Spanish Love Deception – Manchmal führt die halbe Wahrheit zur ganz großen Liebe - Elena Armas - E-Book
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Spanish Love Deception – Manchmal führt die halbe Wahrheit zur ganz großen Liebe E-Book

Elena Armas

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Beschreibung

Die TikTok-Sensation des Jahres!

Catalina Martín braucht dringend ein Date für die Hochzeit ihrer Schwester in Spanien. Vor allem, weil ihre gesamte spanische Großfamilie endlich ihren amerikanischen Freund kennenlernen will – der allerdings nicht existiert. Lina hat nur vier Wochen, um jemanden zu finden, der mit ihr von New York nach Spanien reist, um ihre Familie davon zu überzeugen, dass es die große Liebe ist. Als sich ausgerechnet ihr Arbeitskollege Aaron dazu bereiterklärt, ihr zu helfen, würde sie am liebsten sofort ablehnen. Kein anderer Mann hat sie so oft auf die Palme gebracht! Aber die Hochzeit rückt näher, und Aaron ist ihre beste (und einzige) Option. In Spanien muss Lina feststellen: Nicht nur als Fake-Boyfriend kann Aaron wirklich charmant sein … 

»Armas' Debüt sprüht nur so vor Chemie... Rom-Com-Fans werden begeistert sein.« -PUBLISHER'S WEEKLY

»Die perfekte Mischung aus mitreißender Handlung und prickelnden Szenen …« -GLAMOUR

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((bei fremdsprachigem Autor))

Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Vanessa Lamatsch

© Elena Armas 2021

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»The Spanish Love Deception«,

zuerst erschienen als Selbstpublikation 2021,

2022 erschienen bei Atria Paperback, einem Imprint von Simon & Schuster, Inc., New York

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Sandra Dijkstra Literary Agency. All Rights reserved.

© der deutschsprachigen Ausgabe:

everlove, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2022

Redaktion: Antje Steinhäuser

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München, nach einem Entwurf von Simon & Schuster

Covermotiv: Illustration: Ella Maise

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

1

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Epilog

Ein Jahr später

Danksagung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

An die Träumer dort draußen: Gebt eure Träume nie auf.

Lasst euch sagen: Wir sind keine Drückeberger!

1

»Ich biete mich als Date für die Hochzeit an.«

Nicht mal in meinen wildesten Träumen – und glaubt mir, ich habe eine tolle Fantasie – hätte ich damit gerechnet, diese Worte von dieser tiefen, vollen Stimme zu hören.

Ich senkte den Blick auf meine Kaffeetasse und kniff die Augen zusammen, um nachzuschauen, ob darin vielleicht bewusstseinsverändernde Substanzen schwammen. Das hätte zumindest erklärt, was hier vor sich ging. Aber nope.

Nichts. Nur die Reste meines Americano.

»Ich werde es machen, wenn du so dringend jemanden brauchst«, erklang erneut diese tiefe Stimme.

Ich riss die Augen auf. Hob den Kopf. Öffnete den Mund und klappte ihn wieder zu.

»Rosie …«, flüsterte ich. »Ist er wirklich da? Kannst du ihn sehen? Oder hat jemand mir ohne mein Wissen etwas in den Kaffee gemischt?«

Rosie – meine beste Freundin und Kollegin bei InTech, der in New York ansässigen, technischen Beratungsagentur, in der wir uns kennengelernt hatten – nickte langsam. Ich beobachtete, wie ihre dunklen Locken wippten, ein ungläubiger Ausdruck auf ihrem sonst so freundlichen Gesicht. Sie senkte die Stimme. »Nope. Er steht hier.« Sie spähte kurz um mich herum. »Hi. Guten Morgen!«, sagte sie fröhlich, bevor sie meinen Blick wieder auffing. »Direkt hinter dir.«

Mit offenem Mund starrte ich meine Freundin an. Wir standen am Ende des Flurs im elften Stock der InTech-Zentrale. Unsere Büros lagen nah beieinander, also hatte ich in dem Moment, in dem ich das Gebäude im Herzen Manhattans in der Nähe des Central Parks betreten hatte, ihr Büro aufgesucht.

Eigentlich hatte ich vorgehabt, mir Rosie zu schnappen und es mir mit ihr auf den gepolsterten Holzsesseln im Flur gemütlich zu machen. Die Sitzecke war als Wartebereich für Klienten gedacht, aber gewöhnlich war sie so früh am Morgen nicht in Gebrauch. Doch wir hatten sie nie erreicht. Irgendwie hatte ich die Bombe schon platzen lassen, bevor wir uns setzen konnten. So dringend musste ich Rosie von meinem aktuellen Dilemma berichten. Und dann … dann war wie aus dem Nichts er erschienen.

»Soll ich mein Angebot noch ein drittes Mal wiederholen?« Seine Frage jagte einen weiteren Stich des Unglaubens durch meinen Körper und ließ das Blut in meinen Adern gefrieren.

Das würde er nicht tun. Nicht, weil er es grundsätzlich nicht konnte, sondern weil seine Worte einfach keinen verdammten Sinn ergaben. Nicht in unserer Welt. Einer Welt, in der …

»In Ordnung. Dann bitte«, seufzte er. »Du kannst mich mitnehmen.« Er hielt inne, und mir wurde erneut kalt. »Zur Hochzeit deiner Schwester.«

Ich wurde ganz steif. Meine Schultern verkrampften sich.

Das spürte ich, weil die Satinbluse, die ich in meine beige Stoffhose gesteckt hatte, plötzlich spannte.

Ich kann ihn mitnehmen.

Zur Hochzeit meiner Schwester. Als mein … Date?

Ich blinzelte, während seine Worte in meinem Kopf widerhallten.

Dann zerbrach irgendetwas in mir. Die Absurdität dieser seltsamen Situation – offensichtlich versuchte dieser Mann, dem ich nicht vertraute, mir einen fiesen Streich zu spielen – sorgte dafür, dass ein Lachen in meiner Kehle aufstieg und über meine Lippen kam, schnell und laut. Fast, als hätte meine Erheiterung es eilig gehabt.

Hinter mir erklang ein Brummen. »Was ist daran so witzig?« Seine Stimme wurde kälter. »Ich meine das vollkommen ernst.«

Ich unterdrückte eine weitere Lachsalve. Das glaubte ich ihm einfach nicht. Keine Sekunde lang. »Die Chancen, dass er«, erklärte ich Rosie, »es tatsächlich ernst meint, sind ungefähr so groß, wie dass Chris Evans aus dem Nichts erscheint und mir seine unsterbliche Liebe erklärt.« Theatralisch sah ich nach rechts und links. »Aber er ist nicht hier. Also, Rosie, du hast gerade irgendetwas von … Mr Frenkel erzählt, richtig?«

Es gab keinen Mr Frenkel.

»Lina«, meinte Rosie mit dem breiten, gekünstelten Lächeln, das sie immer aufsetzte, wenn sie nicht unhöflich sein wollte. »Er wirkt, als meinte er es ernst«, verkündete sie, immer noch mit diesem unheimlichen Strahlen. Sie musterte den Mann hinter mir. »Jep. Ich glaube, er könnte es ernst meinen.«

»Nope. Kann nicht sein.« Ich schüttelte den Kopf und weigerte mich weiterhin, mich umzudrehen, und so anzuerkennen, dass meine Freundin vielleicht recht hatte.

Das konnte einfach nicht sein. Auf keinen Fall würde Aaron Blackford, Kollege und meine ständige Heimsuchung, so etwas anbieten. Nie. Mals.

Hinter mir erklang ein ungeduldiges Seufzen. »Das wird langsam langweilig, Catalina.« Ein langer Moment der Stille. Dann ein weiteres, lautes Seufzen, diesmal länger. Aber ich drehte mich nicht um. Ich ließ mich nicht unterkriegen. »Mich zu ignorieren, lässt mich nicht verschwinden. Das weißt du.«

Das wusste ich in der Tat. »Aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich es nicht weiter versuchen kann«, murmelte ich leise.

Rosie nagelte mich mit einem Blick fest. Dann spähte sie erneut um mich herum, immer noch breit grinsend. »Tut mir leid, Aaron. Wir ignorieren dich nicht.« Sie lächelte angestrengt. »Wir … diskutieren gerade etwas.«

»Wir ignorieren ihn absolut. Du musst keine Rücksicht auf seine Gefühle nehmen. Er hat keine.«

»Danke, Rosie«, sagte Aaron zu meiner Freundin und klang nicht mehr so kühl wie sonst oft. Nicht, dass er je zu irgendwem nett wäre. Nettigkeit gehörte nicht zu Aarons Verhaltensrepertoire. Ich war mir nicht mal sicher, ob er freundlich sein konnte. Aber wenn es um Rosie ging, war er immer schon ein bisschen weniger … grimmig gewesen. Er zeigte ihr gegenüber eine Höflichkeit, die er mir gegenüber nie an den Tag gelegt hatte. »Glaubst du, du könntest Catalina sagen, sie möge sich umdrehen? Ich wüsste es wirklich zu schätzen, von Angesicht zu Angesicht mit ihr zu sprechen statt mit ihrem Hinterkopf.« Sein Tonfall wurde eisig. »Natürlich nur, wenn das nicht eines ihrer Späßchen ist, die ich scheinbar nie verstehe und schon gar nicht witzig finde.«

Hitze stieg in meinem Körper auf und drängte bis in meine Wangen.

»Sicher«, stimmte Rosie zu. »Ich glaube … das müsste ich schaffen.« Ihr Blick huschte von einer Stelle hinter mir zu meinem Gesicht, dann zog sie die Augenbrauen hoch. »Lina, also, ähm, Aaron bittet dich, dich umzudrehen, falls das nicht eines deiner Späßchen …«

»Danke, Rosie. Ich habe es mitbekommen«, stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Meine Wangen brannten. Ich verweigerte kategorisch, mich umzudrehen. Dann hätte er gewonnen – was auch immer für ein Spiel er spielen mochte. Außerdem hatte er mich gerade »schon gar nicht witzig« genannt. Ausgerechnet er. »Sei doch so nett, und sag Aaron, dass ich nicht glaube, dass man über Scherze lachen oder sie auch nur verstehen kann, wenn einem jeder Sinn für Humor abgeht. Das wäre toll. Danke.«

Rosie kratzte sich am Kopf und warf mir einen flehenden Blick zu. Zwing mich nicht dazu, schienen ihre Augen zu sagen.

Ich riss die Augen weiter auf, womit ich ihr Flehen ignorierte und sie meinerseits anbettelte, mitzuspielen.

Sie stieß den Atem aus, dann sah sie ein weiteres Mal hinter mich. »Aaron«, sagte sie, und ihr gezwungenes Grinsen wurde noch breiter. »Lina denkt, dass …«

»Ich habe sie gehört, Rosie. Vielen Dank.«

Ich war so auf ihn konzentriert – auf die Situation –, dass ich sofort die leichte Veränderung in seinem Tonfall bemerkte – zu der Stimme, die er nur bei mir verwendete. Genauso kalt und trocken wie immer, aber mit einer zusätzlichen Schicht Missachtung und Distanz. Die Stimme, die meistens mit einer finsteren Miene einherging. Ich musste mich nicht mal umdrehen und ihn ansehen, um das zu wissen. Diese Miene zeigte er scheinbar immer, wenn es um mich ging und diese … Sache zwischen uns.

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Worte Catalina dort unten durchaus erreichen, aber wenn du ihr ausrichten könntest, dass ich zu arbeiten habe und keine weitere Zeit auf dieses Theater verschwenden kann, wäre das sehr freundlich.«

Da unten? Dämlich riesiger Mann.

Meine Körpergröße war durchschnittlich. Durchschnittlich für eine Spanierin, aber trotzdem durchschnittlich. Ich war einen Meter sechzig groß – sogar ein bisschen größer, vielen Dank auch.

Rosie richtete ihre grünen Augen wieder auf mich. »Also, Aaron muss arbeiten und wüsste zu schätzen …«

»Wenn …« Ich brach ab, als ich hörte, wie quietschig meine Stimme klang. Nach einem Räuspern versuchte ich es erneut. »Wenn er so viel zu tun hat, richte ihm doch bitte aus, dass er mich verschonen soll. Er kann in sein Büro zurückgehen und jegliche Workaholic-Aktivitäten wiederaufnehmen, die er zu meinem großen Entsetzen unterbrochen hat, um seine Nase in Angelegenheiten zu stecken, die ihn nichts angehen.«

Ich beobachtete, wie meine Freundin den Mund öffnete, doch der Mann hinter mir sprach, bevor auch nur ein Geräusch über ihre Lippen dringen konnte: »Also hast du gehört, was ich gesagt habe. Mein Angebot. Gut.« Ein Moment der Stille. Währenddessen ich mich stumm verfluchte. »Also, wie lautet deine Antwort?«

Rosie wirkte ein weiteres Mal vollkommen entgeistert. Ich hielt den Blick auf sie gerichtet und spürte förmlich, wie das Dunkelbraun meiner Augen aufgrund meiner Verzweiflung in Rot umschlug.

Meine Antwort? Was zur Hölle wollte er hier erreichen? War das eine neue, ausgefeilte Verwirrungstaktik? Wollte er mich in den Wahnsinn treiben?

»Ich habe keine Ahnung, wovon er redet. Ich habe gar nichts gehört«, log ich. »Das kannst du ihm auch sagen.«

Rosie schob sich eine Strähne hinters Ohr. Ihr Blick huschte für einen Moment zu Aaron, bevor sie sich wieder auf mich konzentrierte. »Ich glaube, er bezieht sich auf den Moment, als er dir angeboten hat, als dein Date mit zur Hochzeit deiner Schwester zu fliegen«, erklärte sie leise. »Du weißt schon: kurz nachdem du mir erzählt hast, dass sich die Dinge geändert haben und du jetzt jemanden – ich glaube, du hast irgendjemanden gesagt – brauchst, um mit dir nach Spanien zu der Hochzeit zu reisen, weil du sonst einen langsamen, schmerzvollen Tod erleiden würdest und …«

»Ich habe es kapiert«, stieß ich hervor, und meine Wangen brannten heißer, als mir klar wurde, dass Aaron das alles gehört hatte. »Danke, Rosie. Du kannst dir die Zusammenfassung sparen.« Sonst würde mich dieser langsame, schmerzvolle Tod gleich jetzt ereilen.

»Ich meine mich zu erinnern, dass du das Wort verzweifelt verwendet hast«, warf Aaron ein.

Jetzt brannten auch noch meine Ohren. Wahrscheinlich leuchteten sie sogar in radioaktivem Rot. »Habe ich nicht«, hauchte ich. »Dieses Wort habe ich nicht verwendet.«

»Das … hast du irgendwie doch getan, Schätzchen«, bestätigte meine beste – nein, meine ehemals beste – Freundin.

Ich kniff die Augen zusammen und formte mit den Lippen: Was zur Hölle, Verräterin?

Aber sie hatten beide recht.

»Schön. Dann habe ich das eben gesagt. Das bedeutet nicht, dass ich wirklich so verzweifelt bin.«

»Das sagen wirklich hilflose Leute immer. Aber natürlich … wenn du damit besser schlafen kannst, Catalina?«

Zum hundertsten Mal heute Morgen verfluchte ich mich innerlich. Ich schloss kurz die Augen. »Nicht, dass es dich etwas anginge, Blackford, aber ich bin nicht hilflos, okay? Und ich schlafe nachts ganz wunderbar. Tatsächlich habe ich noch nie besser geschlafen.«

Was spielte eine Lüge mehr schon für eine Rolle? Im Gegensatz zu dem, was ich gerade behauptet hatte, war ich absolut verzweifelt auf der Suche nach einer Verabredung für diese Hochzeit. Aber das bedeutet nicht, dass ich …

»Sicher.«

Ironischerweise war es von allem, was Aaron Blackford heute Morgen gesagt hatte, ausgerechnet dieses Wort, das mir das Rückgrat brach und es mir unmöglich machte, weiter die Unbeteiligte zu spielen.

Dieses sicher, das so herablassend und gelangweilt und wegwerfend geäußert wurde – typisch Aaron.

Mein Blut begann zu kochen.

Meine Reaktion auf dieses kurze Wort – das, von jemand anderem geäußert, keinerlei Effekt auf mich gehabt hätte – war so impulsiv, so instinktiv, dass mir erst klar wurde, dass ich mich umgedreht hatte, als es schon geschehen war.

Aufgrund seiner unchristlichen Größe hieß mich eine breite Brust willkommen, bedeckt von einem weißen Anzughemd, das so glatt war, dass ich meine Hände darin vergraben und es verknittern wollte. Wer wandelte jeden Tag derart perfekt und wie aus dem Ei gepellt durchs Leben? Aaron Blackford.

Mein Blick glitt über breite Schultern und einen langen Hals nach oben bis zu seinem Kinn. Sein Mund bildete wie erwartet eine schmale Linie. Meine Augen glitten höher, bis sie seine fanden – in einem Blau, das mich an die Tiefen des Ozeans erinnerte, kalt und tödlich – und ich feststellen musste, dass er mich ebenfalls ansah.

Er zog eine Augenbraue hoch. »Sicher?«, zischte ich.

»Ja.« Dieser Kopf, gekrönt von rabenschwarzem Haar, hob und senkte sich einmal, ohne dass er meinen Blick freigab. »Ich will nicht noch mehr Zeit darauf verschwenden, über etwas zu diskutieren, was du in deiner Sturheit niemals zugeben wirst, also ja. Sicher.«

Dieser enervierende, blauäugige Mann, der wahrscheinlich mehr Zeit damit verbrachte, seine Kleidung zu bügeln, als mit anderen Menschen zu interagieren, würde es nicht schaffen, mich so früh am Morgen aus der Haut fahren zu lassen.

Ich bekämpfte die Reaktionen meine Körpers, indem ich einmal tief durchatmete und mir eine kastanienbraune Locke hinters Ohr schob. »Wenn das hier eine solche Zeitverschwendung ist, verstehe ich ehrlich nicht, warum du noch hier bist. Meinetwegen oder Rosies wegen musst du nicht bleiben.«

Miss Verräterin hinter mir brummte nichtssagend.

»Würde ich nicht«, gab Aaron ruhig zu. »Aber du hast meine Frage immer noch nicht beantwortet.«

»Das war keine Frage«, sagte ich, und aus irgendeinem Grund schmeckten die Worte bitter. »Was auch immer du gesagt hast, es war keine Frage. Aber das ist auch nicht wichtig, weil ich dich nicht brauche, vielen Dank auch.«

»Sicher«, wiederholte er und trieb meine Wut damit noch höher. »Auch wenn ich glaube, dass das nicht stimmt.«

»Dann irrst du dich.«

Diese Augenbraue kletterte noch höher. »Und doch klang es, als würdest du mich dringend brauchen.«

»Dann musst du echte Probleme mit den Ohren haben, weil du dich – offensichtlich – verhört hast. Ich brauche dich nicht, Aaron Blackford.« Ich schluckte, um meine trockene Kehle zu befeuchten. »Ich kann es dir auch schriftlich geben, wenn du möchtest. Kann dir eine E-Mail schicken, wenn das hilft.«

Er schien eine Sekunde darüber nachzudenken und wirkte dabei nach wie vor vollkommen ungerührt. Aber ich war zu klug, um mir einzubilden, dass er es so einfach gut sein lassen würde. Und er bestätigte meine Vermutung, als er erneut den Mund öffnete. »Hast du nicht gesagt, die Hochzeit würde in einem Monat stattfinden, und du hättest noch keine Begleitung?«

Jetzt wurden meine Lippen schmal. »Vielleicht. Ich kann mich nicht erinnern.« Natürlich hatte ich das gesagt. In genau diesen Worten.

»Hat Rosie nicht vorgeschlagen, dass vielleicht niemand merken würde, dass du allein an der Hochzeit teilnimmst, wenn du dich nach ganz hinten setzt und dich still verhältst?«

Meine Freundin schob ihren Kopf in mein Blickfeld. »Habe ich. Ich habe auch vorgeschlagen, ein langweiliges Kleid zu tragen und nicht dieses atemberaubende rote …«

»Rosie«, fiel ich ihr ins Wort. »Das ist wirklich nicht sehr hilfreich.«

Aarons Blick blieb unverwandt auf mich gerichtet, als er weiterhin aus der Erinnerung rezitierte. »Und hast du nicht daraufhin Rosie daran erinnert, dass du die verflixte – deine Wortwahl – Trauzeugin bist und dich deswegen ausnahmslos alle Gäste samt Kirchenmäuse – wiederum deine Worte – bemerken würden?«

»Hat sie«, bestätigte Miss Verräterin. Ich riss den Kopf zu ihr herum. »Was?« Sie zuckte mit den Achseln und unterzeichnete damit ihr Todesurteil. »Hast du, Schätzchen.«

Ich brauchte neue Freunde. So schnell wie möglich.

»Hat sie«, bekräftige Aaron und zog damit meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. »Und hast du nicht erklärt, dass dein Ex-Freund der Trauzeuge ist und du dir allein bei dem Gedanken, in seiner Nähe stehen zu müssen, allein und lahm und jämmerlich solo – ich zitiere hier ein weiteres Mal –, die eigene Haut vom Körper reißen willst?«

Hatte ich. Das hatte ich gesagt. Aber ich hatte nicht gedacht, dass Aaron zuhörte; sonst hätte ich das niemals zugegeben.

Aber anscheinend hatte er direkt hinter mir gestanden. Und jetzt wusste er es. Nicht nur hatte er mein Geständnis gehört, er hatte es mir gerade wieder unter die Nase gerieben. Und sosehr ich mir auch einreden wollte, dass mir das egal war – mir egal sein sollte –, spürte ich trotzdem einen schmerzhaften Stich. Weil ich mich plötzlich noch einsamer, lahmer und jämmerlicher fühlte.

Ich schluckte gegen den Kloß in meiner Kehle an und brach den Blickkontakt. Stattdessen starrte ich seinen Adamsapfel an. Ich wollte seinen Gesichtsausdruck nicht sehen. Was sollte er schon zeigen? Spott? Mitleid? Es war mir egal. Ich konnte gut auf das Wissen verzichten, dass noch jemand mich auf diese Weise betrachtete.

Jetzt schluckte er. Das wusste ich, weil seine Kehle das Einzige war, was ich mir zu sehen erlaubte.

»Du bist verzweifelt.«

Ich stieß heftig den Atem aus. Ein Nicken – mehr gestand ich ihm nicht zu. Und ich verstand nicht mal, wie es dazu gekommen war. Gewöhnlich kämpfte ich, bis ich die erste Wunde schlug. Denn so war es nun einmal zwischen uns. Wir nahmen keine Rücksicht auf die Gefühle des anderen. Also war dies hier nichts Neues.

»Dann nimm mich mit. Ich werde deine Verabredung für die Hochzeit sein, Catalina.«

Mein Blick huschte für einen Moment nach oben, in einer seltsamen Mischung aus Wachsamkeit und Verlegenheit. Dass Aaron alles mitbekommen hatte, war schon schlimm genug, aber dass er auch noch versuchte, es irgendwie zu seinem Vorteil einzusetzen? Mich über den Tisch zu ziehen?

Außer darum ging es tatsächlich nicht. Vielleicht gab es eine Erklärung, einen Grund, warum er das tat. Warum er anbot, mich zur Hochzeit zu begleiten.

Ich musterte seine Miene, während ich alle Möglichkeiten und eventuellen Beweggründe abwog, ohne zu einer glaubwürdigen Schlussfolgerung zu gelangen. Ich fand einfach keine Erklärung, die mir verraten hätte, warum er mir seine Begleitung anbot oder was er damit erreichen wollte.

Die Wahrheit lautete: Wir waren keine Freunde. Das war die Realität. Aaron Blackford und ich konnten uns kaum ertragen. Wir beharkten uns mit bissigen Kommentaren, wiesen auf die Fehler des anderen hin, kritisierten ständig unsere verschiedenen Arbeits-, Denk- und Lebensweisen. Wir verurteilten unsere Unterschiede. In der Vergangenheit hätte ich gerne Dartpfeile auf ein Foto von ihm geworfen. Und ich war mir ziemlich sicher, dass er dasselbe getan hätte … weil ich nicht die Einzige war, die fröhlich auf der Hassallee dahinrollte. Das war keine Einbahnstraße. Und nicht nur das: Aaron war derjenige, der diese Fehde in erster Linie begonnen hatte. Ich hatte nichts damit zu tun. Warum also? Wieso gab er vor, mir helfen zu wollen? Und wieso sollte ich ihm den Gefallen erweisen, auch nur über seine Worte nachzudenken?

»Ich mag verzweifelt auf der Suche nach einer Verabredung sein, aber so verzweifelt bin ich dann doch nicht«, wiederholte ich. »Wie ich schon gesagt habe.«

Sein Seufzen klang gleichzeitig erschöpft und ungeduldig. Und es machte mich wütend. »Ich werde dir Zeit lassen, darüber nachzudenken. Du weißt, dass du keine anderen Möglichkeiten hast.«

»Da gibt es nichts, worüber ich nachdenken müsste.« Ich ließ meine Hand zwischen uns nach unten sausen. Dann kleisterte ich mir meine Version von Rosies aufgesetztem, breitem Grinsen ins Gesicht. »Bevor ich dich mitnehme, stopfe ich einen Schimpansen in einen Smoking.«

Seine Augenbrauen schossen nach oben, und sein Blick wirkte für einen Moment fast amüsiert. »Ach, komm schon. Wir wissen doch beide, dass du das nicht tun würdest. Auch wenn es dort draußen Schimpansen gäbe, die sich dieser Herausforderung stellen würden … du wirst deinem Ex gegenüberstehen. Deiner Familie. Du meintest, du willst Eindruck hinterlassen. Und mit mir dürfte dir das gelingen.« Er neigte den Kopf zur Seite. »Ich bin deine beste Option.«

Ich klatschte mit einem Schnauben in die Hände. Selbstgefällige, blauäugige Nervensäge. »Du bist mein bestes Nichts, Blackford. Und ich habe jede Menge andere Optionen«, hielt ich mit einem Achselzucken dagegen. »Ich werde jemanden auf Tinder finden. Vielleicht setze ich auch eine Anzeige in die New York Times. Ich finde schon jemanden.«

»Innerhalb von ein paar Wochen? Sehr unwahrscheinlich.«

»Rosie hat Freunde. Ich werde einen von ihnen mitnehmen.«

So lautete mein Plan. Das war der Grund, warum ich mir Rosie gleich am Morgen geschnappt hatte. Ein Anfängerfehler, wie mir jetzt klar wurde. Ich hätte bis nach der Arbeit warten sollen, um Rosie an einen sicheren, Aaron-freien Ort zu verschleppen. Aber nach dem gestrigen Telefonat mit Mamá … Jep. Hatte sich die Situation verändert. Ich brauchte eine Begleitung … und ich konnte nicht oft genug betonen, dass jeder Mann in Ordnung gewesen wäre. Jeder Mann, der nicht Aaron war, natürlich. Rosie war in dieser Stadt geboren und aufgewachsen. Sie musste irgendwen kennen.

»Stimmt’s, Rosie? Einer deiner Freunde hat doch sicher Zeit.«

Wieder schob sich ihr Kopf in mein Blickfeld. »Vielleicht Marty? Er liebt Hochzeiten.«

Ich warf ihr einen kurzen Blick zu. »War Marty nicht derjenige, der sich bei der Hochzeit deiner Cousine betrunken hat, um dann der Band das Mikro zu stehlen und ›My Heart Will Go On‹ zu singen, bis dein Bruder ihn von der Bühne gezerrt hat?«

»Genau der.« Sie verzog das Gesicht.

»Aha. Nein.« So was konnte ich bei der Hochzeit meiner Schwester nicht gebrauchen. Sie würde ihm das Herz aus der Brust reißen und es als Dessert servieren. »Was ist mit Ryan?«

»Glücklich verlobt.«

Ich seufzte. »Überrascht mich nicht. Ryan ist wirklich ein toller Fang.«

»Ich weiß. Deswegen habe ich so oft versucht, euch zusammenzubringen, aber du …«

Ich räusperte mich laut. »Wir werden nicht darüber sprechen, warum ich solo bin.« Ich sah eilig zu Aaron. Er musterte mich aus zusammengekniffenen Augen. »Was ist mit … Terry?«

»Ist nach Chicago gezogen.«

»Verdammt.« Ich schloss für einen Moment die Augen und schüttelte den Kopf. Das war sinnlos. »Nun, dann werde ich einen Schauspieler engagieren. Ihn dafür zahlen, dass er meine Verabredung spielt.«

»Das dürfte teuer werden«, meinte Aaron ausdruckslos. »Und Schauspieler sitzen nicht gerade herum und warten darauf, dass alleinstehende Frauen sie anheuern, um sie als ihre Partner auszugeben.«

Ich warf ihm einen genervten Blick zu. »Ich bezahle jemanden von einem Escort-Service.«

Er presste die Lippen zusammen, bis sie kaum noch sichtbar waren … so wie er es immer tat, wenn er wirklich genervt war. »Du würdest lieber einen Callboy mit zur Hochzeit deiner Schwester nehmen als mich?«

»Ich habe von einem Escort gesprochen, Blackford. Por Dios«, murmelte ich und beobachtete, wie seine Augenbrauen sich finster senkten. »Ich habe keinerlei Interesse an dieser Art von Service. Ich brauche nur einen Begleiter. Und genau das tun Escort-Services. Sie vermitteln Personen, die einen zu Events begleiten.«

»Das stimmt so nicht ganz, Catalina«, erklärte er mit tiefer, eisiger Stimme. Er überzog mich förmlich mit frostiger Missachtung.

»Hast du niemals romantische Komödien geschaut?« Ich beobachtete, wie seine Miene sich noch mehr verfinsterte. »Nicht mal Wedding Date?«

Keine Antwort, nur weiteres eiskaltes Starren.

»Schaust du überhaupt Filme? Oder … arbeitest du nur?«

Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass Aaron keinen Fernseher besaß.

Seine Miene veränderte sich nicht.

Gott, ich habe keine Zeit für das hier. Für ihn.

»Weißt du was? Ist nicht wichtig. Und es ist mir egal.« Ich riss die Hände in die Luft, dann verschränkte ich die Arme vor dem Körper. »Danke für … das hier. Was auch immer das sein sollte. Toller Beitrag. Aber ich brauche dich nicht.«

»Ich glaube, du brauchst mich wohl.«

Ich blinzelte zu ihm auf. »Ich finde dich irritierend.«

»Catalina«, setzte er an, und schon die Weise, wie er meinen Namen aussprach, trieb meine Irritation in neue Höhen. »Du bist verrückt, wenn du dir einbildest, du könntest in so kurzer Zeit jemand anderen finden.«

Und wieder einmal lag Aaron Blackford nicht ganz falsch.

Wahrscheinlich war ich ein wenig verrückt. Und dabei ahnte er noch nicht mal etwas von der Lüge. Meiner Lüge. Nicht, dass er je davon erfahren würde. Aber das änderte nichts an den Tatsachen. Ich brauchte jemanden – irgendwen, aber nicht ihn, nicht Aaron –, der mit mir zu Isabels Hochzeit nach Spanien flog. Weil ich (A) die Schwester der Braut und die Trauzeugin war. (B) Weil mein Ex Daniel der Bruder des Bräutigams und sein Trauzeuge war. Und ich gestern erfahren hatte, dass er glücklich verlobt war. Eine Tatsache, die meine Familie bisher vor mir geheim gehalten hatte. (C) Wenn man die wenigen und ziemlich erfolglosen Dates nicht mitzählte, die ich absolviert hatte, war ich streng genommen seit ungefähr sechs Jahren solo. Seitdem ich Spanien verlassen hatte, um in die USA zu ziehen … was stattgefunden hatte, kurz nachdem mir meine bisher einzige richtige Beziehung ins Gesicht explodiert war. Etwas, was jeder einzelne Gast auf der Hochzeit wusste – weil es in Familien wie meiner keine Geheimnisse gab und noch weniger in Kleinstädten wie der, aus der ich stammte – und alle mich bemitleideten. Und (D) war da noch meine Lüge.

Die Lüge, die ich meiner Mutter und damit dem gesamten Martín-Clan aufgetischt hatte, weil es bei uns so was wie Privatsphäre und das Respektieren von persönlichen Grenzen nicht gab. Zur Hölle, inzwischen stand meine Lüge wahrscheinlich in den Familienanzeigen der örtlichen Zeitung.

Catalina Martín ist endlich nicht mehr solo. Ihre Familie möchte stolz darauf hinweisen, dass sie ihren amerikanischen Boyfriend mit zur Hochzeit bringen wird. Alle dürfen gerne kommen, um das magischste Event des Jahrzehnts bezeugen.

Denn genau das hatte ich getan. Direkt, nachdem meiner Mutter die Neuigkeit über Daniels Verlobung entglitten war und via Telefon mein Ohr erreicht hatte, hatte ich erklärt, ich würde ebenfalls jemanden mitbringen. Nein, nicht einfach jemanden. Ich hatte gesagt – gelogen, fälschlicherweise behauptet –, dass ich meinen Freund mitbringen würde.

Der streng genommen gar nicht existierte. Noch nicht.

Okay, schön, niemals. Weil Aaron recht hatte. Es war eine ziemlich optimistische Hoffnung, in so kurzer Zeit ein Date aufzutreiben. Die Vermutung, dass ich jemanden finden konnte, der bereit war, meinen Freund zu spielen, war wahrscheinlich wirklich verrückt. Aber einzugestehen, dass Aaron meine einzige Wahl war, und sein Angebot anzunehmen? Das wäre vollkommen irre.

»Ich sehe förmlich, wie die Tatsachen endlich einsinken.« Aarons Worte rissen mich zurück in die Gegenwart, und ich stellte fest, dass seine blauen Augen immer noch auf mich gerichtet waren. »Ich denke, du solltest das allein verarbeiten. Melde dich einfach, wenn du so weit bist.«

Ich schürzte die Lippen. Und als ich erneut spürte, wie meine Wangen zu brennen begannen – denn wie jämmerlich musste ich in seinen Augen wirken, wenn er, Aaron Blackford, der mich von Anfang an nicht gemocht hatte, mich genug bemitleidete, um anzubieten, meine Verabredung zu spielen? –, verschränkte ich die Arme vor der Brust und riss den Blick von seinen eisigen, taxierenden Augen los.

»Oh, und Catalina?«

»Ja?« Das Wort drang als Hauchen über meine Lippen. Uaah. Jämmerlich.

»Versuch, nicht zu spät zum Zehn-Uhr-Meeting zu kommen. Das ist nicht mehr niedlich.«

Mein Blick schoss zu ihm, und ich musste ein Schnauben zurückhalten.

Trottel.

Und in diesem Moment schwor ich mir hoch und heilig, dass ich eines Tages eine Leiter finden würde, die lang genug war, um darauf nach oben zu klettern und ihm irgendeinen harten Gegenstand mitten ins Gesicht zu schlagen.

Ein Jahr und acht Monate. So lange ertrug ich Aaron Blackford schon. Ich hatte die Tage gezählt, wartete jeden einzelnen ab.

Dann wandte sich Aaron mit einem Nicken ab. Und ich beobachtete, wie er davonwanderte. Offenbar war ich bis auf Weiteres entlassen.

»Okay, das war …« Rosies Satz verklang im Nichts.

»Unerträglich? Beleidigend? Bizarr?«, bot ich an und schlug mir die Hände vors Gesicht.

»Unerwartet«, hielt sie dagegen. »Und interessant.«

Ich spähte zwischen meinen Fingern hindurch und sah, wie ihre Mundwinkel sich hoben.

»Unsere Freundschaft wurde ausgesetzt, Rosalyn Graham.«

Sie gluckste. »Das meinst du nicht ernst.«

Tat ich tatsächlich nicht; sie würde mich niemals loswerden.

»Also …« Rosie hakte sich bei mir unter und zog mich den Flur entlang. »Was willst du tun?«

Ich atmete zitternd aus und fühlte mich plötzlich unglaublich erschöpft. »Ich … ich habe keinen blassen Schimmer.«

Doch eines wusste ich sicher: Ich würde Aaron Blackfords Angebot nicht annehmen. Er war nicht meine einzige Option … und sicherlich war er nicht die beste. Zur Hölle, er war mein gar nichts. Besonders nicht meine Verabredung bei der Hochzeit meiner Schwester.

2

Ich kam nicht zu spät zum Meeting.

Seit diesem Tag vor einem Jahr und acht Monaten war ich kein einziges Mal zu spät zu irgendeiner Sitzung gekommen.

Der Grund dafür?

Aaron Blackford.

Einmal. Ich war ein einziges Mal in Aarons Gegenwart zu spät gekommen, und seitdem rieb er mir diese Tatsache unter die Nase, wann immer sich eine Gelegenheit bot.

Er hatte es nie darauf geschoben, dass ich aus Spanien stammte oder eine Frau war. Beides ungerechtfertigte Vorurteile, wenn es um notorische Unpünktlichkeit ging.

Aaron hielt sich mit solchem Unsinn nicht auf. Er wies auf die Tatsachen hin; er verkündete nachweisbare Wahrheiten. Dazu war er erzogen worden, wie jeder andere Ingenieur in der Beratungsfirma, für die wir arbeiteten – mich eingeschlossen. Und streng genommen war ich zu spät gekommen. Dieses eine Mal vor all diesen Monaten. Es stimmte, dass ich die erste Viertelstunde einer wichtigen Präsentation verpasst hatte. Es stimmte auch, dass Aaron den Vortrag gehalten hatte – in seiner ersten Woche bei InTech. Und es stimmte auch, dass ich die Präsentation mit meinem Auftauchen gestört hatte, weil ich dabei eventuell auch noch eine Kaffeekanne umgeworfen hatte.

Deren Inhalt sich über Aarons Dossiers für die Präsentation ergossen hatte. Okay, und auch über seine Hose.

Nicht der beste Einstieg mit einem neuen Kollegen, aber: Pech gehabt. So was passierte ständig. Kleine, ungewollte, unerwartete Unglücksfälle wie diese passierten häufig. Die Leute kamen darüber hinweg und machten mit ihrem Leben weiter.

Nicht so Aaron.

Stattdessen blaffte er seit diesem Tag Woche um Woche, Monat um Monat, Dinge wie »Versuch, nicht zu spät zu unserem Zehn-Uhr-Meeting zu kommen. Das ist nicht mehr niedlich« in meine Richtung.

Stattdessen sah er jedes Mal, wenn er ein Sitzungszimmer betrat und feststellte, dass ich viel zu früh bereits anwesend war, auf die Uhr und zog überrascht die Augenbrauen hoch.

Stattdessen schob er mit angespannter Miene Kaffeekannen aus meiner Reichweite.

All das tat Aaron Blackford, statt den Vorfall einfach zu vergessen.

»Guten Morgen, Lina«, drang Héctors freundliche Stimme von der Tür an mein Ohr.

Ich wusste schon, dass er lächelte, bevor ich ihn ansah. Weil er immer lächelte. »Buenos dias, Héctor«, antwortete ich in unserer gemeinsamen Muttersprache.

Der Mann, den ich als eine Art Onkel betrachtete, seitdem er mich in den engeren Kreis seiner Familie aufgenommen hatte, legte mir eine Hand auf die Schulter. »Geht es dir gut, mija?«

»Kann nicht klagen.« Ich erwiderte das Lächeln.

»Kommst du zum nächsten Barbecue? Es findet nächsten Monat statt, und Lourdes sagt mir ständig, dass ich dich daran erinnern soll. Sie bereitet diesmal Ceviche zu, und du bist die Einzige, die das Zeug isst.« Er lachte.

Es stimmte; niemand in der Díaz-Familie mochte das peruanische Fischgericht besonders. Was ich bis heute nicht nachvollziehen konnte.

»Hör auf, dumme Fragen zu stellen, alter Mann.« Ich wedelte glucksend mit der Hand. »Natürlich bin ich dabei.«

Héctor setzte sich gerade auf seinen üblichen Platz rechts neben mir, als unsere drei verbleibenden, anwesenden Kollegen in den Raum traten und eine Begrüßung murmelten.

Ich riss meinen Blick von Héctors lächelndem Gesicht los und musterte stattdessen die Männer, die sich in unserer üblichen Zehn-Uhr-Formation um den Tisch verteilten.

Aaron erschien mit hochgezogenen Augenbrauen mir gegenüber und fing kurz meinen Blick ein. Ich beobachtete, wie seine Mundwinkel sich senkten, als er einen Stuhl herauszog.

Ich verdrehte die Augen und sah zu Gerald, dessen kahler Kopf im fluoreszierenden Licht glänzte, als er seinen recht korpulenten Körper in seinen Stuhl bugsierte. Und zu guter Letzt war da noch Kabir, der erst vor Kurzem auf die Position befördert worden war, die alle in diesem Raum innehatten – Teamleiter der Solutions Division unserer Firma. Was mehr oder minder alle Disziplinen außer Bauwesen einschloss.

»Guten Morgen, alle miteinander«, startete Kabir die Sitzung mit einem Enthusiasmus, den nur jemand aufbringen konnte, der diese Position erst seit einem Monat hielt. »Diese Woche ist es meine Aufgabe, das Meeting zu führen und das Protokoll zu schreiben, also wäre es nett, wenn ihr euch meldet, wenn ich euren Namen vorlese.«

Wohlbekanntes, genervtes Seufzen hallte durch den Raum. Ich sah zu dem blauäugigen Mann mir gegenüber und entdeckte dort die irritierte Miene, die zu dem Geräusch gehörte.

»Natürlich, Kabir«, sagte ich lächelnd, obwohl ich dem schlecht gelaunten Kerl mir gegenüber grundsätzlich zustimmte. »Fang ruhig an.«

Ozeanblaue Augen warfen mir einen eisigen Blick zu.

Ich hielt seinen Blick, während Kabir nacheinander unsere Namen vorlas, was ihm ein Ja von Héctor und Gerald einbrachte, ein unnötig fröhliches Anwesend von mir und ein Brummen von Mr Schlechtgelaunt.

»In Ordnung. Vielen Dank«, sagte Kabir. »Der nächste Punkt auf der Liste sind die Status-Updates. Wer möchte anfangen?«

InTech bot technische Unterstützung für jede Firma an, die entweder nicht die Fähigkeit oder nicht genügend Angestellte hatte, um technische Pläne für ihre eigenen Projekte zu erstellen. Manchmal war für die Aufträge ein Team von fünf oder sechs Personen nötig, manchmal reichte eine Person. Also arbeiteten alle fünf Teamleiter unserer Abteilung momentan gleichzeitig an mehreren verschiedenen Projekten für verschiedenste Kunden … und alle Projekte entwickelten sich ständig weiter. Hindernisse wurden überwunden, verschiedene Probleme tauchten auf, es gab Rückschläge. Der Status der einzelnen Projekte konnte sich so schnell und umfassend ändern, dass es unmöglich war, den anderen Teamleitern in wenigen Minuten einen Überblick zu verschaffen. Das war der Grund, warum niemand auf Kabirs Frage reagierte. Und wieso dieses Meeting eigentlich relativ unnötig war.

»Ähm …« Kabir rutschte auf seinem Sitz herum. »Okay, dann fange ich an. Genau. Ich werde anfangen.« Er öffnete eine Aktenmappe, die er mitgebracht hatte. »Diese Woche präsentieren wir Telekoor das neue Budget, das wir für sie ausgearbeitet haben. Wie ihr wisst, handelt es sich dabei um ein Start-up, das an einem Cloud-Dienst arbeitet, um das mobile Internet in öffentlichen Verkehrsmitteln zu verbessern. Nun, die Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen, sind recht begrenzt und …«

Abwesend lauschte ich meinem Kollegen, während ich den Blick durchs Sitzungszimmer gleiten ließ. Héctor nickte, obwohl ich vermutete, dass er auch nicht eingehender zuhörte als ich. Gerald dagegen sah ganz offen auf sein Handy. Unhöflich. So unhöflich. Aber von ihm erwartete ich auch nichts anderes.

Und dann war da er. Aaron Blackford. Mir wurde klar, dass er mich angestarrt hatte, bevor mein Blick auf ihm landete.

Er hielt meinen Blick und streckte den Arm in meine Richtung. Ich wusste, was er vorhatte. Ich wusste es. Die langen Finger, die aus dieser riesigen Handfläche wuchsen, spreizten sich, als sie auf das Objekt vor mir trafen. Die Kaffeekanne. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete ich, wie seine Hand sich um den Griff der Kanne schloss.

Und dann zog er sie quer über den Eichenholztisch.

Sehr langsam. Um dann beruhigt zu nicken.

Irritierender, blauäugiger, nachtragender Kerl.

Ich schenkte ihm ein angespanntes Lächeln – denn die einzige andere Möglichkeit wäre gewesen, durch den Raum zu stürmen und den Inhalt dieser verdammten Kanne über ihm auszugießen. Mal wieder. Aber diesmal absichtlich.

In dem Versuch, mich von diesem Gedanken abzulenken, wandte ich den Blick ab und kritzelte eilig eine To-do-Liste in meinen Zeitplaner.

Isa fragen, ob das Bouquet, das sie für Mamá bestellt hat, aus Lilien oder Pfingstrosen besteht.

Strauß für Tía Carmen bestellen, entweder Lilien oder Pfingstrosen.

Wenn wir das nicht taten, würde sie mir, Isa – meiner Schwester und damit der Braut – und Mamá bis zum Tag unseres Todes böse Blicke zuwerfen.

Papá meine Flugdaten schicken, damit er weiß, wann er mich abholen muss.

Isa sagen, dass sie Papá daran erinnern soll, dass er meine Flugdaten hat, damit er mich wirklich vom Flughafen abholt.

Ich hob den Stift an die Lippen, erfüllt von dem schrecklichen Gefühl, dass ich gerade etwas Wichtiges vergaß.

Ich kaute am Ende meines Stiftes, während ich verzweifelt darüber nachdachte, was das sein könnte. Dann hallte eine Stimme in meinem Kopf wider, die ich zu meinem großen Unglück wohl niemals vergessen würde.

»Du bist verrückt, wenn du dir einbildest, du könntest in so kurzer Zeit jemand anderen finden.«

Mein Blick huschte wieder zu dem Mann, der mir gegenübersaß, und ein weiteres Mal trafen sich unsere Blicke. Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden, als hätte ich mich bei etwas Dummem ertappen lassen – wie an ihn zu denken. Eilig senkte ich die Augen wieder auf meine Liste.

Einen Freund finden.

Ich strich die Worte aus.

Einen vorgetäuschten Freund finden. Muss kein echter sein.

»… und das wäre alles, was ich zu berichten habe«, hörte ich Kabir irgendwo im Hintergrund sagen.

Einen vorgetäuschten Freund finden. Muss kein echter sein. Außerdem: NICHTER.

Sicherlich gab es noch andere Möglichkeiten. Allerdings vielleicht niemand von einem Escort-Service. Eine schnelle Google-Suche hatte klargestellt, dass Aaron recht gehabt hatte. Mal wieder. Anscheinend hatte Hollywood mich angelogen. New York schien mit Männern und Frauen gefüllt zu sein, die eine große Bandbreite von verschiedenen, interessanten Services anboten, bei denen es definitiv nicht nur um eine Begleitung für einen Abend ging.

Ich zog eine Grimasse und kaute heftiger an meinem Stift. Nicht, dass ich das Aaron gegenüber jemals zugegeben hätte. Lieber hätte ich für ein Jahr auf Schokolade verzichtet, als Aaron gegenüber einzugestehen, dass er recht gehabt hatte.

Aber meine Verzweiflung wuchs stetig. Das hatte er ebenfalls klar erkannt. Ich musste jemanden finden, der vor meiner gesamten Familie vorgab, sich mit mir in einer ernsthaften Beziehung zu befinden. Und das beinhaltete nicht nur den Tag der Hochzeit selbst, sondern auch die zwei Tage voller Feierlichkeiten, die der Zeremonie vorausgingen. Was bedeutete, dass ich am Arsch war. Ich war …

»… und das wäre Lina.«

Der Klang meines Namens riss mich aus meinen Überlegungen. Ich ließ den Stift auf den Tisch fallen und räusperte mich. »Ja, hier.« Ich versuchte, mich wieder ins Gespräch einzuklinken. »Ich höre zu.«

»Würde das nicht jemand sagen, der nicht zugehört hat?«

Mein Blick schoss durch den Raum und begegnete einem Paar blauer Augen, die fast amüsiert gewirkt hätten … hätte ich nicht gewusst, dass der Besitzer unfähig war, menschliche Emotionen zu empfinden.

Ich richtete mich höher auf und blätterte die Seite in meinem Tagesplaner um. »Ich habe mir nur Notizen für ein Telefonat mit einem Klienten gemacht und war deswegen etwas abgelenkt«, log ich. »Es war wichtig.«

Aaron brummte nickend, ließ es aber dankbarerweise damit gut sein.

»Lasst uns noch mal rekapitulieren. Nur, damit wir wissen, wo wir stehen«, bot Kabir sanft an.

Ich werde ihm morgen einen Muffin mitbringen.

»Danke, Kabir.« Ich schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.

Er errötete und lächelte scheu.

Von der anderen Seite des Tisches hörte ich ein ungeduldiges Schnauben.

Er dagegen wird morgen keinen Muffin bekommen. Und auch sonst nie.

»Also«, meinte Kabir. »Jeff wollte an der heutigen Sitzung teilnehmen, um euch persönlich zu informieren … aber ihr wisst alle, wie voll der Zeitplan des Abteilungsleiters ist. Jede Menge Termine. Er wird euch alle nötigen Informationen per Mail schicken, aber ich dachte, es wäre eine gute Idee, euch schon im Vorhinein zu informieren.«

Ich blinzelte. Wovon, zur Hölle, sprachen wir gerade? »Danke noch mal dafür, Kabir.«

»Gern geschehen, Lina.« Er nickte. »Ich glaube, die Kommunikation zwischen uns fünfen ist …«

»Kabir« – Aarons Stimme hallte durch den Raum – »komm auf den Punkt.«

Kabirs Blick glitt überrascht zu ihm. »Ja. Danke, Aaron.« Er musste sich zweimal räuspern, bevor er weitersprechen konnte. »InTech wird in ein paar Wochen einen Open Day veranstalten. Daran werden eine Menge Leute teilnehmen. Hauptsächlich potenzielle Klienten, die Interesse an unseren Diensten haben, aber auch Vertreter der großen Projekte, an denen wir momentan arbeiten. Jeff hat erwähnt, dass alle Teilnehmer recht hohe Positionen im Management innehaben, was Sinn ergibt, nachdem dies eine Initiative ist, um unsere Expansion voranzutreiben und unser Netzwerk zu stärken, und zwar auf persönlicher Ebene. Jeff möchte, dass InTech richtig angibt. Sich bestmöglich präsentiert. Modern. Um zu zeigen, dass wir auf dem neuesten Stand sind. Aber gleichzeitig wollen wir all unseren möglichen und aktuellen Klienten zeigen, dass es uns nicht nur um die Arbeit geht.« Er gluckste nervös. »Deswegen wird der Open Day von acht Uhr morgens – wenn die Teilnehmer hier in unserer Zentrale willkommen geheißen werden – bis Mitternacht dauern.«

»Mitternacht?«, murmelte ich, wobei es mir nur schlecht gelang, meine Überraschung zu verbergen.

»Ja.« Kabir nickte enthusiastisch. »Ist das nicht erfrischend? Es wird ein richtiges Event. Jede Menge Workshops zu neuen Technologien, Vorträge und Aktivitäten, um unsere Klienten und ihre Bedürfnisse besser kennenzulernen. Und natürlich werden wir Frühstück, Mittagessen und Abendessen von einem Caterer anliefern lassen. Ach ja, und danach soll es noch Drinks geben. Ihr wisst schon, um die Sache etwas aufzulockern.«

Meine Augen wurden mit jedem von Kabirs Worten größer.

»Das …«, setzte Héctor an. »Das klingt … anders.«

In der Tat. Und es klang auch, als dürfte es ziemlich schwierig werden, das alles in nur ein paar Wochen zu planen.

»Ja«, antwortete Gerald und klang dabei erstaunlich selbstgefällig. »Und es wird InTech definitiv einen Schub geben.«

Kabir nickte, dann fing er meinen Blick ein. »Absolut. Und Jeff möchte, dass du die Verantwortung für alles trägst, Lina. Ist das nicht toll?«

Ich blinzelte. Ließ den Kopf gegen die Lehne meines Stuhls sinken. »Er will, dass ich den Open Day organisiere? Alles?«

»Ja.« Mein Kollege lächelte mich an, als hätte er gerade eine tolle Neuigkeit verkündet. »Und du sollst auch als Gastgeberin auftreten. Von uns fünfen bist du die attraktivste Option.«

Ich blinzelte langsam und beobachtete, wie Kabirs Mundwinkel langsam nach unten sanken, wahrscheinlich eine Reaktion auf meine Miene.

Attraktiv. Ich atmete tief durch, um mich zu fangen. »Nun, ich fühle mich geehrt, dass ich als attraktivste Option betrachtet werde«, log ich. Gleichzeitig versuchte ich, mich nicht zu sehr darauf zu konzentrieren, wie das Blut in meinen Adern kochte. »Aber ich habe weder die Zeit noch die Erfahrung, um so ein Event zu organisieren.«

»Aber Jeff hat darauf bestanden«, hielt Kabir dagegen. »Und es ist wichtig für InTech, dass jemand wie du die Firma vertritt.«

Ich sollte nachfragen, was »jemand wie ich« bedeuten sollte, aber ich vermutete, dass ich die Antwort gar nicht hören wollte. Meine Kehle wurde so eng, dass mir das Schlucken schwerfiel. »Würde nicht jeder von uns dasselbe Ziel erreichen? Sollte ein so wichtiges Event nicht lieber von jemandem organisiert werden, der PR-Erfahrung besitzt?«

Kabir wich meiner Frage geschickt aus. »Jeff meinte, du würdest das mit der Organisation schon hinkriegen. Dass wir keine zusätzlichen Ressourcen dafür verschwenden müssen, jemand Externen anzuheuern. Außerdem bist du …« Seine Stimme verklang, und er wandte den Blick ab, als wäre er in diesem Moment lieber irgendwo anders gewesen. »… sozial. Munter.«

Ich ballte die Hände zu Fäusten, unter dem Tisch, um meinen inneren Aufruhr bestmöglich zu verbergen. »Klar«, stieß ich hervor. Träumte nicht jede Person davon, von ihrem Boss als munter beschrieben zu werden? »Aber ich habe auch meine Arbeit zu erledigen. Ich habe ebenfalls Projekte, die ich betreue. Wieso ist dieses … Event wichtiger als meine eigenen Klienten und aktuellen Verantwortlichkeiten?«

Ich schwieg einen Moment, weil ich auf die Unterstützung meiner Kollegen wartete.

Irgendeine Art von Unterstützung.

Und … nichts.

Nur das übliche, schwere Schweigen, das in solchen Situationen immer herrschte.

Ich rutschte auf meinem Stuhl herum. Meine Wangen brannten vor Frust. »Kabir«, sagte ich so ruhig, wie mir eben möglich war. »Mir ist bewusst, dass Jeff vorgeschlagen hat, dass ich die Verantwortung übernehme, aber ihr alle versteht doch, dass das keinen Sinn ergibt, richtig? Ich … wüsste nicht mal, wo ich anfangen soll.« Für solche Aufgaben war ich nicht angestellt worden und wurde auch nicht dafür bezahlt.

Aber das würde niemand zugeben, selbst wenn ihre Unterstützung einen Unterschied hätte machen können. Denn damit würde der wahre Grund offensichtlich, warum mir diese Aufgabe übertragen worden war.

»Ich vertrete bereits zwei meiner besten Teammitglieder, Linda und Patricia. Ich habe jetzt schon zu viel zu tun.« Ich hasste es, mich zu beschweren und um Unterstützung zu betteln – jedweder Art –, aber was sollte ich sonst tun?

Gerald schnaubte, was dafür sorgte, dass ich den Kopf zu ihm herumriss. »Nun, das ist das Problem, wenn man Frauen in den Dreißigern anstellt.«

Ich brummte spöttisch, weil ich einfach nicht glauben wollte, dass er das gerade wirklich gesagt hatte. Aber das hatte er. Ich öffnete den Mund, doch Héctor bewahrte mich davor, wirklich antworten zu müssen.

»In Ordnung. Wie wäre es, wenn wir dir alle helfen?«, schlug Héctor vor. Ich sah ihn an und stellte fest, dass er resigniert wirkte. »Wir könnten alle mit anpacken.«

Ich liebte den Mann … aber sein weiches Herz und seine Tendenz, Konflikten aus dem Weg zu gehen, halfen im Moment nicht weiter. Damit schlichen wir nur um das wahre Problem herum.

»Wir sind hier nicht in der Highschool, Héctor«, blaffte Gerald. »Wir sind Profis. Und wir werden nirgendwo mit anpacken.« Er schüttelte seinen glänzenden, kahlen Kopf, dann schnaubte er wieder.

Héctor klappte den Mund zu.

»Ich werde dir die Teilnehmerliste zumailen, die Jeff zusammengestellt hat, Lina.«

Ich schüttelte erneut den Kopf. Meine Wangen brannten noch heißer, und ich musste mir auf die Zunge beißen, um nichts zu sagen, was ich später bereuen würde.

»Oh«, fügte Kabir hinzu. »Jeff hatte auch ein paar Ideen für das Catering. Dazu leite ich dir eine weitere Mail weiter. Aber er möchte, dass du in diesem Punkt noch ein paar Recherchen anstellst. Und vielleicht kannst du dir auch ein Motto einfallen lassen? Er meinte, du wüsstest schon, was zu tun ist.«

Ich formte mit den Lippen einen stummen Fluch, der meine abuela dazu gebracht hätte, mich am Ohr in die Kirche zu zerren. Ich wüsste, was zu tun ist? Woher soll ich das wissen?

Ich schnappte mir meinen Stift und umklammerte ihn mit beiden Händen, um einen Teil meiner Anspannung abzuleiten, dann atmete ich tief durch. »Ich werde selbst mit Jeff sprechen«, stieß ich durch zusammengebissene Zähne hervor, die wahrscheinlich wie ein leises Lächeln wirkten. »Gewöhnlich belästige ich ihn ungern, aber …«

»Könntest du endlich damit aufhören, unsere Zeit zu verschwenden?«, blaffte Gerald und sorgte so damit, dass das Blut aus meinem Gesicht in meine Füße rauschte. »Hör auf, Entschuldigungen zu finden, und mach es einfach. Du kannst ja wohl einen Tag lang lächeln und extrafreundlich sein, oder?«

Das Wort extrafreundlich hallte in meinem Kopf wider, während ich Gerald aus großen Augen anstarrte.

Dieser verschwitzte Mann, der sich in ein Anzughemd gepresst hatte, das viel zu schick für jemanden wie ihn war, ergriff jede Chance, um Leute runterzumachen. Und besonders genoss er es, wenn sein Gegenüber eine Frau war. Das weiß ich sicher.

»Gerald« – ich hielt meine Stimme sanft und umklammerte stattdessen so fest meinen Stift, dass ich nur beten konnte, dass er nicht zerbrach und damit meine Wut verriet – »das Ziel dieses Meetings liegt darin, Probleme wie dieses zu besprechen. Also tut es mir leid, aber du wirst mir dabei zuhören müssen, wie ich genau das …«

»Honey«, fiel Gerald mir fies grinsend ins Wort, »sieh es einfach als Party. Frauen lieben solche Sachen, nicht wahr? Organisiere einfach ein paar Aktivitäten, lass etwas Essen anliefern, zieh was Hübsches an und reiß ein paar Witze. Du bist jung und reizend; wahrscheinlich musst du dein Hirn gar nicht groß einsetzen. Sie werden dir aus der Hand fressen.« Er gluckste amüsiert. »Ich bin mir sicher, das kriegst du schon hin, oder?«

Ich verschluckte mich. Die Luft, die eigentlich in meine Lunge und wieder nach draußen dringen sollte, hatte sich irgendwo dazwischen verhakt.

Unfähig, die Reaktion meines Körpers zu kontrollieren, spürte ich, wie meine Beine sich streckten. Mein Stuhl rutschte quietschend nach hinten, das Geräusch plötzlich und laut. Ich knallte beide Hände auf den Tisch, dann wurde mein Kopf für einen Moment vollkommen leer, und ich sah rot. Ich sah wirklich rot. In diesem Moment verstand ich zum ersten Mal, wie sich diese Redewendung entwickelt hatte. Ich sah alles durch einen roten Schleier, als hätte ich eine Sonnenbrille mit scharlachroten Gläsern aufgesetzt.

Irgendwo rechts von mir hörte ich, wie Héctor den Atem ausstieß. Leise etwas murmelte.

Dann hörte ich gar nichts mehr. Nur meinen rasenden Herzschlag.

Da war sie. Die Wahrheit. Der wahre Grund, warum von all den Leuten, die in diesem Raum saßen, ausgerechnet ich ausgewählt worden war, diese verdammte Sache zu organisieren. Ich war eine Frau – die einzige Teamleiterin in der Abteilung –, und ich hatte die nötige Ausstattung, egal, ob ich nun kurvig gebaut war oder nicht. Munter, reizend, weiblich. Ich war die attraktive Option. Ich sollte vor den Klienten von InTech schaulaufen, um zu beweisen, dass wir nicht in der Vergangenheit festhingen.

»Lina.« Ich bemühte mich, ruhig und klar zu sprechen, nur um mich zu verfluchen, weil es nicht klappte. Ich hasste mich dafür, dass ich mich umdrehen und meinen Beinen erlauben wollte, mich aus dem Raum zu tragen. »Nicht Honey. Mein Name ist Lina.« Unendlich langsam ließ ich mich wieder in meinen Stuhl sinken, bevor ich mich räusperte und den Moment nutzte, um mich zu kontrollieren. Ich kriege das hin. »Achte das nächste Mal bitte darauf, mich mit meinem Namen anzusprechen. Und behandle mich mit derselben Höflichkeit und Professionalität, die du jedem anderen auch entgegenbringst.« Der Klang meiner eigenen Stimme in meinen Ohren gefiel mir kein bisschen. Ich fühlte mich wie eine schwächere Version meiner selbst – wie jemand, der ich auf keinen Fall sein wollte. Aber zumindest hatte ich es geschafft, meinen Punkt rüberzubringen, ohne zu brüllen oder wegzulaufen. »Danke.«

In dem sicheren Wissen, dass meine Augen inzwischen vor Wut und Frust glasig wirken mussten, blinzelte ich ein paarmal, bis es mir gelang, eine ruhige Miene aufzusetzen. Ich wünschte inständig, der Kloß in meiner Kehle hätte nichts mit Verlegenheit zu tun, obwohl es so war. Denn wie sollte ich nicht peinlich berührt sein, wenn ich gerade jemanden dermaßen angeblafft hatte? Wenn – selbst nach allem, was vor so langer Zeit geschehen war, und obwohl es nicht das erste Mal war, dass ich mich mit solchem Mist herumschlagen musste – ich immer noch nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte?

Gerald verdrehte die Augen. »Nimm das nicht so ernst, Lina.« Er musterte mich herablassend. »War doch nur ein Witz. Nicht wahr, Jungs?«

Er sah sich unter seinen Kollegen um, auf der Suche nach ihrer Unterstützung.

Aber er fand sie nicht.

Im Augenwinkel bemerkte ich, wie Héctor tiefer in seinen Stuhl sank. »Gerald …«, sagte er und klang dabei müde und entmutigt. »Komm schon, Mann.«

Ich hielt den Blick auf Gerald gerichtet, damit beschäftigt, die aufwallende Hilflosigkeit in mir zu zügeln. Ich weigerte mich, die anderen beiden Männer im Raum anzusehen, Kabir und Aaron, die durch Schweigen glänzten.

Sie dachten wahrscheinlich, sie würden sich nicht auf eine Seite schlagen, aber das taten sie. Mit ihrem Schweigen taten sie genau das.

»Komm schon … was?«, spottete Gerald. »Es ist ja nicht so, als entsprächen meine Worte nicht der Wahrheit. Dieses Mädel muss nicht versuchen …«

Bevor ich den Mut aufbringen konnte, ihn zu stoppen, kam mir die letzte Person zuvor, bei der ich damit gerechnet hätte. »Wir sind hier fertig.«

Ich riss den Kopf zu ihm herum und stellte fest, dass Aaron Gerald mit einem so eisigen Blick betrachtete, dass ich quasi fühlen konnte, wie die Temperatur im Raum um ein paar Grad absank.

Kopfschüttelnd riss ich den Blick von Aaron los. Er hätte irgendwann in den letzten zehn Minuten etwas sagen können, hatte sich aber entschieden, es zu lassen. Soweit es mich anging, konnte er auch weiterhin schweigen.

Gerald schob seinen Stuhl zurück, um aufstehen zu können. »Ja, wir sind definitiv fertig«, meinte er ausdruckslos und sammelte seine Sachen ein. »Ich habe auch keine Zeit für so was. Sie weiß sowieso, was zu tun ist.«

Und mit dieser kleinen Perle der Weisheit schlenderte Gerald aus dem Raum.

Mein Herz raste, und meine Schläfen pochten.

Kabir stand ebenfalls auf und sah mich entschuldigend an. »Ich stehe nicht auf seiner Seite, okay?« Sein Blick huschte kurz zu Aaron, um sofort zu mir zurückzukehren. »Diese ganze Sache kommt von Jeff; er will, dass du das machst. Denk nicht zu viel darüber nach, sondern betrachte es als Kompliment.«

Ich sparte mir eine Antwort und beobachtete einfach nur, wie Kabir den Raum verließ.

Der Mann, der mich quasi als Teil des Díaz-Clan aufgenommen hatte, sah mich an und schüttelte den Kopf. Qué pendejo, formte er mit den Lippen, was mir ein schwaches Lächeln entlockte. Denn auch wenn das eine Beschimpfung war, die wir in Spanien niemals verwendet hätten, wusste ich doch genau, was er meinte.

Und Héctor hatte recht. Was für eine Arschkrampe Gerald doch war.

Und dann war da noch Aaron. Der sich bisher nicht mal dazu herabgelassen hatte, mich anzusehen. Seine langen Finger sammelten methodisch seine Sache ein. Seine noch längeren Beine schoben den Stuhl nach hinten, sodass er sich zu seiner vollen Höhe aufrichten konnte.

Ich beobachtete ihn, immer noch durcheinander von den Geschehnissen, dann wurde mir bewusst, dass Aaron den Blick auf mich richtete. Seine Augen, die wieder ernst und distanziert wirkten, verweilten einen Moment auf mir, um mich dann zu ignorieren.

So, wie er es immer tat.

Ich beobachtete, wie seine große Gestalt durch die Tür in den Flur trat. Mein Herz schien gleichzeitig einen Zahn zuzulegen und sich zu beruhigen.

»Lass uns gehen, mija«, sagte Héctor, stand ebenfalls auf und sah auf mich herunter. »Ich habe eine Tüte mit chicharrones in meinem Büro. Ximena hat sie mir neulich heimlich in die Laptoptasche gesteckt. Und bisher war ich brav.«

Ich erhob mich und lachte leise. Héctors kleines Mädchen würde bei unserer nächsten Begegnung eine dicke Umarmung von mir kriegen.

»Du musst diesem Mädchen das wöchentliche Taschengeld erhöhen.« Ich folgte ihm aus dem Raum, wobei ich mich bemühte, sein Lächeln zu erwidern.

Doch ich konnte nicht umhin zu bemerken, dass meine Mundwinkel schon nach ein paar Schritten zitterten und das Lächeln meine Augen nicht erreichte.

3

So hatte ich mir meinen Abend nicht vorgestellt.

Es war schon spät, die InTech-Zentrale war weitgehend verlassen, ich hatte noch gut vier oder fünf Stunden Arbeit vor mir, und mein Magen knurrte so laut, dass ich davon ausging, dass er jeden Moment anfangen würde, sich selbst zu verdauen.

»Estoy jodida«, murmelte ich leise, weil mir erst jetzt klar wurde, wie sehr ich wirklich in der Patsche saß.

Zum einen, weil das Letzte, was ich gegessen hatte, ein trauriger grüner Salat gewesen war. Und das entpuppte sich jetzt als großer Fehler, egal, wie vernünftig es zu Beginn auch gewirkt hatte, nachdem die Hochzeit schon in fünf Wochen stattfinden würde. Zum zweiten, weil ich keine Snacks zur Hand hatte und auch kein Kleingeld für den Automaten ein Stockwerk tiefer. Und drittens war die PowerPoint-Folie auf meinem Laptop immer noch halb leer.

Ich senkte die Hände auf die Tastatur, nur um sie dann fast eine Minute lang nicht zu bewegen.

Mein Handy piepte mit einer Nachricht und zog damit meine Aufmerksamkeit auf sich. Rosies Name leuchtete auf dem Display. Ich entsperrte das Handy, und sofort erschien ein Bild.

Es war ein Foto von einem dekadenten Milchkaffee, gekrönt von einem wunderschönen Schaumhäufchen. Daneben lag ein Schokoladenbrownie, dessen unzählige Schokostückchen schamlos im Licht glänzten.

 

Rosie: Bist du dabei?

 

 

Sie musste mir weder den Plan darlegen noch mir eine Adresse schicken. Dieses Festmahl konnte nur von Around the Corner stammen, unserem absoluten Lieblingscafé. Bei dem Gedanken an diesen nach Kaffee duftenden Rückzugsort in der Madison Avenue lief mir sofort das Wasser im Mund zusammen.

Mit einem unterdrückten Stöhnen schrieb ich zurück.

 

Lina: Würde unglaublich gerne kommen, aber ich hänge in der Arbeit fest.

 

 

Die drei Punkte begannen zu tanzen.

 

Rosie: Bist du dir sicher? Ich habe dir einen Platz freigehalten.

 

 

Bevor ich antworten konnte, kam schon die nächste Nachricht.

 

Rosie: Ich habe den letzten Brownie ergattert, aber ich würde ihn mit dir teilen. Allerdings nur, wenn du schnell auftauchst. Ich bin nicht aus Stahl.

 

 

Ich seufzte. Das wäre definitiv besser, als an einem Mittwochabend Überstunden zu schieben, aber …

 

Lina: Ich kann nicht. Ich arbeite an diesem Open-Day-Zeug, von dem ich dir erzählt habe. Dieses Foto werde ich übrigens löschen. Zu verlockend.

Rosie: O nein. Du hast mir nur erzählt,dass sie dir diese Aufgabe aufgedrückt haben.Wann soll das stattfinden?

Lina: Ziemlich direkt nach meiner Rückkehr aus Spanien. *Braut-Emoji* *Schädel-Emoji*

Rosie: Ich verstehe immer noch nicht, wieso du das machen sollst. Ertrinkst du nicht sowieso schon in Arbeit?

 

 

Jep. Und genau darum hätte ich mich gerade kümmern sollen: den Job, für den ich tatsächlich bezahlt wurde. Ich sollte keinen Tag der offenen Tür organisieren, der nur eine Ausrede war, einen Haufen Anzugträger herumzuführen, zu füttern und zu babysitten. Zu denen ich auch noch besonders nett sein sollte. Was zum Teufel das bedeuten mochte. Aber klagen würde auch nicht weiterhelfen.

 

Lina: ☹ Es ist, wie es ist.

Rosie: Nun, also, im Moment mag ich Jeff nicht besonders.

Lina: Ich dachte, du hättest ihn als Silberfuchs bezeichnet. *Zwinker-Emoji*

Rosie: Das beschreibt sein Aussehen. Aber er kann für einen Fünfzigjährigen recht gut aussehen und trotzdem ein Trottel sein. Du weißt doch, dass ich die recht attraktiv finde.

Lina: Tust du tatsächlich irgendwie, Rosie. Dieser Ted war ein totaler Volldepp. Freut mich, dass er aus dem Rennen ist.

Rosie: *Kack-Emoji*

 

 

Mein Handy verstummte lang genug, dass ich davon ausging, das Gespräch wäre beendet. Gut. Ich musste an dieser dämlichen …

Erneut piepte mein Handy.

 

Rosie: Tschuldigung, der Ehemann der Besitzerin ist gerade aufgetaucht und ich war abgelenkt. #seufz

Rosie: Er ist so attraktiv. Und bringt ihr jede Woche Blumen *weinendes Emoji*

Lina: Rosalyn, ich versuche hier zu arbeiten. Schieß ein Foto und zeig es mir morgen.

Rosie: Sorry! Übrigens, hast du mit Aaron gesprochen? *nachdenkliches Emoji* Wartet er immer noch?

 

 

Ich gab nur ungern zu, dass mir bei der unerwarteten Erwähnung dieser Situation, über die nachzudenken ich mich seither geweigert hatte, das Herz in die Hose rutschte.

Lügnerin. Die letzten Tage hatten sich angefühlt, als müsste jeden Moment eine Bombe detonieren.

Nein, seit Montag hatte Aaron diesen ganzen albernen Ich-werde-deine-Verabredung-für-die-Hochzeit-spielen-Unsinn nicht mehr angesprochen. Und Rosie ebenso wenig … weil wir uns aufgrund unserer Arbeitslast kaum gesehen hatten.

 

Lina: Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst. Wartet er auf etwas?

Rosie: …

Lina: Vielleicht eine Herztransplantation? Ich habe gehört, er hätte keines.

Rosie: Ha, witzig. Du solltest dir die Witze für euer Gespräch aufsparen.

Lina: Wir werden nicht reden.

Rosie: Stimmt. Ihr beide seid zu sehr damit beschäftigt, euch intensiv anzustarren *Feuer-Emoji*

 

 

Ungewollte Hitze stieg in meine Wangen.

 

Lina: Was soll das heißen?

Rosie: Du weißt, was ich meine.

Lina: Dass ich ihn auf einem Scheiterhaufen verbrennen will wie eine Hexe? Okay.

Rosie: Er arbeitet wahrscheinlich auch länger.

Lina: Und?

Rosie: Und … du könntest in sein Büro gehen und ihm diese bösen Blicke zuwerfen, von denen ich mir sicher bin, dass er sie insgeheim liebt.

 

 

Wow. Was zur Hölle?

Ich rutschte unruhig auf meinem Stuhl herum und starrte entsetzt mein Handy an.

 

Lina:WTF redest du da? Hast du schon wieder zu viel Schokolade gegessen? Du weißt doch, dass dir das einen Trip verschafft. *schockiertes Emoji*

Rosie: Lenk nur ab.

Lina: Ich lenke nicht ab. Ich mache mir gerade wirklich Sorgen um deine Gesundheit.

Rosie: *Augenroll-Emoji*

 

 

Das war neu. Meine Freundin hatte noch nie direkt angesprochen, was für einen Unsinn sie zu sehen glaubte. Auch wenn sie hin und wieder mal einen Kommentar abließ.

»Knisternde Spannung« hatte sie einmal gesagt.

Was dafür gesorgt hatte, dass ich so heftig schnaubte, dass mir mein Getränk aus der Nase geschossen kam.

So lächerlich fand ich ihre