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~ Gay Lovestory ~ In der schottischen Villa Snow Bunting House hat einst ein schreckliches Verbrechen stattgefunden. Viele Unschuldige starben bei einem verheerenden Feuer. Rund 120 Jahre später, erbt der ohnehin schon vermögende Künstler Damian Mallin das Anwesen – inklusive des Hausdieners Gabriel. Ganz langsam spinnen sich Fäden in die Vergangenheit der Villa und in das Leben des schwulen Paares, das bereits im Jahre 1902 den Mut fand, Gerechtigkeit für alle zu erwirken … und dafür teuer bezahlen musste.
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Inhaltsverzeichnis
Prolog
Kapitel 1 - Die Erbschaft
Kapitel 2 – Gabriel
Kapitel 3 – Distanzierte Höflichkeit
Kapitel 4 – Die Geschichte des Butlers
Kapitel 5 – Telefonat mit Tom
Kapitel 6 – Erkundungstour durchs Haus
Kapitel 7 - Eine Besichtigung voller Überraschungen
Kapitel 8 – Was einfach nicht sein kann
Kapitel 9 – Wenn alles auf dem Kopf steht
Kapitel 10 – Ein Diener des Hauses
Kapitel 11 – Stimmen aus der Verangenheit
Kapitel 12 – Dinge, die das Leben ausmacht
Kapitel 13 – Wenn Tatsachen ans Licht kommen
Kapitel 14 – Eine Kehrtwende
Kapitel 15 – Christmas Time
Kapitel 16 – Neues Jahr, neue Erkenntnisse
Epilog
Impressum
Leseprobe zu „Fast einsame Weihnachten«
Weitere Weihnachts-Titel von Hanna Julian
Ardmore/Schottland – Dezember 1902
Der Sturm war endlich abgeklungen. Fast den gesamten Nachmittag und frühen Abend hatte er angedauert. Die eiskalten Böen hatten jedoch niemanden an diesem Abend von Snow Bunting House fernhalten können. In der malerischen Villa, die unmittelbar nahe schorfigen Felsen an der schottischen Küste erbaut worden war, wurde ein pompöses Fest gefeiert. Nicht das erste in diesem Jahr, aber vermutlich das letzte bis zum Frühjahr. Denn die Gastgeber zogen sich einige Tage vor Weihnachten gerne von der Welt zurück und schienen es den Schneeammern gleichzutun, die im umliegenden Land überwinterten – und nach denen die Villa benannt worden war. Während Schnee und Eis das Land ein ums andere Mal bedeckten, kam Snow Bunting House zur Ruhe. Man war sich im Dorf einig, dass das Haus und seine Bewohner diesen Rückzug brauchten, um von der Kirschblüte an erneut zu einem pulsierenden Treffpunkt mit zahlreichen Feierlichkeiten zu werden. Tanzabende, Theater- und Musikaufführungen, Kunstaustellungen, literarische Abende … es gab fast keine kulturelle Veranstaltung, die dort nicht bereits stattgefunden hatte.
Das ging schon seit anderthalb Jahrzehnten so. Nicht nur die meisten Menschen im Dorf wussten das zu schätzen, auch in entfernten Städten begaben sich die Gäste in ihre Kutschen, ließen sich von anderen Reisenden mitnehmen oder nutzten die Eisenbahn, um auf Einladung hin der hübschen Villa mit ihrem atemberaubenden Blick aufs Meer einen Besuch abzustatten. Amüsement, Zerstreuung und nicht zuletzt auch die Bildung des Geschmacks und des Geistes wurden von jenen geschätzt, die daran teilhaben wollten. So auch an diesem Winterabend im Jahre 1902, der im Zeichen eines Sturmes gestanden hatte, der nun endlich vorüber war.
Doch wenn die Gäste glaubten, das Schlimmste sei überstanden, sollten sie in Kürze die schreckliche Gewissheit erlangen, dass sie einem Trugschluss erlegen waren.
Das Fest war bereits seit knapp zwei Stunden in vollem Gange. Als zwei Diener die großen Flügeltüren öffneten, um frische Luft in den stickigen Saal zu lassen, wagten sich einige der Gäste auf den schneebedeckten Balkon. Sie sogen die Winterluft tief in ihre Lungen und kühlten ihre erhitzten Gesichter, indem sie die Köpfe in den abflauenden Wind drehten. Die Klänge des Orchesters waren auch hier deutlich zu vernehmen. Ein Paar tanzte im Freien vergnügt weiter, geriet ins Rutschen und wurde von Umstehenden gehalten, um einen Sturz zu verhindern. Dem kurzen Schreck folgte allgemeines Gelächter, und die gelöste Stimmung tat jenen besonders gut, die sorgenvoll dem neuen Jahr entgegenblickten. Denn nicht nur Betuchte feierten in Snow Bunting House. Auch die mittelständischen und armen Dorfbewohner bekamen von den Gastgebern Einladungskarten geschickt, die sich in keinem Detail von jenen für die wohlhabenden Gäste unterschieden. An diesen Abenden fragte niemand nach dem Inhalt der Geldbörse. Und wer nicht das Passende zum Anziehen hatte, konnte vor Beginn des Festes in einem Raum voller Kleider und Anzüge nach seinem Geschmack auswählen und anprobieren. Diese Leute wurden kostenlos von begabten Freiwilligen des Dorfes hergerichtet; Haare wurden hochgesteckt und Rouge sowie Lidschatten und Lippenstift machten strahlende Gesichter noch hübscher. Parfum wurde versprüht – dezent oder süßlich, je nachdem wie es gewünscht war. Schmuck lag ebenfalls bereit. Geschmeide für den Hals, die Ohren und die Handgelenke. Niemals hatte man gehört, dass davon auch nur ein Stück entwendet worden wäre. Ein Barbier sorgte für glatte Gesichter der Herren, die sich nicht selbst einen Besuch in einem Salon dieser Art leisten konnten. Abgerundet wurden die wundervollen Aufmerksamkeiten durch die Verwendung edler Aftershaves, die man auch auf den Rasiertischen der adeligen Herren oder jener in gehobenen Ämtern finden konnte. An den feierlichen Abenden in der Villa herrschten Gleichheit, Toleranz und eine Freundlichkeit, die dafür sorgte, dass man sich beinahe wie in ein Märchen versetzt vorkam. Ein Gefühl, das die Gastgeber ein ums andere Mal zu erreichen hofften – was ihnen auch stets gelang, wie die Danksagungen zu versichern wussten.
»Ist das nicht ein herrliches Fest? Die beiden wissen, wie man die Gesellschaft beeindruckt«, sagte die junge Charlotte Wilson mit vom Tanz noch erhitztem Gesicht zu ihrer Tante Ellie, in deren Begleitung sie der Einladung der Gastgeber gefolgt war.
»Das wissen sie in der Tat! Und es ist stets ein unwiderstehliches Vergnügen, daran teilzunehmen. Dennoch war es ungehörig, den Tanzabend erneut so kurz vor Weihnachten stattfinden zu lassen«, erwiderte die Tante und zog ihre Stola enger um die Schultern.
Eine ältere Dame, deren Mann eine Textilfabrik in Inverness besaß, und die zum ersten Mal der Einladung gefolgt war, mischte sich in das Gespräch ein.
»Der Zeitpunkt der Feier ist mitnichten das Skandalöseste an diesem Fest. Der eigentliche Skandal sind die Gastgeber selbst! Man muss sich das mal vorstellen: ein Liebespaar, das aus zwei Männern besteht. Zu meiner Zeit hätte es so etwas nicht gegeben.«
Charlotte Wilson ließ ein zauberhaftes Lächeln aufblitzen, doch ihre Stimme drückte milden Tadel aus. »Aber Sie sind hier, nicht wahr? Also ist das immer noch Ihre Zeit, in der es eben doch so etwas gibt. Und wenn die beiden miteinander glücklich sind, so ist das doch ganz wundervoll!«
Die Angesprochene rümpfte die Nase. Nun mischte sich auch die Tante ein.
»Mrs. Mccormack, Ihre Empörung über diesen Umstand kann nicht allzu groß ausfallen, denn meine Nichte hat Recht – immerhin sind Sie anwesend. Und wenn ich das richtig beobachtet habe, so ließen Sie bislang keinen Tanz aus. War nicht bei mindestens zwei Tänzen sogar einer unserer charmanten Gastgeber Ihr Tanzpartner?«
Nun errötete die ältere Dame. »Sir Colin erinnert mich an meinen Ian, als er noch um mich warb. Und möglicherweise hat er einen ebenso guten Kunstgeschmack, das muss ich zugeben.«
»Welches Kunstwerk hat denn Ihren Geschmack getroffen? Oder sind es gar mehrere?«
Mrs. Mccormack sah die jüngere ihrer Gesprächspartnerinnen, die ihr die Frage gestellt hatte, versonnen an.
»Das Gemälde eines Reiters im Sonnenuntergang, dessen Pferd bis gut zur Hälfte von einem Kornfeld verdeckt wird, hat mein Interesse erlangt. Man fragt sich, wo mag dieser Mann hin reiten? Was ist seine Mission? Oder reitet er nur zum Vergnügen aus?«
»Ich kenne das Bild ebenfalls bereits seit einiger Zeit. Es zeigt einen attraktiven jungen Mann, der verwegen und zugleich sonderbar bedacht aussieht. Jeder aufmerksame Gast sollte an diesem Abend das Gemälde bemerken, da es an der Wand neben dem Orchester hängt. Vermutlich blicken die meisten Gäste jedoch nur auf die Musiker. Das ist bedauerlich, denn ich pflichte Ihnen bei – auch ich stelle mir ein ums andere Mal beim Betrachten dieselben Fragen, wie Sie es taten. Der Maler dürfte Sie – mit Verlaub – überraschen.«
»Heraus mit der Sprache, wenn Sie ihn kennen! Möglicherweise möchte ich das ein oder andere Kunstwerk von ihm erwerben.«
»Nun, das dürfte sich als schwierig erweisen, denn Ihr Tanzpartner Sir Colin selbst ist es, der das Werk erschuf. Und wie er mir versicherte, liegt unserem Gastgeber nichts am Verkauf seiner Malereien.«
»Wie bedauerlich!«
»Ja, das ist es in der Tat. Doch immerhin bleibt Ihnen die Möglichkeit, Ihre Fragen nun zielgerichtet zu stellen.«
»Ich denke, dafür wird es zu spät sein.«
Die beiden Frauen stutzten bei der Antwort der Älteren, die plötzlich das Interesse an dem Gespräch verloren zu haben schien. Sie öffnete ihre Handtasche und holte ein Taschentuch hervor, mit dem sie ihre Nase betupfte. Schließlich befand sie: »Es ist an der Zeit, wieder hineinzugehen.« Laut rief sie auch den anderen Umherstehenden zu: »Ladies und Gentlemen, der Ball findet drinnen statt! Gehen Sie! Tanzen Sie – und genießen Sie Ihr Leben, solange es noch währt.«
Gelächter war zu hören, über diese ungewöhnlich morbide Aufforderung, doch die Gäste kehrten in den Saal zurück, um dem etwas verunglückten und doch gut gemeinten Rat nachzukommen.
»Was ist mit Ihnen? Begleiten Sie uns, Mrs. Mccormack?«
»Gehen Sie mit Ihrer Nichte ruhig schon vor. Ich tue noch zwei, drei Atemzüge sobald ich allein bin, dann folge ich Ihnen.«
Doch Mrs. Mccormack folgte den beiden nicht. Sie schloss von außen die Türen und holte Holzkeile aus ihrer Handtasche, um sie unter die Türschlitze zu schieben. Dann verließ sie den Balkon über die gewundene Treppe, die aus Gusseisen bestand. Als die alte Dame einige Stufen hinabgestiegen war, verharrte sie, zog ihre Stola von den Schultern und öffnete ihre Handtasche. Sie entnahm eine Schere und zerschnitt die Stola in mehrere Teile. Daraufhin holte sie aus der Handtasche eine Flasche hervor, die sie entkorkte und den Inhalt auf dem Stoff verteilte. Die leere Flasche warf sie über das Geländer, um beide Hände frei zu haben und den getränkten Stoff von der Treppe aus zwischen die Holzstützen des Balkons zu stecken. Im Anschluss riss sie Streichhölzer an und warf sie auf die Stoffstücke, die sofort heftig zu lodern begannen. Mrs. Mccormack eilte weiter die Stufen hinab. Kaum hatte sie sie verlassen, traten Männer mit Äxten aus dem Dunkeln und schlugen auf die Verstrebungen der Treppe ein. Mrs. Mccormack saß bereits in ihrer Kutsche, als das Konstrukt in sich zusammenbrach.
Im Saal hörte man das Scheppern nicht, weil das Orchester die wilden Klänge eines mutigen neuen Stückes intonierte, dessen Komponist unbekannt bleiben wollte. Erst als die Scheiben des Saales alle zeitgleich barsten und brennende Fackeln in den Raum geworfen worden, verstummte die Musik und sämtliches Stimmengewirr. Die Tänzer schienen eingefroren zu sein. Auf die kurze Stille folgte heillose Panik. Während Teppiche, Vorhänge und Möbel Feuer fingen, rannten die Gäste zu den Türen. Doch keine von ihnen ließ sich öffnen. Man stemmte sich dagegen, einige Männer benutzten ihre Schultern, um den Weg ins Freie zu erkämpfen – vergeblich.
»Die Türen sind von außen versperrt! Geht auf den Balkon und benutzt die Treppe!«, schrie einer der Gastgeber.
»Die Balkontüren sind ebenfalls verkeilt worden. Aber wir können das Glas zerbrechen.« Kaum hatte der Mann im Smoking mit einem Stuhl seine Ankündigung umgesetzt, stürzten die Gäste nach draußen. Ihre Augen tränten vom Rauch und so irrten die meisten halbblind umher – einige fielen nur kurz darauf in den Tod, als sie in der Dunkelheit nicht bemerkten, dass die Treppe zerstört war.
»Was sollen wir jetzt tun? Die Treppe ist fort. Unter uns ist der eiskalte Ozean – und drinnen warten die Flammen!«
»Vielleicht können wir hier draußen warten, bis alles vorüber ist«, meldete sich ein Mann zu Wort, der davon lebte, Gemüse aus seinem eigenen Garten zu verkaufen. Im Winter pflegten die Gastgeber ihm bereits Geld für Obst im Sommer zu geben, das sie dann im Sommer wie selbstverständlich noch einmal bezahlten.
»Der Balkon ist auf Holzbalken erbaut. Das Feuer wird sie zerstören. Alle, die hierbleiben, werden in den Tod stürzen. Und wenn sie überleben, wird die See ihnen den Garaus machen. Bei diesen Temperaturen braucht es nicht einmal starken Wellengang. Die Muskeln verkrampfen – es wird unmöglich, sich über Wasser zu halten. Wenn nicht das Herz aufgrund der Kälte zuvor aufhört zu schlagen.« Es war der Arzt des Dorfes, der diese nüchterne Erkenntnis preisgab.
»Also bleibt uns nur die Wahl zu verbrennen oder zu ertrinken?«
»Ersticken. Das ist zumindest in dieser Situation das Angenehmste«, erwiderte der Arzt. Er begab sich wieder in den Saal und ging zielstrebig den Rauchwolken entgegen.
»Ich bevorzuge den Sprung«, entschied ein Bankier mittleren Alters. Seine Frau pflichtete ihm mit tränenüberströmtem Gesicht bei. Gemeinsam traten sie auf die Brüstung, fassten sich an den Händen und ließen sich in die Tiefe fallen. Als der Balkon bereits kurz darauf ein Stück hinabsank, schrien die verbliebenen Gäste in Panik auf. Sie flüchteten in den vor Flammen lodernden Raum. Ihre Gastgeber standen eng umschlungen mitten auf der Tanzfläche, die mit qualmenden Trümmerstücken übersät war. Sie blickten einander in die Augen und schienen die Gäste nicht mehr wahrzunehmen. Als das Gewicht des Kronleuchters den versengenden Deckenbalken zu viel wurde, stürzte der Lüster auf das Paar hinab und erschlug es.
‚Sie haben sich absichtlich darunter gestellt, um zum gleichen Zeitpunkt zu sterben‘, dachte Charlotte Wilson, deren Tante bereits leblos am Boden lag. Kurz darauf erlosch auch das Lebenslicht der jungen Frau, als ihre Lungen sich nur noch mit sengend heißem Qualm, aber nicht mehr mit Atemluft füllten.
Etwa eine Meile entfernt, auf einer Waldlichtung, versammelten sich mehrere Menschen. Auch die Kutsche von Mrs. Mccormack war hier zum Stehen gekommen. Die betuchte Dame gesellte sich zu den anderen und wurde mit bewundernden Blicken empfangen. Der Pfarrer des Dorfes verbeugte sich ein wenig vor der Frau, die sie alle als ihre Anführerin akzeptiert hatten. Sie gab ihm ein Zeichen, dass er es übernehmen solle, zu der Gruppe zu sprechen.
»Wir haben heute recht getan. Der Herr wird uns dafür belohnen, dass wir die gotteslästerliche Brut vernichtet haben. Der Mann soll nicht beim Manne schlafen – und der Teufel selbst muss am Werke gewesen sein, dass diese Sodomiten so viele auf ihre Seite ziehen konnten.«
»Betört haben sie sie – mit dem, was sie Kultur nannten. Aber ein Gemälde kann noch so eindrucksvoll sein …, wenn es aus dem Geist eines liederlichen Menschen geschaffen wurde, ist es Teufelswerk. Und so, wie die Herren von Snow Bunting House dem Satan verfallen sind, haben sie zahlreiche einflussreiche Leute sowie unsere Nachbarn, Freunde und Verwandten mit in ihren Sumpf gezogen. Grämt euch nicht wegen jenen, die ihr zu ihrem eigenen Wohle verbrennen musstet. Denn nur durch eure Hand haben die, die euch einst am Herzen lagen, immerhin noch die Möglichkeit, dank Gottes Gnade und durch seine Vergebung ins Himmelreich zu gelangen. Ich fürchte jedoch, für die meisten Gäste dieser Frevler wird es dafür zu spät sein. Sie waren vergiftet in ihren Herzen und Seelen – daher müsst ihr auch um jene nicht trauern.«
»Ich warf heute die Fackel nach meiner eigenen Nichte«, sagte ein Bauer mit bleierner Stimme und bekreuzigte sich.
»Das tatest du, fürwahr! Und wir alle sind stolz auf dich!«, versicherte der Pfarrer, bevor er ausführte: »Lichterloh ging sie in Flammen auf und damit auch die Sünden, die sie auf sich geladen hat. Du bist ein guter Christ, der ihr die Läuterung zukommen ließ, die sie dringend benötigte. Im Himmel wird sie dir danken. Und sollte sie doch in der Hölle schmoren, so wird sie deine vergebliche Rettung erst recht zu würdigen wissen, wenn ihr sündiger Körper von den Flammen immerwährend qualvoll schmerzend verzehrt wird.«
Der Angesprochene brach weinend zusammen, zahlreiche Hände tätschelten seine Schultern und bekräftigten, dass seine Nichte hatte brennen müssen und kein anderer Weg möglich gewesen sei.
»Nun, es ist vollbracht«, stellte Mrs. Mccormack schließlich nüchtern fest und raffte ihre Röcke. Bevor sie in ihre Kutsche stieg, um nach Inverness zurück zu reisen, wandte sie sich noch einmal an die Dorfbewohner, die ihrem und dem Aufruf des Pfarrers gefolgt waren.
»Ihr werdet Lohn für diese gute Tat erhalten – von unserem Gott. Ehre sei ihm!«
»Ehre Gott, dem Herrn!«, erwiderten die Gläubigen.
»Und mir den meisten Lohn«, triumphierte Mrs. Mccormack, als die Kutsche sich bereits in Gang gesetzt hatte, und sie allein war.
Düsseldorf/Deutschland – Dezember 2023
»Die Jungfrau wurde für fünfzehntausend Euro verkauft. Da kannst du unter den gegebenen Umständen echt nicht meckern.«
»Freut mich, wenn du das so siehst, Tom, denn immerhin fällt deine Provision wohl weit weniger hoch aus, als du es dir erhofft hast. Aber das Gemälde hieß nie „Die Jungfrau". Es wäre nett, wenn wenigstens du, als mein Agent, die Bilder bei dem Namen nennst, den ich ihnen gegeben habe.«
Ein Seufzen entfuhr dem Mann Mitte Dreißig, der bereits mit schütterem Haar zu kämpfen hatte. Seine Stimme schwankte zwischen Verständnis und Ungeduld.
»Damian, du weißt genau, dass die Presse den Namen erfunden hat. Und er kam gut an, das muss man immerhin zugeben.«
Damian Mallik schüttelte leicht den Kopf. Er rieb sich über die Stirn, wie er es oft tat, wenn er einen inneren Widerstreit ausfocht. Seine strahlend grünen Augen zeigten zwar einen belustigten Ausdruck, aber seine Stimme troff vor Sarkasmus.
»Du meinst, dass dieser schmierige Peter Rieten den Namen einfach dreist in seinem Verriss über mich abgeändert hat.«
»Der gute Peter steht auf dich. Vielleicht hättest du ihn nicht abblitzen lassen sollen, dann wäre die Kritik sicher besser ausgefallen, und „Die Jungfrau" hätte locker hunderttausend Euro eingebracht, wenn er sie wohlwollender besprochen hätte. Denn immerhin musst du zugeben, dass er als Kulturjournalist auf dem Kunstmarkt ein wichtiger Mann ist.«
»Von mir aus, als Journalist – auf dem Kunstmarkt … aber nicht in meinem Bett!«
»Komm schon, immerhin ist er fast so attraktiv wie du. Und im Grunde solltest du jeden Mann vögeln, der dir gefällt, um Stefan endlich zu vergessen.«
Damians Blick sandte jetzt ganz klar eine Warnung, seine Stimme klang gefährlich leise.
»Nur weil wir schon seit der Grundschule befreundet sind, gibt dir das nicht das Recht, dich in mein Privatleben einzumischen. Peter gefällt mir nicht, egal für wie attraktiv du ihn hältst – oder mich. Womit wir bei einem anderen Thema wären. Warum kategorisierst du eigentlich mein Aussehen? Ich meine, was sagt deine Emma dazu?«
Damit hatte Damian einen wunden Punkt bei seinem Freund und Agenten getroffen, wie er wusste. Denn dass Tom bisexuell war, und seine Frau nicht damit umgehen konnte und wollte, war ein offenes Geheimnis, das jedoch unbedingt stets unausgesprochen bleiben musste.
»Ich wollte dir nur helfen, mit dir selbst wieder ins Reine zu kommen. Leider ahnte ich nicht, dass du heute deinen besonders bissigen Tag hast.«
Damian tat es nun leid, dass er so rüde gewesen war. Er glaubte Tom, dass der nur das Beste für ihn gewollt hatte. Aber seit Stefan aus seinem Leben verschwunden war, hatte Damian nicht mehr die geringste Ahnung, was sonst das Beste für ihn sein könnte … oder wer.
»Ich werde dir die Differenz des Geldes, das du als Provision eigentlich erwartet hast, heute Nachmittag überweisen. Oder möchtest du es lieber bar?«
Tom winkte ab. »Das ist wirklich nicht notwendig. Der nächste Käufer hat sich schon angemeldet – für Bild 023. Tu mir einen Gefallen, Damian, und gib deinen Gemälden endlich anständige Namen. Nicht jeder möchte eine Nummer kaufen. Da muss mehr Gefühl rein. Mehr von dir selbst vielleicht.«
Damians Blick reichte aus, um Tom verstehen zu lassen, dass der Künstler glaubte, keine Gefühle mehr zu haben. Stefan hatte ihm tatsächlich das Herz gebrochen. Aber manchmal war Tom versucht, seinem Freund zu erklären, welches Glück er trotzdem hatte, in eine reiche Familie hineingeboren zu sein. Denn nicht jeder konnte sich so hingebungsvoll seinem Leid widmen, ohne um seine finanzielle Existenz bangen zu müssen. Damian war seit Stefans plötzlicher Offenbarung, einen anderen gefunden zu haben, der viel besser zu ihm passen würde, zu einem der Künstler geworden, die nur noch Kontakt zu ihren Farben, Pinseln und der stets bereitstehenden Flasche Whisky haben wollten.
Tom hatte alles Erdenkliche versucht, ihn aus seinem inzwischen halbjährig andauernden Tief zu holen. Zuerst mit Zuhören – nur dass das nichts gebracht hatte, weil Damian nicht reden wollte. Dann mit einem Appell an seinen Ehrgeiz. Aber jemand, der eigentlich nichts brauchte, konnte verdammt unehrgeizig werden, wie Tom erkennen musste. Und schließlich versuchte er ihn zu hemmungslosem Sex zu überreden. Ein paar durchvögelte Nächte sollten bei manchen Schwulen Wunder bewirken, war ihm von irgendwem eingeredet worden. Tom wusste nicht mehr, wer ihm diese Information gegeben hatte, aber das war auch egal, denn offenbar hatte Damian auch daran nicht das geringste Interesse. Und da er in seinem Schmerz nichts anderes mehr tat, als zu malen, war die Maisonettewohnung mit Blick auf den Rhein inzwischen fast überall mit Gemälden zugepflastert. Dabei lehnten die meisten einfach an den Wänden – ungeschützt vor Staub und den Tritten unachtsamer Besucher, oder dem Maler selbst. Emma meinte, er solle Damian einfach sich selbst überlassen und sich lieber darüber freuen, dass er Bilder wie am Fließband lieferte. Aber seit Damian damit angefangen hatte, seine Kunst nur noch durchzunummerieren, war Tom in echter Sorge. Denn es ging nicht nur um Geld – es ging um einen Freund! Vielleicht ahnte Emma, dass er im Grunde schon sein ganzes Leben lang in eben jenen Freund verliebt war. Und vielleicht war sie deshalb in Damians Fall entgegen ihrer eigentlichen Natur so hartherzig. Doch manchmal waren die Dinge eben alles andere als einfach.
»Hast du deine Post heute schon nach oben geholt?«, fragte Tom, hauptsächlich um sich selbst auf andere Gedanken zu bringen. Damian hob seine Hände, die immer noch Farbreste zeigten.
»Nein, und gestern auch nicht. Ich war damit beschäftigt, zu künstlern.« Er grinste. Tom spürte sofort dieses unerwünschte Verlangen, ihn zu küssen, wenn er wie damals aussah, als sie in der sechsten Klasse dem Raufbold Jens gezeigt hatten, dass es sich rächte, wenn man den schwächsten Jungen über Wochen hinweg erpresste. Der gemobbte Rainer war schon versucht gewesen, die Schule zu wechseln, aber Damian hatte beschlossen, dass besser der Grobian den Kürzeren ziehen sollte. Es war die einzige Prügelei gewesen, bei der er Damian je erlebt hatte, aber es war der Moment gewesen, in dem er ihm heillos erlegen war. Das Grinsen verschwand und wich wieder dem desillusionierten Ausdruck, den Damians Gesicht inzwischen viel zu oft zur Schau trug. Schweigend stand Tom auf, nahm den Schlüssel aus dem Schlüsselkasten und ging die Stufen hinab, um den bereits überquellenden Briefkasten seines Freundes zu leeren. Demonstrativ warf er den Stapel mit Kuverts, Zeitungen und Magazinen auf den Küchentisch. Damian, der ihnen beiden gerade offenbar Sandwiches zubereitete, seufzte auf.
»So viel Post in nur zwei Tagen.«
»Bist du dir sicher, dass du deinen Briefkasten vorgestern geleert hast?«
Damian dachte nach und schüttelte dann den Kopf. Nun war es an Tom, zu seufzen. Aus dem abenteuerlustigen, eigentlich stets positiv eingestellten Damian war wirklich ein Häufchen Elend geworden. Irgendwann musste er doch über den Tiefschlag mit Stefan hinwegkommen – und wenn man an den Teufel dachte … unauffällig schob Tom eine Ansichtskarte, die von Stefan stammte, in seine Aktenmappe. Es war nicht die erste dieser Art. Immer wieder sandte dieses emotionslose Scheusal Urlaubskarten, die zeigten, wie ausgiebig er mit seinem neuen Schwarm um die Welt reiste. Für Tom hatte schon immer festgestanden, dass es Stefan letztendlich nur um Damians Geld gegangen war. Und doch musste er sich immer fragen, ob er das nur glaubte, weil er in Wahrheit eifersüchtig war. Nun war Stefan jedoch weg und ihm blieb nur, Damian so gut es ging vor neuen Verletzungen zu schützen.
»Ist was Interessantes dabei? Eine besonders hübsche Rechnung vielleicht?«
Das Grinsen kehrte kurz zurück. Tom beeilte sich, die Briefe durchzusehen und hoffte, dass nicht vor Damians Augen dazwischen eine weitere Ansichtskarte auftauchte.
Briefe von Banken, Versicherungen, von Vereinen, die vermutlich um Spenden baten, ein Angebot, seltene Münzen käuflich zu erwerben, mehrere Kunstzeitschriften, einige Werbeprospekte und zuletzt ein Brief, der Toms gesteigerte Aufmerksamkeit erlangte.
»Dein Notar hat geschrieben. Hast du in letzter Zeit eine neue Wohnung erworben oder sowas?« Fast hoffte Tom darauf, denn es würde bedeuten, dass Damian trotz allem in die Zukunft blickte.
»Nein. Ich habe gar nichts getan, was Dr. Schild auf den Plan rufen würde. Gib mal her!«
Tom reichte ihm den Umschlag und beobachtete das Mienenspiel seines Freundes, während er den Brief öffnete und las. Als Damian ihn sinken ließ, sah er mehr als überrascht aus.
»Ich habe geerbt«, erklärte er dann.
»Schon wieder? Reicht es denn nicht langsam, was du hast?«, scherzte Tom. Er hatte Damian früher oft mit dessen vermögender Familie aufgezogen – und nie hatte der Freund ihm das übelgenommen. Das tat er auch jetzt nicht, aber die grenzenlose Verblüffung machte Tom stutzig. Das letzte Mal hatte Damian eine hübsche Wohnung seiner verstorbenen Tante in Hamburg geerbt, die er für viel Geld sofort weiterverkauft hatte. Ihm lag nichts daran, fortzuziehen, auch wenn Tom inzwischen glaubte, ein Tapetenwechsel wäre eine gute Sache für Damian, um die ständigen Gedanken an Stefan endlich loszuwerden.
»Ich hatte offenbar einen Onkel in Schottland. Davon wusste ich gar nichts. Okay, meine Familie war ja ohnehin völlig zerstritten und niemand redete mehr miteinander.«
»Und, was war das für ein Onkel? Der war doch bestimmt ein Earl, wenn nicht sogar ein Duke.«
Damian sah wieder auf den Brief.
»Sieht nicht so aus, als sei der adelig gewesen. Ein Lord höchstens, denn er besaß ein Haus und ein Stück Land direkt an der Küste von Ardmore. Und eben jenes Haus und Land habe ich geerbt. Ich muss hinreisen, um die Angelegenheiten dort zu regeln.«
»Du meinst, um den Verkauf vor Ort vorzubereiten?«
»Sicher, was sonst?«
»Keine Ahnung. Vielleicht gefällt es dir ja dort. Es gibt Leute, die würden für ein Haus an der schottischen Küste sterben.«
»Lass mal. In meiner Familie sind doch ohnehin schon alle außer mir tot. Und ich wollte mir eigentlich noch etwas Zeit damit lassen.«
Das beruhigte Tom, denn manchmal dachte er tatsächlich darüber nach, ob die Trennung von Stefan seinem Freund vielleicht den Lebenswillen genommen hatte.
Damian legte den Brief auf die Anrichte und bereitete die Sandwiches zu. Als er einen der beiden Teller Tom zuschob, sagte er: »Eigentlich habe ich keine Lust, zu verreisen. Und schon gar nicht zwei Wochen vor Weihnachten. Kannst du das nicht für mich übernehmen?« Er versuchte es mit einem bezaubernden Lächeln. Aber Tom war zu seiner eigenen Überraschung diesmal nicht dafür empfänglich.
»Du reist da mal schön selbst hin. Abgesehen davon, dass ich dein Kunstagent bin und nicht dein Anwalt, den du um diesen Dienst wohl eher bitten solltest, halte ich es für gut, wenn du gerade vor Weihnachten noch mal was anderes siehst als deine Wohnung. Denn ehrlich gesagt mache ich mir schon seit Wochen Gedanken darüber, wie du dieses Jahr Weihnachten überstehen willst. Ein bisschen Abwechslung zuvor kann bestimmt nicht schaden. Und vielleicht hast du ja doch Lust, über die Feiertag auf die Schottische See, statt auf den schnöden Rhein zu gucken.«
»Der Rhein ist nicht schnöde.«
»Den kannst du dir ja immer noch angucken, wenn du wieder zurück bist. Bitte hab Verständnis, dass ich dir die Reise nicht abnehme. Aber ich helfe dir natürlich trotzdem. Nachdem wir gegessen haben, packe ich mit dir zusammen deinen Koffer. Das ist doch was, oder?« Tom biss herzhaft in das Sandwich. Er fand seinen Plan richtig gut. Denn so käme nicht nur Damian endlich wieder auf andere Gedanken, sondern auch er selbst. Vielleicht würde die dumme Verliebtheit endlich nachlassen, wenn Damian sich räumlich von ihm entfernte. Denn das Problem war, je trauriger sein Freund wirkte, desto mehr Anziehungskraft übte er auf Tom aus.
»Eine Tasche mit dem Nötigsten wird reichen«, entschied Damian, als sie bei ihm im Schlafzimmer standen und die Schranktüren öffneten.
»Jetzt lass dir doch bitte nur einmal etwas von mir sagen. Nimm den Koffer und pack genügend warme Kleidung ein. Du musst sie ja nicht auspacken, wenn du schon nach kurzer Zeit zurückkommst. Aber falls du doch länger bleiben magst – oder musst – bist du dann immerhin gut vorbereitet und brauchst das Haus nicht zu verlassen, um erstmal shoppen zu gehen.« Dieses Argument wirkte, denn Tom wusste, dass Damian es hasste, Läden aufsuchen zu müssen, um sich einzukleiden. Und so packten sie den Koffer randvoll mit allem, was auch ein freudiger Tourist auf eine solche Reise mitnehmen würde.
Ardmore/Schottland 2023
Die Küstenstraße war schmal. Schneeflocken wirbelten auf die Windschutzscheibe der BMW 7er Limousine. Damian hatte schon ein paar Kilometer, nachdem er das Mietfahrzeug übernommen hatte, auf sich selbst geschimpft. Mit einem Kleinwagen wäre er auf den engen Straßen um einiges besser bedient gewesen. Aber er hatte nicht kehrtmachen wollen, weil inzwischen die Dunkelheit einsetzte und der Notar vor Ort ihm dringend geraten hatte, die zahlreichen Kurven in Küstennähe nicht zu unterschätzen. Der Mann hatte ihm die Schlüssel zur Villa und den dazugehörigen Gebäuden ausgehändigt sowie sämtliche Papiere übergeben, die Damian als neuer Eigentümer des Anwesend benötigte. Ansonsten hatte der Mann nicht viele Worte verloren. Damian fragte sich, ob der Notar einfach ein kauziger Typ war, oder ob sein eigenes, eingerostetes Englisch der Grund für die überschaubare Konversation gewesen war. Andererseits war ohnehin alles bereits geklärt gewesen, was er wohl vor allem seinem eigenen Notar in Deutschland zu verdanken hatte. Dr. Schild hatte den Weg zur Übergabe der Erbschaft bestens geebnet.
Nun galt es, die Villa selbst in Augenschein zu nehmen, einen Makler vor Ort zu suchen, und den Kasten dann so schnell und gewinnbringend wie möglich zu verkaufen. Aber solange würde Damian ohnehin nicht bleiben. Er hielt es für möglich, mit einer Übernachtung auszukommen und am nächsten Tag das Haus sowie das dazugehörige Land soweit zu besichtigen, dass er selbst ungefähr einschätzen konnte, was es an Wert brachte.
Immer wieder gab die steinige Landschaft den Blick aufs Meer frei. Es war grau – sogar noch grauer als der Himmel, an dem Schneewolken dahintrieben. Dass der Schnee die Landschaft wenigstens erhellte, war zwar hübsch, aber da das Auto in den Kurven immer wieder ins Schlingern geriet, hätte Damian auf die weiße Pracht auch gerne verzichtet. Er senkte die Geschwindigkeit. Gerade noch im rechten Moment wie ihm schien, bevor ein Fuchs nur wenige Meter vor ihm die Straße überquerte. Der Blick des Tieres schien zu fragen, was denn der Mensch mit seinem potenziell tödlichen Gefährt um diese Zeit hier zu suchen hatte. Damian wusste es selbst nicht so genau. Wäre er jetzt in seiner Wohnung in Düsseldorf, hätte er längst die Pinsel zur Seite gelegt, sich auf die Couch verfrachtet und eine halbe Flasche Whisky geleert. Um dann zu träumen – von Stefan. Träume, die natürlich zu nichts führten, denn er war weg. Zweimal hatte er Ansichtskarten geschickt, die Texte strotzten vor Glück und Liebe … nur eben nicht für ihn, sondern den Neuen in seinem Leben. Stefan wollte Freundschaft halten. Aber Damian wollte keinen Kontakt mehr – es tat zu weh. Vielleicht irgendwann wieder. Momentan schien ihm das aber eher nicht mehr in diesem Leben zu sein. Nur von Whisky benebelt gönnte er sich das Schwelgen in der Scheinwelt einer intakten Beziehung.
Er war so in Gedanken, dass es ihn überraschte, als das Navi ihm mitteilte, er habe sein Ziel erreicht. Damian parkte auf dem Seitenstreifen und lugte durch das Beifahrerfenster, um mit seinem Blick das immer heftiger werdende Schneetreiben zu durchdringen.
In etwa fünfzig Metern Entfernung sah er ein Haus. Ein großes Haus. Die Villa. Sie lag im Dunkeln. Das tosende Meer schien direkt dahinter sein Unwesen zu treiben. Und in der Tat lag das Gebäude auf einer Klippe, wie es ihm bereits berichtet worden war.