Schlaf wohl, mein süßes Kind - Mary Higgins Clark - E-Book

Schlaf wohl, mein süßes Kind E-Book

Mary Higgins Clark

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Beschreibung

Wenn du der Wahrheit zu nahe kommst...

Als die junge Modeboutiquenbesitzerin Neeve vom spurlosen Verschwinden Ethel Lambstons hört, will sie nicht glauben, dass ihre Stammkundin, eine elegante Frau, ohne passende Garderobe einfach verreist sein könnte. Vor allem nicht, weil es sich um die berüchtigtste Gesellschaftskolumnistin der Branche handelt. Neeves Verdacht bestätigt sich – und bringt ihr eigenes Leben in Gefahr.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1Kapitel 2Copyright

1

Vorsichtig fuhr er auf der Autobahn in Richtung Morrison State Park. Die fünfundfünfzig Kilometer von Manhattan bis nach Rockland County waren ein Alptraum gewesen. Obwohl es schon auf sechs Uhr zuging, gab es noch keine Anzeichen, daß es bald Tag würde. Der Schneefall, der während der Nacht eingesetzt hatte, war zunehmend stärker geworden. Die Flocken trieben jetzt unaufhörlich gegen die Windschutzscheibe. Grau und schwer wie riesige, zum Bersten gefüllte Ballons hingen die Wolken über ihm. Der Wetterbericht hatte fünf Zentimeter Schnee vorausgesagt und«Abnahme der Niederschläge nach Mitternacht». Wie gewöhnlich hatte der Wetterfrosch sich geirrt.

Er näherte sich jetzt der Einfahrt zum Park. Voraussichtlich war bei diesem Schneetreiben wenigstens kein Wanderer oder Jogger unterwegs. Gut fünfzehn Kilometer zurück war er einem Polizeifahrzeug begegnet; es hatte ihn mit eingeschaltetem Blaulicht in rasendem Tempo überholt, vermutlich auf dem Weg zu irgendeinem Unfall. Aber die Polizisten hätten ohnehin keinerlei Veranlassung gehabt, sich Gedanken über den Inhalt seines Kofferraums zu machen, keinen Grund zur Vermutung, daß sich unter einem Haufen Gepäck ein Plastiksack mit der Leiche einer einundsechzigjährigen bekannten Journalistin befinden könnte. Ethel Lambston lag, auf kleinstem Raum zusammengepfercht, gegen den Reservereifen gequetscht.

Er bog von der Autobahn ab und fuhr die kurze Strecke bis zum Parkplatz. Wie erhofft, war er fast leer. Nur wenige Wagen standen vereinzelt herum, mit einer Schneeschicht bedeckt. Wahrscheinlich zelteten irgendwo ein paar Verrückte. Auf die durfte er in gar keinem Fall stoßen.

Vorsichtig blickte er um sich, als er ausstieg. Niemand war zu sehen. Die Schneeverwehungen würden, sobald er wieder wegfuhr, sämtliche Spuren zudecken und jedes Zeichen, wohin er die Leiche brachte, auslöschen. Wenn er Glück hatte, würde bis zu dem Zeitpunkt, da man sie entdeckte, auch nicht mehr viel von ihr zu finden sein.

Er ging zuerst einmal allein den Weg bis zu der Stelle. Mit äußerster Konzentration richtete er sein ohnehin scharfes Gehör darauf, außer dem Seufzen des Windes und dem Ächzen der von der Schneelast schweren Zweige jedes kleinste Geräusch wahrzunehmen. Vor ihm lag ein abschüssiger Pfad, der an einem mit großen Felsbrocken und lockerem Geröll bedeckten Hang endete. Kaum jemand kam auf die Idee, hier herumzuklettern. Für Reiter war es sowieso eine verbotene Zone, denn der Stallbesitzer wollte nicht, daß seine Kundinnen, meist Hausfrauen aus den Villenvororten, sich das Genick brächen.

Vor einem Jahr war er einmal so neugierig gewesen, den Hang hinaufzuklettern, und er hatte sich auf einem mächtigen Findling ausgeruht. Dabei war seine Hand über den Fels geglitten und hatte auf der Rückseite eine Öffnung gespürt. Keine Grotte, nur eine natürliche Aushöhlung des Felsens, ähnlich dem Eingang zu einer Höhle. Schon damals war ihm der Gedanke gekommen, daß sich dieser Ort glänzend eignen könnte, um etwas zu verstecken.

Es kostete ihn große Anstrengung, auf dem gefrorenen Schnee zu der Stelle zu gelangen, aber mit viel Ausgleiten und Zurückrutschen schaffte er den Aufstieg. Der Hohlraum war noch da, etwas kleiner, als er ihn in Erinnerung hatte; aber er würde die Leiche hineinzwängen können. Der nächste Schritt war der schlimmste. Auf dem Rückweg zum Auto mußte er größte Vorsicht walten lassen, damit niemand ihn beobachten konnte. Er hatte den Wagen so abgestellt, daß jemand, der zufällig auf den Parkplatz fuhr, nicht gleich erkennen konnte, was er aus seinem Kofferraum holte. Im übrigen war ein schwarzer Plastiksack an sich noch nicht verdächtig.

Ethel hatte im Leben schlank ausgesehen. Doch als er jetzt die in Plastik gepackte Leiche anhob, merkte er, daß ihre teuren Kleider in Wirklichkeit einen grobknochigen Körper verhüllt hatten. Er versuchte, sich den Sack über die Schulter zu hieven, doch so eigensinnig wie im Leben war Ethel auch im Tod: Die Totenstarre mußte schon eingesetzt haben. Ihr Körper wollte sich nicht fügen. Er konnte den Sack schließlich nur dadurch bis zum Fuß des Abhangs bringen, daß er ihn abwechselnd schleppte und hinter sich her schleifte. Schließlich gab ihm nur noch ein Adrenalinstoß die nötige Kraft, ihn das letzte steile Stück bis zu der vorgesehenen Stelle hinaufzuzerren.

Ursprünglich hatte er vorgehabt, Ethel in dem Plastiksack zu lassen. Aber im letzten Augenblick überlegte er es sich anders. Die Gerichtsmediziner wurden ständig raffinierter. Sie fanden überall Beweise: Fasern, die aus Kleidern oder Teppichen stammten, Haare, die kein Mensch mit bloßem Auge sehen konnte.

Er achtete nicht auf die Kälte, die ihm bei dem scharfen Wind auf der Stirn brannte und seine Wangen und sein Kinn unter einem Eishagel erstarren ließ, während er den Sack in die richtige Lage über der höhlenartigen Vertiefung brachte und ihn dann aufzureißen begann. Das Plastik wollte nicht nachgeben.«Zweifach verstärkt», dachte er grimmig und erinnerte sich an die Werbesprüche. Wütend zerrte er weiter und verzog dann das Gesicht, als der Sack aufging und Ethels Leiche zum Vorschein kam.

Das weiße Wollkostüm war voller Blutflecken. Der Kragen ihrer Bluse steckte halb in der klaffenden Wunde an ihrem Hals. Ein Auge war leicht geöffnet. In der beginnenden Morgendämmerung wirkte es eher nachdenklich als blicklos. Der Mund, der nie stillgestanden hatte, als sie noch lebte, war gespitzt, als wollte sie eben zu einer ihrer unendlichen Tiraden ansetzen. Die letzte, die sie noch ausgespien hatte, sagte er sich mit grimmiger Genugtuung, hatte ihr Schicksal besiegelt.

Selbst mit Handschuhen war es ihm zuwider, sie anzufassen. Sie war jetzt fast vierzehn Stunden tot, und es schien ihm, als ginge ein leicht süßlicher Geruch von ihrem Körper aus. Angeekelt stieß er ihn hastig in das Loch und begann, Steine daraufzuschichten. Der Hohlraum war tiefer, als er geglaubt hatte, aber die Steine füllten ihn sauber aus. Auch wenn jemand zufällig darauf herumkletterte, würden sie nicht verrutschen.

Die Arbeit war getan. Die Schneeverwehungen hatten seine Fußspuren bereits zugedeckt. Zehn Minuten nach seiner Wegfahrt würde schon nichts mehr darauf hindeuten, daß er oder das Auto hier gewesen waren.

Er knüllte den zerrissenen Plastiksack zu einem Ball zusammen und machte sich eilig auf den Rückweg zu seinem Wagen. Jetzt war er nur noch in Panik wegzukommen, weit weg von diesem Ort, wo er Gefahr lief, entdeckt zu werden. Am Rand des Parkplatzes hielt er an. Dieselben Wagen standen noch dort, unberührt. Es gab keine frischen Reifenspuren.

Fünf Minuten später war er wieder auf der Autobahn. Den blutigen, zerrissenen Plastiksack, hatte er unter den Reservereifen gestopft. Es gab jetzt genügend Platz für ihre Koffer, ihren Reisesack und ihre Handtasche.

Die Straße war inzwischen vereist, der morgendliche Berufsverkehr setzte bereits ein, doch in spätestens zwei Stunden würde er zurück in New York sein, zurück im normalen, wirklichen Leben. Er machte noch einen letzten kurzen Halt an einem See, der, wie er sich erinnerte, nicht weit von der Autobahn entfernt lag und zu verseucht zum Fischen war. Ein guter Ort, um Ethels Handtasche und ihr Gepäck zu versenken. Die vier Stücke waren schwer. Aber es war ein tiefer See, und er wußte, sie würden bis auf den Grund sinken, in den Haufen Abfall, der dort lag. Die Leute kippten sogar alte Autos hier ins Wasser.

Er schleuderte Ethels Sachen so weit hinaus, wie er konnte, und sah zu, wie sie unter der dunkelgrauen Wasserfläche verschwanden. Jetzt mußte er nur noch den zusammengeknüllten Plastiksack loswerden. Er beschloß, bei einer Mülltonne anzuhalten, sobald er in New York die West-Side-Autobahn verlassen hatte. Dort würde der Sack in den Bergen von Abfall untergehen, die am Morgen abgefahren wurden.

Er brauchte fast zwei Stunden, um in die Stadt zurückzukommen. Das Fahren wurde immer schwieriger, und er versuchte, Abstand zu den anderen Autos zu halten. Einen Auffahrunfall konnte er jetzt nicht brauchen. In ein paar Monaten hätte kein Mensch mehr einen Grund zur Annahme, daß er an diesem Tag aus der Stadt gefahren war.

Alles verlief planmäßig. Auf der Ninth Avenue hielt er kurz an und entledigte sich des Plastiksacks.

Um acht Uhr gab er den Wagen bei der Tankstelle auf der Tenth Avenue zurück, die als Nebengeschäft Gebrauchtwagen vermietete. Nur gegen Barzahlung. Er wußte, daß darüber nicht Buch geführt wurde.

Um zehn Uhr war er, frisch geduscht und umgezogen, wieder in seinen vier Wänden und schüttete puren Whisky in sich hinein, um einen plötzlichen Anfall von nervösem Schüttelfrost zu bekämpfen. Im Geist ging er Schritt für Schritt noch einmal alles durch, was in der Zeit geschehen war, seit er am gestrigen Tag in Ethels Wohnung gestanden und sich ihre sarkastischen, höhnischen und drohenden Bemerkungen angehört hatte.

Den Moment, als ihr alles klargeworden war; den antiken Dolch in seiner Hand, den er von ihrem Schreibtisch genommen hatte; das wachsende Entsetzen in ihrem Gesicht, als sie langsam vor ihm zurückwich; den Rausch, als er ihr die Kehle durchschnitt und zusah, wie sie rückwärts durch den Türrahmen in die Küche taumelte und auf dem Fliesenboden zusammenbrach.

Er staunte noch immer, wie ruhig er bei alledem gelieben war. Er hatte den Riegel an der Wohnungstür vorgeschoben, damit nicht durch einen dummen Zufall der Hauswart oder eine Freundin, die vielleicht einen Schlüssel besaß, hereinkäme. Jedermann wußte, wie unberechenbar Ethel sein konnte. Falls jemand mit einem Schlüssel feststellte, daß die Tür verriegelt war, würde er annehmen, Ethel wolle nicht gestört werden.

Danach hatte er sich bis auf die Unterhosen ausgezogen und Handschuhe übergestreift. Ethel hatte vorgehabt zu verreisen, um an einem Buch zu arbeiten. Wenn er sie unbemerkt wegbrächte, würde jeder annehmen, sie sei von sich aus weggefahren. Wochen-, ja sogar monatelang würde kein Mensch sie vermissen.

Während er wieder einen großen Schluck Whisky trank, ließ er in Gedanken noch einmal Revue passieren, wie er Kleider aus ihrem Schrank herausgesucht und sie ihr statt des blutgetränkten kaftanartigen Hausgewands angezogen hatte; wie er ihr die Strumpfhose übergestreift, ihre Arme in die Bluse und die Kostümjacke gesteckt, den Rock zugeknöpft, den Schmuck abgenommen und ihre Füße in die Pumps gezwängt hatte. Er schüttelte sich bei der Erinnerung daran, wie er sie aufgesetzt und festgehalten hatte, damit ein Schwall von Blut auf die Bluse und das Kostüm spritzte. Aber das war nötig gewesen. Wenn man sie fand – falls man sie überhaupt fand –, mußte es so aussehen, als sei sie in diesen Kleidern gestorben.

Er hatte auch daran gedacht, die Firmenetiketten herauszuschneiden, die zur sofortigen Identifizierung geführt hätten. Den langen Plastiksack hatte er in ihrem Schrank gefunden. Wahrscheinlich war darin ein Abendkleid aus der Reinigung zurückgekommen. Mühsam hatte er ihn ihr übergestülpt und danach die Blutflecken auf der Perserbrücke entfernt, den Küchenboden aufgewaschen, Kleider und andere Reiseutensilien in die Koffer gepackt, ständig in panischem Wettlauf mit der Zeit...

Erneut goß er sein Glas randvoll mit Whisky und erinnerte sich, daß irgendwann das Telefon geläutet und sich automatisch der Beantworter mit Ethels hastigem Tonfall eingeschaltet hatte:«Hinterlassen Sie eine Nachricht. Ich melde mich, wenn ich zurück bin und falls ich es für nötig halte.»Da hätte er beinahe die Nerven verloren und stellte sofort den Beantworter ab, als der Anrufer auflegte. Er wollte nicht, daß Anrufe von Leuten registriert wurden, die sich später womöglich an nicht eingehaltene Abmachungen erinnerten.

Ethel wohnte im Erdgeschoß eines dreistöckigen Backsteinhauses, mit einem separaten Wohnungseingang links neben der Treppe, die zum Haupteingang hinaufführte. Daher war ihre Wohnungstür den Blicken der Passanten auf der Straße entzogen. Wirklich in Gefahr, gesehen zu werden, war er nur in der Zeit, in der er die paar Schritte von ihrer Eingangstür bis zum Straßenrand zurücklegte.

In der Wohnung hatte er sich ziemlich sicher gefühlt. Der schwerste Teil war erst gekommen, als er, nachdem er Ethels eingeschnürten Leichnam und ihr Gepäck unter dem Bett versteckt hatte, die Eingangstür öffnete. Die Luft war naßkalt gewesen, der Schneefall konnte jeden Augenblick einsetzen. Ein eisiger Wind war in die Wohnung gefahren, und er hatte die Tür sofort wieder zugemacht. Das war kurz nach sechs Uhr abends gewesen, als die Straßen von Menschen wimmelten, die von der Arbeit heimkehrten.

Fast zwei Stunden hatte er gewartet, sich dann hinausgeschlichen, den Schlüssel zweimal umgedreht und sich zu der billigen Autovermietung begeben. Dann war er zu Ethels Wohnung zurückgefahren. Er hatte Glück gehabt, denn er konnte den Wagen unmittelbar vor dem Backsteinhaus parken. Es war stockfinster und die Straßen jetzt menschenleer.

In zwei Gängen schaffte er das Gepäck ins Auto. Der dritte Gang war der schlimmste. Er schlug den Mantelkragen hoch, setzte sich eine alte Mütze auf, die er auf dem Boden des Mietwagens gefunden hatte, und schleppte den Plastiksack mit Ethels Leiche aus der Wohnung. Als er den Deckel des Kofferraums zuschlug, hatte er zum erstenmal das Gefühl gehabt, daß er es schaffen und unentdeckt bleiben würde.

Es war die reinste Hölle für ihn gewesen, noch einmal in die Wohnung zurückzugehen, um sich zu vergewissern, daß es keine Blutspuren mehr gab und keinerlei Anzeichen dafür, daß er hiergewesen war. Mit jedem Nerv drängte es ihn jetzt, die Leiche sofort in den State Park hinauszuschaffen, aber er wußte, daß dies Wahnsinn wäre.

Der Polizei könnte es auffallen, wenn jemand mitten in der Nacht versuchte, in den Park zu gelangen. Daher ließ er den Wagen sechs Straßen weiter stehen, verbrachte seinen Abend wie gewohnt und machte sich erst gegen fünf Uhr morgens auf den Weg, zusammen mit den Arbeitern der ersten Frühschicht ...

Nun war alles in Ordnung, sagte er sich. Er konnte sich wirklich in Sicherheit wiegen.

Doch genau in dem Augenblick, als er den letzten wärmenden Schluck Whisky austrank, kam ihm der einzige furchtbare Fehler zum Bewußtsein, den er gemacht hatte, und er wußte genau, wer ihn unweigerlich entdecken würde.

Neeve Kearney!

2

Der Radiowecker schaltete sich um halb sieben Uhr ein. Neeve streckte die rechte Hand aus und tastete nach dem Knopf, um die betont muntere Stimme des Nachrichtensprechers zu dämpfen, doch dann hielt sie ein, als die Bedeutung dessen, was er sagte, in ihr Bewußtsein drang. Zwanzig Zentimeter Schnee waren in der Nacht gefallen. Vom Autofahren wurde dringend abgeraten. Jede Parkerlaubnis auf den Straßen der Stadt war aufgehoben. Weitere Mitteilungen über die Schließung von Schulen sollten folgen. Laut Wetterbericht würden die Schneefälle bis zum späten Nachmittag anhalten.

Scheußlich, dachte Neeve und zog sich die Steppdecke über den Kopf. Es paßte ihr gar nicht, daß sie nicht wie üblich joggen konnte. Dann stöhnte sie auf, weil ihr die vielen Kleideränderungen einfielen, die heute fällig waren. Zwei ihrer Näherinnen wohnten drüben in New Jersey und konnten vermutlich nicht nach New York kommen. Das bedeutete, daß sie besser früh im Geschäft war, um den Anprobenplan von Betty, der einzigen verbleibenden Schneiderin, entsprechend abzuändern. Betty wohnte in der 82. Straße und ging bei jedem Wetter die sechs Häuserblocks bis zum Geschäft zu Fuß.

Da ihr vor dem Augenblick graute, in dem sie die wohlige Wärme des Betts verlassen mußte, schlug sie die Bettdecke mit einem Ruck zurück, eilte quer durchs Zimmer und holte aus ihrem Kleiderschrank den alten Frotteebademantel, von dem ihr Vater behauptete, er stamme noch aus der Zeit der Kreuzzüge.«Wenn eine der Frauen, die für ein Heidengeld ihre Kleider bei dir kaufen, dich in dem Lumpen sehen könnte, würde sie sofort zur Konkurrenz gehen.»

« Wenn meine Kundinnen mich in diesem Lumpen sehen könnten», hatte sie geantwortet,«würden sie mich einfach für exzentrisch halten. Und das würde meinen Nimbus nur vergrößern.»

Sie schlang den Gürtel um die Taille und empfand wieder einmal das flüchtige Bedauern, nicht die gertenschlanke Figur ihrer Mutter geerbt zu haben, sondern die breitschultrige Gestalt ihrer keltischen Vorfahren. Dann bürstete sie ihr welliges, tiefschwarzes Haar zurück, das die Familie Rossetti kennzeichnete. Sie hatte auch die Augen der Rossettis mit der bernsteinfarbenen, gegen den Rand zu dunkler werdenden Iris, die sich leuchtend von dem sie umgebenden Weiß abhob, große, fragende Augen unter schwarzen Wimpern. Doch ihr Teint war weiß und rings um die gerade Nase mit Sommersprossen gesprenkelt. Der volle Mund und die starken Zähne waren das Erbe ihres Vaters, Myles Kearney.

Vor sechs Jahren, als sie das College beendet und ihrem Vater klargemacht hatte, daß sie nicht beabsichtigte, zu Hause auszuziehen, hatte er darauf bestanden, daß sie ihr Zimmer neu einrichtete. Daraufhin hatte sie auf Auktionen bei Christie’s und Sotheby’s eine Reihe ausgesuchter Möbelstücke erstanden: ein Messingbett, einen antiken Schrank, eine indische Kommode, einen viktorianischen Sessel, dazu einen kleinen, leuchtend bunten Perserteppich. Bettüberwurf und Kissen waren jetzt weiß, der Sessel neu mit türkisfarbenem Samt im selben Ton bezogen, der auch im Muster des Teppichs vorkam. Die rein weißen Wände ließen die schönen Gemälde und Stiche zur Geltung kommen, die aus der Familie ihrer Mutter stammten. Die Zeitschrift Women’s Wear Daily hatte Neeve für eine Reportage in diesem Zimmer«von heiterer Eleganz, in der unverwechselbaren Neeve-Kearney-Handschrift», wie sie es ausdrückten, fotografiert.

Neeve schlüpfte in ihre gefütterten Pantoffeln und ließ das Rollo hochschnellen. Der Meteorologe brauchte in der Tat kein Genie zu sein, um zu sagen, daß ein starkes Schneetreiben herrschte. Sonst fiel der Blick aus ihrem Zimmer in dem Ecke 74. Straße und Riverside Drive gelegenen« Schwab House»direkt auf den Hudson River, aber jetzt konnte sie kaum die Gebäude auf dem jenseitigen Ufer in New Jersey ausmachen. Die Henry-Hudson-Schnellstraße war schneebedeckt, und der bereits dichte Verkehr bewegte sich nur langsam vorwärts. Zweifellos waren die Kummer gewohnten Pendler sehr früh aufgebrochen.

Myles Kearney war schon in der Küche und hatte den Kaffee aufgestellt. Neeve gab ihrem Vater einen Kuß auf die Wange und zwang sich, keine Bemerkung zu machen, wie müde er aussähe. Es bedeutete, daß er wieder schlecht geschlafen hatte. Wenn er sich doch nur einmal gehenlassen und eine Schlaftablette nehmen würde, dachte sie.«Wie geht’s denn der Legende?»fragte sie ihn. Seit seiner Pensionierung im vergangenen Jahr nannten die Zeitungen ihn ständig«New Yorks legendären Polizeichef». Er haßte es.

Er überging ihre Frage, warf ihr einen Blick zu und machte eine erstaunte Miene.«Sag nicht, daß du darauf verzichtest, im Central Park herumzurennen!»rief er aus.« Was sind schon dreißig Zentimeter Schnee für die unerschrockene Neeve!»

Jahrelang waren sie gemeinsam joggen gegangen. Jetzt, da er nicht mehr rennen durfte, machte er sich Sorgen wegen ihrer frühmorgendlichen Dauerläufe. Aber im Grunde, vermutete sie, machte er sich immer irgendwelche Sorgen um sie.

Sie holte aus dem Kühlschrank den Krug mit Orangensaft. Ohne ihn zu fragen, goß sie ihrem Vater ein großes Glas voll ein und sich selbst ein kleines. Dann begann sie Toast zu machen. Früher hatte Myles ein herzhaftes Frühstück genossen. Aber jetzt waren Eier mit Speck vom Programm gestrichen, ebenso Käse und Beefsteak und, wie Myles sich ausdrückte,«die Hälfte aller Sachen, deretwegen man sich aufs Essen freut». Sein schwerer Herzinfarkt hatte seinen Speisezettel eingeschränkt und auch seine Karriere beendet.

Sie leisteten einander stumm Gesellschaft und teilten sich in stillschweigendem Einverständnis die New York Times. Doch als Neeve aufblickte, sah sie, daß Myles nicht las. Er starrte auf die Zeitung, ohne sie zu sehen. Toast und Fruchtsaft standen noch unberührt vor ihm. Nur von dem Kaffee hatte er offensichtlich etwas getrunken. Neeve legte ihren Teil der Zeitung hin.

« Also gut», sagte sie.«Raus mit der Sprache! Fühlst du dich miserabel? Ich hoffe bei Gott, daß du mittlerweile vernünftig genug bist, nicht stumm den Leidenden zu spielen. »

« Nein, mir geht’s gut», sagte Myles.«Das heißt, falls du die Schmerzen in der Brust meinst, ist die Antwort: Nein.»Er warf die Zeitung auf den Boden und griff nach seiner Kaffeetasse.«Nicky Sepetti wird heute aus dem Gefängnis entlassen.»

Neeve hielt den Atem an.«Ich dachte, sie hätten ihm letztes Jahr die Begnadigung verweigert.»

« Ja – aber jetzt hat er seine Strafe abgesessen, jeden Tag, abzüglich der Zeit für gute Führung. Heute abend wird er in New York zurück sein.»Kalter Haß verhärtete Myles’ Gesicht.

« Dad, sieh dich mal im Spiegel an. Mach nur so weiter, dann wirst du es zu einem neuen Herzinfarkt bringen.»Neeve merkte, daß ihre Hände zitterten. Sie hielt sich am Tisch fest in der Hoffnung, daß Myles es nicht merken und daraus schließen würde, daß sie Angst hatte.«Mir ist es egal, ob Sepetti die Drohung ausgestoßen hat oder nicht, als er verurteilt wurde. Du hast jahrelang versucht, ihm nachzuweisen . . .»Ihre Stimme stockte, dann fuhr sie fort:« Nie ist auch nur der geringste Beweis zum Vorschein gekommen, der ihn mit der Sache in Verbindung gebracht hätte. Und fang jetzt um Gottes willen nicht damit an, dir meinetwegen Sorgen zu machen, weil er wieder frei herumläuft! »

Ihr Vater war der Staatsanwalt gewesen, der den Kopf der Mafia-Familie Sepetti, Nicky Sepetti, hinter Gitter gebracht hatte. Nach der Verkündigung des Urteils war Nicky gefragt worden, ob er irgend etwas zu sagen hätte. Er hatte auf Myles gedeutet.«Wie ich höre, findet man, daß Sie in meinem Fall so gute Arbeit geleistet haben, daß man Sie zum Polizei-Commissioner ernannt hat. Ich gratuliere! Das war ja ein feiner Artikel über Sie und Ihre Familie in der Post. Passen Sie gut auf Ihre Frau und Ihr Kind auf. Sie könnten ein bißchen Schutz gebrauchen.»

Zwei Wochen danach wurde Myles Kearney als Polizeichef vereidigt. Einen Monat später fand man im Central Park die Leiche seiner jungen Frau. Neeves Mutter, der vierunddreißigjährigen Renata Rossetti Kearney, war die Kehle durchgeschnitten worden. Das Verbrechen wurde nie aufgeklärt.

Neeve widersprach nicht, als ihr Vater darauf bestand, ein Taxi für sie zu bestellen, das sie ins Geschäft fahren sollte.«Du kannst in dem Schnee nicht zu Fuß gehen», erklärte er.

« Es ist nicht wegen des Schnees», erwiderte sie,«und das weißt du so gut wie ich.»Sie gab ihm einen Abschiedskuß und legte liebevoll den Arm um ihn.«Myles, das einzige, worüber wir uns Sorgen machen müssen, ist deine Gesundheit. Nicky Sepetti wird sicher nicht wieder ins Gefängnis zurückwollen. Und ich wette, daß er, falls er beten kann, nur darum fleht, daß mir noch lange, lange nichts passiert. Kein Mensch in New York außer dir zweifelt daran, daß irgendein kleiner Gauner Mutter überfallen hat und sie tötete, als sie ihre Handtasche nicht hergeben wollte. Wahrscheinlich hat sie ihn auf Italienisch angeschrien, und er geriet in Panik. Bitte, vergiß Nicky Sepetti und überlaß denjenigen, der uns Mutter genommen hat, der himmlischen Gerechtigkeit. Einverstanden? Versprichst du’s mir?»

Sein Kopfnicken überzeugte sie nicht sehr.«Jetzt verschwinde endlich», sagte er.«Das Taxi wartet mit laufender Uhr, und meine Quizsendung im Fernsehen fängt gleich an.»

Die Schneepflüge hatten eher untaugliche Versuche gemacht, die angesammelten Schneemengen auf der West End Avenue wenigstens teilweise wegzuschaufeln. Während das Taxi auf den glatten Straßen vorwärtskroch und dann vorsichtig auf der Verbindungsallee quer durch den Central Park fuhr, ging Neeve das ewige, vergebliche« Wenn»im Kopf herum. Wenn der Mörder ihrer Mutter doch nur gefunden worden wäre! Vielleicht wäre dann ihr Vater mit der Zeit über den Verlust hinweggekommen, so wie sie es war. Doch bei ihm war die Wunde, die ihr Tod geschlagen hatte, immer noch offen und schwärte weiter. Er gab sich die Schuld, Renata im Stich gelassen zu haben. All die Jahre hatte er sich mit Selbstvorwürfen gequält, daß er Sepettis Drohung hätte ernst nehmen müssen. Er ertrug den Gedanken nicht, daß er, dem die ganze riesige Polizeimacht von New York zur Verfügung stand, nicht imstande gewesen war, die Identität des gedungenen Mörders ausfindig zu machen, der, wie er überzeugt war, Sepettis Befehl ausgeführt hatte. Es war das einzige unstillbare Verlangen in seinem Leben: den Killer zu finden und ihn und Sepetti für Renatas Tod büßen zu lassen.

Neeve schauerte fröstelnd zusammen. Es war kalt in dem Taxi. Der Fahrer mußte sie im Rückspiegel gesehen haben, denn er sagte:«Tut mir leid, Lady, die Heizung funktioniert nicht richtig.»

« Schon gut.»Sie wandte den Kopf ab, damit er sie nicht in eine Unterhaltung zog. Die«Wenns»hörten nicht auf, ihr im Kopf herumzugehen. Wenn der Mörder schon vor Jahren gefunden und verurteilt worden wäre, hätte Myles noch etwas aus seinem Leben machen können. Mit achtundsechzig war er noch immer ein gutaussehender Mann, und im Laufe der Jahre hatten nicht wenige Frauen Sympathie für den schlanken, breitschultrigen Polizeichef mit seinem vorzeitig ergrauten Haarschopf, den leuchtend blauen Augen und dem unvermutet warmen Lächeln gezeigt.

Neeve war so tief in Gedanken, daß sie gar nicht merkte, als das Taxi vor ihrem Geschäft hielt.«Neeve’s Boutique»stand als schwungvoller Schriftzug auf der elfenbein und blau gestreiften Markise. Dicke Schneeflocken rieselten an den sowohl zur Madison Avenue als auch zur 84. Straße hin gelegenen Schaufenstern hinunter, so daß die perfekt geschnittenen seidenen Frühjahrskleider auf den in lässigen Posen dastehenden Schaufensterpuppen leicht verschwommen wirkten. Neeve hatte den Einfall gehabt, Regenschirme zu bestellen, die wie Sonnenschirme aussahen. Leichte Regenmäntel, die jeweils einen der in den Imprimékleidern vorkommenden Farbtöne aufnahmen, waren den Schaufensterpuppen über die Schultern gehängt. Scherzhaft hatte Neeve es den«Auch-im-Regen-sei-verwegen-Look »genannt, aber er war zum durchschlagenden Erfolg geworden.

« Sie arbeiten hier?»fragte der Taxifahrer, als sie ihn bezahlte.« Sieht ganz schön teuer aus.»

Neeve nickte nur flüchtig und dachte: Das Geschäft gehört mir sogar, mein Freund. Jedesmal, wenn ihr diese Tatsache zum Bewußtsein kam, war sie freudig überrascht. Vor sechs Jahren hatte der Laden, der sich vorher hier befand, Pleite gemacht, und ein alter Freund ihres Vaters, der berühmte Modeschöpfer Anthony della Salva, hatte sie dazu gedrängt, das Geschäft zu übernehmen.«Du bist jung», hatte er gesagt und dabei den starken italienischen Akzent, der heute zu seinem Image gehörte, völlig vergessen.« Das ist ein Vorteil. Du hast seit deinem ersten Freizeitjob immer in der Modebranche gearbeitet und kennst dich aus. Aber vor allem hast du das Geschick, den sicheren Instinkt dafür. Ich leihe dir das Geld, damit du anfangen kannst. Wenn es nicht klappt, kann ich die Summe von der Steuer abschreiben; aber es wird klappen. Du besitzt den nötigen Elan, um dich durchzusetzen. Im übrigen brauche ich ein weiteres Geschäft, das meine Kleider verkauft.»Das war zwar, wie sie beide wußten, das letzte, was er brauchte, aber sie war ihm dankbar.

Ihr Vater war strikte dagegen gewesen, daß sie sich von Sal Geld borgte. Aber sie hatte die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Außer ihrem Haar und den Augen hatte sie von ihrer Mutter auch die große Begabung für Mode geerbt. Im vergangenen Jahr hatte sie Sal die Anleihe zurückbezahlt und darauf bestanden, daß auch die allgemein üblichen Zinsen dazugeschlagen wurden.

Sie war nicht überrascht, Betty schon an der Arbeit im Nähatelier vorzufinden, mit gesenktem Kopf und dem schon zu Dauerfalten zwischen den Augenbrauen gewordenen konzentrierten Stirnrunzeln. Bettys schlanke, faltige Hände führten Nadel und Faden mit der Geschicklichkeit eines Chirurgen. Sie war dabei, eine kunstvoll mit Perlen besetzte Bluse zu säumen. Ihr auffallend kupferrot gefärbtes Haar ließ die papierdünne Haut ihres Gesichts nur um so durchsichtiger erscheinen. Neeve wollte nicht wahrhaben, daß Betty schon über siebzig war; sie mochte sich den Tag gar nicht vorstellen, an dem Betty beschloß, mit der Arbeit aufzuhören.

« Ich dachte mir, ich würde besser ein bißchen vorwärtsmachen», verkündete Betty.«Wir haben heute einen Haufen Sachen zu liefern.»

Neeve zog die Handschuhe aus und wickelte sich aus ihrem Schal.«Das ist mir nichts Neues. Ethel Lambston will ja unbedingt bis heute nachmittag alles haben.»

« Ich weiß. Ich hab mir ihr Zeug schon zurechtgelegt und gehe dran, sobald ich mit dem hier fertig bin. Ich lege keinen Wert darauf, mir Ethels Gejammer anzuhören, wenn nicht jeder Fetzen, den sie gekauft hat, parat ist.»

« Schön wär’s, wenn alle so gute Kundinnen wären», bemerkte Neeve versöhnlich.

Betty nickte.«Das glaub ich gern. Ach, ich bin übrigens froh, daß Sie Mrs. Yates zu diesem Ensemble überredet haben. In dem andern, das sie anprobierte, sah sie aus wie eine weidende Kuh.»

« Und es war fünfzehnhundert Dollar teurer, aber ich durfte ihr das nicht verkaufen. Früher oder später hätte sie sich doch einmal richtig im Spiegel betrachtet. Das enge Pailletten-Top genügt. Sie braucht einen weich fallenden, weiten Rock dazu.»

Eine erstaunlich große Zahl von Kundinnen hatte dem Schnee und der Glätte auf den Gehsteigen getrotzt, um in die Boutique zu kommen. Da zwei ihrer Verkäuferinnen ausgeblieben waren, verbrachte Neeve den Tag im Verkaufssalon. Es war dies der Teil ihrer Tätigkeit, den sie am meisten genoß, doch im vergangenen Jahr hatte sie sich darauf beschränken müssen, nur noch ein paar wichtige Kundinnen selbst zu bedienen.

Am Mittag ging sie in ihr Büro im hinteren Teil des Geschäfts, um ein Sandwich zu essen, einen Kaffee zu trinken und zu Hause anzurufen.

Myles war wieder der alte.«Ich hätte vierzehntausend Dollar und einen Kombiwagen beim <Glücksrad> gewonnen», verkündete er.«Ich habe eine solche Gewinnsträhne gehabt, daß ich auch noch den Gipsdalmatiner für sechshundert Dollar hätte nehmen müssen, den sie die Frechheit haben, als Preis auszusetzen!»

« Nanu, das klingt wirklich, als ob’s dir besserginge», bemerkte Neeve.

« Ich hab die Jungs in der Stadt angerufen. Sie haben gute Leute, die Sepetti im Auge behalten. Sie sagten, daß er ziemlich krank ist und nicht mehr viel Kampfgeist hat.»Aus Myles’ Stimme war Befriedigung herauszuhören.

« Außerdem haben sie dich wohl daran erinnert, daß sie nicht der Meinung sind, er hätte irgend etwas mit Mutters Tod zu tun gehabt.»Sie wartete seine Antwort nicht ab.« Heute wäre ein guter Abend für Pasta. Im Tiefkühler gibt’s noch reichlich Spaghettisauce. Nimm sie doch bitte raus.»

Mit dem Gefühl einer gewissen Erleichterung hängte Neeve auf. Sie schluckte den letzten Bissen des Truthahn-Sandwiches hinunter, trank ihren Kaffee aus und kehrte in den Verkaufssalon zurück. Drei der sechs Umkleidekabinen waren besetzt. Mit erfahrenem Blick sah sie sofort, was im Laden vorging.

Durch den Eingang an der Madison Avenue kam man zuerst in die Abteilung für Accessoires. Wie Neeve genau wußte, war einer der Hauptgründe für ihren Erfolg, daß man bei ihr auch Modeschmuck, Taschen, Schuhe, Hüte und Schals bekam, so daß die Frauen, die ein Kleid oder Kostüm kauften, die passenden Ergänzungen nicht noch anderswo suchen mußten. Das ganze Geschäft war in Elfenbeintönen gehalten, mit Akzenten von kräftigem Rosa durch die Bezüge der Sofas und Stühle. Sportkleidung und Kombimode fanden sich in den geräumigen Nischen, die zwei Stufen höher als der Raum mit den Schaukästen der Accessoires lagen. Außer auf den mit besonderem Chic angezogenen Puppen waren keine Kleider ausgestellt. Den Kundinnen wurde im Salon ein bequemer Stuhl angeboten, und die Verkäuferin brachte Kleider, Kostüme oder Abendroben zur Auswahl.

Sal hatte Neeve geraten, ihre Kundinnen auf diese Art zu bedienen.«Sonst hast du bloß den Laden voll rücksichtsloser Weiber, die sämtliche Sachen von den Ständern reißen. Gib dich von Anfang an exklusiv, Kindchen, und bleib dabei», hatte er gesagt und wie gewöhnlich recht behalten.

Für Elfenbein und Rosa hatte Neeve sich selber entschieden.« Wenn eine Frau sich im Spiegel betrachtet, dann darf der Hintergrund sich nicht mit dem beißen, was ich ihr verkaufen will», hatte sie dem Innenarchitekten erklärt, der sie zu großen, kräftigen Farbflächen überreden wollte.

Im Laufe des Nachmittags ebbte der Strom der Kundinnen ab. Um drei Uhr kam Betty aus dem Nähatelier.«Die Sachen für Lambston sind fertig», teilte sie Neeve mit.

Neeve legte selber sämtliche von Ethel Lambston bestellten Stücke zurecht – eine ganze Frühjahrsgarderobe. Die einundsechzigjährige Ethel war freischaffende Journalistin und hatte einen Bestseller aufzuweisen.«Ich schreibe über sämtliche Themen unter der Sonne», hatte sie Neeve am Eröffnungstag der Boutique atemlos mitgeteilt.«Ich betrachte die Dinge ganz unvoreingenommen, gehe ihnen auf den Grund. Ich bin die Durchschnittsfrau, die etwas zum erstenmal oder von einer neuen Warte aus sieht. Ich schreibe über Sex und Beziehungsprobleme und Tiere und Altersheime und Organisationen und Grundstückshandel und freiwillige Hilfsdienste und politische Parteien und ...»Der Atem war ihr ausgegangen, die dunkelblauen Augen blinzelten, ihr weißblondes Haar stand nach allen Seiten ab.«Das Schwierige bei mir ist, daß ich vor lauter Arbeit überhaupt keine Zeit für mich selber habe. Wenn ich ein schwarzes Kleid kaufe, ziehe ich bestimmt braune Schuhe dazu an. Fabelhaft, daß Sie hier alles haben. Was für eine gute Idee! Stellen Sie mir das Nötige zusammen.»

In den vergangenen sechs Jahren war Ethel Lambston eine wertvolle Kundin geworden. Sie bestand darauf, daß Neeve sämtliche Kleider für sie aussuchte, ebenso die dazu passenden Accessoires, und daß sie ihr Listen zusammenstellte, von denen sie ablesen konnte, was jeweils zu was gehörte. Sie wohnte im West End in der 82. Straße, und Neeve ging manchmal auf dem Heimweg bei ihr vorbei, um mit ihr zu entscheiden, welche Kleider sie noch ein weiteres Jahr behalten und welche sie weggeben sollte.

Vor drei Wochen hatte sie zuletzt Ethels Kleiderschrank durchgesehen. Am folgenden Tag war Ethel bei ihr erschienen und hatte die neue Garderobe bestellt.«Ich bin fast fertig mit dem großen Modeartikel, für den ich Sie interviewt habe», berichtete sie Neeve.«Ein Haufen Leute wird ganz schön wütend auf mich sein, wenn der erscheint, aber Ihnen wird er gefallen. Für Sie ist das eine schöne Gratiswerbung. »

Als Ethel ihre Wahl traf, war sie mit Neeve nur wegen eines Ensembles uneins gewesen. Neeve wollte es ihr wegnehmen.« Das verkaufe ich Ihnen nicht. Es ist ein Modell von Gordon Steuber. Mit seinen Sachen will ich nichts mehr zu tun haben. Dieses Stück hätte zurückgehen sollen. Ich kann den Mann nicht ausstehen.»

Ethel war in schallendes Lachen ausgebrochen.«Dann warten Sie mal, bis Sie lesen, was ich über ihn geschrieben habe. Ich hab ihn fertiggemacht. Aber dieses Kostüm will ich haben. Seine Sachen stehen mir einfach gut.»

Während Neeve jetzt dabei war, alle Kleidungsstücke sorgfältig in feste, schützende Hüllen zu stecken, merkte sie, wie sie beim Anblick des Steuber-Kostüms unwillkürlich den Mund verzog. Vor sechs Wochen war die kleine Tageshilfe im Geschäft zu ihr gekommen und hatte sie gebeten, mit einer Freundin, die in Schwierigkeiten war, zu sprechen. Die Freundin, eine Mexikanerin, hatte Neeve von einem illegalen Nähatelier erzählt, das Steuber gehörte und in dem sie arbeitete.

« Wir haben alle keine Arbeitserlaubnis. Er droht, daß er uns anzeigen will. Letzte Woche war ich krank. Da hat er mich und meine Tochter rausgeschmissen, und er will uns nicht einmal das bezahlen, was er uns schuldig ist.»

Die junge Frau konnte nicht älter als Ende zwanzig sein.« Ihre Tochter?»hatte Neeve ausgerufen.«Wie alt ist die?»

« Vierzehn.»

Neeve hatte daraufhin ihre Bestellung bei Steuber rückgängig gemacht und ihm eine Abschrift des Gedichts der berühmten englischen Dichterin Elizabeth Barrett Browning geschickt, das im vorigen Jahrhundert dazu beigetragen hatte, die Gesetze über Kinderarbeit zu ändern.

Irgend jemand in Steubers Büro hatte Women’s Wear Daily eine Kopie davon zugespielt. Die Redaktion druckte das Gedicht zusammen mit Neeves anklagendem Brief auf der Titelseite der Zeitung ab und forderte andere Modehäuser auf, Konfektionäre zu boykottieren, die das Gesetz brachen.

Anthony della Salva hatte sich sehr aufgeregt.«Neeve, es heißt, daß Steuber noch ganz andere Sachen zu verbergen hat als die Ausbeutung armer Einwanderer. Dank dessen, was du da aufgerührt hast, nehmen die Behörden jetzt seine Steuererklärung näher unter die Lupe.»

« Großartig!»hatte Neeve erwidert.«Wenn er da auch betrügt, dann werden sie ihn hoffentlich packen.»

Nun gut, entschied sie, während sie das Steuber-Ensemble auf dem Kleiderbügel glattstrich, das wird das letzte Stück von ihm sein, das meinen Laden verläßt. Sie war plötzlich sehr gespannt auf Ethels Artikel. Sie wußte, daß er in Kürze in Contemporary Woman erscheinen sollte, der Zeitschrift, für die Ethel regelmäßig schrieb.

Zum Schluß stellte Neeve noch die Liste für Ethel zusammen:« Blauseidenes Abendkostüm, dazu weiße Seidenbluse, Schmuck in Schachtel A. – Rosa und graues Ensemble, graue Pumps, passende Handtasche, Schmuck in Schachtel B. – Schwarzes Cocktailkleid . . .»Insgesamt waren es acht Sachen. Mit allem Zubehör kamen sie auf beinahe siebentausend Dollar. Ethel gab diesen Betrag dreibis viermal pro Jahr aus. Sie hatte Neeve anvertraut, daß sie bei ihrer Scheidung vor zweiundzwanzig Jahren eine große Abfindung erhalten und diese sehr geschickt angelegt hatte.«Außerdem kriege ich auf Lebenszeit noch einen Tausender pro Monat an Alimenten», fügte sie lachend hinzu.«Damals, als wir uns trennten, ging es ihm glänzend. Er teilte seinem Anwalt mit, daß es ihm jeden Cent wert sei, mich loszuwerden. Vor Gericht sagte er, falls ich je wieder heiraten würde, müßte der Mensch stocktaub sein. Ohne diese Bemerkung hätte ich ihm vielleicht eine Chance gegeben. Er ist wieder verheiratet und hat drei Kinder, und seit die Columbus Avenue vornehm geworden ist, läuft seine Bar schlecht. Jetzt ruft er mich von Zeit zu Zeit an und bettelt darum, daß ich ihn von der Angel lasse. Aber meine Antwort ist, daß ich noch keinen gefunden habe, der stocktaub ist.»

In diesem Augenblick war Neeve nahe daran gewesen, Abneigung gegen Ethel zu empfinden, doch dann hatte diese wehmütig hinzugefügt:«Ich habe mir immer eine Familie gewünscht. Ich war siebenunddreißig, als wir uns trennten. In den fünf Jahren unserer Ehe wollte er mir kein Kind machen.»

Neeve hatte daraufhin begonnen, Ethels Artikel regelmäßig zu lesen, und sehr rasch erkannt, daß Ethel zwar eine schwatzhafte und scheinbar wirrköpfige Frau war, daß sie aber ausgezeichnet schreiben konnte. Welches Thema sie auch anpackte, immer zeigte es sich, daß sie die Hintergründe ausführlich recherchiert hatte.

Mit Hilfe einer Verkäuferin verschloß Neeve die Kleidersäcke am unteren Ende mit Heftklammern. Schmuckstücke und Schuhe wurden einzeln verpackt und dann in die creme- und rosafarbenen Schachteln mit dem Namenszug des Geschäfts gelegt. Mit einem Seufzer der Erleichterung wählte Neeve Ethels Nummer.

Es meldete sich niemand, und auch der automatische Anrufbeantworter war nicht eingeschaltet. Neeve nahm an, daß Ethel wahrscheinlich jeden Augenblick atemlos in ihre Wohnung stürmen würde, während draußen ein Taxi wartete.

Um vier Uhr waren keine Kundinnen mehr im Geschäft, und Neeve schickte ihre Angestellten nach Hause. Zum Teufel mit Ethel, dachte sie. Sie wäre selber gerne heimgefahren. Es schneite noch immer ununterbrochen. Wenn es so weiterging, würde sie später überhaupt kein Taxi mehr bekommen. Sie versuchte immer wieder, Ethel zu erreichen, um halb fünf, um fünf, um halb sechs. Was ist da los? fragte sie sich. Dann hatte sie eine Idee. Sie würde bis um halb sieben, der normalen Schließungszeit des Geschäfts, warten und Ethel dann die Sachen auf dem Heimweg vorbeibringen. Sie konnte sie ja auch beim Hauswart abgeben. Dann hätte Ethel die neuen Kleider da, falls sie plötzlich verreisen wollte.

Die Vermittlerin bei der Taxizentrale wollte ihre Bestellung zuerst gar nicht annehmen.«Wir rufen alle unsere Wagen zurück, Madam. Man kann fast nicht mehr fahren. Aber geben Sie mir für jeden Fall Ihren Namen und Ihre Telefonnummer.»Als sie den Namen hörte, änderte sich ihr Ton auf einmal.«Neeve Kearney! Die Tochter des Commissioners? Warum haben Sie das nicht gleich gesagt! Sie können sich darauf verlassen, daß wir Sie nach Hause bringen. »

Das Taxi kam um zwanzig vor sieben. Sie arbeiteten sich mühsam durch die fast unpassierbar gewordenen Straßen. Der Fahrer war nicht erfreut, daß er unterwegs noch einen Halt einschalten sollte.«Ich kann’s kaum erwarten, in die Garage zu kommen, Madam.»

In Ethels Wohnung machte niemand auf. Auch beim Hauswart klingelte Neeve vergebens. Es gab noch vier weitere Wohnungen im Haus, aber Neeve hatte keine Ahnung, wer darin wohnte, und sie konnte das Risiko nicht eingehen, die Kleider bei fremden Leuten zu lassen. Schließlich riß sie eine Seite aus ihrem Notizbuch und schrieb darauf eine Nachricht, die sie unter Ethels Tür hindurchschob:« Ich habe alle Ihre neuen Sachen mit zu mir genommen. Rufen Sie mich an, sobald Sie nach Hause kommen.»Sie schrieb ihre private Telefonnummer unter die Unterschrift. Dann ging sie, mit den Schachteln und Kleidersäcken beladen, zum Taxi zurück.

In Ethel Lambstons Wohnung streckte jemand die Hand nach dem Zettel aus, den Neeve unter der Tür hindurchgeschoben hatte, las ihn, warf ihn beiseite und fuhr fort mit der systematischen Suche nach den Hundertdollarnoten, die Ethel regelmäßig unter Teppichen oder zwischen den Polstern des Sofas versteckte, Geld, das sie vergnügt als« die Alimente von Seamus, dem Schlappschwanz»bezeichnete.

Myles Kearney konnte sich nicht von der quälenden Unruhe freimachen, die in den letzten Wochen immer stärker geworden war. Seine Großmutter hatte so etwas wie einen sechsten Sinn gehabt.«Ich habe das Gefühl», pflegte sie zu sagen,«daß schlimme Dinge im Anzug sind.»Myles erinnerte sich noch lebhaft daran, wie seine Großmutter, als er zehn Jahre alt war, das Bild seines Vetters in Irland bekam.« Er hat den Tod in den Augen», begann sie zu weinen. Zwei Stunden später läutete das Telefon: Sein Vetter war bei einem Unfall ums Leben gekommen.

Vor siebzehn Jahren hatte Myles die Drohung Sepettis mit einem Achselzucken abgetan. Die Mafia hatte ihren eigenen Ehrenkodex. Sie rächten sich nie an den Frauen und Kindern ihrer Feinde. Doch dann war Renata getötet worden. Um drei Uhr nachmittags, als sie durch den Central Park ging, um Neeve von der Schule abzuholen, hatte man sie umgebracht. Es war ein kalter, windiger Novembertag und der Park menschenleer. Es gab keine Zeugen, die hätten aussagen können, wer Renata überredet oder gezwungen hatte, den gewohnten Weg zu verlassen und in den hinter dem Museum gelegenen Teil des Parks zu gehen.

Er war in seinem Büro gewesen, als der Schulvorsteher um halb fünf anrief, weil Mrs. Kearney nicht gekommen war, um ihre Tochter abzuholen. Sie hatten zu Hause angerufen, aber dort war sie nicht. War irgend etwas nicht in Ordnung? Als er den Hörer auflegte, hatte Myles mit erschreckender Sicherheit gewußt, daß Renata etwas zugestoßen war. Zehn Minuten später durchsuchte die Polizei den Central Park. Er selber war noch mit seinem Wagen unterwegs, als die Funkmeldung kam, daß man ihre Leiche gefunden hatte.

Bei seinem Eintreffen am Ort hielt ein Polizeikordon die Neugierigen und Sensationslüsternen zurück. Auch die Reporter waren bereits da. Er erinnerte sich, wie die Blitzlichter ihn geblendet hatten, als er auf die Stelle zuging, wo sie lag. Herb Schwartz, sein Stellvertreter, stand dort und flehte ihn an:«Schau sie dir nicht an, Myles.»

Er hatte Herbs Arm abgeschüttelt und war niedergekniet, um die Decke, die sie über sie gebreitet hatten, zurückzuschlagen. Sie sah aus, als ob sie schliefe. Ihr Gesicht war auch im Tod noch schön, voller Frieden, und zeigte keinen Ausdruck des Entsetzens, den er so oft in den Gesichtern von Mordopfern gesehen hatte. Ihre Augen waren geschlossen. Hatte sie sie selber in ihrem letzten Augenblick zugemacht oder hatte Herb es getan? Zuerst dachte er, sie trüge einen roten Schal. Irrtum. Er war ein abgehärteter Betrachter von Opfern, doch jetzt ließ ihn seine Berufserfahrung im Stich. Er wollte nicht sehen, daß jemand ihr die Halsschlagader in ihrer ganzen Länge aufgeschlitzt und dann die Kehle durchgeschnitten hatte. Der Kragen ihrer weißen Skijacke hatte sich von ihrem Blut rot gefärbt. Die Kapuze war nach hinten geglitten, und ihr Gesicht war eingerahmt von der Fülle ihres pechschwarzen Haares. Ihre roten Skihosen, ihr rotes Blut, die weiße Jacke und der gefrorene Schnee unter ihrem Körper – noch im Tod sah sie aus wie ein Modefoto.

Er hätte sie am liebsten an sich gedrückt, ihr Leben einhauchen wollen; aber er wußte, daß er sie nicht bewegen durfte. Er mußte sich damit begnügen, ihre Wangen, ihre Augen und ihre Lippen zu küssen. Seine Hand strich sanft über ihren Hals und wurde rot von ihrem Blut. In Blut sind wir uns begegnet, dachte er, und in Blut gehen wir voneinander.

Am Tag des Angriffs auf Pearl Harbor war er ein einundzwanzigjähriger Polizeirekrut gewesen, und am darauffolgenden Morgen hatte er sich bei der Armee gemeldet. Drei Jahre später war er mit General Clarks Fünfter Armee bei den Kämpfen um Italien dabei. Stadt für Stadt hatten sie eingenommen. In Pontici war er in eine scheinbar verlassene Kirche gegangen. Im nächsten Augenblick hatte er eine Explosion gehört, und aus seiner Stirn war Blut gequollen. Blitzartig hatte er sich umgedreht und einen deutschen Soldaten erblickt, der hinter dem Altar in der Sakristei kauerte. Er konnte gerade noch auf ihn schießen, ehe er selber in Ohnmacht fiel.

Als er zu sich kam, spürte er, daß eine kleine Hand ihn

Titel der Originalausgabe WHILE MY PRETTY ONE SLEEPS

Vollständige deutsche Taschenbuchausgabe 06/2012 Copyright © 1989 by Mary Higgins Clark Copyright © 1990 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: Eisele Grafik Design, München Umschlagmotiv: © Ingólfur Bjargmundsson/Flickr/Getty Images

eISBN: 978-3-641-10059-9

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