab und blickte sich um. Er sah nur die Bäume und Sträucher ringsumher, hörte nur das Prasseln des Regens und sein eigenes stoßweises Keuchen. Sein Herz raste. Hatte er den anderen tatsächlich abgehängt?

Er überlegte, was jetzt am besten zu tun war. In einer Manteltasche steckte sein Handy, vielleicht sollte er Hilfe rufen. Aber der Verfolger mochte noch in der Nähe sein und nach ihm suchen. Wenn Sorelli das Handy benutzte, hörte der andere ihn womöglich.

War es also das Beste, hier zu warten, bis er sicher sein konnte, dass der Unbekannte die Suche nach ihm aufgegeben hatte? Falls der ihm aber noch auf den Fersen war, spürte er Sorelli möglicherweise hier auf. Deshalb entschied er sich, seinen Weg fortzusetzen, aber langsam, um jedes verräterische Geräusch zu vermeiden und um seinen schmerzenden Fuß zu schonen.

Auf dem Boden lag ein langer Ast, der in einer Gabel auslief und als behelfsmäßige Krücke taugen mochte. Sorelli bückte sich danach. Er hatte sich noch nicht ganz wieder aufgerichtet, als ihn jemand, einem Raubtier gleich, aus der Dunkelheit ansprang.

Jemand oder etwas, dachte er, während er das Gleichgewicht verlor und rücklings auf den matschigen Boden fiel. Der Aufprall war trotz des Schlamms so hart, dass ihm für zwei, drei Sekunden die Luft wegblieb. Er spürte die Feuchtigkeit, die durch seine Hose an die Beine drang; vermutlich war er von Kopf bis Fuß mit Dreck verschmiert. Aber das alles war bedeutungslos angesichts der dunklen Gestalt, die sich rittlings auf ihn hockte und ihn am Aufstehen hinderte.

Noch immer trug der Unbekannte das Kopftuch, das ihn aus einiger Entfernung wie eine Frau hatte aussehen lassen und das jetzt sein Gesicht beschattete. Aber die schwere, hochgewachsene Gestalt war die eines Mannes, da war Sorelli sicher.

»Wer bist du?«, fragte er mit kratziger Stimme. »Was willst du von mir?«

Der Fremde antwortete nicht, sondern zog etwas unter seinem weiten Mantel hervor, etwas Helles, das selbst in dem schwachen Nachtlicht schimmerte.

Ein großer Dolch!

Der Unbekannte hielt ihn mit behandschuhten Händen über Sorellis Brust, die Spitze zielte auf das Herz.

Sorelli wusste, dass er sterben würde, und bei dieser Erkenntnis wurde er plötzlich ganz ruhig. Sein Schicksal war unabänderlich, also fügte er sich. Stimmte es, dass im Augenblick des Todes das Leben noch einmal an einem vorbeizog? Oder entsprang der Umstand, dass er vor seinem geistigen Auge Maria sah, einfach nur dem Bedürfnis, die letzten Sekunden mit dem Gedanken an etwas Schönes zu verbringen, an etwas, das in seinem Leben nur kurz – vielleicht viel zu kurz – eine Rolle gespielt hatte?

Er sah Maria so vor sich, wie er sie vor vielen Jahren gekannt hatte, als junge Frau, die ihn ein wenig schüchtern anlächelte. Und er lächelte zurück, während der Dolch auf ihn niederfuhr.

Erster Tag

1

Österreich, Mondsee

Paul Kadrell schreckte aus dem Schlaf hoch, als noch nicht der geringste Lichtschimmer durch das kleine Fenster über seinem Bett fiel. Er hatte einen schlimmen Traum gehabt, wie so oft in letzter Zeit, und war froh, als er zu sich kam. Obwohl es kühl war im Zimmer, klebte das Oberteil seines Pyjamas an ihm, nass vor Schweiß.

Angstschweiß.

Er war noch müde und fühlte sich vollkommen zerschlagen, aber er widerstand der Versuchung weiterzuschlafen. Zu groß war seine Furcht, der Traum könnte zurückkehren – der Traum von Renato Sorelli. Darin war Sorelli verängstigt durch einen düsteren Wald gelaufen, und Sorellis Angst war auch Pauls Angst gewesen. Noch jetzt spürte Paul sein Herz heftig klopfen, als sei er tatsächlich geflohen vor …

Ja, vor was eigentlich?

Paul war sich nicht sicher, was – oder wer – Sorelli gejagt hatte. Im Traum hatte er nicht mehr gesehen als einen dunklen Schemen, ein nicht greifbares Wesen mit unklaren Umrissen. Wie etwas Übernatürliches, das sich dem menschlichen Fassungsvermögen entzog. Eine Kreatur aus dem Jenseits, aus der Hölle vielleicht, Gestalt gewordene Angst, und doch nicht zu fassen.

Oder konnte er sich nur nicht mehr richtig an den Traum erinnern? Verbarg sein Unterbewusstsein etwas Schreckliches vor ihm, um seinen Verstand zu schützen?

Mit fahrigen Bewegungen knipste er die Nachttischlampe an und griff nach dem kleinen Plastikwecker. Noch nicht einmal fünf Uhr. Normalerweise hätte er noch mehr als eine halbe Stunde geschlafen. Heute nicht.

Er stellte den Wecker zurück, nahm das gerahmte Foto vom Nachttisch und sah lange auf das Bild, das drei Jahrzehnte zuvor aufgenommen worden war. Es zeigte einen schlanken, dunkelhaarigen Mann in den Dreißigern und einen etwa zehnjährigen Jungen mit hellem, krausem Haar, einen Fußball unter den rechten Arm geklemmt. Beide blickten in die Kamera, der Junge leicht zweifelnd, der Mann zufrieden.

Das Bild ähnelte tausend anderen Aufnahmen von Vater und Sohn. Doch die beiden waren nicht Vater und Sohn, jedenfalls waren sie nicht blutsverwandt. Dennoch war Renato Sorelli immer wie ein Vater für Paul gewesen, schon damals, als auf dem Sportplatz des Waisenhauses das Foto aufgenommen worden war. Paul erinnerte sich daran, als wäre es gestern gewesen. Im Spiel gegen die Jungs vom Internat hatte er das entscheidende Tor geschossen, und seine Kameraden hatten ihn mit nicht enden wollenden Hochrufen gefeiert. Wichtiger aber waren ihm Sorellis Schulterklopfen und seine anerkennenden Worte gewesen. Noch heute spürte er die Wärme, die ihn damals durchströmt hatte, das Gefühl von Geborgenheit.

Sorgsam stellte er das Foto, das Pater Giacomo Anfuso, der Leiter des Waisenhauses, geknipst hatte, zurück und schwang sich aus dem Bett. An der gegenüberliegenden Wand hingen ein Ölbild und ein hölzernes Kruzifix. Das Bild zeigte einen bärtigen Mann, dessen scharfe Gesichtszüge denen von Sorelli ähnelten: Ignatius von Loyola, Gründer des Jesuitenordens. Paul kniete vor dem Kruzifix nieder und faltete die Hände zum Morgengebet. Es wurde ein langes, inniges Zwiegespräch mit Gott, in dem Paul den Allmächtigen um Schutz und Beistand für Sorelli bat.

Hinterher fragte er sich, ob das wirklich nötig war. Er hatte doch nur geträumt. In letzter Zeit träumte er häufiger von Sorelli, und fast jedes Mal schwebte sein väterlicher Freund in Gefahr. Aber noch nie war der Traum so lebhaft gewesen wie in der zurückliegenden Nacht. Die Angst, die Sorelli im Traum befiel, hatte Paul gespürt wie einen körperlichen Schmerz. Und dann das Ende des Traums: Sorelli lag am Boden, und dieses dunkle Wesen kauerte auf ihm, hielt einen länglichen Gegenstand über ihn. Ein Messer oder einen Dolch. Voller Entsetzen erinnerte Paul sich daran.

Dann war er aufgewacht, Gott sei Dank!

Gewaschen, rasiert und angezogen, trat er vor die Tür, als im Waisenhaus noch alles schlief. Ein frischer Wind wehte ihm entgegen, doch Paul empfand die Morgenkälte als belebend. Mit einem blassroten Schimmer stach die Sonne durch den Morgendunst und suchte sich ihren Weg zwischen den Wolken, die über die imposanten Berge und Hügel rings um den Mondsee zogen. Paul sah hinunter zum See, dessen Oberfläche sich unter dem Wind leicht kräuselte und das erste Sonnenlicht reflektierte. Bei dem Anblick war er dankbar für das frühe Erwachen. Nichts versetzte ihn so sehr in Hochstimmung wie ein anbrechender Tag. Ein Tag voller neuer Chancen und Möglichkeiten.

Es freute ihn zu sehen, wie sich das Waisenhaus »Nicolás Bobadilla«, von ihm maßgeblich mit ins Leben gerufen, entwickelt hatte. Selbst ein Waisenkind, konnte er auf diese Weise das, was die Jesuiten ihm Gutes getan hatten, an andere Kinder weitergeben. Das Gebäude war ursprünglich ein Hotel gewesen, allerdings kein einträgliches. Die meisten Touristen, die in diesen Teil Oberösterreichs kamen, suchten ihr Freizeitvergnügen am viel bekannteren Wolfgangsee oder am riesigen Attersee. Was für die Hoteliers und Gastwirte am Mondsee Pech war, hatte sich für Pauls Projekt als Glücksfall herausgestellt. Er hatte das ehemalige Hotel mit Hilfe von Spenden günstig erworben, und jetzt lebten hier fast einhundertzwanzig Waisen.

Hinter ihm war blechernes Klappern zu hören. Es kam aus der Küche – das Waisenhaus erwachte. Plötzlich spürte Paul seinen Hunger, und das Verlangen nach dampfendem Kaffee ergriff von ihm Besitz.

Eine halbe Stunde später, als er mit den Erziehern, den übrigen Mitarbeitern und den Kindern beim Frühstück saß, fiel ihm auf, dass am Nachbartisch ein Stuhl leer blieb. Der Platz von Nico Spielmann.

Der Junge hatte seine Eltern auf ähnliche Weise verloren wie Paul: bei einem Autounfall. Lange Zeit war Nico sehr verschlossen gewesen und hatte fast gar nicht gesprochen. Paul hatte sich intensiv um ihn gekümmert, lange Spaziergänge mit ihm unternommen und ihm viel von seinem Empfinden zu jener Zeit erzählt, als er selbst als Waisenkind aufgewachsen war. Nach und nach war Nico aufgetaut, und Paul war mehr als froh darüber. Er fühlte sich fast wie ein Vater, der sein krankes Kind auf den Weg der Besserung gebracht hat. Und war er das nicht auch, ein Vater? Für all diese Kinder hier?

Er fragte die Kinder am Nachbartisch nach Nico, aber alle schauten betreten weg.

»Was ist mit Nico?«, hakte er nach. »Ist er krank?« Wieder keine Antwort. »Wer ist der Älteste von Nicos Zimmer?«

»Ich«, murmelte der rothaarige Tobias Mosner und blickte Paul verschämt an.

»Also, Tobias, was ist mit deinem Zimmergenossen?«

»Er ist …«, stammelte der Junge. »Er hat sich … verkrochen.«

»Verkrochen? Warum? Oder sollte ich fragen: Vor wem?«

»Die anderen«, begann Tobias, biss sich dann aber auf die Zunge und verstummte.

»Ja?«

»Sie haben ihn aufgezogen.«

Paul seufzte angesichts des langwierigen Verhörs. »Womit haben sie Nico aufgezogen?«

»Damit, dass er immer zu Ihnen läuft. Sie haben Nico gesagt, dass Sie nicht sein Vater sind und dass er sich nicht einbilden soll, jemals wieder einen Vater zu haben.« Tobias blickte unverwandt auf seinen Teller. Vielleicht schämte er sich, weil er selbst zu den »anderen« gehörte. Paul verließ den Speiseraum und suchte Nicos Zimmer auf. Zwei Hochbetten standen in dem Raum, der, wie alle anderen Zimmer auch, freundlich und bunt eingerichtet war. Paul legte großen Wert darauf, dass die Kinder sich wohl fühlten. An den Wänden hingen das verkleinerte Plakat eines Harry-Potter-Films und Poster von Popstars, fast selbst noch Kinder, deren Namen ihm kein Begriff waren. Aber wo steckte Nico?

Er lag nicht in seinem Bett, und Paul glaubte schon, das Zimmer sei leer. Doch dann entdeckte er zwei kleine Füße in dunkelblauen Hausschuhen, die hinter dem grün gestrichenen Kleiderschrank hervorlugten. Er trat näher und klopfte mit den Fingerknöcheln leicht gegen die Schranktür.

»Jemand zu Hause? Du kannst ruhig hervorkommen, Nico, ich habe dich entdeckt.«

Es raschelte in dem Raum zwischen dem Schrank und einem der Betten, und dann schob Nico seinen schmalen Kopf mit den dunklen Locken und den großen blauen Augen hervor. Die geröteten Lider verrieten Paul, dass der Junge vor kurzem geweint hatte. Er beschloss, ihn nicht darauf anzusprechen. Jungen reagierten auf so etwas empfindlich, Paul wusste das aus eigener Erfahrung.

»Was tust du da, Nico? Hast du nicht gehört, dass zum Frühstück gerufen wurde?«

»Ich habe keinen Hunger«, antwortete der Junge, ohne eine Miene zu verziehen.

»Ich auch nicht«, behauptete Paul.

Nicos Kopf ruckte interessiert ein paar Zentimeter nach oben. »Warum nicht?«

»Weil ich mir Sorgen um dich gemacht habe. Wie kann ich da hungrig sein?«

»Sorgen? Um mich? Warum?«

»Du bist nicht zum Frühstück erschienen. Da dachte ich mir, vielleicht bist du krank. Deshalb bin ich nachsehen gekommen. Hast du da in der Ecke etwas gesucht?«

»Hm? Ach ja, ist aber nicht so wichtig.« Nico erhob sich und blickte zu Paul auf. »Warum haben Sie sich gerade um mich gesorgt, Bruder Kadrell? Hier leben doch so viele Jungs, um die Sie sich kümmern müssen.«

»Jeder Einzelne zählt.« Paul sah ihm tief in die Augen. »Und du ganz besonders!«

»Aber wieso?«

»Vielleicht, weil ich früher auch so war wie du.« Paul streckte eine Hand nach ihm aus. »Kommst du mit? Allmählich krieg ich doch Hunger.«

Nico legte seine kleine Hand in Pauls, blieb aber noch stehen. »Ich möchte Sie etwas fragen, Bruder Kadrell.«

»Dann frag!«

»Werden Sie immer da sein, wenn … wenn ich Sie brauche?«

Paul nickte. »Das verspreche ich dir, Nico!«

Der Junge entspannte sich und lächelte, als er Hand in Hand mit Paul zum Speiseraum ging.

Dort kam ihnen Bruder Robert, Pauls Stellvertreter, entgegengelaufen. »Ein dringendes Telefonat für dich, Paul. Aus Rom.«

Robert Baumert, wie Paul ein Jesuitenbruder, hatte das Projekt fast von Anfang an begleitet und war der beste Stellvertreter, den er sich vorstellen konnte. Robert war ein Mathematikgenie, der Umgang mit Zahlen machte ihm einfach Spaß. Er kümmerte sich um die Buchhaltung und hatte doch stets, wie auch Paul, ein offenes Ohr für die Anliegen der Kinder wie auch der Mitarbeiter.

»Wer …«

Paul konnte die Frage nicht vollenden, so schnell sagte Robert: »Pater David Fincher. Er sagt, es ist eilig.«

Wenn David Fincher zu solch früher Stunde anrief, musste es wirklich dringend sein. Fincher, ein Amerikaner irischer Abstammung, war der Sekretär des Generaloberen und damit einer der einflussreichsten Männer in der Gesellschaft Jesu, wie der Jesuitenorden eigentlich hieß. Paul kannte ihn noch aus seiner Zeit in Rom.

Ein ungutes Gefühl beschlich ihn, und er dachte unwillkürlich an seinen Albtraum. Mit einem freundlichen Nicken schickte er Nico zu seinem Platz, um anschließend, gefolgt von Robert, in sein Büro zu eilen, wo der Hörer neben dem großen Apparat lag, der Telefon, Fax und Scanner in sich vereinigte und mit dem Paul sogar E-Mails hätte verschicken können, falls es ihm gelungen wäre, die dafür erforderlichen Tastenkombinationen zu entschlüsseln. »Ja?«, meldete er sich und stellte fest, dass er sich nervös anhörte.

»Bruder Kadrell?«, fragte Fincher mit seiner typischen Reibeisenstimme.

»Am Apparat, Pater Fincher.«

Der sonst so forsche Fincher wirkte plötzlich zögerlich. »Ich habe schlechte Nachrichten für Sie, Bruder Kadrell. Es geht um Pater Sorelli. Er … er ist in der vergangenen Nacht verstorben.«

Paul fühlte sich wie von einem Vorschlaghammer getroffen. Schwindel packte ihn, und unter ihm schien der Boden zu wackeln. Robert begriff, wie mitgenommen er war, und stützte ihn am Unterarm. Paul ließ sich auf den schwarzen Bürostuhl sinken und atmete tief durch.

»Sind Sie noch dran, Bruder Kadrell?«, fragte Fincher.

»Ja«, antwortete Paul leise und fragte dann, mit lauterer Stimme: »Ist Pater Sorelli ermordet worden?«

Jetzt war es an Fincher, überrascht zu sein. Paul entnahm es dem kurzen, abgehackten Laut, den der Mann am anderen Ende der Leitung ausstieß. Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis Fincher weitersprach: »Ja, er ist ermordet worden. Aber woher, beim heiligen Ignatius, wissen Sie das, Bruder Kadrell?«

2

Rom, Gianicolo

Schon nach den ersten Schritten jenseits der asphaltierten Straße waren ihre braunen Lederstiefel, gestern erst geputzt, von Schlammspritzern übersät. Claudia Bianchi stieß ein unwilliges Knurren aus und blieb stehen, um die Beine ihrer Stretchjeans hochzuziehen. Wenigstens die Hose sollte sauber bleiben. Mitten in der Bewegung hielt sie inne, amüsiert und betroffen zugleich angesichts der Unangemessenheit ihres Verhaltens. Irgendwo vor ihr zwischen den Bäumen lag ein Toter, ein Mordopfer, und sie regte sich auf über ein bisschen Schmutz!

Während sie ihren Weg fortsetzte, fragte sie sich, ob die Jahre bei der Polizei sie abgestumpft hatten. War ein Toter für sie nichts Besonderes mehr? Doch. Als sie, noch nicht ganz wach, den Anruf vom Polizeipräsidium erhalten hatte, war sie von einer seltsamen Erregung ergriffen worden, einer Mischung aus Neugier und Erschrecken. Wie immer, wenn sie mit den Ermittlungen in einem Mordfall betraut wurde. Wer anderen Menschen das höchste Gut nahm, das Leben, durfte nicht ungestraft davonkommen. Die Jagd nach dem Mörder war ihr ein inneres Bedürfnis, und zugleich packte sie jedes Mal ein unheilvolles Gefühl, das Entsetzen darüber, was Menschen einander anzutun imstande waren. Ein Rätsel, das sie wohl niemals würde lösen können.

Zwischen den noch kaum belaubten Bäumen sah sie Carabinieri und einige Personen in Zivil, darunter auch Aldo Rossi. Claudia zwang sich, ihren Widerwillen gegen ein Zusammentreffen mit dem schlanken, dunkelhaarigen Mann zu verbergen. Sie würden diesen Fall gemeinsam bearbeiten, wie alle anderen Fälle auch, und das Private durfte dabei keine Rolle spielen. So sollte es zumindest sein. Als er Claudia bemerkte, begrüßte er sie mit einem strahlenden Lächeln, ganz so, als sei nichts zwischen ihnen vorgefallen. Es hätte nur noch gefehlt, dass er ihr zur Begrüßung einen Kuss gegeben hätte.

»Guten Morgen, Claudia. Gut siehst du aus.«

Ihr war der Blick, mit dem er ihren Körper taxierte, nicht entgangen. Sie blieb sachlich.

»Guten Morgen, Aldo. Wer ist der Tote?«

Aldos Lächeln verflog, und sein Blick ging unwillkürlich in die Richtung, in der jenseits des Gianicolos der kleinste und zugleich religiöseste Staat der Welt lag.

»Jemand aus dem Vatikan?«, entfuhr es Claudia. »Ein Geistlicher?«

Aldo nickte und trat zur Seite, sodass Claudia die Leiche sehen konnte. Der vom Kopf bis zu den Füßen mit Schmutz besudelte Mann war groß und musste früher, als er schlanker gewesen war, sehr gut ausgesehen haben. Sie stellte ihn sich mit einem schmaleren Gesicht vor und mit vollen, dunklen Haaren, und dieses geistige Phantombild bestärkte sie in ihrer Annahme. Er lag rücklings auf dem Boden, den der nächtliche Regen aufgeweicht hatte. Unter dem Kragen des dunklen Mantels schimmerte der weiße Römerkragen eines Klerikers hervor. Getötet worden war er mit einer Stichwaffe, einem ungewöhnlich anmutenden Dolch, der noch links in seiner Brust steckte.

All das erfasste Claudia mit der Routine jahrelanger Berufserfahrung wie ein Computer, der mit Fakten gefüttert wird, aber ihr Blick kehrte immer wieder zu dem Gesicht des Toten zurück. Sie wusste nicht, wie viele Leichen sie schon gesehen hatte, und sie hatte sie auch nie zählen wollen. Aber sie wusste genau, dass keiner sie je so erschreckt hatte wie dieser. Das Gesicht des Ermordeten war auf eine perfide, entsetzliche Weise faszinierend.

Im Moment des Todes war sein Mund zu einem Lächeln erstarrt. Sie redete sich ein, dass dieses Lächeln nur durch einen Reflex entstanden war, durch ein Zucken der Muskeln im Todeskampf. Aber je länger sie den Leichnam ansah, desto echter erschien ihr das Lächeln, zufrieden, geradezu selig.

So ein Lächeln konnte sie sich bei jemandem vorstellen, der nach einem erfüllten Leben friedlich, mit sich und der Welt im Reinen, im Bett starb. Aber dieser Priester – oder was immer er gewesen war – lag hier mit einem Dolch im Herzen!

Das unheimliche Lächeln war nicht alles, was sie beim Anblick des Toten bewegte. Auf seiner Stirn prangte groß eine blutige Zahl, wie frisch ins Fleisch geschnitten, eine Zahl, die aus drei gleichen Ziffern bestand: 666.

»Das ist mal eine Leiche, was?«, seufzte Aldo und strich eine dunkle Locke aus seiner Stirn. »Richtig geheimnisvoll, wie aus einem englischen Krimi.«

Ohne auf seinen Ton einzugehen, fragte Claudia: »Wieso lächelt er? Er ist doch, wenn ich den aufgewühlten Boden richtig deute, vor seinem Mörder davongerannt. Das heißt, dieser Mann hatte Angst, Todesangst. Da stirbt man nicht mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen.«

Pietro Monelli, der Leiter der Spurensicherung, fühlte sich angesprochen. Bisher hatte er neben dem Toten gekniet und ihn vorsichtig untersucht, ohne von Claudias Erscheinen Notiz zu nehmen. Jetzt wandte er ihr sein bärtiges Gesicht zu und sagte: »So ungewöhnlich ist der Gesichtsausdruck auch wieder nicht. In Wahrheit ist es gar kein Lächeln, sondern nur ein Ergebnis seines Todeskampfes. Ein zufälliger Ausdruck, der uns bloß wie ein Lächeln erscheint.«

»Vielleicht«, sagte Claudia leise. »Aber er sieht so – so selig aus.«

»Pietro hat recht, der Eindruck täuscht«, sagte Monellis Assistentin, die junge Marisa Corridoni.

Ihr Blick verweilte nur kurz bei Claudia und wanderte weiter zu Aldo. Die ein wenig füllige Kriminaltechnikerin betrachtete ihn mit sichtlichem Wohlgefallen. Das hatte sie mit den meisten Frauen gemeinsam, die Aldo begegneten, dachte Claudia, sie selbst eingeschlossen. Erinnerungen an die glücklichen Momente, die sie mit Aldo erlebt hatte, stiegen in ihr hoch und machten sie traurig und wütend zugleich. Wütend auf Aldo und auf sich selbst. Sie legte den Kopf in den Nacken und sog die frische Morgenluft ein. Sie musste unbedingt einen klaren Kopf haben, durfte es nicht zulassen, dass ihr bei der Arbeit Gefühle in die Quere kamen.

»Wann ist der Mann gestorben?«, fragte sie, als sie in Gedanken wieder ganz bei dem Toten war.

Monelli brauchte keinen Augenblick zu überlegen. »Die Totenstarre ist noch nicht stark ausgeprägt, wobei natürlich die kühlen Nachttemperaturen zu berücksichtigen sind. Zieht man dazu dann noch die Körpertemperatur in Betracht, würde ich von ungefähr fünf bis sechs Stunden ausgehen. Näheres wird die Rechtsmedizin sagen können.«

»Also ist der Tod gegen zwei oder drei Uhr morgens eingetreten«, stellte Claudia fest. »Was hat ein Geistlicher um diese Zeit hier oben zu suchen?«

Monelli zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat er sich hier oben Gott näher gefühlt.«

»Gott oder dem Teufel«, erwiderte Claudia nachdenklich und starrte auf die Stirn des Toten.

»Wieso dem Teufel?«, fragte Monelli.

»Wegen der Zahl da.«

»666?«, meldete Aldo sich zu Wort. »Das ist, soviel ich weiß, ein Symbol von Satanisten. Diese Zahl bezeichnet in der Bibel das Böse oder den Teufel, wenn ich mich nicht irre.«

»Du irrst dich nicht«, sagte Claudia. »Die Zahl steht in der Offenbarung des Johannes und bezeichnet den Antichristen.«

Aldo grinste. »Ich sehe schon, eine Erziehung im christlichen Waisenhaus hinterlässt Spuren. Bleibt die Frage, wieso der Mörder einen Jesuiten mit der Zahl des Antichristen verunstaltet. Ist er ein durchgeknallter Satanist?«

»Der Ermordete war Jesuit?«, fragte Claudia. »Also hatte er seine Papiere dabei?«

»Das nicht. Aber der Mann, der die Leiche beim Joggen entdeckt hat, ist selbst Jesuit und hat ihn gleich erkannt.« Aldo zog seinen Notizblock aus einer Tasche seiner schwarzen Lederjacke und schlug ihn auf. »Der Tote heißt Renato Sorelli und soll ein hohes Tier im Vatikan gewesen sein. Eine Art Sonderbeauftragter des Heiligen Stuhls.«

»Sonderbeauftragter für was?«

»Keine Ahnung, Claudia. Ich habe nicht mit dem Mann gesprochen, der ihn gefunden hat. Die Carabinieri haben seine Aussage und seine Personalien aufgenommen und ihn dann gehen lassen.«

»Dann ist im Vatikan vermutlich schon bekannt, was hier geschehen ist«, murmelte Claudia, mehr zu sich selbst.

»Vermutlich, ja. Ist das wichtig?«

Ohne auf Aldos Frage einzugehen, wandte sie sich an Monelli: »Womit ist die Zahl in die Stirn des Toten geschnitten worden? Mit dem Dolch da?«

»Die 666 wurde dem Mann erst nach seinem Tod beigebracht, würde ich sagen, ohne der Obduktion vorgreifen zu wollen. Und ganz sicher nicht mit diesem seltsamen Dolch.«

»Woher weißt du das so genau?«

»Weil sie nicht in die Stirn geschnitten, sondern gebrannt wurde.«

»Gebrannt?«, wiederholte Claudia ungläubig.

»Du hast doch sicher schon mal in einem Western gesehen, wie Cowboys den Rindern ein Brandzeichen verpassen.« Monellis Rechte, die in einem weißen Plastikhandschuh steckte, deutete auf die Stirn des Toten. »So ähnlich kannst du dir das hier auch vorstellen.«

Es war wirklich lange her, dass Claudia einen Western gesehen hatte, aber die von Monelli beschworene Szene stand ihr deutlich vor Augen. Sie sah Cowboys, die unter Aufbietung aller Kräfte ein Rind auf den Boden pressten. Einer der Männer zog das Brandeisen aus dem Feuer und drückte dem Tier das glutheiße Zeichen ins Fleisch. Sie meinte, das hässliche Zischen zu hören, den Schmerzensschrei des Tieres, und augenblicklich hatte sie den ekelerregenden Gestank verbrannten Fleisches in der Nase.

»Der Mörder hat ein Brandeisen benutzt?«, fragte sie, halb fassungslos, halb angewidert. »Wie hat er das hier erhitzt?«

»Nein, ein Brandeisen wohl nicht.« Monellis Zeigefinger zeichnete auf der kalten Stirn der Leiche die dreifache Sechs nach. »Ich tippe auf eine batteriebetriebene Lötpistole oder ein Heißschneidegerät, einen Styropor- oder Hartschaumschneider. Der passt in jede Tasche und lässt sich leicht erhitzen.«

Aldo schüttelte sich. »Warum so ein Aufwand? Wollte der Mörder vielleicht ein Zeichen hinterlassen, eine Art Signatur?«

»Vielleicht«, sagte Claudia und dachte an die Offenbarung des Johannes. »Ein Zeichen oder eine Warnung.«

3

Rom, Trastevere

Das alte Radio auf dem Kühlschrank gab sich Mühe, das Röhren und Fauchen des Föns zu übertönen, das aus dem Badezimmer quoll und wie eine Schalllawine die ganze Wohnung überrollte. Antonia Merino spitzte die Ohren, es war einer ihren alten Lieblingssongs: Rod Stewart mit Baby Jane. Caterina stellte den Fön eine Stufe höher und degradierte Rod Stewarts kehlig-raue Stimme zu einem undefinierbaren Geräuschbrei.

»Banausin!«, rief Antonia in Richtung Bad und lächelte nachsichtig.

Natürlich hatte Caterina sie nicht gehört, und selbst wenn, so hätte sie über das Lied, zu dem ihre Mutter vor mehr als zwanzig Jahren in der Disco getanzt hatte, nur den Kopf geschüttelt. Andererseits war das, was Caterina gern hörte, für sie selbst nichts anderes als ein wirrer Brei aus Lauten und Rhythmen. In manchen Fällen konnte man nicht einmal mehr von Rhythmus sprechen. Wurde sie alt? Sie schüttelte sich innerlich und nahm sich vor, das nächste Mal, wenn Caterina ihre Anlage voll aufdrehte, genauer hinzuhören. Vielleicht konnte sie sich mit ein wenig gutem Willen doch noch für den Musikgeschmack ihrer Tochter erwärmen. Wer im Kopf jung bleibt, bleibt es auch in den Beinen, hatte sie einmal irgendwo gehört.

Seufzend langte sie nach der kleinen Kanne, hielt sie unter das Dampfventil, drückte den entsprechenden Knopf, und die altersschwache Espressomaschine fiel zischend in den Wettstreit zwischen Radio und Fön ein. Als die Milch aufgeschäumt und in die Tasse gefüllt war, der Schaum sorgfältig auf dem Cappuccino platziert und mit einem Kakaopulverherz verziert, schwieg zwar der Fön, aber Caterina war weiterhin im Bad zugange. Ungeduldig blickte Antonia auf ihre Armbanduhr. Das ovale Zifferblatt war mit kleinen bunten Steinen eingefasst, die genau so billig aussahen, wie sie tatsächlich gewesen waren. Seit Giulios Tod musste sie aufs Geld achten, und ein Mädchen in Caterinas Alter hatte viele Wünsche.

Sie lief zum Bad, klopfte an die Tür und rief: »Komm endlich, Caterina, du musst gleich los!«

»Ich muss mich vernünftig anziehen«, erscholl es dumpf und trotzig von jenseits der weiß gestrichenen Tür. »Ich kann doch nicht halbnackt zur Schule gehen!«

»Genau das wirst du, wenn du dich nicht beeilst! Du hattest Zeit genug, Schätzchen.«

Schätzchen.

Das war ein Signal für Caterina, dass ihre Mutter allmählich die Geduld verlor. Seit Giulio, Caterinas Vater und Antonias Mann, vier Jahre zuvor tödlich verunglückt war, waren Mutter und Tochter eng zusammengerückt. Wenn sie beim Einkaufsbummel miteinander lachten, konnte man sie für ungleich alte Schwestern oder Freundinnen halten. Diese enge Verbundenheit hatte dazu geführt, dass Antonia ihrer Tochter vieles durchgehen ließ, aber wenn sie sie »Schätzchen« nannte, wusste Caterina, dass es ernst wurde. Keine drei Minuten nachdem Antonia an die Badezimmertür geklopft hatte, stand ihre Tochter fix und fertig angezogen vor ihr. Sie trug zu ihren engen Jeans ein weißes Shirt, das eigentlich viel zu kurz war. Wenn Caterina sich vorbeugte, war ihr ganzer Rücken nackt.

»Du bist viel zu dünn angezogen für dieses Wetter«, sagte Antonia mehr aus Gewohnheit und Pflichtgefühl als in der Hoffnung, damit etwas zu bewirken. »Der verrückte März ist noch nicht vorbei. Wenn die Sonne nicht scheint, wird es noch richtig kalt.«

Caterina hatte sie gar nicht gehört. Sie trank einen Schluck Cappuccino, beschwerte sich darüber, dass er nicht mehr richtig warm war, und plapperte munter drauflos, erzählte von den Jungs in ihrer Klasse, davon, wie sie sich anstrengten, die Mädchen zu beeindrucken. Während Antonia ihr zuhörte, maß sie ihre Tochter mit abschätzendem Blick. Caterina war jetzt vierzehn, und ihr schlanker Körper entwickelte sich zusehends zu dem einer attraktiven jungen Frau. Gut schulterlanges, leicht gelocktes Haar umspielte ihr hübsches Gesicht. Bald, dachte Antonia schweren Herzens, würde sie sich wirklich Gedanken über die Jungs in ihrer Klasse machen müssen. Und nicht nur über die in ihrer Klasse.

»Und was tust du heute, Mama?«, fragte Caterina, während sie sich mit einem Blatt Küchenpapier den Schaum von den Lippen tupfte.

»Arbeiten, wie immer.«

»Woran sitzt du? An diesem Katakomben-Buch?«

»Nein, das Manuskript liegt noch bei deinen Großeltern. Daran arbeite ich nur am Wochenende. Es ist nicht eilig und bringt auch nicht so viel Geld ein.«

Caterina bückte sich und griff nach ihrer Ledermappe. »Und was bringt mehr Geld ein?«

»Ich redigiere die Übersetzung eines historischen Krimis, den der Verlag aus Deutschland angekauft hat. Da drängt auch der Termin.«

»Worum geht’s?«

»Um Amsterdam im siebzehnten Jahrhundert, um Morde im Umfeld Rembrandts.«

»Wie spannend«, sagte Caterina und konnte ein Gähnen kaum unterdrücken. Sie drückte ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange. »Bis heute Nachmittag, Mama. Pass gut auf dich auf!«

Antonia erwiderte den Kuss. »Und du auf dich. Gib auf die Jungs acht!«

Caterina lachte, fischte die Jeansjacke vom Haken neben der Tür und verließ die Wohnung. Antonia hörte ihre Schritte auf der knarrenden Holztreppe.

Jetzt erst nahm sie das Radio wieder wahr; gerade begannen die Acht-Uhr-Nachrichten. Die Sprecherin mit der für ihren Job entschieden zu lasziven Stimme berichtete vom geplanten G-8-Gipfel, von den neuesten wissenschaftlichen Studien zur weltweiten Klimakatastrophe und von einem schlimmen Bombenattentat in Bagdad, bevor sie zu einer Meldung kam, die Antonia aufhorchen ließ.

»Rom. Wie soeben gemeldet wird, hat sich auf dem Gianicolo ein mysteriöses Verbrechen ereignet. Ein Jesuit, der dem Vernehmen nach eine wichtige Position im Vatikan innehatte, wurde in den frühen Morgenstunden ermordet aufgefunden. Sobald Näheres bekannt wird, erfahren Sie das in unserem laufenden Programm.«

Ein Jesuit, der dem Vernehmen nach eine wichtige Position im Vatikan innehatte – einen Augenblick lang dachte Antonia an … Aber nein, das wäre ein ungeheurer Zufall gewesen. Sie lächelte über sich selbst. Das Gespräch mit dem Jesuitenpater hatte sie nervös gemacht, in einem Maße, das sie selbst überraschte. Sie durfte auf dieses Gerede nichts geben, jedenfalls nicht, solange ihr nicht etwas Eindeutiges vorgelegt wurde, ein Beweis.

Sie öffnete die Glastür und trat hinaus auf den kleinen Balkon, unter dem ein dunkler, enger Innenhof lag. Aber nicht dem galt ihre Aufmerksamkeit. Sie blickte zu dem nahen Hügel hinüber, dem Gianicolo. Oft, wenn sie es nicht mehr am Schreibtisch aushielt und frische Luft brauchte, ging sie dort spazieren. So nahe bei ihr war dieser Jesuit ermordet worden. Zufall, sagte sie sich noch einmal, während sie am ganzen Leib zitterte. Das lag an der morgendlichen Kühle, natürlich.

Sie kehrte in ihre Küche zurück, schloss die Balkontür und nahm die kleine Holzdose mit ihren Tabletten von der Anrichte. Sie musste das Medikament regelmäßig nehmen. Kurz nach Giulios Tod war sie zusammengebrochen, und die Ärzte hatten einen leichten Herzfehler festgestellt.

Nichts Schlimmes, solange sie regelmäßig ihre Medizin nahm und sich nicht übermäßig aufregte.

Nachdem sie die Tablette geschluckt hatte, ging sie in ihr kleines Arbeitszimmer, kaum größer als eine Abstellkammer, und fuhr ihren Computer hoch. Aber sosehr sie sich auch auf ihre Arbeit zu konzentrieren versuchte, sie dachte immer wieder an den toten Jesuiten.

4

Rom, Gianicolo

»Was ist mit der Tatwaffe?«, fragte Claudia Bianchi, und ihr Blick wanderte von der Stirn des ermordeten Jesuiten mit der eingebrannten 666 zur Brust. »Warum steckt sie noch in der Leiche?«

»Du möchtest doch immer alles unverändert vorfinden, wenn du einen Tatort besichtigst«, erwiderte Aldo. »Alles ist fotografiert und vermessen. Wir können den Dolch jederzeit entfernen.«

»Gut.«

Claudia zog Plastikhandschuhe aus der Jackentasche, streifte sie mit routinierten Bewegungen über und beugte sich zu dem Toten hinunter. Die Hand bereits nach der Stichwaffe ausgestreckt, hielt sie inne, als ihr Gesicht dicht über dem des Ermordeten war. Das scheinbar unauslöschlich in seine Züge geschriebene Lächeln faszinierte und irritierte sie gleichermaßen. Monelli konnte sagen, was er wollte, Claudia glaubte nicht an einen zufälligen Gesichtsausdruck, an das Ergebnis im Todeskampf zuckender Nerven. Das Lächeln auf Sorellis Gesicht wirkte so wahrhaftig, so tief, als hätte er in den letzten Sekunden seines Lebens etwas unglaublich Schönes vor sich gesehen.

»Als Jesuit war er wohl ein tiefgläubiger Mensch«, sagte Aldo, der ihre Gedanken erriet. »Vielleicht hat er sich auf die Wiederauferstehung gefreut, auf die Begegnung mit Gott.«

»Mag sein. Aber für einen Mann, der sich auf die Begegnung mit Gott freut, war er vorher offenbar ziemlich erpicht darauf, seinem Mörder zu entkommen.«

»Da hatte er noch Hoffnung, zu überleben. Den nahen Tod unausweichlich vor Augen, hat er sich vielleicht in sein Schicksal ergeben.«

Claudia griff nach der Mordwaffe und zog sie vorsichtig aus der Brust. Es war tatsächlich ein Dolch mit langer Klinge, und ein ungewöhnlich schwerer noch dazu. Die Klinge war blutverklebt. Ein Polizeifotograf machte ein paar Aufnahmen von der Waffe, bevor Claudia sie in eine von Aldo bereitgehaltene Plastiktüte steckte.

»Das Ding ist ja wirklich schwer«, sagte Aldo.

»Vielleicht aus Silber gefertigt, sowohl der Griff als auch die Klinge sehen zumindest so aus. Das könnte das Gewicht erklären.«

Aldo pfiff leise mit geschlossenen Zähnen. »Wenn das zutrifft, war es mit Sicherheit kein Raubmord, auch kein missglückter. Eine so exklusive Waffe kostet eine Stange Geld.«

»Ein Raubmord war es keinesfalls.« Claudia zeigte auf die Stirn des Toten. »Warum hätte ein gewöhnlicher Räuber sich die Mühe mit der 666 machen sollen?«

»Vielleicht, um uns abzulenken. Damit wir an einen Ritualmord oder etwas in der Richtung glauben. Aber angesichts dieses Dolchs erscheint mir das nicht länger haltbar.« Aldo hielt den Plastikbeutel dicht vor sein Gesicht und betrachtete die Waffe. »Was ist das für eine Verzierung auf dem Griff?«

»Dreh den Beutel mal um neunzig Grad«, verlangte Claudia.

Nachdem Aldo der Aufforderung nachgekommen war, zeigte die blutige Dolchspitze in die Luft.

»Und jetzt dreh ihn langsam um seine eigene Achse«, fuhr Claudia fort und betrachtete die sich drehende Waffe aufmerksam. »Adam und Eva im Garten Eden«, stellte sie schließlich fest, »du hast es sicher auch gesehen. Auf der einen breiten Griffseite ist der Baum der Erkenntnis zu sehen. Die Schlange, die sich um seinen Stamm ringelt, windet sich gleichzeitig um den ganzen Griff. An den beiden schmalen Griffseiten stehen Adam und Eva, ihre Blößen mit großen Blättern bedeckend, und Eva nimmt aus dem Maul der Schlange die verbotene Frucht entgegen.«

Aldo blickte Claudia zweifelnd an. »Ein Mörder mit Sinn für Humor? Er tötet einen Jesuiten mit einem Dolch, den ein biblisches Motiv ziert. Was sollen wir daraus schließen?«

»Auf jeden Fall mehr, als dass der Mörder ein Spaßvogel ist. Dafür ist das Ganze zu ernst und der Dolch zu kostbar. Apropos, halt den Beutel doch einmal so, dass die Spitze nach unten zeigt. Mir ist da vorhin etwas aufgefallen.«

»Und was?«, fragte Aldo, während er den Beutel mit der Waffe so drehte, wie Claudia es wünschte.

»Sieh dir doch mal die Schlange und den Baum an«, sagte Claudia, und es klang erstaunt, fast andächtig. »Jetzt wirkt der dünne Baumstamm wie eine Nadel oder eine Klinge, die aus dem Boden ragt und die Schlange vom Kopf bis zum Schwanz aufspießt.«

»Stimmt. Wer immer die Verzierung angefertigt hat, besaß oder besitzt offenbar auch Sinn für Humor.«

»Du siehst das alles zu oberflächlich, Aldo, mit den Augen des modernen Atheisten.«

»Hör mal, ich bin katholisch.«

»Auf dem Papier sind das viele.«

Aldo spielte den Empörten. »Ist das bei dir anders, weil du auf ein paar Jahre im Nonnenkonvent zurückblicken kannst?«

»Möglich.« Claudia gestattete sich ein schmales Lächeln, das erste, das Aldo seit dem Vorfall zwischen ihnen zu sehen bekam. »Zumindest habe ich einen Blick für diese Dinge. Wir haben es hier nicht mit einem normalen Mord zu tun und ebenso wenig mit einer normalen Waffe, falls man das Wort ›normal‹ überhaupt auf einen Mord anwenden darf.«

Sie hatte ihren Satz noch nicht beendet, da kam ein Carabiniere auf sie zugelaufen und meldete, dass in den Acht-Uhr-Nachrichten ein Bericht über den Mord gebracht worden war.

»Also weiß es jetzt die ganze Stadt, und die Presse wird uns in Kürze mit Fragen bestürmen«, stellte Aldo fest. »Wir sollten schleunigst ein paar Antworten herbeischaffen.«

»Sind der Name des Toten oder die näheren Umstände der Tat genannt worden?«, erkundigte sich Claudia.

Der Carabiniere verneinte.

»Dann haben wir ein wenig Luft.« Sie wandte sich an Monelli. »Ist der ganze Bereich um den Fundort der Leiche nach Spuren abgesucht worden, Pietro?«

»Ist er, aber ohne Erfolg. Der Regen letzte Nacht hat viel verwischt, nicht einmal eindeutige Fußspuren konnten wir sichern.« Monelli grinste. »Aber sieh dich ruhig noch einmal um, wenn du meinen Leuten nicht traust.«

Claudia nahm die kleine Spitze, wie sie gemeint war. Monelli wusste recht gut, dass sie das umliegende Gebiet auf jeden Fall selbst noch einmal absuchen würde. Nicht so sehr aus Misstrauen gegenüber seinen Leuten, sondern weil sie eine sehr gewissenhafte Polizistin war und jemand, der nur sich selbst ganz vertraute.

Sie folgte den rot-weißen Hartplastikkegeln; sie markierten den Weg, den Renato Sorelli auf seiner Flucht vor dem Mörder mutmaßlich genommen hatte. Langsam, Schritt für Schritt, bewegte sie sich vorwärts, den Blick fest auf den Boden gerichtet. Auch der einsetzende Regen konnte sie nicht davon abhalten. Den Schirm, den Aldo ihr anbot, lehnte sie ab, weil der hier im Unterholz unpraktisch gewesen wäre. Sie trug eine wetterfeste Jacke, und außerdem tat es ihr gut, Aldo zurückweisen zu können, selbst in so einer lächerlichen Angelegenheit.

Als sie die asphaltierte Straße erreichte, machte sie auf dem Absatz kehrt und ging den Weg ebenso langsam zurück. Jetzt suchte sie den Boden links und rechts des markierten Wegs ab, und plötzlich blieb sie stehen. Dort, zur Linken, zwischen abgerissenen Zweigen und halbverrottetem Laub, lag etwas, das dort nicht hingehörte. Sie trat näher, ging in die Hocke und wischte mit ihrer behandschuhten Rechten vorsichtig den Schmutz beiseite. Vor ihr lag eine goldene Kette mit einem ebenfalls goldenen, herzförmigen Anhänger. Mit spitzen Fingern hob sie die Kette hoch und rief Monelli und Aldo herbei.

Feixend sah sie Monelli an. »Soso, deine Leute haben also alles gründlich abgesucht, wie?«

Der Leiter der Spurensicherung grummelte etwas in seinen Bart und fügte, nur wenig lauter, hinzu: »Vielleicht hat die Kette gar nichts mit dem Mord zu tun.«

Claudias Daumen fuhr über den winzigen Mechanismus, der das Medaillon aufklappen ließ. Lange blickte sie auf die beiden Fotos, jedes nicht größer als eine Ein-Euro-Münze. Auch wenn der Mann mit dem dunklen Haar drei bis vier Jahrzehnte jünger wirkte als der Tote da drüben, erkannte sie Renato Sorelli auf den ersten Blick. Sie drehte das geöffnete Medaillon so, dass Monelli und Aldo die Fotos auch sehen konnten.

»Wenn der Mann hier nicht unser toter Jesuit ist, dann bin ich nicht Claudia Bianchi.«

Monelli hob abwehrend die Hände. »Okay, okay, du hast gewonnen. Ich entschuldige mich für die Nachlässigkeit meiner Leute. Ich möchte nur wissen, wer die Kette hier verloren hat, Sorelli oder sein Mörder.«

Aldo trat näher, um sich die Fotos genauer anzusehen. »Mich interessiert eher, wer die Frau ist. Solche Anhänger in Herzform tragen doch normalerweise Verliebte. Müssen Jesuiten nicht ein Keuschheitsgelübde ablegen?«

»Das ist richtig«, sagte Claudia.

Monelli grinste. »Und wennschon. Auch andere Geistliche haben uneheliche Kinder. Übrigens, wisst ihr, wie Nonnen und Mönche sich vermehren?«

Aldo schüttelte den Kopf. »Wie?«

»Durch Zellteilung.«

Monelli und Aldo lachten schallend und verstummten erst, als sie Claudias strengen Blick bemerkten.

»Verzeihung«, murmelte Monelli. »Ich meine natürlich nicht das Kloster, in dem du aufgewachsen bist.«

Claudia ging nicht weiter darauf ein, sondern sah sich das Bild der Frau genau an. Die Gesichtszüge wirkten hübsch und vertrauensvoll, vielleicht gar ein wenig einfältig. War das die Art Frau, die auf einen Geistlichen hereinfiel? Auf einen Gottesmann, der ihr zärtlich ins Ohr flüsterte, die Liebe zu ihr sei ihm nicht weniger wichtig als die Liebe zu Gott?

5

Eine kleine Klosterzelle

Die Dämonen in ihrer Brust fraßen sie von innen auf. Früher hatte der Schmerz ihr Tränen in die Augen getrieben, aber ihre Tränen waren längst versiegt. Sie wälzte sich in ihrem schmalen Bett hin und her, weil der Schmerz ihr das Stillliegen unmöglich machte. Das alte eiserne Bettgestell knarrte bei jeder Bewegung und erfüllte den winzigen Raum mit einem kreischenden Konzert. In ihren Ohren klang es, als wollten die Dämonen in ihrem Innern sie mit schrillem Gesang verspotten.

Sie drehte sich auf die linke Seite und betrachtete das Kruzifix an der Wand und daneben das ausgeblichene Bild der Jungfrau Maria.

Kurz dachte sie daran, die Mutter Gottes um die Gnade ihres Todes zu bitten. Aber es war Sünde, das von Gott geschenkte Leben hinzugeben. Gott, dem sie das Leben verdankte, hatte ihr die Schmerzen gesandt, um sie für ihre Sünden zu bestrafen, dessen war sie gewiss. Ihre Sünden waren groß, und groß war deshalb ihre Strafe.

Ein neuer stechender Schmerz schien ihre Brust spalten zu wollen wie eine Holzfälleraxt, die ihr Fleisch und ihre Innereien zerteilte. Keuchend warf sie sich von einer Seite auf die andere, verlor den Halt und landete auf dem harten, kalten Fußboden. Die Kühle tat ihr gut, und für eine ganze Weile presste sie ihre Stirn auf den Boden.

Die Dämonen fraßen jetzt nicht mehr ganz so gierig in ihr, schienen ihren gröbsten Hunger gestillt zu haben. Sie kniete sich hin, faltete ihre schmalen Hände und blickte zum Bild ihrer Namenspatronin auf. Die Mutter des Gottessohnes war bei ihr, und dafür wollte sie ihr danken.

Marias rissige Lippen brachten ein leises Gebet hervor:

»Gegrüßet seist du, Maria,

voll der Gnade,

der Herr ist mit dir.

Du bist gebenedeit unter den Frauen,

und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes,

Jesus, der in uns den Glauben vermehre.

Heilige Maria, Mutter Gottes,

bitte für uns Sünder

jetzt und in der Stunde unseres Todes.

Amen.«

Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Spürte sie den Segen der Mutter Gottes? Fühlte sie sich besser? Nein, sie konnte noch so lange in sich hineinhorchen, da waren nur Schuldgefühle, Trauer und Schmerz. Nichts sonst.

Maria wollte das Gebet wiederholen, aber sie stockte bei der Zeile »und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes«. Sie wiederholte die Zeile, wieder und wieder, bis es nur noch diese sieben Wörter zu geben schien.

»Die Frucht deines Leibes«, flüsterte sie schließlich ermattet, und endlich, nach langer, langer Zeit flossen wieder Tränen über ihre alten Wangen.

6

Rom, ins Herz der Stadt

Rom war eine Stadt, die Paul Kadrell jedes Mal aufs Neue in ihren Bann zog, fast dreitausend Jahre alt und doch quicklebendig. Zwischen Tempeln aus der Antike, Bauwerken aus der Renaissance und Kunstwerken aus dem Barock gingen die Römer ebenso geschäftig wie selbstverständlich ihren täglichen Verrichtungen nach, als sei es nichts Besonderes, in der Stadt zu leben, in der Julius Caesar ermordet worden war, in der Caligula das eigene Volk terrorisiert und Nero die Christen verfolgt hatte, in der Botticelli, Michelangelo, Raffael, Bramante, Bernini und Borromini ihre Spuren hinterlassen hatten, und in der das Herz der Christenheit schlug. Keine andere Stadt, die Paul besucht oder in der er gelebt hatte, wies so viele Facetten auf, verfügte auch nur annähernd über einen ähnlichen Reichtum an Geschichte und an Mysterien. Rom berührte Pauls Seele auch jetzt, als das Taxi ihn vom Flughafen Fiumicino mitten hinein ins pulsierende Zentrum der Stadt brachte.

Während er durch die regennassen Scheiben nach draußen blickte, fragte er sich, warum er Rom untreu geworden und nach Österreich gegangen war. Gewiss, er hatte mit großer Freude und nicht minder großem Engagement das Waisenhaus am Mondsee aufgebaut, aber ebenso gut hätte er sich in Italien für Waisenkinder engagieren können. Die Wahrheit war, dass er sich auf diese Weise in der Nähe von Salzburg aufhalten konnte, der Stadt, in der er seine ersten Lebensjahre verbracht hatte. Jahre, an die er keinerlei Erinnerung hatte. Sie waren wie Kreide, die man mit einem feuchten Schwamm von der Schiefertafel gewischt hatte. Oft war er durch Salzburgs Straßen gewandert, um eine Erinnerung wachzurufen, aber es war ihm nicht gelungen. Immer wieder ging er zu dem Haus in der Linzergasse, in dem seine Eltern bis zu ihrem frühen Tod gewohnt hatten, doch es berührte ihn nicht, schien ihm ebenso fremd wie die Häuser links und rechts davon. Er hatte nicht nur seine Eltern verloren, sondern zugleich die frühen Jahre seiner Kindheit.

Und jetzt war auch Renato Sorelli tot, der Mann, der sich wie ein Vater seiner angenommen hatte. Gleich nach Finchers Anruf am Morgen hatte Paul mit dem Salzburger Flughafen telefoniert und zum Glück noch einen Direktflug nach Rom erwischt. Gegen Mittag war das kleine Flugzeug in Salzburg gestartet. Während der gesamten Reise hatte er sich hundeelend gefühlt und sich gefragt, weshalb Fincher ihn kommen ließ. Der Generalsekretär war am Telefon kurz angebunden gewesen und hatte nur gesagt, der Pater General wolle ihn umgehend sehen.

Unter anderen Umständen wäre Pauls große Liebe zu Rom in Euphorie umgeschlagen, als das Taxi in die Stadt einfuhr, aber jetzt beherrschten ihn Trauer und Reue. Reue darüber, dass er überhaupt von hier weggegangen war, dass er Sorelli verlassen hatte. Nie wieder würde er mit ihm zusammensitzen und in jener wohl einmaligen Art mit ihm reden können, in der sich Tiefschürfendes mit Leichtem, Ernstes mit Humorvollem verband. Sie hatten über Gott und die Welt gesprochen, über Religion und Psychologie, über die Menschen und das, was sie antrieb, zuweilen halbe Nächte lang. Gespräche, wie sie vielleicht nur zwischen Vater und Sohn stattfinden können, hatte Paul manchmal gedacht und dann ein schlechtes Gewissen gehabt, weil Renato Sorelli ihm als sein Vater erschien und nicht jener Werner Kadrell aus Salzburg, an den er sich nicht einmal mehr dunkel erinnerte.

Immer wieder dachte Paul an seinen Albtraum und das kurze Telefonat mit David Fincher, dessen Worte das Geträumte unerwartet zur schrecklichen Realität hatten werden lassen. An einen Zufall mochte er kaum glauben. Aber hätte etwas anderes zu denken nicht geheißen, sich dem Aberglauben hinzugeben, der Gotteslästerung? Seine Gedanken wirbelten wild durcheinander, und je angestrengter er versuchte, sie zu sortieren, desto größer wurde die Unordnung, desto heftiger drehte sich das Karussell aus Fragen und Selbstvorwürfen. Er schloss die Augen, atmete tief und gleichmäßig und betete dabei leise das Vaterunser. Anschließend bat er Gott, ihn in dieser schweren Zeit zu leiten.

Als er die Augen wieder öffnete, erhob sich vor ihm der Petersdom mit Michelangelos gewaltiger Kuppel, unter der das Grab des Petrus lag. Für einen Moment fühlte er sich wie verzaubert, und er nahm es als ein Zeichen des Herrn, der seine Bitte erhört hatte. Das Taxi fuhr auf der breiten, schnurgeraden Via della Conciliazione, die den Vatikan mit dem Tiberufer und der angrenzenden Engelsburg verband. Auf dem von Berninis halbkreisförmigen Kolonnaden mit den insgesamt einhundertvierzig Heiligenfiguren gesäumten Petersplatz tummelten sich trotz des trüben Wetters zahlreiche Touristen, posierten für die Kamera vor dem Dom, bewunderten die Pracht der Kunstwerke, standen bei einem Andenkenverkäufer oder einem Imbisswagen an. Im Grenzbereich zwischen dem italienischen Staat und dem Vatikan dominierte eindeutig das weltliche Treiben, dahinter aber herrschten der Papst und seine Kardinäle über die christliche Welt.