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Im Blues stecken geblieben? Gestresst? Eigenwillige Königshäuser, Slapear, der coachende Hase, diverse Zwerge, Mac Holle, Rapunzel auf Abwegen im Altersheim, ein Crêpes liebender Wolf und viele mehr leisten hier Abhilfe. LILA steht für Überraschung und amüsante Revolte, für Entspannung und Entertainment. Ein modernes Märchenbuch und ideales Mitbringsel für Erwachsene und Kinder.
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Seitenzahl: 141
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Ein Märchen hat seine Wahrheit und muss sie haben, sonst wäre es kein Märchen.
— JOHANN WOLFANG VON GOETHE
Was uns ein Märchen sagt, passt in eine Nussschale, gleichzeitig sind selbst die sieben Universen nicht groß genug, um es zu fassen.
— TÜRKISCHES SPRICHWORT
Wenn du wirklich etwas willst, werden alle Märchen wahr.
— THEODOR HERZL
Das Märchen vom verbotenen nein
Achtsames Märchen
Elf heraus
Raprunzel & Belami
Der Schneewittwer
Das süsse kleine Aschenpudelchen
Mac Holle
Jeanne à la bonne Chance
Vom König der nicht Tango Tanzen und von der Königin, die nicht in Möbelhäuser gehen wolle
Die Prinzessin, die nicht aufwachen wollte
Rubin
Der Platz
Mimimi
Stress im Paradies
Three Daddys online
Tumtus der Igel
Der Regenjunge
Malpipi der Kommentar
Die Versteinerung
Märchen aus der Besteckschublade
Die vereiste Prinzessin und der Punkprinz
Hasencoaching
Es war einmal ein Junge, der hieß Alois und hatte seine Eltern sehr lieb. Leider starben sie, als er sieben Jahre alt war, und er kam zu Onkel und Tante. Der Onkel war ein pensionierter Psychologe. Das heißt er war vor allem tagsüber pensioniert, morgens und abends kurz psychologisch, dafür von ausgewählter Sturheit! Die Tante, tja, … war einfach die Tante!
Eines Morgens verbot der Onkel dem Neffen Nein zu sagen. Was sollte Alois tun? Sein Onkel stand vor ihm und dozierte, was er im letzten Fortbildungskurs vor dem Ruhestand gelernt hatte. Es ging darum, dass man im Leben immer nur Ja sagen dürfe.
Der Onkel erklärte Alois lang und breit, dies sei das viel gerühmte positive Denken. Es gebe keine Verneinung im Universum! Der Onkel bläute Alois ein, dass man alles, woran man denke, vor allem wenn man es abwehrend oder angstvoll tue, anziehe.
»Also denke immer positiv und sag schön Ja und Amen, wenn du gefragt wirst.«
So lautete der erzieherische Kurzschluss. Das positive Denken wurde zu Onkels Lieblingsthema, und mit der Zeit schien es Alois, diese Theorie des ewigen Ja könnte stimmen. Er gab sich alle Mühe, positiv zu denken, zumindest um seinen Onkel nicht zu erzürnen.
Obwohl ein Angsthase, war Alois auch ein schlauer kleiner Logiker. Er erfand hinter dem Rücken von Onkel und Tante eine universelle Entsorgungsstrategie für alles, was ihm Angst machte: Matheprüfungen, der Nikolaus oder die fixe Idee, sein ganzes Leben im Reiheneinfamilienhaus von Onkel und Tante verbringen zu müssen! Dies alles schrieb er auf kleine Zettel, die er dann zerknüllte und wegwarf. Das Nein verschwand einfach im Papierkorb.
Eines Morgens traute Alois seinen Augen nicht: Ein zirka zwanzig Zentimeter großes Männchen, gekleidet wie ein Zwerg, stand auf einem Stapel pädagogisch wertvoller DVDs und beugte sich über den Papierkorbrand.
Alois überlief ein Schauer. Es war tatsächlich ein Zwerg! Mit seinen Miniaturhändchen fischte der Zwerg eine Papierkugel aus dem Korb und warf sie Richtung Kommode. Alois staunte noch mehr, als eine zweite kleine Gestalt mit Zöpfen, die unter der Mütze hervorlugten, herbeihuschte und das zerknüllte Papier auffing.
»Ich habe Angst, wegen meiner Sommersprossen«, las die Zwergin im typischen Zwergenjargon vor. Der Zwerg gluckste. Seine Frau blickte um sich und entdeckte Alois, der auf dem Bett saß und seine Besucher anstarrte. Er hielt einen abgerissenen Knopf in der Hand, welchen er eben an seine Wolljacke hatte annähen wollen.
Alois spürte, dass dieses Treffen kein Zufall war. Er legte den Knopf auf die Bettdecke und beschloss, das Zwergenpaar anzusprechen. »Ich bin ein Waisenkind«, brachte er hervor. Etwas Besseres kam ihm nicht in den Sinn, doch die zwei kleinen Besucher verstanden ihn nach Zwergenart auf der Stelle.
»Warum schreibst du diese doofen Zettel?« Der Zwerg fixierte Alois mit seinen Knopfaugen.
»I-ich darf ni-nicht negativ denken, sonst wird mein Onkel wü-wütend«, stotterte Alois.
»So ein Quatsch, das bringt ja gar nichts! Kein Wesen kann überleben, ohne mal etwas abzulehnen!« Die Zwergin war voller Mitleid.
»Seht ihr, wie schwer ich es habe?« Alois schüttete sein Herz vor dem Zwergenpaar aus, das es sich unterdessen im Schatten der Zimmerpalme gemütlich gemacht hatte. Er füllte seinem Besuch Sprudel in einen Fingerhut und legte einige Krümel von einem Brownie auf den abgerissenen Knopf.
Die Zwerge waren entzückt von Alois’ Gastfreundschaft. Und bekanntlich revanchieren sich Zwerge sehr großzügig für einen Gefallen.
»Jedes Menschenkind lernt Nein zu sagen.«
Der Zwerg war nachdenklich. »Wenn dein Onkel dies nicht will, dann erwartet er etwas von dir, was er selbst nicht einhält. Diese Ungerechtigkeit muss aufhören!«
»Aber wie? Könnt ihr mir helfen?« Alois wagte kaum zu atmen, so glücklich war er über das Interesse der Zwerge, die jetzt miteinander tuschelten und dann feierlich verkündeten: »Wir haben eine Idee, aber du musst genau das tun, was wir dir sagen!«
»Alles!«, rief Alois.
»Also, du verschwindest jetzt für drei Tage. Drei müssen es sein, denn so ist es immer im Märchen. Du packst deinen Rucksack mit dem Nötigsten und kommst mit uns in den Wald. Um Verpflegung und eine Schlafgelegenheit brauchst du dir keine Sorgen zu machen, das erledigen wir für dich.«
»Was möchtet ihr denn als Belohnung?« Alois war sehr gerechtigkeitsliebend.
»Ja, weißt du«, die Zwerge blickten Alois eindringlich an, »weil du uns so lieb bewirtet hast, möchten wir nur eines, nämlich dass du später unser Botschafter in der Menschenwelt wirst.«
»Kann ich das denn?« Alois war etwas skeptisch.
»Natürlich, du musst nur über uns schreiben. Die Leute wollen heute solche Dinge lesen. Du aber hast sie wirklich erfahren und dir nicht nur eingebildet.«
»Stimmt«, die Erleichterung, dass auch er den Zwergen behilflich sein konnte, und zwar auf eine Art, die ihm Spaß machte, war Alois anzusehen. Nur etwas lag ihm noch auf dem Herzen: »Aber werden es Onkel und Tante erlauben, dass ich solche Dinge schreibe?«
»Keine Angst, sie werden es erlauben.« Die beiden Zwerge nickten Alois ermunternd zu.
Der Plan der Zwerge wurde durchgeführt. Am nächsten Morgen brachten sie Alois in eine Waldhütte. Die sollte für die nächsten drei Tage sein Versteck sein. Selbstverständlich belegten die Zwerge die Hütte mit einem Unsichtbarkeitsbann.
So schnell sie mit ihren kurzen Beinen konnten, eilten die Zwerge zurück zu Onkels und Tantes Reiheneinfamilienhaus und stellten sich im Garten auf. Als Zwerge beherrschten sie das Stillstehen aus dem Effeff.
Die Tante wunderte sich zwar, dass kein Ton aus Alois Zimmer kam, vermied es aber nachzusehen. Als sie kurz vor dem Mittagessen in den Garten ging, um Schnittlauch für den Salat zu holen, standen zwei putzige Gartenzwerge mitten im akkurat gemähten Rasen zwischen Rhododendron und Johannisbeeren. Ein Männlein und ein Weiblein. Das Verrückte war, sie hatten die Gesichtszüge von Onkel und Tante. Das Verwandeln von Körper und Gesichtszügen ist eine von vielen außerordentlichen zwergischen Fähigkeiten!
Mit einem erstickten Schrei lief die Tante aus dem klinisch aufgeräumten Garten zurück ins Haus. Der Onkel saß in seinem Büro, in dem er tagelang seine diversen Sammlungen zu sortieren pflegte. Ächzend erhob er sich und folgte seiner aufgeregten Frau in den Garten. Beim Rhododendron blieb sein Blick an zwei Gartenzwergen mit Johannisbeerenspuren auf ihren Pausbacken hängen. Sie blickten genauso herrschsüchtig wie er und seine Frau. Und sie hatten diesen Ausdruck im Gesicht, den er positiv nannte. Der Onkel erschrak bis in sein Innerstes.
»Sie sehen zwar noch ganz gut aus«, brummte er, »aber so geht das nicht!« Energisch versuchte er die zwei Gestalten zu ergreifen und über den Zaun zu werfen. Doch es war wie verhext: Er griff immer daneben.
»Das wäre ja gelacht!« Der Onkel wurde immer wilder und die Tante musste nach einer Weile eingreifen.
»Wir überlegen uns eine andere Strategie«, sagte sie. Das Beruhigen des Gatten war ihr im Laufe ihrer Ehe zum Reflex geworden.
Der geübte Märchenleser ahnt die Fortsetzung. Was kam, war die Hölle. Wieder und wieder versuchte der Onkel, die Zwerge zu packen, den ganzen Nachmittag lang. Dass Alois nicht da war, schien ihn nicht zu kümmern. Es war die Tante, die vergeblich alle Mitschüler von Alois anrief und nach ihm fragte.
Am nächsten Morgen, als der Onkel für neue Fangversuche der Gartenzwerge mit Werkzeug ausgerüstet im Garten erschien, ging die Tante zur Polizei. Sie war nun doch verstört. Verstohlen blinzelten sich die Zwerge zu: Es lief alles nach Plan.
In der Nacht zum dritten Tag wandten die Zwerge noch einen weiteren Trick an: Sie benutzten sämtliche Traumphasen von Onkel und Tante, um ihnen die Leviten zu lesen. Als der Tag anbrach, waren Onkel und Tante am Ende, und zwar mit ihren Nerven. Sie gelobten Besserung in allem, was Alois betraf.
Leider erlitten sie kurz danach einen Rückfall in die alte Verständnislosigkeit und waren beim Mittagessen bereits wieder verstockt. Der Onkel schwieg verbissen und die Tante maulte, sie habe es doch immer gut mit Alois gemeint. Also mussten die Zwerge noch ein paar Tage Zwergentherapie anhängen.
Nach genau drei mal drei Tagen waren Onkel und Tante mental und emotional nudelweich. Sie machten sich jetzt ernsthaft Sorgen um Alois, der ihnen immer netter und perfekter erschien, je länger sie ihn nicht mehr sahen. »Was war er doch für ein lieber Junge«, seufzten sie.
»Jetzt sind sie mürbe«, stellten die Zwerge fest. Am Morgen des zehnten Tages stand Alois vor der Tür und Onkel und Tante fielen ihm um den Hals.
Wie es weiterging? Onkel, Tante und Alois arrangierten sich ganz gut miteinander, doch in einem täuschten sich die Zwerge, deren Logik geradlinig ist, im Gegensatz zur menschlichen, welche sich um die Umstände des Lebens schlängelt wie ein Einkaufswagen um die Regale eines Supermarkts.
Nicht Alois wurde der Botschafter der Zwerge, sondern Onkel und Tante! Sie wandten sich immer mehr den Naturwesen zu, lernten mit ihnen zu kommunizieren und wurden Spezialisten auf diesem Gebiet. Im hohen Alter eröffneten sie mit der ihnen eigenen Sturheit eine gut frequentierte Praxis für Naturkommunikation.
Für Alois hingegen war das Nein zum Lebensinhalt geworden. Er nahm an Märschen und Hausbesetzungen teil und gründete später diverse Protestbewegungen, zum Beispiel gegen unerwünschte Weiterbildungen.
Es sah aus, als ob Alois sein Leben lang ein Widerstandskämpfer bleiben würde. Davon konnten ihn keine Zwerge, sondern nur noch eine überwältigende Liebesgeschichte erlösen! Ich lege Ihnen, liebe Leserinnen und Leser deshalb ans Herz, sich dieses neue Märchen selbst auszudenken.
Falls Sie welche haben sollten: Grüßen Sie Ihre Gartenzwerge recht nett von mir!
Der nicht nur liebe, sondern auch überaus zuvorkommende und bescheidene Mönch Than Kyou verbrachte jeden Tag sehr achtsam. Das war schließlich sein Business auf Erden.
Wenn er Holz sammelte, dann sammelte Holz. Wenn er den Berg hoch-keuchte, dann keuchte er den Berg hoch. Wenn er das Feuer anmachte, dann machte er das Feuer an. Und vor allem: Wenn er das Teewasser aufsetzte, setzte er das Teewasser auf. Er beharrte sehr auf seiner dreimal täglich veranstalteten Teezeremonie. Nur in letzter Zeit schien seine Aufmerksamkeit dabei etwas nachgelassen zu haben. Es konnte vorkommen, dass er, den Mund voll köstlichem Grüntee, plötzlich den Boden musterte und ans Bodenwischen dachte. Was war denn das?
Für Than Kyou gab es nur eine Möglichkeit: Er musste sofort eine Belehrungszeremonie durchführen, um sich selbst von seiner Achtsamkeit zu überzeugen.
Dazu lud er seine Freunde, die Schnecke, den Waschbären, den Elefanten und den Löwen ein.
Than Kyou ließ sie im Halbkreis sitzen und schwenkte seine keramisch wertvolle Teekanne über den fünf Tassen.
»Mmh«, schnupperte die Schnecke und kroch den Tassenrand hoch. »Aua, heiß!«, rief sie dann. Than Kyou wollte eben salbungsvoll einen achtsamen Hinweis loslassen, als der Elefant kurzerhand die Schnecke mit dem Rüssel wegschob.
»Trörörö!«, trompete er. »Spinnst du Than? Vieeeel zu heiss!« Der Elefant hatte sich den Rüssel tüchtig verbrannt und sofort eilte der Waschbär mit seinem ambulanten Notwasserkanister herbei – man wusste ja nie, wann es etwas zu waschen gab – und sprenkelte das kühle Nass über Schnecke und Elefantenrüssel.
Der Löwe gähnte unterdessen vor sich hin: »Ich weiss nicht, ob nach einem doppelten Lionsburger mit Speck und Käse ein Grüntee die richtige Wahl ist.«
Ihr könnt euch denken, dass diese Wendung seiner Einladung Than Kyou ein wenig aus dem Konzept brachte. Achtsam war er auf jeden Fall bei der Teezeremonie gewesen, außer vielleicht, was den Zeitpunkt des Einschenkens, das heißt die Teetemperatur, betraf. Aber wie konnte er ahnen, dass sich die Schnecke gleich auf seinen Grüntee ›Spezial‹ stürzen würde?
Sie hatte sich aber rasch wieder gefangen, die Schnecke, denn sie war nicht nur im Kriechen, sondern auch im Denken schnell. »Wenn du willst, Than, dann können wir dir gern etwas über Achtsamkeit erklären,« meinte sie huldvoll.
Than Kyou machte große Augen und den Mund auf. Doch bevor er auf das Angebot der Schnecke etwas erwidern konnte, fiel der Waschbär ein: »Du solltest die Tassen immer ungefähr fünf Minuten kalt spülen, bevor du den Tee einschenkst.«
»Oder noch besser«, trompetete der Elefant, »du lässt die Gäste sich selbst bedienen.«
»Uah«, ließ sich dann der Löwe vernehmen. »Neulich habe ich gelesen, dass vor allem ein Artischockenschnaps verdauungsfördernd wäre. Du hast nicht zufällig einen solchen auf Lager?«
»Ein Lager hell«, fiepte der Waschbär, »würde mich jetzt echt entstressen!«
Than Kyou jedenfalls war gestresst. Sehr gestresst. Schon lange nicht mehr hatten seine Augenlider ohne sein Dazutun gezuckt und seine Hände leicht gezittert. Er setzte sich hin und schlürfte, ohne zu denken, ein wenig Grüntee ›Spezial‹. »Aua!« Nun hatte auch er sich den Mund verbrannt.
»Wenn’s das war«, brummte der Löwe, »dann schlage ich vor, dass wir im Biergarten Lotusschreck gleich um die Ecke alle einen heben gehen.«
Than Kyou wunderte sich. Er hatte vor lauter Achtsamkeit nicht ge-checkt, dass in der Nähe ein neuer Biergarten eröffnet worden war.
Und so endete Than Kyous glorreiche Achtsamkeitsbelehrung und die Fünf saßen ganz entspannt im Hier und Jetzt am Lotusteich des überaus preisgünstigen Biergartens und lauschten dem Plätschern.
»Was wolltest du uns eigentlich mitteilen, Than?«, fragte der Löwe, nachdem er dreimal laut gerülpst hatte.
»Ach, nichts«, antwortete dieser und überlegte sich, ob er nicht auch einen Biergarten eröffnen wollte.
»Elf, elf, elf«, flüsterte der Blumenelf vor sich hin, als er über den Moosteppich auf dem Mäuerchen hin und her lief. Kein Wunder, war es seine Lieblingszahl, er war ja ein Elf und diese Zahl half ihm beim Überlegen.
Er war ein Primelelf und bald schon sollte Frühlingsanfang sein. Nur empfand er überhaupt keine Frühlingsstimmung.
»Was tust du da?«, piepste Minnie, das Mäuschen, das seine Wohnung herausputzte. »Warum bist du nicht bei deiner Primel?«
Florian, so hieß der Elf, wusste, dass er sich nicht ganz fair verhielt. Jetzt blühte seine Primel und er sollte sich um sie kümmern. Nachher hatte er wie immer den ganzen Sommer frei.
Aber diesen Frühling störte ihn einfach etwas, er wollte innerlich nicht richtig in Stimmung kommen.
Florian warf einen Blick ins Haus neben dem Garten: Ein bleiches Gesicht zeigte sich hinter dem Küchenfenster. Traurige Augen schauten über einen Laptop hinweg in seine Richtung, aber ohne ihn zu sehen. Das Fenster stand einen Spalt weit offen. Diesen männlichen Menschen hatte Florian schon im letzten Herbst beobachtet, bevor er sich in sein Laubbett zum Winterschlaf zurückgezogen hatte. Damals hatten die Augen des Mannes noch mit den bunten Blättern der Bäume um die Wette geleuchtet.
Florian erinnerte sich genau, an welchem Tag dieses Strahlen erloschen war.
»Ich habe eine Idee!«, meinte er zu Minnie, die er mit vor Überraschung zitterndem Schnäuzchen neben dem Flieder stehen ließ. Srrrrr … breitete Florian seine glänzenden Flügel aus und schwirrte zum Küchenfenster hoch.
Der Mann mit den traurigen Augen war verschwunden, das passte wundervoll in Florians Plan. Auf dem Küchentisch stand immer noch der Laptop.
»Man muss mit der Zeit gehen«, sagte sich Florian und landete auf der linken Seite der Maus. Es war nicht so einfach für ihn, dabei das Gleichgewicht zu halten. Doch was tat ein Elf nicht alles, damit ein Frühlingsgefühl aufkam!
Ein Elfchen, bekannterweise die Gedichtform der Elfen, bestehend aus elf sinnreichen Wörtern, wollte Florian dem Computer eingeben. »Elf heraus! Dann erst wird diese Stimmung vertrieben, die wie ein stinkender Rauch aus dem Haus kommt und den ganzen Garten verpestet!«, flüsterte er erregt vor sich hin.
Florian nahm das F ins Visier und sprang. Es machte Spass! Wirklich! Das R war auch in der Nähe, dann nach rechts zum Ü, welches ihm als Elfen besonders gefiel, weil es zwei Punkte wie Blütenstaub trug.
Er schaffte das ganze Elfchen mit nur wenigen Vertippern, die das automatische Rechtschreibprogramm gleich verbesserte. Nur an der systematischen Kleinschreibung konnte Florian nichts ändern, da er bei seiner Elfengröße weiß Gott nicht gleichzeitig auf der Shift- und einer Buchstabentaste stehen konnte. »Aber die Botschaft ist so riesengroß wie ein Pappelbaum«, fand Florian.
Wie alle Elfen konnte Florian Gedanken und vor allem Gefühle lesen.
Sein Elfchen war eine Botschaft an den traurigen Mann, dass dieser nochmals seine verlorene Liebe aufsuchen sollte:
verloren die liebe vor dem frühling laufe ihm hinterher, deinem primelblümchen.
Florian war sehr zufrieden, dass er sogar seine Blume ins Spiel gebracht hatte. Der Mann, der hier wohnte, litt schrecklich unter der Trennung von seiner Freundin und dieser Zustand musste überwunden werden, dies spürte Florian sehr genau. Sonst würde um dieses Haus nie richtig Frühling werden!