Schwei - Gerhard Roos - E-Book

Schwei E-Book

Gerhard Roos

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Beschreibung

Aus den unzähligen und ausführlichen Chronikberichten des ehemaligen Schweier Pastors Muhle hat der Autor Wichtiges zusammengefasst und auf diese Weise eine kleine Geschichte der Entstehung der Ortsgemeinde Schwei in der Wesermarsch geschaffen. Ganz nebenbei lehrt das Büchlein auch Allerlei über die Denkweisen des 19. Jahrhunderts.

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Inhalt

Vorwort

Muhles Ziele und Quellen

Entwicklung der Natur und Umwelt von Schwei

Frühe Besiedlung des Hohen Moores

Siedler im 15. Und 16. Jahrhundert

Die Deiche

Gesundheitspflege und die Ärzte

Die Schulen und ihre Lehrer

Die Kirchen

Die Pastoren

Muhle und die Politik

Sonstiges aus Muhles Zeit

Umschlagbild: Teil einer Zeichnung eines Unbekannten, in einem Schweier Chronikbuch verwahrt.Zeichnungen im Innenteil: auch von Unbekannten gefertigt, heute in Privatbesitz.

Vorwort

Die Gemeindepfarrerinnen und -pfarrer der Gegenwart sind oft gehetzte Menschen. Die jeweilige Zusammenführung mehrerer Pfarrstellen verändert nicht die geistliche Person sondern die Breite der Aufgaben. Vorbereitungen für die Sonntags-, Tauf-, Trauungs- und Beerdigungspredigten wie auch den Unterricht werden immer einmal wieder unter Zeitdruck erledigt, fast zwischen Tür und Angel. Die Zahl der Hausbesuche schrumpft immer mehr zusammen. Ohne ehrenamtliche Helfer, die auf zahlreichen Ebenen geistlicher Betreuung tätig sind, ginge Vieles überhaupt nicht mehr. Die Erwartungen der Gemeindeglieder werden zudem keinesfalls bescheidener, es mehren sich eher die kritischen Stimmen. Manche sind leider auch unfair.

Ein Pfarrer im Ruhestand namens Klaus-Dieter Härtel hat seinen Erinnerungsfrust in eine bittere, sarkastische „Beschreibung“ unseres Berufsstandes umgesetzt. Titel: „Der perfekte Pfarrer.“ Er schreibt: „Der perfekte Pfarrer predigt genau 10 Minuten. Er verdammt die Sünde rundum, tut dabei aber niemandem weh. Er arbeitet von acht Uhr morgens bis Mitternacht, und das sieben Tage in der Woche.

Der perfekte Pfarrer hat stets für alle seine Gemeindeglieder Zeit, nur für sich selbst und seine Familie braucht er keine.

Der perfekte Pfarrer gibt gute Ratschläge, aber er kritisiert nichts und niemanden. Er ist 29 Jahre alt, aber mindestens 49 an Erfahrung. Er hat ein brennendes Verlangen, mit Teenagern zusammen zu arbeiten. Er verbringt die meiste Zeit mit älteren Menschen.

Der perfekte Pfarrer lächelt ständig mit einem ernsten Gesicht, denn er hat einen gut entwickelten Sinn für Humor, der durch nichts erschüttert werden kann. Eigene Sorgen und Probleme kennt er nicht. Er macht täglich ein Dutzend Hausbesuche und ist immer in seinem Büro erreichbar, für jeden, der ihn gerade braucht.

Der perfekte Pfarrer hat immer Zeit für den Kirchenvorstand und seine Probleme. Er besucht viele Tagungen zu seiner Weiterbildung, ist aber immer zu Hause. Er interessiert sich für alle Vereine und Organisationen am Ort, stimmt mit der politischen Meinung jedes seiner Gemeindeglieder überein und ist regelmäßig in jedem Gemeindekreis, bei jedem Geburtstag und in jedem Krankenzimmer anwesend. Er selbst ist niemals krank.

Der perfekte Pfarrer hat immer gute Ideen für alle Gelegenheiten. Er weiß alles, er kennt alles, er macht alles, und er wird dabei niemals müde und hört niemals auf.

Der perfekte Pfarrer wohnt in der Nachbargemeinde.“

Schon zu Zeiten meiner Großväter, beide Gemeindepfarrer, gab es die eine oder andere Erwartung der Gemeindeglieder, die schwer zu erfüllen war. Beide aber hatten, soweit ich das in der Rückschau beurteilen kann, außer während des 2. Weltkrieges keine Probleme mit der Organisation ihrer Zeit. Was ging, wurde gemacht, was nicht möglich war, unterblieb. Basta. Die Gemeindeglieder waren es letztlich zufrieden und überließen den Geistlichen die Einschätzung, was wichtig wäre und was nicht.

Aber so viel Zeit, wie sie ein einstiger Schweier Pastor in der Mitte des 19. Jahrhunderts offenbar verfügbar hatte, eine eintausend (!) Seiten umfassende „Chronik des Kirchspiels Schwey, verfasst vom Pastor Muhle“ zu schreiben, hatten die beiden Herren in den Zwanzigern und Dreißigern des 20. Jahrhunderts auch schon nicht mehr. Im Folgenden will ich versuchen, einige besonders auffällige Notizen dieses Pfarrherren zusammenzustellen, damit auch heutige Generationen ihre Freude an seinem Werk haben können, ohne es völlig durcharbeiten zu müssen, ganz im Sinne seiner Widmung: „Der geliebten Schweyer Gemeine hochachtungs- und vertrauensvoll gewidmet von Ihrem Seelsorger D. K. Muhle“.

Bereits die ersten Seiten nach dieser Widmung sind es wert, mit aufgeschrieben zu werden, zeigen sie doch deutlich, wie sehr sich dieser Mann in Schwei verwurzelt gefühlt hat: „Liebe Schweyer! Nicht bloß für die gegenwärtige Zeit, sondern auch für eine längst entschwundene Vergangenheit kann ich mich den Eurigen nennen; denn unter Euren Vorfahren lebten und wirkten gleichfalls die meinigen, und es ruhen ihre Gebeine auf unserem gemeinschaftlichen Friedhofe, wo hoffentlich auch ich einst unter Euch schlummern werde. Wen könnte ich daher in jeder Hinsicht näher finden, diese Chronik zuzueignen, als Euch, welche ein so mehrhaftes Band mit mir verknüpft! Darum war denn auch die Schaffung dieses Zeitbuches ein mir sehr angenehmes Werk, noch verschönert durch den Gedanken, daß Ihr es mit Liebe aufnehmet, und die Nachkommen es als ein Vermächtniß, rein an belehrendem und erfreuendem Inhalte, ansehen und bewahren werden. Sey es Euch nun ein Spiegel des Lebens, dessen vielseitiges Bild der Weise christlich zu benutzen versteht.“ Und dieser Liebesbrief an seine Schweier ist mit seiner Unterschrift versehen.

Ich werde, soweit möglich, jeweils einige thematisch zusammen passende Teile seines „Zeitbuches“ hintereinander stellen und möchte so ein Bild von unserer Dorfgeschichte schaffen, wie sie sich diesem Pastor in seiner Zeit dargestellt hat. Manches wissen wir heute natürlich besser.

Dass ich so locker und flink seine Texte lesen und niederschreiben kann, verdanken wir Interessierten alle der ehemaligen Schweier Lehrerin Lotte Rohde-Hentschel, die vor Jahren in einer beispiellosen Fleißarbeit Muhles gesamte Chronik aus dem alten „deutschen“ Sütterlin-Schriftbild, das uns heute zunehmend schwer lesbar wird, Seite für Seite in die moderne „lateinische“ Schreibweise übertragen hat, mit Bleistift in schöner und klarer Schrift, wie sie diese wohl einst zahlreichen Kindern an der Tafel vorgeschrieben hat. Dank auch an die heutigen Eigentümer dieser Kopie, dass ich dieses ihr behütetes Kleinod ausleihen und benutzen durfte.

Muhles Ziele und Quellen

In weitschweifigen Begründungen für sein Erstellen einer Chronik, die fast unangenehm auch den Charakter einer Selbstbeweihräucherung haben, erklärt Muhle als „Vorrede“, wozu diese nützlich sein kann. Letztlich hätte er nur schreiben müssen: „Alle nachfolgenden Generationen der Einwohner von Schwei sollen lehrreich und spannend lesen können, was sich in früheren Zeiten zugetragen hat und bis in die Gegenwart nachwirkt.“ Er benötigt für diese Zielbeschreibung fünfzehn Seiten!

Immerhin wollte er in dieser Vorrede schon betonen, dass er gute und sichere Quellen benutzt habe: „Damit aber die lautere Wahrheit erforscht werde, so ist unsere Chronik hier aus Schriften, in welchen die Alten sprechen, dort aus Quellen geschöpft, die im Grunde des Bodens vor uns fließen, und welche sämtlich unten (…) verzeichnet werden sollen.“

In einem eigenen Kapitel listet er dann auf, welche „Quellen und Hülfsmittel“ er wirklich genutzt hat. Die eine Quelle ist „Das Locale. Es liegt vor uns das Moor, theils als cultiviertes Ackerland theils noch wild, mit Heide bewachsen. (…) Ebenso schließen wir von der Beschaffenheit des Marschbodens auf mehrere Regulationen, welche denselben in seinen jetzigen Zustand umwandelten. (…) Steinerne Inschriften reichen hier keine Hülfsmittel, als etwa die wenigen, welche man an der Kirche und hie und da an Häusern findet.“

Die weit größere andere Gruppe umfasst zahlreiche Quellen: „Landesbeschreibung und Erdbücher (Kataster)“ geben Auskunft über die „Hausleute“ (Besitzer) der „Stäte“ (Hofstätten), teils auch deren Familien- und Vermögensverhältnisse. „Kammerconsense beschreiben den zunehmenden Anbau unkultivierter Gegenden und Stätebriefe bezeichnen das Verhältniß der eigenthümlichen Köther zu den Hausleuten, auf deren Bauen sie wohnen.“ Mit dem Schweier „Kirchenarchiv“