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Das Wohl anderer liegt uns am Herzen. Wie sehr wir uns jedoch auch bemühen, wir scheinen immer jemanden zu wenig zu beachten, seinen Ansprüchen nicht gerecht zu werden oder ihm Leid zuzufügen. Das Gefühl, unseren Eltern, Freunden oder Kollegen etwas schuldig zu sein, bringt uns dazu, noch mehr und zu viel für sie zu tun, obwohl wir spüren, dass wir uns dadurch selbst schaden. Unsere eigenen Wünsche und unsere Lebensfreude bleiben auf der Strecke, und in uns nagt der schmerzliche Gedanke: »Wer kümmert sich eigentlich um mich?« Susanne Hühn, ganzheitliche Physiotherapeutin, Seminarleiterin und bekannte Ratgeberautorin, zeigt, wie es gelingt, nicht nur für andere angemessen zu sorgen, sondern vor allem auch uns selbst die Fürsorge zu schenken, die wir brauchen. Sie führt uns mit zahlreichen Übungen und Impulsen auf einen Erkenntnisweg, der uns offenbart, wie wir unsere eigenen Bedürfnisse erfüllen, statt uns, von toxischen Schuldgefühlen getrieben, für andere aufzuopfern. So können wir uns endlich ohne schlechtes Gewissen selbst verwirklichen und das Leben in vollen Zügen genießen.
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Seitenzahl: 173
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ISBN Printausgabe 978-3-8434-1522-4
ISBN E-Book 978-3-8434-6506-9
Susanne Hühn: Schuldgefühle endlich loslassen Die Seele befreien und inneren Frieden finden © 2016, 2022 Schirner Verlag, Darmstadt
Umschlag: Simone Fleck & Hülya Sözer, Schirner, unter Verwendung von # 1546372784 (© Song_about_ summer), www.shutterstock.com
Print-Layout: Hülya Sözer, Schirner
Lektorat: Claudia Simon, Schirner
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt, Germany
www.schirner.com
1. E-Book-Auflage Oktober 2022
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten
Einleitung
Schuldgefühle versus echte Schuld
Dein Weg in die innere Freiheit
Schritt eins:Klarheit erlangen über das, was der andere wirklich von dir will und braucht
Übung: Realitätscheck – Was braucht und will dein Gegenüber wirklich?
Schritt zwei:Deinen Platz des inneren Friedens gestalten
Innere Reise: Deine sanften und unsanften Ruhekissen entdecken
Emotionale Resilienz und die Stahlfedern im Ruhekissen
Übung: Deine inneren Druck oder Zug erkennen
Dein Platz des inneren Friedens als Gamechanger
Übung: Deinen Platz des inneren Friedens erschaffen
Übung: Frieden in deine Schuldgefühle fließen lassen
Die Erlebniswelt deines Inneren Kindes neu gestalten
Übung: Das ideale Zuhause deines Inneren Kindes entwickeln
Innere Reise: Dein Inneres Kind nach Hause bringen
Schritt drei:Bewusstsein über deine eigenen existenziellen Bedürfnisse entwickeln
Übung: Deine unbewussten Versprechen erkennen
Übung: Deine Versprechen realistisch betrachten
Innere Reise: Deine bereits erfüllten Seelen- und Emotionalverträge löschen
Schritt vier:Die Verantwortung für deine Bedürfnisse übernehmen
Übung: Kontakt mit deinem Inneren Kind aufnehmen
Übung: Erfahre, was dein Inneres Kind fühlt
Innere Reise: Dein Inneres Kind in Sicherheit bringen
Innere Reise: Dein Inneres Kind befreien
Übung: Die Stahlfedern aus deinem Ruhekissen nehmen
Schritt fünf:Die unangemessenen Ansprüche anderer bei ihnen lassen
Übung: Das fremde Innere Kind wahrnehmen
Innere Reise: Das fremde Innere Kind in gute Hände geben
Innere Reise: Dein Inneres Kind zu dir zurückholen
Weitere Hilfen im Alltag
Tägliche Routinen für deine Selbstfürsorge
Hilfe für deinen allzu hilfsbereiten Anteil
Innere Reise: Den allzu hilfsbereiten Anteil erlösen
Wenn du dich niemals gut genug fühlst
Übung: Verantwortung für dein Zeitmanagement übernehmen
Dein achtsames Nein
Radikaler Selbstschutz, wenn dein Nein nicht hilft
Innere Reise: Der Schutz des Drachen
Deine Schuldgefühle als Suchtdruck der Co-Abhängigkeit
Nachwort
Über die Autorin
Liebe Leserin, lieber Leser, sei willkommen. Wenn du dieses Buch aufschlägst, dann hast du eine grundlegende Entscheidung getroffen: Du willst, dass es dir besser geht, dich freier fühlen und dein Leben neu gestalten. Du hast dich, von Schuldgefühlen getrieben, aufgeopfert und bemerkt, dass du dir damit selbst schadest. Nach all der Fürsorge für andere willst du nun lernen, wie du auch für dich selbst sorgen kannst. Du fühlst dich vermutlich leer, und in dir nagt schon länger der schmerzliche Gedanke: »Wer kümmert sich eigentlich um mich?«
Das möchte ich mit diesem Buch tun. Ich möchte dir helfen, auch für dich selbst das zu tun, was du schon so meisterhaft für andere kannst. Mein Ziel ist es, dich auf einen Erkenntnisweg zu führen und dir zu zeigen, wie du die Leere in dir mit Selbstfürsorge, mit Liebe zu dir selbst und mit Geborgenheit füllen kannst, statt dich von Gewissensbissen leiten zu lassen.
Nutze das Buch ganz frei, und nimm das heraus, was dir heute dient. Den Rest lässt du erst einmal weg. Zu einem späteren Zeitpunkt wirst du etwas anderes brauchen. Gehen wir gemeinsam den Weg der Erkenntnis und der bewussten, nachhaltigen Selbstfürsorge.
Damit du dich auf den Weg zu dir selbst machen kannst und dich nicht wieder von den Bedürfnissen anderer ablenken lässt, sollte dir eines klar sein: Schuldgefühle sind toxisch, und das spürst du auch. Deine Wahrnehmung stimmt.
Es ist dringend nötig, dass du aufhörst, dich selbst zu vergiften, indem du ein ewig schlechtes Gewissen hast. Ob Kirche, Umweltund Tierschützer, Gesundheits- und Fitnesscoaches, deine Mutter oder die Gesellschaft – was du auch tust, du scheinst immer jemanden zu schädigen, zu verletzen, zu wenig zu beachten oder den Bedürfnissen anderer nicht gerecht zu werden. Du hast permanente Schuldgefühle, weil du es in Bezug auf deine Kinder, deinen Partner, deine Eltern, deine Arbeitskollegen, deine Klienten, deine Tiere, dein Gewicht, deine Gesundheit, die Natur, das Klima oder die Weltmeere nicht hinbekommst, alles richtig zu machen. Du fühlst dich ständig mies, weil es jemanden gibt, der mehr oder etwas anderes von dir will, als du gerade geben kannst. Du musst zum Beispiel arbeiten gehen und lässt, so fühlt es sich an, deine Kinder im Stich. Oder du bleibst zu Hause bei den Kindern und schämst dich, weil du kein Geld verdienst. Oder – ganz schlimm! – du müsstest nicht arbeiten gehen, zumindest nicht aus finanziellen Gründen, du möchtest aber, obwohl du Kinder hast. Wie kannst du nur?!
Auch dir selbst wirst du vermutlich nicht immer gerecht. Du könntest mehr Gemüse und weniger Zucker essen, du könntest dich mehr bewegen und gleichzeitig mehr ausruhen und meditieren, dünner oder kräftiger sein … – es gibt unendlich viele Möglichkeiten, zu scheitern, dich selbst und andere zu enttäuschen, und du kennst mehr als genug davon.
Du weißt, dass du es nicht allen recht machen kannst, und auch dieses Wissen bereitet dir ein schlechtes Gewissen. Zum einen, weil du trotzdem gern alle glücklich machen würdest, denn das liegt in deiner Natur, und zum anderen, weil du weißt, dass du dadurch, dass du dich übermäßig um andere kümmerst, dafür sorgst, dass du dich schlecht fühlst. Du kannst nicht gewinnen. Entweder opferst du dich für andere auf und beruhigst damit dein Gewissen, bleibst aber dir selbst etwas schuldig, oder du kümmerst dich um dich, fühlst dich aber ständig in einer Bringschuld deinen Bezugspersonen gegenüber.
Die Bringschuld bleibt, sie wird nur hin und hergeschoben wie der schwarze Peter aus dem Kartenspiel. Wir werden später genauer hinschauen, was es mit ihr auf sich hat. Sie enthält den zentralen Konflikt, die Ursache dafür, dass wir dieses ewig schlechte Gewissen überhaupt haben.
Wie merkwürdig sie sich auf unseren Alltag auswirkt, zeigt sich zum Beispiel deutlich am sogenannten Freundschaftspreis. Stelle dir einfach folgende Fragen, dann verstehst du, was ich meine:
› Ist es tatsächlich ein Ausdruck von Zuneigung und Wertschätzung, wenn ich von jemandem etwas billiger haben will?
› Halte ich es für ein Zeichen von Freundschaft, wenn mir jemand weniger zahlen möchte als ein regulärer Kunde?
› Fühle ich mich in wenig unter Druck gesetzt, wenn jemand einen Freundschaftspreis verlangt?
› Habe ich ein komisches Gefühl, wenn ich nach einem günstigeren Preis frage, als wäre mir der andere etwas schuldig, eben weil wir befreundet sind oder uns zumindest schon länger kennen?
Merkst du etwas? Sollte ein echter Freundschaftspreis nicht sogar höher als die Summe sein, die man normalerweise bezahlen würde? Gibt man nicht gern mehr, eben weil man mit der Person befreundet ist? Könnte es nicht sein, dass man sich ausgenutzt fühlt, wenn einem jemand weniger geben will als das, was man für einen Artikel oder eine Dienstleistung haben möchte, weil er sich für einen Freund hält?
Das Prinzip der Bringschuld ist in unserer Gesellschaft fest etabliert. Vor nicht allzu langer Zeit sagte ein Sprecher eines kostenfreien Youtube-Kanals, der sehr viel Content und wertvolles Wissen verschenkt, er würde seinen Mitgliedern gern etwas zurückgeben, weil sie so freundlich kommentieren. Wie kommt er darauf, dass er das tun sollte? Es ist ja seine Großzügigkeit, von der alle profitieren und die mit Freundlichkeit honoriert wird. Das Konto ist bereits ausgeglichen.
»Wem wollen wir denn etwas zurückgeben, tun wir nicht schon genug für andere?«, könnten wir uns zu Recht fragen. Denn einmal mehr stehen wir offenbar in einer Schuld, sogar ohne es zu bemerken.
Du musst dir manchmal sogar vorwerfen lassen, du seist privilegiert, weil dir genug Essen zur Verfügung steht, du ein Dach über dem Kopf hast und gut ausgebildet bist, richtig? Als wäre es nicht rechtens, dass es dir gut geht. Als wäre es der Standard, in Armut, in einem Kriegsgebiet oder in einer rassistischen, gewalttätigen Gesellschaft zu leben.
Du bist nicht privilegiert, weil es dir gut geht. Das Leben ist so gemeint. Sich frei entwickeln zu können, muss der Normalfall sein. Das erkennen wir daran, dass Babys unbewusst mit der natürlichen und gesunden Erwartung auf die Welt kommen, versorgt und geliebt zu werden. Ihre gesamte Entwicklung hängt davon ab. Es wird also vom Leben selbst vorausgesetzt. Es ist in uns angelegt, darauf zu vertrauen, dass es jemanden gibt, der uns wohlgesonnen ist und der uns gibt, was wir brauchen. Die Schöpfung baut darauf, dass sie unfertige Wesen in die Welt bringen kann, weil sich andere, ausgereifte Wesen ihrer liebevoll und kompetent annehmen.
Liebe und Fürsorge für sich und andere sind, was die Schöpfung betrifft, der Standard.
Wenn wir glauben, wir müssten uns gegenseitig ausbeuten, bekriegen, verurteilen und verletzen, dann ist das der Fehler, nicht dein gutes Leben. Es ist eine fatale Verdrehung der Werte, wenn du dich, weil es dir gut geht, fühlst, als seist du privilegiert und damit anderen etwas schuldig.
Die Menschen, die anderen schaden, sie verletzen, in Kriege verwickeln, rassistisch verunglimpfen und ausbeuten, sind in der echten Bringschuld.
Natürlich kann es sein, dass wir selbst unbewusst zu diesen Menschen dazugehören, und darauf dürfen und müssen wir achten. Gleichzeitig sind wir nicht »schuld«. Anders sieht es aus, wenn wir bewusst schaden. Wenn wir etwas tun, von dem wir wissen, dass es anderen Wesen schadet, dann geraten wir tatsächlich in eine echte Schuld, und unser Inneres weiß das.
Lasse es uns zum besseren Verständnis klar definieren: Als echte Schuld bezeichnen wir hier einen Zustand, in den du kommst, wenn du einem Lebewesen bewusst und wider besseres Wissen Unrecht zufügst. In der Rechtsprechung setzt ein Schuldspruch ein Unrechtsbewusstsein voraus. Du weißt, dass du dem anderen etwas schuldig bist. Du hast ihm nicht geholfen, obwohl es dir möglich war, ohne selbst dabei Schaden zu nehmen. Du hast ihn angelogen. Du hast ihn unfair behandelt. Du schuldest ihm Geld. Du bist verantwortlich für einen echten entstandenen Schaden, den du hättest verhindern können. Etwas nagt in dir, und dir ist bewusst, dass du dich dem anderen gegenüber nicht richtig verhalten hast. Echte Schuld lässt sich nicht wegdiskutieren, wegtherapieren oder wegspiritualisieren. Du weißt es einfach, Punkt. Alles andere ist unwürdig.
Als Schuldgefühle, um die es in diesem Buch geht, bezeichnen wir dagegen das toxische Gefühl, dem anderen etwas geben zu müssen, damit es ihm besser geht, obwohl wir gleichzeitig spüren, dass wir uns damit selbst schaden.
Wir fühlen uns durch Schuldgefühle genötigt, gegen unser Inneres zu handeln und uns selbst und unsere Gefühle zu verleugnen.
Ob es sich bei dem, was du fühlst, um Schuldgefühle oder um eine echte Schuld handelt, kannst du leicht erkennen. Von echter Schuld kannst du dich durch Folgendes befreien: Höre mit deinem schädigenden Verhalten auf. Gib es zu, bitte um Vergebung, und mache es, wenn möglich, wieder gut. Übernimm also die Verantwortung für dein Fehlverhalten, und lasse es, wenn du um Vergebung gebeten hast, hinter dir. Zugeben, Verantwortung übernehmen, wiedergutmachen und aufhören, dann weitergehen, so einfach. Die Scham über das Fehlverhalten wirst du spüren müssen, das macht nichts. Sie nennt sich Reue.
Reue zu spüren und die Verantwortung für dein Fehlverhalten zu übernehmen, gibt dir deine Würde zurück.
Die Reue des Schädigers ist die Voraussetzung dafür, dass Vergebung überhaupt wirksam stattfinden kann, denn nur, wenn der Schädiger um Vergebung bittet, nimmt er sie auch an. So entsteht Frieden – beim Vergebenden und bei dem, der um Vergebung bittet.
Falls du dich jetzt fragst, wie du jemandem vergeben sollst, der dich nicht um Vergebung bittet, dann lautet die Antwort: Gar nicht, weil es nicht funktioniert. Jemandem zu vergeben, ist eine Energie, die nach außen gerichtet ist und einen Empfänger braucht, sonst entsteht keine Befreiung, weil der andere jene nicht annimmt. Die Energie »Vergebung« prallt am geschlossenen Energiefeld des anderen ab und kehrt zu dir zurück, wenn er nicht bereut, denn nur Reue öffnet das Energiefeld für Vergebung. Das fühlt sich nicht gut an, im Gegenteil, denn du erlebst eine erneute Zurückweisung. Das hast du oft gespürt und womöglich nicht verstanden, warum du noch immer keine innere Ruhe in Bezug auf ein bestimmtes Thema gefunden hast.
Es gibt etwas Besseres, als zu versuchen, jemandem zu vergeben, der nicht um Vergebung bittet: Nimm den Platz des inneren Friedens ein, auf den wir später zu sprechen kommen, und werde bereit, sowohl mit dem, was dir angetan wurde, als auch mit dem, was du zugelassen hast, in Frieden zu kommen.
Auch in der Selbstvergebung gilt: Höre auf mit dem schädigenden Verhalten. Spüre den Anteil in dir, der dir geschadet hat, seine Scham und Reue, bitte dich selbst um Vergebung, vergib dir, und mache es von nun an anders. Kannst du das nicht, dann lasse dir helfen.
Wenn du bereust, was du getan oder unterlassen hast, wenn du um Vergebung gebeten hast, gleich, ob dir vergeben wurde oder nicht, wenn du Wiedergutmachung geleistet hast und wenn du das schädigende Verhalten beendest, dann hören auch die Gefühle auf, schuldig zu sein, falls es sich dabei um echte Schuld handelt.
Schuldgefühle dagegen wirst du nicht einfach nur deshalb los, weil du versuchst, beim anderen etwas wiedergutzumachen. Ihnen fällt immer wieder etwas Neues ein, warum du dich schuldig fühlen könntest. Du kannst sie nicht durch Reue und durch die Bitte um Vergebung befrieden, weil den Schuldgefühlen, über die wir hier reden, keine echte Schuld zugrunde liegt. Du erkennst sie daran, dass du gar nicht genau weißt, was du wiedergutmachen und wofür du dich entschuldigen solltest. Deshalb hilft dir zum Beispiel Selbstvergebung nicht, wenn du Schuldgefühle hast. Wem in dir willst du denn was genau vergeben? Und wer in dir bereut, was er getan oder gelassen hat, wer in dir hat dir selbst also bewusst geschadet?
Gibt es darauf eine Antwort, dann ist es wieder ganz einfach. Wie schon gesagt: Höre auf damit. Bereue, was du dir selbst angetan hast, bitte dich selbst um Vergebung, vergib dir, und ändere dein Verhalten, wenn nötig, mit Hilfe.
Toxische Schuldgefühle treten vor allem dann auf, wenn du dich um dich selbst kümmerst, statt dich für andere aufzuopfern, und deshalb gibt es nichts, was du dir selbst vergeben könntest oder müsstest. Als toxisch bezeichnen wir sie deshalb, weil sie sich nicht wiedergutmachen lassen. Du kannst nichts in Ordnung bringen, damit sie aufhören. Warum ist das so? Weil dich Schuldgefühle von einem ganz anderen, viel tiefer sitzenden Thema ablenken wollen: der Scham. Toxische Schuldgefühle haben nichts damit zu tun, dass du etwas falsch gemacht hast, was du wieder in Ordnung bringen kannst. Sie treten auf, wenn du dich zur Gänze falsch fühlst und deshalb versuchst, dein grundsätzliches Falschsein irgendwie wiedergutzumachen. Warum das so ist, erfährst du später ausführlich.
Mache dir bewusst: Es ist richtig und gesund, dass du dich selbst erhalten willst. Du bist ein Lebewesen, das Bedürfnisse hat, und du darfst dafür sorgen, dass sie erfüllt werden. Selbst wenn du von deinen Eltern unerwünscht zur Welt gekommen bist, hast du ein Recht darauf, deinen Platz einzunehmen. Das Leben will dich, sonst wärst du nicht hier. Deshalb darfst du das Leben und damit deine Wünsche, Träume und alles, was dich ausmacht, annehmen und zur Entfaltung bringen. Das Streben nach Glück und Entfaltung ist in uns allen und damit auch in dir angelegt. Je schneller wir unser eigenes Wesen anerkennen, desto rascher können wir toxische Schuldgefühle hinter uns lassen.
Ja, es darf dir gut gehen, auch wenn es anderen nicht gut geht.
Das erzeugt Hoffnung in jenen, denen es schlecht geht. Du musst nicht erst abwarten, bis die Welt gerettet ist, damit auch du dich entspannen kannst. Dessen bin ich mir ganz sicher. Schon allein deshalb, weil sich, würde jenes Glaubenssystem stimmen, sonst jemand anderer schlecht fühlen muss, solange es dir nicht gut geht. So wird das nichts.
Wie konnte es so weit kommen, dass wir uns schlecht fühlen, einfach, weil wir wachsen und gedeihen wollen? Fühlt sich ein Tier in der freien Natur schlecht, weil es nicht von uns ausgebeutet und in der Masttierhaltung geknechtet wird? Wohl kaum. Von Elefanten weiß man, dass sie wütend werden, wenn sie das Leid ihrer Artgenossen spüren. Wut ist angemessen, Schuldgefühle sind es nicht.
Scheinbar in der Schuld anderer zu stehen, wird gesellschaftlich gefördert und ausgenutzt. Es gibt unendlich viele Gründe, warum du ein schlechtes Gewissen haben könntest, und egal, wie sehr du dich anstrengst, du wirst diese Gründe niemals alle beseitigen können. Irgendetwas ist immer, und fast jedes Mal ist es menschengemacht und basiert auf den Meinungen und Ängsten anderer.
Wie, du spendest kein Blut, hast keinen Organspendeausweis? Oder du hast einen und unterstützt damit die Schulmedizin? In Zeiten einer weltweiten Pandemie wird es besonders deutlich: Ob du dich impfen lässt oder nicht, du wirst auf jeden Fall jemandem auf die Füße treten und harsche Kritik ernten. Immer hat irgendjemand etwas zu meckern. Es ist auf eine gewisse Weise sogar in uns angelegt, Menschen, die anders sind, anders leben, anders reden, abzulehnen, nämlich als Folge des sogenannten Herdentriebes.
Wenn ein Herdentier anders aussieht oder aus der Reihe tanzt, ist das für die Herde gefährlich, denn ihre Sicherheit hängt davon ab, dass sie von Raubtieren als homogenes, sich synchron bewegendes und daher einziges, großes Wesen wahrgenommen wird. Dieser Herdentrieb in uns hat merkwürdige Auswüchse, die alle auf unbewusster, archaischer Angst basieren. Das ist natürlich kein Argument für die Verunglimpfung anderer. Wir haben noch ein paar Gehirnteile, die es besser wissen.
Du wirst die Bringschuld, die dir andere auferlegen, niemals begleichen können, weil es immer wieder etwas Neues gibt, was du erfüllen musst. Bringschuld schickt dich in einen geschlossenen Kreislauf, auf die Aschenbahn des ewigen Versagens. Wir brauchen eine neue Lösung.
Ja, es darf dir gut gehen, auch wenn es anderen nicht gut geht. Das erzeugt HOFFNUNGin denen, denen es schlecht geht.
Schuldgefühle lasten bleiern auf uns. Sie nehmen uns die Lebensfreude, die innere Freiheit und die Leichtigkeit, nach denen wir uns so sehr sehnen. Wenn wir Schuldgefühle haben, dann machen wir uns selbst nieder, setzen uns unter Druck, beschimpfen uns selbst, erlauben uns nicht, glücklich und zufrieden zu sein, solange wir nicht perfekt sind und alles erfüllen, was andere von uns wollen oder wollen könnten. Wir dürfen nicht glücklich sein, solange es andere, meist ganz bestimmte und uns nahestehende Menschen nicht auch sind. Die Angst, etwas falsch zu machen und andere damit zu verletzen, lähmt uns. Schuldgefühle wiegen schwer und sind toxisch. Sie tarnen sich mit den Masken »Fürsorge« und »Verantwortungsbewusstsein« und sind vielschichtig.
Irgendwann hast du vielleicht aufgegeben. Du sagst dir: »Ich mache nur noch das, was ich will, ich kann es ja sowieso niemandem recht machen«, und das ist nicht die verkehrteste Haltung. Doch sie funktioniert nicht, außer, du verwandelst dich in einen Soziopathen. Du hast ein Gewissen, das gehört zum Menschsein dazu. Schuldgefühle können dich außerdem aggressiver machen, als du je von dir dachtest, in der Lage zu sein. Nehmen wir das zu Tode geschüttelte Baby als ein sehr drastisches, aber nicht ungewöhnliches Beispiel: Was, wenn die Mutter aus lauter Schuldgefühlen schier verrückt geworden war, weil sie ihrem schreienden Kind offenbar nicht geben konnte, was es brauchte?
Was dir hilft: Du musst erstens verstehen, was Schuldgefühle sind und wozu sie in Wahrheit dienen. Und du brauchst zweitens einen Weg, der dich zuverlässig aus den Schuldgefühlen hinausführt.
Die Schritte auf diesem Weg sind:
› Schritt eins: Klarheit erlangen über das, was der andere wirklich von dir will und braucht
› Schritt zwei: Deinen Platz des inneren Friedens gestalten
› Schritt drei: Bewusstsein über deine eigenen existenziellen Bedürfnisse entwickeln
› Schritt vier: Die Verantwortung für deine Bedürfnisse übernehmen
› Schritt fünf: Die unangemessenen Ansprüche anderer bei ihnen lassen
Die Schritte sind fließend, und die Themen wiederholen sich teilweise, damit dein Gehirn ab und zu an das erinnert wird, was du in diesem Buch schon einmal, nur vielleicht ein wenig anders, gelesen hast. So kann es besser lernen.
Bist du bereit für deine Reise? Nimm dir etwas zu trinken und zu schreiben mit – und los geht’s!