Silber Weiden Mond - Christine Keller - E-Book

Silber Weiden Mond E-Book

Christine Keller

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Beschreibung

Die Nacht auf den 21. Dezember ist voller Wunder, vor allem wenn das quirlige Weidengeistmädchen Silvretta auf den eigenwilligen Hovawart Kipferl trifft. Silvrettas Mission ist schon lange auch der Wunsch einer ganzen Familie: Lisa im Rollstuhl muss geholfen werden! SILBERWEIDENMOND ist eine süsse Weihnachtsgeschichte, die jung und alt Mut machen soll.

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Widmung

für meine Eltern

Albert (4.6. 1925 - 21.12. 1988)

und Erna (5.9.1930 - 21. 9. 2022)

Sie lehrten mich: Wie oft ist Tragik die Türe zum Wunder.

Mögest du arm an Unglück und reich an Segen sein. Mögest du nichts als Glück kennen von diesem Tag an. (irischer Segenswunsch)

der Himmel sagt: ich lass die Türe zum Licht ein wenig offen ein Viertel Mond drei Viertel Nacht der Himmel sagt: am Fluss des Lebens steht der Weidenbaum der Himmel sagt: das Unglück ist gegangen der Schnee gekommen sei bereit für den Wintertraum

(Christine Keller)

Über die Autorin:

Christine Keller (*1959) ist eine künstlerische Wundertüte. Neben ihrem Status als Familienfrau und Wanderlehrerin malte und realisierte sie von 1987-2003 viele Ausstellungen. Sie studierte an der Universität Zürich, arbeitete als Lebensberaterin und forschte über Farben. Seit 2010 schreibt sie Bücher in verschiedensten Genres, die sie zum Teil selbst illustriert.

»Geh nicht weiter als bis zu den Häusern auf dem Hügel, damit du die Spur zum Fluss zurückfindest. Und sei vor dem Morgengrauen zuhause, egal ob du erfolgreich warst oder nicht!« Muma meint es gut. Winternachtworte wehen Silvretta an. Weidenworte.

»Muma, meine Spuren sind stark. Ich muss endlich meine erste richtige Menschenerfahrung machen. Wie alle anderen Weidenmädchen auch.« Silvretta windet sich aus den energetischen Armen ihrer Weidenmutter. Der silbrige Luftkörper der kleinen Silvretta flattert leicht im Mondlicht. Mit anderen Weidenmädchen hat Silvretta etwas angegeben, sie kennt sie nur vom Hörensagen. Silvretta ist leider weit und breit die einzige zweijährige Weide.

»Muma, es ist wirklich einfacher als sonst zu flummen.« Flummen, so wird das Herausschweben der Weidengeister abends aus dem physischen Baumkörper genannt. Speziell in dieser Nacht zum 21. Dezember sind die Tore zur Anderswelt weit geöffnet. Nicht nur die Weidenkinder, alle Baumkinder versuchen in der längsten Nacht des Jahres erstmals ganz allein einem Menschen zu helfen. Im Schutz der heiligen Thomasnacht sind die Herzen offen. Manchmal können Menschen sogar die Worte ihrer Verbündeten, der Pflanzen und Tiere hören. Es ist eine Prüfungsnacht, eine Nacht für gute Taten.

Ein eiskaltes Sternenmeer funkelt über Muma und Silvretta. Weidenbäume schützen sich vor Kälte, aber ihre Geistkörper frieren nicht.

»Es wird Schnee geben und du musst vor dem Morgengrauen zurück sein!« Muma betont nochmals vor dem Morgengrauen.

Das Morgengrauen ist nicht nur grau, sondern ein Grauen, so werden Baumgeistkinder trainiert.

»Ich werde eine schön starke Energiespur legen, auf der ich rasch zurückfinde. Und ich kenne den Ort bereits, du weißt es Muma. Noch im Mondlicht werde ich wieder bei dir am Fluss sein, versprochen Muma.«

Silvretta schimmert silbern auf wie Lametta und hüpft vor Begeisterung vor Mumas Hängeästen herum. Ihre Sprünge hat Silvretta von spielenden Kindern abgeguckt. »Ich freue mich so menschlich!«

»Genau so siehst du auch aus!« Manchmal ist Muma ein wenig besorgt um ihr Kind, welches Menschen so sehr liebt. Weidengeister sind flexibel in ihrer Gestalt, wenn sie ihren Baumkörper verlassen, doch Silvretta wollte immer nur Menschengestalt annehmen.

Sie versteht es auch ausgezeichnet, sich in ein strahlendes kleines Mädchen zu verwandeln: Lange silberblonde Haare, ein hellgrüner Samtmantel und weidenrindengraue Winterstiefelchen. Dazu ein weißes Käppchen wie ein Weidenkätzchen.

Perfekt, findet Silvretta.

Muma schmunzelt. Geschmack hat die Kleine! Silvretta beobachtet stundenlang die Kleidung und das Verhalten von Kindern, wenn diese mit ihren Eltern am Fluss spazieren, picknicken oder spielen. Sie ist ein Menschenfan, das weiß ihre Mutter.

»Vor dem Morgengrauen bist du zurück!« Muma muss dauernd warnen! Silvretta weiß es doch. Weidengeister sind Nachtgeister. Wenn sie es nicht schaffen, am Morgen in ihre Bäume zurückzuschlüpfen, zurück zu flummen in Weidensprache, müssen sie im Sonnenlicht ausharren bis zum Abend. Es ist sehr unangenehm für einen Weidengeist sich nach einem brennenden Sonnentag wieder im Baumkörper auszubreiten. Nur ein einziges Mal vergaß Silvretta die Zeit. Sie plauschte bis acht Uhr früh mit Eulenbabys und Eichhörnchen herum und kehrte erst nach Sonnenaufgang zurück. Einmal und nie wieder, schwor sie damals sich und ihrer Mama. Es hatte sich angefühlt, als wäre sie in eine Hecke voll picksiger Rosen gefallen.

»Niemals nie Muma, komme ich zu spät«, verspricht Silvretta nochmals.

»Niemals genügt mir.« Muma liebt es nicht, wenn Silvretta übertreibt.

Silvretta dreht sich mehrmals um sich selbst und versprüht Funken. Dann stürmt sie los.

»Kipferl!«

Ein weicher Arm schlingt sich um seinen Nacken. Da hat sich jemand von hinten an ihn herangepirscht. Oder ist, genauer gesagt, lautlos herangerollt auf Gummirädern. Nur Lisa darf das, weil sie im Rollstuhl sitzt. Ihre Zwillingsschwester Mona zum Beispiel ist es nicht erlaubt, ihn von der Schwanzseite herkommend zu begrüßen. Aber Mona kann ja auch gehen …

Lisa war schon immer sein absoluter Lieblingsmensch, bereits als er mit 16 Wochen das Szepter in diesem Rudel, Familie genannt, übernahm. Gleich nach Lisa hat Mona einen Platz in seinem Hundeherzen. Die Zwillinge sind ihm einfacher näher als der baumhohe Herbert, obwohl sich dieser am meisten mit ihm beschäftigt, Hunderziehung, nennt er das.

Wie er diese Kipferl-Rufe hasst. Ein Hovawart ist ein Hund, der einen Hof bewacht und kein Zirkushund. Speziell er, Kipferl, ist eine starke und unterdessen beinahe zweijährige Persönlichkeit …

Es gibt einfach lustlose Tage wie diesen, an welchen er seine Ohren verschließt. Dann starrt er von Lisa geherzt stur durch die Fensterfront in den Schnee hinaus Richtung Fluss.

Er ist kein Hund, der dauernd Menschen nachläuft. Menschen müssen auch ein wenig erzogen werden. Oft wartet er bis ihn Herbert und Fanny, die erwachsenen Anführer des Menschenrudels höchstpersönlich abholen. Manchmal gibt er auch großzügig nach und kommt freiwillig.

Aber heute ist ein Schlechte-Laune-Tag. Außer Gassi gehen war er noch nicht draußen, um herumzutollen. Und Hovawarts brauchen viel Bewegung. Also sollen sie ihn bitte schön beim Fenster abholen. Am besten mit einer kleinen Belohnung im Voraus.

»Kiiiipferl!« Kipferl wird er gerufen, weil sein Fell vanillefarben und sein Schwanz ein wenig krumm ist. Eigentlich nicht krumm, sondern schön gebogen, eben wie ein Vanillekipferl.

Kipferl stupst Lisa an den Arm. Wenn er sitzt, dann befindet sich sein Kopf auf Höhe der Armlehne. Seit einem halben Jahr besteht seine Hauptaufgabe darin, die allerliebste Lisa mit dem Honiglächeln zu bewachen. Das Verrückte ist, sie lächelt immer noch, sogar im Rollstuhl. Stiller ist sie geworden. Ganz im Gegenteil die zwei Anführer des Rudels, ach nein, der Familie. Der beinahe zwei Meter große Herbert, der Papa, und die mittelgroße, leicht übergewichtige Fanny, die Mama, die streiten sich seit dem Unfall viel mehr. Temperament haben die beiden, beinahe so viel wie er selbst! Und jeder gibt dem anderen die Schuld.

Dabei war er, Kipferl, ebenfalls im Schockzustand, damals an jenem schönen Frühlingsabend:

Knallen, Schläge und Erschütterungen

entsetzte Schreie

eine Welt, die sich drehte und Kopf stand

Angst, die eine Ewigkeit zu dauern schien

dann unheimliche Stille

und die Feststellung:

nein, er war noch nicht im Hundehimmel

Als das Auto von der Straße abkam und sich überschlug, kamen Mona, Fanny und Herbert mit dem Schrecken und ein paar Prellungen davon. Nach einer ersten Schockstarre begannen alle im umgekippten Auto zu reden. Nur Lisa stöhnte und fiel in einen tiefen Schlaf, aus dem sie lange nicht erwachte. Herbert und Fanny sagten Ohnmacht dazu. Die arme Lisa war so stark an Seitenwand und Türe geschleudert worden, dass irgendwas in ihrem Rücken kaputt ging. Kipferls erster Impuls war, Lisa zu beschützen, aber er war ja im Hundeabteil gefangen. Schatten waren zu sehen, die ans Auto klopften und etwas riefen. Nach einer Weile ertönte Sirenengeheul in der Ferne und wurde laut und immer lauter. Hilfe nahte.

Dann wurden alle in ein Spital gebracht und verarztet. Auch er, Kipferl wurde untersucht und als Glückspilz bezeichnet. Er hatte von allen am wenigsten abbekommen. Bald waren alle wieder in ihrem wunderbaren, gemütlichen Zuhause. Allein Lisa blieb sehr sehr lange weg. Viele Wochen. Und kam im Rollstuhl zurück.

Kipferl will Lisa helfen. Die ganze Zeit weicht er nicht von ihrer Seite, stupst sie an, winselt und leckt ihre Hand. Auch Lisa möchte seit dem Unfall viel mehr mit Kipferl zusammen sein. Vielleicht erinnern sie seine vier Beine weniger daran, dass sie nur noch rollen kann, statt sich mit zwei Beine fortzubewegen wie die anderen.

Bei Lisas Rückkehr erklärte es Mona Kipferl: » Etwas in der Wirbelsäule, schau da, ist gequetscht. Lisa hat ein Trauma. Aber eines Tages kann sie wieder gehen. Sie und ich, wir glauben, dass sie gesund wird. Mama und Papa hoffen nur.

Selbstverständlich schließt sich Kipferl Mona und Lisas Glauben an. Etwas anderes würde sein Ethos als Hovawart nicht zulassen!

Hoffnung und Glauben schweben an diesem Dezembertag wie eine Sternenwolke über dem Haus. Glaube und Hoffnung sind pures Licht. Kipferl weiß, es hängt mit dem bevorstehenden Fest zusammen. Wenn die Menschen Weihnachten sagen, dann strahlen ihre Augen und sie stehen wie in einer glänzenden Wolke der Zuversicht. Es ist geradezu magisch, dieses Weihnachten. Hunde spüren all diese Dinge ganz genau.