Sommerfeeling: Das Personal küsst man nicht - Hanna Julian - E-Book

Sommerfeeling: Das Personal küsst man nicht E-Book

Hanna Julian

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Beschreibung

~☼~ Heiße Young Gay Love-Story voller starker Emotionen, vor der Kulisse eines romantischen Seehotels. ~☼~ Tom hat Prinzipien. Er arbeitet hart für sein Geld, und er hasst Ungerechtigkeiten. Als er einen Ferienjob im Hotel seines Onkels bekommt, ist er überglücklich. Dass er schwul ist, möchte er dort nicht outen. Aber dann sind da diese drei Jugendlichen, und einer von ihnen wird wegen seiner Homosexualität gemobbt. Toms Gerechtigkeitssinn zwingt ihn, sich für den schmächtigen Felix einzusetzen. Was anfangs noch so logisch aussah, wird allerdings rasch zu einer Gratwanderung, die Tom mächtig zusetzt. Denn wie sich herausstellt, hat Felix seinen Schutz gar nicht verdient. Toms Wut auf ihn stellt ihn jedoch vor ein sehr großes Problem, denn als einer vom Personal muss er den Gästen schließlich ihre Wünsche erfüllen und stets freundlich sein. Und dann ist dieser betrügerische Felix auch noch so was von sexy … kein leichter Job für Tom!

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Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

Epilog

Impressum

Leseprobe zu »Meermänner«

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1. Kapitel

Ein schrecklich schrilles Geräusch riss Tom aus dem Schlaf. Er schlug nach dem Wecker – wie er das Ding doch hasste! Seine Mutter hatte ihm das nervtötende Teil vor seiner Abreise geschenkt. »Den überhörst du ganz bestimmt nicht. Sieh zu, dass du morgens früh genug aufstehst und streng dich an!« Das hätte sie ihm nun wirklich nicht extra sagen müssen. Immerhin war es seine eigene Entscheidung gewesen, im Hotel seines Onkels zu jobben. Zwar würde dafür viel freie Zeit draufgehen, aber er brauchte die Kohle dringend für ein eigenes Auto. Selbst ein Gebrauchtes kostete noch ein ganz nettes Sümmchen, und da Tom sich entschieden hatte, noch zu studieren, war Geld leider ein ganz schlechtes Thema. Klar, ein bisschen was hatte er schon selbst gespart, aber seine Eltern hatten keinen Zweifel daran gelassen, dass sie ihn nur finanziell unterstützen würden, wenn er noch Geld durch einen Ferienjob beisteuerte. Dass sein Onkel Wilfried ein Seehotel besaß, schien dabei so etwas wie ein Glücksfall zu sein. Allerdings kannte Tom ihn kaum, und schon bei seinem telefonischen Vorstellungsgespräch war klar geworden, dass er den Job zwar wegen der familiären Beziehung bekommen würde, aber keinerlei Vorteile deswegen erwarten durfte. Sein Onkel Wilfried hatte ihm unmissverständlich klargemacht, dass er Verfehlungen wie Zuspätkommen, vorlautes Verhalten, und schlechtes Benehmen den Gästen gegenüber, mit einem sofortigen Rauswurf ahnden würde. Sein Blick, kurz nachdem Tom zwei Tage zuvor an seinem neuen Arbeitsplatz eingetroffen war, hatte ihn davon überzeugt, dass sein Onkel es absolut ernst meinte. Zwar hatte der ihm noch einen freien Tag gegönnt, aber seit dem gestrigen musste auch Tom in aller Herrgottsfrühe aufstehen und ein straffes Arbeitspensum durchziehen. Am Vortag hatte er das Haus und die wichtigsten Regeln kennengelernt. Heute stand vor allem der Dienst am See an – genauer gesagt, der Bootsverleih. Öde Stunden lagen also vor ihm, die Tom mit Kassieren und der Hilfe beim Ein- und Aussteigen verbringen würde. Er seufzte, verließ das Bett und sah aus dem Fenster. Dichter Morgennebel lag über dem See, selbst die Tret- und Ruderboote am Steg waren kaum auszumachen. Bis Tom sich um die kümmern musste, würden die Sonnenstrahlen den Nebel allerdings längst vertrieben haben. Erst mal stand ohnehin das Frühstück an – genau genommen dessen Vorbereitung für die Gäste. Tom selbst würde sich nur im Stehen ein Brötchen und eine Tasse Kaffee einverleiben. Am Tag zuvor hatte er noch geglaubt, er könne wenigstens selbst zehn Minuten für sein Frühstück veranschlagen, aber nachdem er gerade gesessen hatte, war er schon wieder hochgescheucht worden und sollte das Geschirr aus der Spülmaschine räumen. Die Teller waren noch so heiß gewesen, dass er sich die Finger verbrannt hatte, aber solche Kleinigkeiten interessierten hier niemanden. Nur Frida, eine Aushilfskellnerin, hatte ihm einen mitleidigen Blick zugeworfen und im Vorbeigehen geflüstert: »Alles eine Sache der Gewohnheit. Du packst das schon.« Tom hatte erfahren, dass sie schon im dritten Jahr den Sommer über dort aushalf, und irgendwie war ihm das ein Trost gewesen, denn so schlimm konnte die Arbeit doch unmöglich sein, wenn sie freiwillig immer wieder herkam. Vermutlich hatte sie auch recht, und es war wirklich eine Sache der Gewöhnung. Tom war davon allerdings noch meilenweit entfernt. Zuhause hatte er bislang nicht viel im Haushalt mitgeholfen, wie ihm jetzt auffiel. Er hatte das Gefühl, man musste ihm die einfachsten Sachen erklären, aber daran ließ sich nun nichts mehr ändern, und er versuchte gut aufzupassen, wie man Tische richtig eindeckte, oder wie Handtücher ordentlich gefaltet wurden. Ob sein Onkel inzwischen bemerkt hatte, dass es ihm an praktischer Erfahrung mangelte, und er ihn deshalb lieber für den Bootsverleih eingeteilt hatte? Immerhin konnte Tom wohl davon ausgehen, dass sein Verwandter sich im Vorfeld nicht näher nach ihm erkundigt hatte. Onkel Wilfried hatte nie viel Kontakt zur Familie gehalten, und vermutlich wusste er nicht einmal, dass Tom durch sein Coming-out im Frühjahr einen Bruch zwischen seinen Eltern und der Mutter seines Vaters bewirkt hatte. Die streng gläubige Frau hatte die Sache alles andere als gut aufgenommen, aber Toms Vater hatte zu ihm gehalten und war fest der Meinung, dass seine Mutter sich irgendwann schon wieder beruhigen würde. Tom war da allerdings nicht so sicher und heilfroh, dass Onkel Wilfried der ältere Bruder seiner Mutter war, und damit dem anderen Familienzweig angehörte. Seine Mutter hatte allerdings auch nicht jeden informiert, weil sie der Meinung war, dass alle, die es überhaupt etwas anging, es früher oder später ohnehin mitbekommen würden. Tom wusste nicht, ob er ihr Verhalten besonders cool oder doch eher etwas feige finden sollte. Aber vielleicht hatte sie recht, und Onkel Wilfried zum Beispiel musste durchaus nicht unbedingt wissen, dass sein Neffe schwul war, nur weil der für ihn arbeitete.

»Steck das Hemd richtig in die Hose, sonst kannst du dir gleich am Morgen schon eine Standpauke anhören«, wisperte Frida und eilte mit einem Korb voller Brot an ihm vorbei in den Frühstücksraum. Tom beeilte sich, ihren Rat zu befolgen. Schon schwang die Tür auf und sein Onkel betrat die Küche. Er grüßte ihn kurz und ging dann weiter, um die Vorbereitungen zu überwachen. Er gab ein paar Anweisungen, von denen Tom jedoch nicht betroffen war. Er glaubte schon aufatmen zu können, als sein Onkel sich doch noch an ihn wandte.

»Sofort nach den Vorbereitungen für das Frühstück gehst du bitte an den See und überwachst den Bootsverleih. Die Preise und Sicherheitsbestimmungen kennst du noch?«

»Ja, ich habe alles im Griff«, erwiderte Tom. Sein Onkel hob eine Augenbraue, seine grauen Augen inspizierten den Neffen. Frida kam aus dem Frühstücksraum und zwinkerte Tom aufmunternd zu. »Gut, ich verlasse mich darauf«, erwiderte sein Onkel. »Und nicht vergessen: Freundlichkeit den Gästen gegenüber ist das wichtigste Gebot. Ich will keine Klagen hören!«

»Natürlich nicht. Die Gäste gehen immer vor.«

»Gut, dann sind wir uns ja einig. Wie lange bleibst du nochmal?«

»Vier Wochen.« Tom sah wie sein Onkel die Stirn runzelte und wollte ihm erklären, warum er nicht noch länger blieb, als sein Onkel auch schon erwiderte: »Gute Entscheidung, die letzten Wochen kannst du dann zur Entspannung nutzen. Wenn man erst einmal in der Tretmühle drin ist, kommt man so leicht nicht mehr raus. Aber bis es soweit ist, dass du faulenzen kannst, erwarte ich hier jeden Tag vollen Einsatz. Die Wochenenden hast du frei – und sei froh darüber, denn das sind die stressigsten Tage, nicht wahr Frau Breuer?«

»Absolut die Hölle, Herr Schäfer«, erwiderte Frida und sah kurz zu Tom. »Du bist so ein Glückspilz.« Sie zwinkerte ihm nochmal zu. Toms Onkel lachte. »Frida weiß, wovon sie redet. Sie ist inzwischen ganz schön stresserprobt. Also, dann mal los, Tom. Bis zum Wochenende gibt es auch für dich einiges zu tun.« Damit verschwand er aus der Küche. Tom sah ihm nach, als er plötzlich einen Lufthauch in seinem Nacken spürte. Es war Frida, die ihm hinein pustete.

»Das ist der Hauch des Todes«, grinste sie. Tom sah sie an, und er erkannte ein Funkeln in ihren Augen, das ihn zusammenzucken ließ. Sie hatte doch nicht etwa Interesse an ihm?

»Hey, das war nur ein Scherz. Guck doch nicht so verschreckt.«

Tom bemühte sich, einen gelassenen Eindruck zu machen. Frida sah ihn nun kritisch an, als hätte sie seine Gedanken durchschaut. »Okay«, sagte sie aufgeräumt, »bitte hole das Geschirr aus der Maschine und staple es draußen auf den Tischen. Du wirst sehen, wo alles hin muss, denn du füllst eigentlich nur auf. Und wenn du damit fertig bist, dann ab an den See. Du hast ja deine Anweisungen.« Tom nickte. »Klar. Sehen wir uns später?« Er hatte das Gefühl, er müsste noch etwas Persönliches sagen, aber er war sich nicht sicher, ob das nicht vielleicht genau die falsche Frage gewesen war. Frida lächelte knapp. »Ich muss hier jede Menge erledigen. Wenn das Frühstück für die Gäste vorbei ist, bin ich längst mit Vorbereitungen für das Mittagessen beschäftigt. Und wenn das rum ist, bereite ich alles für das Abendessen vor. Und wenn ich endlich Feierabend habe, wird mich mein Freund abholen.« Okay, das war deutlich gewesen. Tom kam sich dumm vor, dass er den Eindruck erweckt hatte, er würde auf etwas anderes hoffen. Aber er hatte nun mal kein Schild an der Stirn kleben, dass er schwul war – und das war sicher auch besser so. Frida lächelte noch einmal, wohl um ihm zu zeigen, dass für sie kein Problem zwischen ihnen bestand. Er versuchte das Lächeln zu erwidern, aber es fiel ihm schwer, weil er wenig Übung darin hatte, einen Flirt zu dementieren. Tom beschloss, diese Sache erst mal aus dem Kopf zu streichen. Stattdessen widmete er sich ganz dem heißen Geschirr und brachte es in den Frühstücksraum. Die ersten Gäste hatten inzwischen Platz genommen und ließen sich Kaffee einschenken. Tom war froh, dass er nicht kellnern musste, denn das lag ihm nicht so gut. Aber vielleicht würde er auch das noch tun müssen. Was hatte er sich bei diesem Job bloß gedacht? Vielleicht hätte er mit seiner Schulausbildung eher darauf bestehen sollen, im Büro zu arbeiten. Ja, das wäre immer noch eine Option, falls er mit seinen sonstigen Aufgaben überhaupt nicht klarkäme. Aber ob sein Onkel ihn dort überhaupt haben wollte? Immerhin schien im Büro kein Bedarf zu bestehen – im Gegensatz zu den täglichen Arbeiten, die rund um das Wohl der Gäste erledigt werden mussten. Wie zum Beispiel seine nächste Aufgabe: Die Gäste am See betreuen. Er würde ihnen beim Ein- und Aussteigen helfen, kassieren, und ansonsten nur zusehen, wie sie Spaß beim Bootfahren hatten. Aber okay, Job war nun mal Job, und er war schließlich nicht hier, um Ferien zu machen. Tom war sogar noch geistesgegenwärtig genug, vor seinem Dienstantritt am See schnell auf sein Zimmer zu eilen, um Sonnencreme im Gesicht zu verteilen und sie rasch einzureiben.

Als er dann am See ankam, standen tatsächlich schon zwei Gäste bereit, um ein Boot auszuleihen. Sie waren offensichtlich ein Paar, und der Mann verlangte ein Ruderboot, wohl um seine weibliche Begleitung durch kraftvolle Ruderbewegungen zu beeindrucken. Tom half der Blondine ins Boot, indem er ihr einen Arm anbot. Okay, das war wohl falsch gewesen, wenn er den Blick des Mannes richtig deutete. Der Typ sagte jedoch nichts, sondern sprang dann selbst so schwungvoll ins Boot, dass es heftig schaukelte und vom Ufer weg glitt, bis das Seil es gewaltsam festhielt. Der Ruck sorgte dafür, dass die Blondine unsanft auf dem Hintern landete. Tom löste schnell die Leine und war froh, als die beiden sich entfernten. Was für ein Mist! Das hätte alles auch etwas glatter ablaufen können. Aber war es wirklich seine Schuld, dass es nicht so gut gelaufen war? Egal, daran konnte er jetzt ohnehin nichts mehr ändern. Er sah auf die Uhr und versuchte sich einzuprägen, was er dem Paar an Gebühr berechnen musste, sobald sie die Nase von ihrer kleinen Bootstour voll hatten.

Eine ganze Zeitlang geschah dann nichts mehr. Der See lag im immer wärmer werdenden Sonnenschein da, und das Paar schien zufrieden zu sein, sich einfach nur treiben zu lassen. Tom sah genauer hin – Apropos treiben lassen … was sollte er eigentlich machen, wenn die sich entschieden, es im Boot miteinander zu treiben? Das würde man ja vom Hotel aus sehen können. Ob es so einen Fall schon mal gegeben hatte? Und hatten die Wünsche der Gäste dann immer noch absolute Priorität? Okay, aber die beiden sahen nicht so aus, als hätten sie etwas dergleichen vor, denn sie saßen so weit auseinander, dass es eher den Anschein hatte, sie würden vielleicht die letzte gemeinsame Tour miteinander unternehmen. Tom beschloss, dass ihn das alles nichts anging. Ein paar Enten kamen aus dem Schilf angeschwommen und blickten erwartungsvoll zu ihm hinauf. Tom zuckte mit den Schultern, aber die Enten schienen das nicht zu verstehen, denn sie quakten ihn auffordernd an.

»Ich habe nichts für euch. Kommt morgen wieder, dann lasse ich ein altes Brötchen mitgehen.« Die Enten verstanden immer noch nicht. Sie zogen strategische Kreise, bis sie sich schließlich davonmachten. Tom konnte nicht mehr stehen. Sein Onkel hatte ihm angeboten, sich einen der Stühle aus dem Schuppen zu holen, in dem auch die Kasse untergebracht war. Tom inspizierte das Innere des Bretterverschlags, in dem neben einigen Stühlen und Tischen auch ein paar zusätzliche Boote untergebracht waren, und wählte einen Regiestuhl mit einer Bespannung aus grünem Leinen aus. Er nahm ihn mit auf den Steg, klappte ihn auf und positionierte ihn seitlich, sodass er niemandem im Weg war. Dann ging er abermals in den Schuppen und öffnete die Geldkassette. Das Wechselgeld war verdammt übersichtlich. Wenn mehrere Leute mit Scheinen bezahlten, würde er ein Problem bekommen. Allerdings war es bis zum Hotel ja nur den Berg rauf, und er würde dort jederzeit wechseln können. Aber was, wenn ausgerechnet dann ein Boot sank? Tom musste über sich selbst grinsen – klar, so was kam ja auch ständig vor! Genauso häufig fegte ein Tornado übers Land und brachte fliegende Haie mit. Nun ja, da waren sinkende Ruderboote doch wahrscheinlicher. Tom warf einen Blick über den See. Das ausgeliehene Boot sank nicht, es wurde zum Steg zurückgerudert. Tom sah auf die Uhr. Das war jetzt eine knappe Stunde gewesen. Ob er für die volle berechnen sollte? Oder doch für die halbe? Die Frage stellte sich insofern nicht, weil der Mann ihm nach der Ankunft ein paar Münzen in die Hand drückte und meinte, dass es so stimmen würde. Er hatte für eine Stunde bezahlt und die halbe Summe als Trinkgeld obendrauf gelegt. Tom würde seinen Onkel fragen müssen, ob es wirklich okay war, wenn er es behielt. Warum hatte er nicht eher daran gedacht? Es gab so vieles, das er noch herausfinden musste. Trotzdem, die Sache war bislang ja nicht schlecht gelaufen, denn der Typ von eben war wohl kaum sauer auf ihn gewesen, wenn er ihm ein Trinkgeld zukommen ließ. Tom blickte über den See. Der Wind sorgte dafür, dass die Oberfläche sich leicht kräuselte. Auf der gegenüberliegenden Seite verhinderten dichte Büsche und hochstehende Bäume, dass man den Wanderweg dahinter sah. Tom wusste auch nur, dass er da war, weil er einen Prospekt gesehen hatte, in dem geführte Wanderungen angeboten wurden, die mit dem Weg um den See begannen. Vielleicht würde er sich die Landschaft auch noch ansehen – am Wochenende sollte dafür ja Zeit übrig sein, denn was er hier sonst unternehmen konnte, wusste er noch nicht.

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als ein älteres Ehepaar den Weg zu ihm hinab kam. Der Mann hatte schütteres graues Haar, wirkte aber sehr agil und fragte gut gelaunt: »Wie sieht es aus, Bootsmann, können meine Hilde und ich in See stechen?« Tom musste grinsen. Hilde schüttelte über ihren Mann belustigt den Kopf. »Natürlich«, erwiderte Tom und kam sich gegen den Humor des älteren Mannes etwas lahm vor. Der Grauhaarige schien mit der Antwort jedoch zufrieden zu sein.

»Gut, dann nehmen wir eines der Traumschiffe mit Pedalantrieb.«

So eine Bezeichnung für ein Tretboot hatte Tom noch nie gehört. Vermutlich wurde die Zeit hier doch gar nicht so öde, wie er geglaubt hatte. Zumindest schien man eine Menge witzige und eigenartige Menschen kennenzulernen. Das Paar hatte gerade abgelegt, als neue Leute auf den See zukamen. Es waren zwei jugendliche Männer und eine junge Frau. Sie waren etwa in seinem Alter schätzte Tom, jeweils höchstens ein wenig jünger oder älter. Die Männer sprachen angeregt miteinander – vielleicht sogar eher aufgeregt, stellte Tom fest. Die Frau schien alles andere als begeistert davon zu sein.

»Jetzt hört doch mal auf! Wir wollen doch Spaß haben, oder sehe ich das falsch?«, rief sie sie zur Ordnung.

»Hätte ich ja, ohne den hier!« Der größere von beiden trug eine Sonnenbrille und hatte die blonden Haare leicht gegelt. Er schubste seinen Begleiter unsanft: ein etwas zierlicher Typ, ebenfalls blonde Haare, aber mit leichtem Rotstich. Er hatte auffallend grüne Augen, die den anderen nun wütend anfunkelten.

»Mensch Justus, lass Felix doch endlich mal in Ruhe!«, schaltete sich die junge Frau wieder ein. Tom sah, dass der Angesprochene die Augen verdrehte, dann jedoch mit einer ironischen Verbeugung erwiderte: »Sehr wohl, Mylady. Der Hofnarr wird fortan von mir verschont.«

»Arschloch«, hörte man Felix murmeln. Im gleichen Moment sagte die junge Frau an Tom gewandt: »Hallo, wir würden gerne Ruderboot fahren.«

»Natürlich«, erwiderte Tom und bemerkte, dass er sein Repertoire an Antworten wohl dringend mal erweitern musste.

»Ist es egal, welches wir nehmen?«, fragte die junge Frau. Tom wollte etwas erwidern, aber einen Moment lang war er sprachlos, weil Felix' Blick ihn traf. Wow, diese Augen hauten einen ja regelrecht um! Plötzlich schubste der junge Mann namens Justus den anderen in Richtung der Boote. Dann zischte er: »Los, mach schon, du Schwuchtel!« Tom glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Woher wusste dieser Justus, dass er schwul war? Dann erkannte er, dass der gar nicht ihn, sondern Felix gemeint hatte.

»Jetzt wartet doch mal! Wir wissen doch gar nicht, welches wir nehmen sollen«, sagte die junge Frau genervt.

»Ist egal welches«, brachte Tom endlich hervor. Die junge Frau lächelte. »Okay, danke«, sagte sie.

»Du sollst aufhören, mich so zu nennen!«, fauchte Felix den Sonnenbrillenträger an, ging dann jedoch ohne weiteren Kommentar zu einem der Boote. Tom sah zu wie die beiden nacheinander ins Boot stiegen. »Du ruderst. Ein paar Muckis können einem schmalen Hemd wie dir echt nicht schaden. Dann siehst du vielleicht mal halbwegs wie ein Mann aus. Lara, kommst du?« Die junge Frau bejahte, sah dann jedoch noch einmal Tom aufmerksam an. Offensichtlich machte sein Gesichtsausdruck ihr Sorgen, denn sie flüsterte: »Alles halb so wild. Wir sind Geschwister. Na ja, Felix ist unser Halbbruder. Die beiden streiten sich ständig, aber das ist harmlos.« Tom nickte nur. Was sollte er dazu auch sagen? Er fand es nicht harmlos, wie Justus mit Felix umging. Aber vielleicht hatte er auch einfach zu wenig mitbekommen, um das wirklich beurteilen zu können. Manchmal neckten sich Geschwister gegenseitig, und wenn man dann nur einen von beiden mitbekam, konnte man schnell einen falschen Eindruck bekommen. Allerdings konnte er sich bei dem jungen Mann namens Felix absolut nicht vorstellen, dass der seinen größeren und muskulöseren Halbbruder ebenso herumschubste oder beschimpfte, wie dieser ihn.

---ENDE DER LESEPROBE---