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Liegt es am Champagner? Zwischen Imogen und dem aufregenden Unbekannten, dem sie in einer exklusiven Galerie in die Arme läuft, prickelt es verführerisch. Hemmungslos genießt sie den sinnlichen Flirt mit ihm. Bis er ihr seinen Namen verrät. Jack Taylor? Das darf doch wohl nicht wahr sein! Er gilt als Prototyp des reichen, gewissenlosen Playboys. Genau die Sorte Mann also, auf die Imogen niemals wieder hereinfallen wollte! Sofort reißt sie sich von Jack los und stürmt davon. Doch damit scheint sie seinen Jagdinstinkt erst recht herauszufordern …
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Seitenzahl: 195
LUCY KING
So heiß flirtet nur ein Playboy
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
© 2012 by Lucy King Originaltitel: „The Couple Behind the Headlines“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 152013 - 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Tina Beckmann
Fotos: Edvard March / Corbis
Veröffentlicht im ePub Format in 07/2013 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-95446-520-0
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Zweihundertfünfzigtausend Pfund????
Imogen konnte es nicht glauben. Das musste ein Irrtum sein. Ein Tippfehler oder eine Verwechslung. Niemand, der noch bei klarem Verstand war, würde eine viertel Million für dieses … Machwerk auf den Tisch legen.
Der „Stachel im Fleisch der Gesellschaft“ war so grottenhässlich, dass es Imogen echte Überwindung kostete, den Kopf vom Ausstellungskatalog zu heben und sich ein weiteres Mal seiner verheerenden Wirkung auszusetzen. Riesige, aggressiv hingeklatschte schwarze Farbkleckse, durchzogen von schwefelgelben und giftgrünen Schlieren, verbanden sich auf der gut zwei mal drei Meter großen Leinwand zu einem Gesamteindruck, der selbst das sonnigste Gemüt in tiefe Depressionen gestürzt hätte.
Leider waren an diesem Abend sämtliche Wände der Galerie mit ähnlichen, ebenso absurd teuren Scheußlichkeiten behängt, sodass Imogen sich den kostenlos servierten Champagner sauer hatte verdienen müssen.
Eine Weile beobachtete sie die anderen Besucher des exklusiven Verkaufsevents. Mit konzentriert geneigten Köpfen und nachdenklich an die Lippe gelegten Zeigefingern schritten sie in ihren trendy Outfits von Gemälde zu Gemälde und gaben dabei so tiefgründige Kommentare über Allegorien und Metaphysik von sich, dass Imogen für einen Moment ins Grübeln kam.
Vielleicht bin ich ja nicht offen genug, überlegte sie. Möglicherweise hat der Maler ja tatsächlich versucht, etwas auszudrücken, das sich einem nicht auf den ersten Blick erschließt. Sie schloss kurz die Augen und bemühte sich aufrichtig um eine vorurteilsfreie Haltung. Dann öffnete sie die Augen wieder, doch auch auf den dritten Blick sah sie nichts weiter als gequirlten Schwachsinn.
Was konnte man nicht alles mit einer viertel Million Pfund anfangen! Erst gestern hatte ihre Abteilung exakt diesen Betrag an eins der Projekte der Christie-Stiftung überwiesen. Das Geld würde Hunderten von Not leidenden Menschen zu einer besseren Lebensqualität verhelfen, während andere dieselbe Summe für solchen Schrott aus dem Fenster warfen.
Aber was verstand sie schon davon?
Seit Max sie vor zwei Monaten wegen ihrer besten Freundin Connie sitzen gelassen hatte, traute Imogen ihrem Urteilsvermögen ohnehin nicht mehr. Der anfängliche Schock war zwar inzwischen in einen Zustand stumpfer Teilnahmslosigkeit übergegangen, aber manchmal – so wie jetzt – kam plötzlich alles wieder hoch und drohte ihr den Boden unter den Füßen wegzuziehen.
Bei der letzten Ausstellung war sie mit Connie hier gewesen. Sie hatten wie aufgekratzte Teenager herumgealbert, sich lautstark über die elitäre Gästeschar lustig gemacht und dabei die Platten mit Kanapees geplündert, bevor sie bestens gelaunt zu einem neu eröffneten Club in der Nähe weiterzogen waren.
Jetzt war sie wieder hier, aber diesmal mutterseelenallein.
Belogen, betrogen und schmählich verlassen, während die falsche Schlange Connie vermutlich gerade mit Max auf ihrem pinkfarbenen Samtsofa kuschelte und Hochzeitspläne schmiedete.
Als Imogen die Tränen aufsteigen spürte, blinzelte sie mehrmals kräftig und straffte die Schultern. Was gingen sie Connies Pläne an? Was machte es schon, dass eine Freundschaft, die im Kindergarten begonnen und fünfundzwanzig Jahre lang gehalten hatte, sich in den zehn Sekunden auflöste, die sie gebraucht hatte, um Max’ lapidare Nachricht zu lesen?
An jenem Abend hatte Imogen das Gefühl gehabt, mit einem Schlag die zwei wertvollsten Menschen in ihrem Leben zu verlieren. Inzwischen war sie jedoch zu der Einsicht gelangt, dass die beiden ihr im Grunde einen Gefallen getan hatten.
Wer brauchte schließlich Freunde, die einem so etwas antaten?
Okay, mit seinem Charme, dem dunklen lockigen Haar und den großen schokoladenbraunen Augen besaß Max echte LatinLover-Qualitäten. Aber je länger man ihn kannte, umso deutlicher zeigte sich, dass er im Grunde nur ein verwöhnter, egozentrischer Schaumschläger war. So gesehen war das eigentlich Schockierende an ihrer Beziehung nicht ihr unrühmliches Ende, sondern die Tatsache, dass sie sich überhaupt so lange dahingeschleppt hatte.
Dass die Presse von ihr eine ganz ähnliche Meinung hatte, wusste Imogen nur zu gut, aber wenn alles klappte, würde sie sehr bald ihren Kritikern – und auch sich selbst – beweisen, dass sie durchaus imstande war, etwas Sinnvolles zu leisten.
Sollte Max doch den Rest seines Lebens damit verbringen, Daddys Geld auszugeben und sein Ego zu pflegen. Sie wünschte ihm viel Spaß dabei, und wenn Connie Lust hatte, ihm dabei zu helfen – nur zu!
Mit finsterem Blick fixierte Imogen den „Stachel im Fleisch der Gesellschaft“. Sie hatte ein für alle Mal genug von gelangweilten, reichen Playboys, verlogenen besten Freundinnen und dreist anmaßender Pseudokunst!
Wenigstens hatte sie bekommen, weshalb sie hierhergekommen war. Zwei Gläser eiskalter, supertrockener Champagner hatten ihr vorzüglich dabei geholfen, den Schock über die Nachricht von Max’ und Connies Verlobung zu dämpfen. Ihr Körper fühlte sich angenehm beschwingt an, und in ihrem Kopf herrschte gnädige Benommenheit.
Hey, so schlecht ging es ihr doch gar nicht, oder? Genau betrachtet, war sie sogar weit besser dran als der Großteil der Menschheit. Sie besaß vieles, von dem andere nur träumen konnten. Sie war jung, gesund, hatte vor, etwas Lohnendes mit ihrem Leben anzufangen, und genau darauf würde sie sich von jetzt an konzentrieren.
Mit diesem Vorsatz drehte Imogen sich schwungvoll um – und prallte gegen eine massive Wand.
Sekundenlang stand sie völlig verdattert da, fest gegen dieses Etwas gedrückt, das ihr alle Luft aus den Lungen gepresst hatte und sie jetzt auch noch wie eine riesige Krake zu umschlingen schien. Als der erste Schreck nachließ, stellte sie fest, dass dieses Etwas atmete und ausgesprochen gut roch. Und dass es in Wirklichkeit gar keine Wand war, sondern ein großer Mann mit breiten Schultern und harten Muskeln, der sie fest in seinen starken Armen hielt!
Entsetzt spürte Imogen, wie ihr ganzer Körper auf ihn reagierte. Ihr Magen flatterte wie verrückt, das Herz schlug ihr bis zum Hals, und zwischen ihren Schenkeln breitete sich eine verräterische Hitze aus. Sie wollte sich noch enger an ihn pressen, wollte den Kopf an seine breite Brust schmiegen und seinen verführerisch männlichen Duft einatmen, während seine Arme sie weiter festhielten und ihr Schutz und Geborgenheit gaben.
Der Impuls war so unwiderstehlich, dass Imogen ihm um ein Haar nachgegeben hätte, doch zum Glück schaltete sich gerade noch rechtzeitig ihr Verstand wieder ein.
War sie denn von allen guten Geistern verlassen? Ganz abgesehen davon, dass sie weder Schutz noch Geborgenheit brauchte, war sie erst vor wenigen Wochen eiskalt von ihrem Freund abserviert worden. Und nun brannte sie buchstäblich darauf, sich dem nächstbesten Kerl in die Arme zu werfen!
Mit einem undeutlich gemurmelten „Tut mir leid“ riss Imogen sich los und trat einen Schritt zurück, um festzustellen, wer diese idiotische Reaktion in ihr ausgelöst hatte.
Alle Gedanken an Connie und Max und Selbstschutz verschwanden, als sie in die schönsten Augen blickte, die sie je gesehen hatte. Sie waren so blau wie der Himmel an einem strahlenden Sommertag und von dichten schwarzen Wimpern umgeben, für die Imogen sofort ihre gesamte Designergarderobe geopfert hätte. Aus den feinen Linien, die sich fächerförmig zu den Schläfen hin ausbreiteten, schloss sie, dass sie einem Mann gegenüberstand, der gern lachte. Allerdings sah sie auch dieses gewisse Glitzern tief in seinen Augen. Es ließ an Gefahr und Aufregung und ungezogene Dinge denken und versprach jede nur denkbare Art von Vergnügen.
Jedenfalls für eine Frau in der entsprechenden Verfassung. Sie selbst war für so etwas emotional zu geschunden.
Auch der Rest seines Gesichts wurde Imogens Erwartungen – falls sie welche gehabt hätte – mehr als gerecht. Vor allem der breite, sinnliche Mund schien himmlische Küsse schenken zu können.
Aber wie gesagt, sie war nicht interessiert.
Wirklich nicht.
„Mein Fehler“, sagte er mit einem Lächeln, bei dem Imogens Magen erneut einen Salto schlug.
„Und nicht ein Tropfen verschüttet.“ Sie deutete auf die beiden Champagnerflöten in seiner Hand. „Wirklich beeindruckend.“
„Ich habe viel Übung.“
War es einer seiner Anmachtricks, fremde Frauen in sich hineinlaufen zu lassen, um sie anschließend mit seinem Lächeln zu betören? Imogen fiel es nicht schwer, sich das vorzustellen.
„Bitte sehr …“ Er reichte ihr eins der Gläser, wobei sich sein Lächeln noch etwas vertiefte. „Sie sahen aus, als könnten sie es gebrauchen.“
Hatte er sie beobachtet? Gegen ihren Willen schmeichelte Imogen der Gedanke. „Ich wollte gerade gehen“, verkündete sie mit einer Stimme, die weit atemloser klang, als ihr lieb war.
Sein Blick ging kurz zu dem Gemälde hinter ihr. „Nicht wegen des Skorpions, hoffe ich?“
„Das soll es also darstellen? Also, darauf wäre ich nie im Leben gekommen!“
„Das Bild erschließt sich nicht auf den ersten Blick.“
„In der Tat“, bestätigte Imogen.
„Es drückt den Kampf des Menschen gegen die Ungerechtigkeit des Kapitalismus aus.“
„Aha.“ Sie kräuselte abfällig die Lippen. „Finden Sie es nicht etwas widersprüchlich, eine viertel Million Pfund für ein Stück Leinwand und ein paar Pinselstriche zu verlangen, die die Ungerechtigkeit des Kapitalismus anprangern sollen?“
Der schöne Fremde zuckte die breiten Schultern. „Ehrlich gesagt, habe ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht. Sie scheinen allerdings nicht viel von dem Bild zu halten.“
Imogen, die sich flüchtig fragte, was eigentlich aus ihren Aufbruchsplänen geworden war, trank einen Schluck Champagner. „Wollen Sie meine ehrliche Meinung hören?“
„Ich bin immer sehr für Ehrlichkeit.“
Sie glaubte ihm kein Wort. Schließlich war er ein Mann, genau wie Max, diese verlogene, hinterhältige Ratte.
„Na schön“, sagte sie bissiger als beabsichtigt. „Für mich sieht es aus, als hätte mein fünfjähriger Neffe sich ein paar Farbeimer geschnappt und einen seiner berüchtigten Wutanfälle ausgelebt.“
Sein Lachen kam tief aus der Kehle und ließ Imogen wohlig erschauern. „Und ich habe mir tatsächlich eingebildet, es besäße echte Originalität, eine großartige Lichtstimmung und eine fast schmerzhafte Tiefe.“
Ein furchtbarer Gedanke kam Imogen. „Sie sind doch nicht etwa der … Künstler?“
Er neigte den Kopf leicht zur Seite und musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. „Sehe ich Ihrer Meinung nach so aus?“
Er sah dunkel, gefährlich und verboten sexy aus. Genau die Sorte Mann, die eine Frau dazu bringen konnte, den Kopf zu verlieren, wenn sie nicht gut aufpasste.
„Eigentlich nicht“, antwortete Imogen gespielt lässig, was er mit einem erleichterten Seufzer quittierte.
Das Glitzern in seinen Augen war eine deutliche Warnung und sein Lächeln geradezu tödlich, aber an einer harmlosen Unterhaltung war noch niemand gestorben, oder?
„Wie kommt es, dass Sie so viel über dieses Bild wissen?“, erkundigte Imogen sich nach einem weiteren Schluck Champagner.
„Es gehört mir.“
„Oh …“ Wie enttäuschend! Dieser Mann mochte zum Niederknien aussehen, aber sein Geschmack ließ gelinde gesagt einiges zu wünschen übrig.
„Ich habe es bei einem Charity-Event ersteigert“, fügte er in leicht amüsiertem Tonfall hinzu.
„Heißt das, dass außer Ihnen noch jemand dafür geboten hat?“ Imogen fiel es schwer zu glauben, dass mindestens zwei Menschen dieses Monstrum gewollt hatten.
„Der andere Bieter war ein Freund von mir.“
„Kein sehr enger, nehme ich an?“
„Genau gesagt, ist er mein bester Freund. Wir haben hart darum gekämpft.“
„Aber er hat am Ende nachgegeben?“
„Ja, das hat er.“
„Er muss ein vernünftiger Mann sein.“
„Er hatte keine große Wahl. Ich mag es, zu gewinnen.“
Imogen hatte bereits festgestellt, dass er ein sehr entschlossenes Kinn hatte. Hinzu kam das draufgängerische Funkeln, das bei seinen letzten Worten in seine Augen getreten war. Oh ja, er mochte es, zu gewinnen! Und zwar um jeden Preis, wie sie vermutete.
„Tja, wie es aussieht, haben Sie in diesem Fall verloren“, spöttelte sie, worauf er ihr so lange und so intensiv in die Augen sah, dass ihr Mund trocken wurde und ihre Beine sich in Pudding verwandelten.
„Sieht ganz so aus.“
Imogen kämpfte gegen das schmelzende Gefühl in ihren Gliedern an, indem sie sich vor Augen hielt, dass dieser Typ ein Idiot mit mehr Geld als Verstand war, aber dummerweise funktionierte es nicht. „Dann sind Sie im Grunde also eher zufällig in den Besitz dieses Bildes gekommen?“
Er hob kurz die Schultern und grinste. „Ein recht glücklicher Zufall, wenn man bedenkt, dass sein Wert seitdem um das Zehnfache gestiegen ist.“
Imogen presste die Lippen zusammen. „Und das ist Ihnen natürlich wichtig.“
„Profit ist immer wichtig.“
„Während etwas so Bedeutungsloses wie die Liebe zur Schönheit vermutlich keine Rolle für Sie spielt.“
Er musterte sie ungeniert vom Scheitel bis zur Sohle. „Ach, ich weiß nicht …“
Brennende Hitze stieg Imogen ins Gesicht und ließ Stellen an ihrem Körper kribbeln, von denen sie geglaubt hatte, dass sie nie wieder kribbeln würden. „Wie auch immer …“ Sie straffte den Rücken und lachte ein wenig zu laut auf. „Als Besitzer dieses grässlichen Schinkens haben Sie in jedem Fall mein Mitgefühl.“
„Aber ein Kaufangebot machen Sie mir trotzdem nicht, oder?“
Wenn er sie noch zehn Sekunden so anlächelte, würde sie Wachs in seinen Händen sein und alles tun, was er von ihr verlangte. Dann würde der Stachel im Fleisch der Gesellschaft an ihrer Wohnzimmerwand hängen und sie langsam, aber sicher in den Wahnsinn treiben.
Fest entschlossen, unter keinen Umständen zu Wachs zu werden, gab Imogen ein weiteres gezwungenes Lachen von sich. „Das soll wohl ein Scherz sein! Ich bin doch keine Masochistin.“
„Zu schade“, meinte er und rieb sich mit seiner feingliedrigen, gebräunten Hand das Kinn. „Allmählich befürchte ich, dass es heute Abend nicht mehr verkauft wird.“
„Überrascht Sie das etwa?“
„Nicht wirklich. Aber in dem Fall wird Luc – das ist der Freund, den ich damals überboten habe – es mich nie vergessen lassen. Dabei habe ich zu diesem Thema schon genug Sticheleien von ihm ertragen müssen.“
Er sah plötzlich aus wie ein mürrischer kleiner Junge, was Imogen ein unfreiwilliges Lächeln entlockte. „Können Sie ihm das ernsthaft übel nehmen?“
„Eigentlich nicht“, gab er nach kurzem Zögern zu. „Im umgekehrten Fall hätte ich wahrscheinlich dasselbe getan.“ Er leerte sein Glas und stellte es auf dem Tablett eines vorbeikommenden Kellners ab. „So, nun wissen Sie, warum ich hier bin. Verraten Sie mir im Gegenzug, was eine so scharfe Kritikerin moderner Kunst an diesen Ort verschlagen hat?“
Oje, was sollte sie ihm bloß darauf antworten? Dass sie erst vor einer halben Stunde von Connies und Max’ Verlobung erfahren hatte – und das auch noch über Facebook? Dass sie dringend einen Drink gebraucht hatte, um die Kränkung herunterzuspülen, und deswegen zur Galerie herübergelaufen war, die nur wenige Schritte von ihrem Büro entfernt lag?
Wohl kaum!
Da er jedoch offensichtlich auf eine Antwort wartete, und sein prüfender Blick sie zunehmend aus der Fassung brachte, fühlte Imogen sich genötigt, irgendetwas zu sagen. „Ich habe vor Kurzem festgestellt, dass ich meinen Horizont erweitern muss“, behauptete sie unverbindlich, was zumindest nicht ganz gelogen war.
Er schenkte ihr ein sexy Lächeln. „Brauchen Sie dabei eventuell noch Hilfe?“
Imogen schaffte es, diesmal nicht rot zu werden, obwohl die Art, wie er sie ansah, unschwer erkennen ließ, welche Art von Hilfe ihm vorschwebte.
„Danke für das Angebot, aber ich glaube nicht.“
„Sind Sie sicher? Horizonterweiterung ist eine meiner Spezialitäten.“
„Davon bin ich überzeugt.“
Sein bezwingender Blick nagte an den Fundamenten ihrer inneren Schutzmauern. Obwohl er sich keinen Zentimeter bewegt hatte, kam es Imogen vor, als stünde er plötzlich viel dichter bei ihr.
„Lassen Sie sich von mir zum Dinner einladen“, bat er sie mit samtweicher Stimme, „und ich beweise Ihnen, wie gut ich darin bin.“
„Dinner?“, wiederholte Imogen, als hätte sie das Wort zum ersten Mal gehört. Sie hätte nicht sagen können, warum seine Einladung sie so aus der Fassung brachte. Schließlich war er nicht der erste Mann, der sie um eine Verabredung bat.
Er nickte. „Genau, Dinner. Das nimmt man nach dem Mittagessen und vor dem Frühstück zu sich. Ungefähr um diese Uhrzeit.“
Imogen ging auf seinen spielerischen Tonfall ein und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. „Ach, das meinen Sie!“
„Genau“, lobte er sie. „Und wie sieht es aus?“
Imogen war sich fast sicher, dass die Antwort Nein lauten musste. Mehr als nur fast sicher, denn hatte sie nicht gerade festgestellt, dass die Männer ihr für die nächste Zukunft gestohlen bleiben konnten? Sie sollte ihren armen, rücksichtslos niedergetrampelten Gefühlen eine Erholungspause gönnen, anstatt sich in den Bann eines so gefährlich attraktiven Mannes ziehen zu lassen.
Andererseits konnte ihre angeschlagene Psyche nach zwei Monaten freudloser Selbsterforschung gut eine kleine Vitaminspritze gebrauchen. Und für ihren Magen wäre nach drei Gläsern Champagner eine ordentliche Mahlzeit auch nicht verkehrt.
Also überhörte Imogen geflissentlich die Stimme in ihrem Innern, die ihr verzweifelt zurief, dass sie im Begriff war, eine große Dummheit zu begehen. Ja, sie hatte sich gerade empfindlich die Finger verbrannt, aber so schlimm war sie auch wieder nicht dran. Und ein Dinner verpflichtete zu nichts. Was konnte es schon schaden, ein paar Stunden in der Gesellschaft eines interessanten Mannes zu verbringen?
„Ich weiß nicht einmal, wie Sie heißen“, stellte sie fest.
„Jack Taylor.“ Er streckte ihr seine Hand entgegen.
„Imogen Christie.“
Die elektrische Reaktion bei der Berührung war so stark, dass der Name zuerst nicht zu Imogen durchdrang. Ihr ganzer Körper vibrierte, war von null auf hundert zu neuem Leben erwacht und freute sich auf das Dinner mit …
Das Lächeln auf ihren Lippen gefror.
Jack Taylor? Das durfte doch wohl nicht wahr sein!
Bruchstückhafte Informationen wirbelten in ihrem Kopf herum, als sie ihre Hand ruckartig aus seiner zog. Fakten, die sie über die Jahre hinweg über ihn gelesen und gehört hatte, fügten sich zu einem Gesamtbild zusammen, dass ebenso schillernd wie abschreckend war.
Die Wirtschaftspresse feierte ihn als Superstar im Investmentbereich. Durch riskante Spekulationen, die manche für Wahnsinn, andere für Genie hielten, machte er manchmal an einem einzigen Tag Millionen. Inzwischen war er reich wie Midas und ein feststehender Begriff in der internationalen Finanzwelt.
Aber auch den Medien, die mehr an Klatsch als an Finanzen interessiert waren, hatte Jack Taylor einiges zu bieten. Er galt als der Prototyp des Herzensbrechers – unverschämt attraktiv, charmant, charismatisch und zugleich eiskalt und schwer zu fassen.
Plötzlich erinnerte sich Imogen auch wieder an die Geschichte von Amanda Hobbs, die die Freundin einer Freundin einer Freundin war. Nachdem sie einige Monate mit Jack Taylor ausgegangen war, hatte er die Beziehung ohne Vorwarnung auf eine so verletzende Art und Weise beendet, dass die Ärmste völlig traumatisiert bis nach Italien geflüchtet war, um dort ihre Wunden zu lecken.
Und dann gab es noch diese berüchtigte Internetauktion, die vor einigen Jahren für reichlich Schlagzeilen gesorgt hatte. Es war auf eine Frau geboten worden, und Jack Taylor, der anscheinend ein Fan von Versteigerungen war, hatte kräftig mitgemischt und dabei den Usernamen „greatsexguaranteed“ benutzt.
Garantiert fantastischer Sex – das sagte ja wohl alles!
Imogen spürte, wie sie sich mit jeder Sekunde mehr von diesem Mann distanzierte. Im Gegensatz zu dem Nichtsnutz Max schien er zwar hart zu arbeiten, aber privat waren beide aus demselben Holz geschnitzt. Einer wie der andere triebgesteuerte, gewissenlose Egomanen, um die jede Frau mit Verstand einen großen Bogen machen sollte.
Mit fast wissenschaftlichem Interesse beobachtete sie, wie er seinen erprobten Charme zum Einsatz brachte und die provozierenden Funken in seinen Augen tanzen ließ. Wieso hatte sie ihn nicht sofort durchschaut? Diese lässige Direktheit, kombiniert mit der unübersehbaren Aura von Reichtum. Die angeborene Arroganz. Das blendende Lächeln eines Mannes, dem bewusst war, dass ihm die Frauen wie reife Früchte ins Bett fielen … All das wies ihn als erfolgsverwöhnten Siegertypen aus, der vermutlich nur mit den Fingern zu schnippen brauchte, um zu bekommen, was er wollte.
Aber dieses Mal wirst du eine herbe Enttäuschung erleben! dachte Imogen grimmig. Zwar fühlte sich ein winziger Teil von ihr geschmeichelt, dass der berüchtigte Jack Taylor sie angebaggert hatte. Dieser Teil hätte auch gern gewusst, ob er tatsächlich fantastischen Sex garantieren konnte, doch zum Glück war ihr gesunder Menschenverstand stärker. Und wenn es noch so erwartungsvoll in seinen Augen funkelte – ein Abendessen mit ihm kam überhaupt nicht infrage!
„Ich kenne ein erstklassiges kleines Restaurant genau um die Ecke.“
Klar, wahrscheinlich kennst du in jeder Ecke von London eins.
„Tut mir leid“, lehnte Imogen rundheraus ab. „Aber ich halte das für keine gute Idee.“
Ein überraschter Ausdruck huschte über sein Gesicht, seine Wangenmuskeln spannten sich unmerklich an. „Nein …?“
„Nein“, wiederholte sie, wobei sie das Kinn leicht anhob und eine stählerne Note in ihre Stimme legte. Es war ungemein befriedigend, seinem aufgeblasenen Ego einen Dämpfer zu verpassen. Die Erfahrung würde ihm sicher guttun.
„Und wieso nicht?“, wollte er wissen, während er fortfuhr, sie mit diesem irritierend eindringlichen Blick zu betrachten.
„Ich habe zu tun.“
„Wie wäre es dann mit einem anderen Abend?“
„Ich bin in der nächsten Zeit sehr beschäftigt.“
„Rund um die Uhr?“
Himmel noch mal, wie hartnäckig kann man eigentlich sein?
„Hat noch nie jemand Nein zu Ihnen gesagt, Jack?“, erkundigte Imogen sich spitz.
„Nicht in letzter Zeit“, meinte er mit einem breiten Grinsen.
Sie verzog keine Miene. „Tja, für alles gibt es ein erstes Mal.“
Deutlicher konnte sie ihm wirklich nicht mehr signalisieren, dass sie kein Interesse hatte. Doch anstatt sich schulterzuckend von ihr abzuwenden und sich nach einer leichteren Beute umzusehen, wurde sein Lächeln noch verführerischer.
Dann legte er ihr ohne Vorwarnung eine Hand in den Nacken und brachte sein Gesicht dicht an ihres. „Angesichts Ihrer Zeitknappheit könnten wir ja Vorspeise und Hauptgang auslassen und gleich zum Dessert übergehen“, raunte er ihr ins Ohr.
Endlos lange Sekunden verstrichen, in denen Imogen vollauf damit beschäftigt war, die Schauer zu ignorieren, die Jacks warmer Atem an ihrer Wange auslöste. Als endlich die Bedeutung seiner Worte zu ihr durchdrang, war sie sicher, sich verhört zu haben … bis sie seinem frechen Blick begegnete, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie ihn durchaus richtig verstanden hatte.
Hastig trat sie einen Schritt zurück und funkelte ihn verächtlich an. „Das ist ja wohl der unverschämteste Vorschlag, der mir je gemacht wurde!“
„Tatsächlich?“, fragte Jack sie leise.
Kaum imstande zu atmen, registrierte Imogen sein wissendes Lächeln und den unterschwelligen Triumph in seinen Augen.
Da hatte sie plötzlich genug.
Von allem!
„Haben Sie immer noch nicht kapiert, dass Sie bei mir nicht landen können?“, zischte sie ihn wütend an. „Wenn Sie solchen Hunger haben, sollten Sie sich ein anderes Opfer suchen, über das Sie sich hermachen können!“
Nach diesen unmissverständlichen Worten drehte Imogen sich auf dem Absatz um und ließ den verdutzten Jack mitsamt seinem „Stachel im Fleisch der Gesellschaft“ stehen.
Jack Taylor hasste pseudoelitäre Veranstaltungen wie diese, und für moderne Kunst hatte er noch nie etwas übriggehabt. Der einzige Grund für seine Anwesenheit hier war die Hoffnung gewesen, seinen eigenen, ausgesucht hässlichen Beitrag zu dieser Ausstellung an den Mann zu bringen.
Doch während die meisten anderen Exponate wie warme Semmeln weggegangen waren, schien der „Stachel im Fleisch der Gesellschaft“ von einem unsichtbaren Bannkreis umgeben zu sein. Er wurde so offenkundig ignoriert, dass Jack sich schließlich mit dem unerfreulichen Gedanken abfand, das verdammte Ding wieder mit nach Hause nehmen zu müssen.