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Es geht zurück nach Green Oak! Josie hat der Liebe viele Chancen gegeben. Vier, um genau zu sein, und jede der vier Verlobungen scheiterte. Als ihr berühmter Vater beschließt, seinen Ruhestand mit einem brisanten Artikel über die Familie anzukündigen, weiß Josie, dass ihre romantische Vergangenheit in aller Munde sein wird. Um nicht bemitleidet zu werden, muss eine fünfte Verlobung her! Ausgerechnet Matthew, ein Freund ihrer Schwester und charmanter Besserwisser, ist der geeignetste Kandidat, und er spielt seine Rolle als Fake-Verlobter sehr gut. So gut, dass Josie bald nicht mehr weiß, was echt ist und was nur gespielt … Die Autorin der »Spanish Love Deception« ist endlich zurück!
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Seitenzahl: 645
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Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Vanessa Lamatsch
© Elena Armas 2024
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»The Fiancé Dilemma«, 2024 erschienen bei Atria Paperback, einem Imprint von Simon & Schuster, Inc., New York.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Sandra Dijkstra Literary Agency.
All rights reserved.
© everlove, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2024
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Coverillustration: Bee Johnson
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Cover & Impressum
Widmung
Prolog
Josie
Vor knapp einem Jahr
1
Gegenwart
2
3
4
5
6
7
8
9
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Matthew
Danksagung
Bonuskapitel
Irgendwo auf der Tribüne des Warriors Park, Green Oak
Matthew
Josies Küche, Green Oak
Matthew
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Für meine LeserInnen (ja, ihr. Hi, Leute),
eure Erwartungen sind nicht zu hoch. Lasst euch nie von jemandem einreden, ihr würdet zu viel verlangen.
An dem Tag, an dem man ans Telefon geht und ein vollkommen Fremder sagt »Ich bin dein Vater«, weiß man, dass das eigene Leben sich verändern wird.
Ich meine, schaut euch Luke Skywalker an. Seine Existenz wurde durch diese Worte quasi auf den Kopf gestellt. Und auch wenn ich keine Wächterin der Gerechtigkeit war, die am Rande des absolut Bösen balancierte – und der Mann am Telefon kein keuchender, galaktischer Bösewicht mit Maske –, geriet mein Leben dadurch doch ein wenig durcheinander.
Dieser Anruf sorgte dafür, dass ich nicht mehr die Person war, die nichts über ihren Vater wusste – abgesehen davon, dass sein Name Andy lautete –, sondern stattdessen Teil des Lebens eines Mannes wurde, der vor neunundzwanzig Jahren zufällig eine dieser Nächte mit meiner Mom verbracht hatte. Und damit meine ich einen One-Night-Stand, ohne zurückzublicken. Was wirklich in Ordnung ist. Mom hatte nie groß darüber geredet – genauso wenig wie über den Mann, mit dem sie den horizontalen Tango getanzt hatte – aber sie hatte mir ein paar Sachen erzählt, damit ich weder ihn noch die Umstände meiner Zeugung ablehnte. Das bedeutete nicht, dass ich mir nie Gedanken darum gemacht hätte. Das hatte ich getan. Aber überwiegend war ich zufrieden gewesen mit dem wenigen, was ich wusste. Was spielte es für eine Rolle, dass es nur Mom und mich gab? Wen interessierte es, dass meine Familie anders beschaffen war als die anderer Leute? War es nicht egal, dass ich eine Seite meines Familienstammbaums mit meiner Meerestier-Aufkleber-Sammlung gefüllt hatte, was dazu geführt hatte, dass ich die gesamte fünfte Klasse über Qualle genannt wurde? Quallen waren tolle Wesen, vollkommen unterschätzt, also war ich stolz darauf. Von einer alleinerziehenden Mutter aufgezogen zu werden, war weder selten noch seltsam. Und wie Mom immer gesagt hat: Normalität ist, was man mit den Karten anfängt, die einem das Schicksal austeilt.
Und es stellte sich heraus, dass das Schicksal noch ein paar Joker im Ärmel hatte.
Denn nach fast drei Jahrzehnten Funkstille telefonierte ich mit meinem Vater. Und er hatte einen Vornamen (Andrew, nicht Andy, darauf bestand er), einen Nachnamen (Underwood), eine Postleitzahl (in Miami) und anscheinend die Mission, mich einer neuen Familie vorzustellen. In eine neue Welt einzuführen. Eine Lebenswelt, von der ich nie erwartet hätte, jemals zu ihr zu gehören.
Außerdem hatte ich eine Schwester. Eine Schwester. Und Andrew Underwood? Er war ein dicker Fisch.
Wir reden hier nicht von relativ gut situiert. Wir reden von berüchtigter Geschäftsmann, Multimillionen-Dollar-Firma, Name in den Schlagzeilen, hat auf jeden Fall einen Chauffeur und wahrscheinlich auch einen Hubschrauber. Ihm gehörte ein Major League Soccer-Club, um Himmels willen! Andrew Underwood war mehr als nur gut situiert. Er war erfolgreich. Und das wusste ich nicht, weil er es mir bereits beim ersten Telefonat erklärt hatte, sondern weil ich von diesem Mann schon vor dem Anruf gehört hatte. Genau wie ganz Green Oak, der Landkreis und in letzter Zeit sogar das ganze Land.
Deswegen lachte ich. Nach einem unendlichen langen Moment der Stille, lachte ich. Ehrlich, ich hatte nur die Wahl, das zu tun oder aufzulegen. Denn dieser Mann erklärte mir – mir, Josie Moore, Bürgermeisterin meiner Heimatstadt, stolze Cafébesitzerin, Sammlerin von glänzenden Dingen und enthusiastische Flickerin zerbrochener Tonwaren –, dass der Mann, dessen Platz in meinem Stammbaum ich mit einem Mantarochen gefüllt hatte, Andrew Underwood war? Und nicht nur das, sondern ich war dadurch auch irgendwie Teil der komplizierten Welt der Reichen und Schönen, die direkt aus einer Fernsehserie über den Kampf um Familienvermächtnisse stammen könnte. Da gehörte ich nicht hin. Ich war ein Kleinstadtmädchen. Und stolz darauf. Sicher, ich war kurz mit einem Politiker verlobt gewesen und wäre fast eine Spielerfrau geworden … aber all das war gerade noch mal gut gegangen. Näher war ich dieser Welt nie gekommen. Ich konnte nicht Teil eines Familienvermächtnisses sein. Daher das Gelächter.
Das ist kein Witz, Josephine, antwortete Andrew mit diesem strengen Tonfall, mit dem er mir auch seine Neuigkeit überbracht hatte. Aber ich kicherte unverzagt weiter. Da sprach er Mom an. Ich kann mich nicht erinnern, was er genau gesagt hat, erinnere mich nur an die Worte Eloise und Mein aufrichtiges Beileid oder irgendeine andere Floskel.
Später wurde mir klar, dass ich ungefähr in diesem Moment einfach aufgehört hatte, ihm zuzuhören. Es kam noch irgendwas darüber, dass irgendeine Assistentin irgendein Telefonat anberaumen sollte. Noch etwas darüber, wie sehr Andrew es zu schätzen wüsste, wenn dieses Gespräch unter uns bliebe. Und noch was über die Presse. Aber im restlichen Verlauf des Gespräches verlangsamte sich die Zeit, und ich nickte nur noch hier und da mit dem Kopf und brummte kurze Silben, wann immer die Stille am anderen Ende der Leitung sich in die Länge zog.
In dieser Nacht schlief ich keine Minute. Das störte mich. So sehr, dass ich – sanft – eine meiner Blumenvasen fallen ließ, um Stunden damit verbringen zu können, sie wieder zusammenzusetzen und … einfach nicht zu denken. Oder zumindest eine Ausrede zu haben, nicht zu denken. Keine Ahnung. Ich hatte mich immer als Person gesehen, die Veränderung mochte. Überwiegend waren diese Veränderungen über mich hereingebrochen, aber ich konnte ein paar Gelegenheiten benennen, in denen ich sie aktiv gejagt hatte. Ich mochte Herausforderungen. Und Veränderungen taten genau das: Sie forderten einen heraus. Denn dann hatte ich keine Wahl, als mich durchzuboxen. Und für eine Weile verlor alles andere an Bedeutung, weil man sich ganz auf diese eine Sache konzentrierte. Die Widerstände zu überkommen. Stärker daraus hervorzugehen.
Meiner Meinung nach verliehen Veränderungen dem Leben Würze. Hielten einen auf Zack.
Doch zum ersten Mal in meinem Leben empfand ich keine Aufregung, als das Schicksal mir dieses neue Blatt zuteilte; diese neue Entwicklung präsentierte; diese neue Quest schenkte, der ich mich stellen musste. Stattdessen bekam ich Angst.
Denn nachdem Mom gestorben war, hatte ich jede Hoffnung aufgegeben, jemals herauszufinden, wer Andy war. Dieses fehlende Puzzlestück zu finden, das mich zu der Frau machte, die ich heute war. Oder auch nur die Wahl zu haben, ob ich dieser Frage überhaupt nachgehen wollte.
Jetzt hatte ich keine Wahl mehr. Andrew war einfach in mein schlichtes Leben eingedrungen, hatte eine Tür aufgerissen.
Die unzähligen Fragen, die ich immer zurückgehalten hatte, stiegen in mir auf wie eine Flut. Ich fühlte mich wie eine ganz andere Josie.
Normalität ist, was man mit den Karten anfängt, die einem das Schicksal austeilt.
Ich glaube, in diesem Moment wurde mir bewusst, dass sich einiges verändern würde.
Ich rammte meine Hand in das Marmeladenglas.
»Komm schon, komm schon, komm schon«, murmelte ich, während ich beobachtete, wie die Marmelade über den Rand quoll, sodass sie meine Hand bis über das Handgelenk erdbeerrot färbte. »Tu mir das nicht an. Bitte. Geh ab. Schnell und mühelos.«
»Moshie?«, erklang Grandpa Moes Stimme aus dem Wohnzimmer.
Ich erstarrte, und die Bewegungen meiner Finger hörten auf. Verdammt! Wenn Grandpa sah, was gerade an meinem Finger festsaß, würde er mich das nie vergessen lassen. Und wenn er verstand, dass ich gerade die gesamte Marmelade verbrauchte, obwohl ich versprochen hatte, ihm einen Erdbeer-Käsekuchen zu backen, würde er …
»Moshie«, hörte ich wieder.
»Ja?«
»Ba ifft eine Rau im Foagaaten.«
Ich verdrehte die Augen. »Was?«, fragte ich, obwohl ich einen Teil davon verstanden hatte – schließlich sprach ich fließend Grandpa-ohne-Zähne.
»Da ist eine Frau im Vorgarten«, wiederholte er klarer, was mir verriet, dass er sein Gebiss wieder eingesetzt hatte.
Ich seufzte, dann starrte ich auf das Ergebnis meines verzweifelten Versuches, dieses Ding vom Finger zu kriegen. Ich hätte Butter nehmen sollen. Oder Öl. Und ich musste Grandpa abgelenkt und von der Küche fern halten. »Wie kannst du dir sicher sein, dass sie nicht nur vorbeigeht?«
»Sie kommt die Verandastufen rauf. Ich mag sie nicht.«
Mist! Jemand kam zu uns? »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst kein unheimlicher alter Mann sein?«, fragte ich, als ich die Hand ausstreckte und mit der anderen an meinem Finger zerrte. »Sie können sehen, wie du sie beobachtest wie ein …« – ich zog etwas fester –, »… komischer Kauz in Hosenträgern.« Das Ding bewegte sich keinen Zentimeter. Ich versuchte es noch mal. »Ich weiß, dass du dich für die Nachbarschaftswache hältst oder irgendwas, aber …«
Meine Hand rutschte ab, meine Arme schossen zur Seite, und mit einem lauten, erdbeersaftigen Knall fiel das Marmeladenglas zu Boden.
»Aber was?«, frage Grandpa Moe. »Und was war das?«
Stumm verfluchte ich das absolute Chaos, das ich auf der Arbeitsfläche, dem Boden und, na ja, mir angerichtet hatte. Hände, Bademantel, Füße … alles war mir Marmelade bespritzt, während um mich herum Glasscherben glitzerten. »Mir ist nur etwas runtergefallen. Alles unter Kontrolle.«
Die Türklingel bimmelte.
Vielleicht nicht alles.
»Grandpa Moe?«
Ich hörte seinen Stuhl knirschen, als er sich setzte.
»Moe Poe?«, rief ich so freundlich wie möglich, während ich mir meine Hände an … Wo waren meine Küchenhandtücher? Dann musste eben der Bademantel herhalten. »Wärst du so lieb und würdest die Tür für mich öffnen?«
»Sie ist nicht meinetwegen da«, sagte er. »Und ich mag keine Fremden. Außerdem gefällt mir nicht, wie sie aussieht. Und«, fügte er nach einer Pause hinzu, »ich bin alt.«
»Alt sein ist keine Ausrede für alles, weißt du?« Ich sammelte mehrere Scherben auf, bevor ich vorsichtig zum Waschbecken tapste und sie hineinfallen ließ. »Du kannst dir mit dieser Ausrede nicht den letzten Schokoladenmuffin sichern, dich aber weigern, die Tür zu öffnen.«
Wütendes Gemurmel erklang aus dem Wohnzimmer, als ich weitere Scherben einsammelte und auf einen Hinweis wartete, dass der Mann sich in Bewegung gesetzt hatte. Ich hörte nichts. Und das trieb mich näher und näher … an den Rand der Verzweiflung.
»Moe Poe, bist du …« Ein weiteres Klingeln ließ mich zusammenzucken, dann verzog ich, angesichts eines scharfen Schmerzes in meiner linken Handfläche, das Gesicht. »Mist!«, keuchte ich. »Dämliches Glas und dämlicher, idiotischer …«
Zum dritten Mal klingelte es an der Tür. Und ein viertes Mal. Und ein fünftes.
Ich schloss die Augen und schnaubte frustriert. »Maurice Antonne Brown«, stieß ich durch die zusammengebissenen Zähne hervor. »Wenn du diese Tür nicht öffnest, werde ich dir in deinen sturen, stinkenden Hintern …«
»Schon gut, schon gut«, krächzte er. Ich hörte den Sessel knarzen, gefolgt von langsamen, schweren Schritten. Dann schwang die Eingangstür auf, gefolgt von: »Mie kamm ich ühnen heffen?«
Affenhintern. Manchmal wollte ich einfach schreien.
Eine weibliche Stimme antwortete: »Entschuldigung?«
»Mie kamm ich ühnen heffen?«, wiederholte Grandpa Moe wie der unerträgliche alte Mistkerl, der er sein konnte. Ein Teil von mir konnte nicht glauben, dass er sein Gebiss wieder rausgenommen hatte. Aber wieso überraschte mich das? Grandpa war ein anerkannter Griesgram. Und seitdem er einen kleinen Schlaganfall gehabt hatte, der dafür gesorgt hatte, dass ich seine Sachen gepackt und ihn in mein Haus verfrachtet hatte, war er noch mürrischer als früher – selbst jetzt noch, nachdem er sich quasi vollkommen erholt hatte.
»Ich …«, setzte die Frau wieder an. »Ich suche nach Josephine Moore. Ich bin mir sicher, das ist die richtige Adresse. Jeder, mit dem ich in der Stadt geredet habe, hat mir das bestätigt.«
»Und?«, besaß der alte Mann die Frechheit zu fragen.
Es folgte ein Moment der Stille, dann sagte die Frau: »Ich irre mich nie. Und ich würde ungern noch mehr Zeit verschwenden. Wenn es Ihnen also nichts ausmacht, Miss Moore für mich zu holen, wüsste ich das sehr zu schätzen. Ich stehe hier schon eine Weile und habe beobachtet, wie Sie mich durchs Fenster beäugt haben. Keine Ahnung, ob Sie mir damit Angst einjagen wollten, aber falls ja, hat es jedenfalls nicht funktioniert.« Wieder ein Moment der Stille. »Ich hatte es schon mit sehr viel beängstigenderen Personen zu tun als zahnlosen alten Männern in Hosenträgern.«
Ich stöhnte. Das letzte Mal, als jemand ihn »alter Mann« genannt hatte, hatte Grandpa Moe es auf die Titelseite der County Gazette geschafft. Das Schwarz-Weiß-Bild davon, wie er sich mit Otto Higgings um eine große Gartenschere prügeln wollte, während ich mit ausgestreckten Armen zwischen den Männern stand, verfolgte mich heute noch gelegentlich in meinen Albträumen. Ich wünschte mir immer noch, es wäre nicht unter der Schlagzeile Heckenschnitt-Krieg in Green Oak. Bürgermeisterin kämpft darum, den Frieden zu wahren erschienen.
Wie aufs Stichwort hörte ich Grandpas Glucksen. Es war kein nettes Geräusch. Es war sein Ich-führe-Böses-im-Schilde-Glucksen. Zum Teufel mit Marmelade und Chaos und Bademantel – und ja, auch zum Teufel mit der Algenmaske auf meinem Gesicht –, dieses Glucksen sorgte dafür, dass ich mich in Bewegung setzte. Ich säuberte mir die Hände bestmöglich an meinem sowieso schon hoffnungslos verfleckten Bademantel und rannte zur Tür.
Zwei Augenpaare blinzelten mich an. Grandpas Lippen begannen, eine Frage zu formen, die ich nicht beantworten wollte, also lächelte ich und schob den alten Mann – sanft – zur Seite. Erst da bemerkte ich, dass inzwischen dunkleres Rot eine meiner Hände befleckte. Definitiv Blut, nicht Marmelade.
Ich rammte die Hände in die Taschen meines Bademantels und wirbelte zu der Frau herum. »Hi«, grüßte ich sie mit einem breiten Lächeln. »Ich bin Josie. Josephine Moore. Ja, die bin ich. Ich würde Ihnen ja die Hand schütteln, aber … Keime. Wie wäre es stattdessen mit einem Ellbogen-Stups?« Ich streckte ihr den Ellbogen entgegen. »Habe gehört, dass das dieser Tage der neueste Schrei ist. Bei Kindern und … jungen Erwachsenen. Im Internet. Überall.«
Die Frau blinzelte, während ihr Blick ein paarmal von Kopf bis Fuß über meinen Körper glitt. Dann zog sie eine seltsame Grimasse. »Auf keinen Fall. Nein.« Sie wirkte wie vor den Kopf geschlagen. »Was …« Sie schien nach den richtigen Worten zu suchen, ihre Frage zu formulieren. »Wieso sehen Sie aus, als wäre sie aus einem Erdbeerteilchen gesprungen?«
»Oh. Ich, ähm, habe nur … gebacken«, erklärte ich mit einem Lachen. Ich wollte nicht lachen. Ich wollte, dass dieser Abend ein Ende fand und ein neuer Tag heraufdämmerte, an dem kein Ring an meinem Finger festsaß. »Dabei richte ich immer Chaos an. Das ist nicht selten unter Bäckern. Ich habe ihren Namen nicht mitbekommen. Ich bin Josie, aber das hatten wir ja schon geklärt.«
Die Grimasse der Frau verschwand. Oder entspannte sich zumindest ein bisschen. »Ich bin Bobbi«, sagte sie mit einem Kopfschütteln, bei dem ihr blonder Bob um ihr Gesicht wippte. »Bobbi mit einem i. Bobbi Shark.«
Es folgte ein unangenehmes Schweigen. »Schöner Name«, bot ich an. »Möchten Sie reinkommen, Bobbi?«
Sie hob die Augenbrauen. »Sie benehmen sich, als wäre dies das erste Mal, dass Sie von mir hören. Sie sollten mich eigentlich erwarten.«
Nur gut, dass meine Maske mein Stirnrunzeln verbarg, weil ich mich sicherlich daran erinnert hätte, wenn ich jemanden mit dem Nachnamen Shark erwartet hätte. Aber andererseits wäre das nicht das erste Mal, dass jemand um eine seltsame Uhrzeit vor meiner Tür auftauchte, um irgendwelche Forderungen zu stellen.
»Ich sage Ihnen dasselbe, was ich allen sage«, meinte ich, trat zur Seite und schob die Tür mit der Schulter ein Stück weiter auf. Niemals hatte ich breiter gelächelt. »Kommen Sie rein, und wir können über alles reden, was Sie brauchen … solange es eben dauert.« Ich schenkte dem Mann zu meiner Linken einen bösen Blick. »Grandpa Moe wird in die Küche gehen und sich um das kleine Problem kümmern, das dort entstanden ist. Dann wird er uns eine Tasse Tee machen. Nicht wahr, Grandpa?«
Er grummelte etwas, aber ich rechnete ihm hoch an, dass er sich tatsächlich umdrehte und Richtung Küche schlurfte.
Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Bobbi und sah eine Frau, die keinerlei Absicht hatte, das Haus zu betreten.
»Natürlich«, meinte ich mit einem Seufzen, »können wir uns auch hier an der Tür unterhalten. Aber in diesem Fall können wir den Tee vergessen. Ich glaube nicht, dass Grandpa in Lieferdienst-Stimmung ist.«
Mein Scherz zündete nicht. Ihre finstere Miene ließ mich vermuten, dass sie ihn nicht mal bemerkt hatte. »Sie wissen nicht, wer ich bin«, meinte Bobbi. »Und trotzdem laden Sie mich ins Haus ein?«
Ich dachte einen Moment nach. »Nun, ich glaube nicht, dass Sie eine Vampirin sind, also …«
»Ah-ha«, unterbrach sie mich. »Schluss mit dieser Niedlich-Tour.« Ich schloss abrupt den Mund. »Okay. Zum Ersten? Sie müssen von nun an sofort damit aufhören, Fremde in Ihr Haus einzuladen«, wies sich mich erschreckend ernst an. »Zweitens«, fuhr sie fort, hob die Hand und wedelte vor meinem Gesicht und meiner Brust herum, »Was auch immer das ist, es wird nicht funktionieren. Sie können die Tür nicht öffnen, wenn Sie so aussehen. So dürfen Sie nicht mal aus dem Fenster schauen.« Sie stieß den Atem aus. »Sind Sie nicht in der Politik?«
»Ich …« Ich fühlte mich vollkommen verloren. Und hatte wirklich keine Ahnung, was hier vor sich ging. »Ich sehe mich nicht als Politikerin. Sicher, ich bin die Bürgermeisterin dieser Stadt, aber in einem so kleinen Ort ist das ein Ehrenamt. An den meisten Tagen muss ich überhaupt nichts tun.« An anderen sorgte das Löschen von metaphorischen Feuern dafür, dass ich um Jahre alterte. Dann kam mir ein Gedanke. »Moment! Geht es hier um Carmen?«
Bobbis Augenbrauen schossen nach oben. »Tut mir leid, um wen?«
Ich musterte die Frau vor mir – ihren silbergrauen Wollmantel und die Lederstiefel, die darunter herausspähten. Das makellose Make-up; den perfekten Bob; den kaum gezügelten Hochmut, mit dem sie sprach.
Hatten die Clarkson den Zaunvorfall so ernst genommen, dass sie eine schicke Großstadtanwältin angeheuert hatten?
»Sie verschwenden Ihre Zeit«, erklärte ich ihr. »Es war einfach ein Vorfall. Die Clarksons verschwenden gutes Geld auf etwas, was mit einem vernünftigen Gespräch geklärt werden könnte. Niemand ist schuld daran, dass Carmen entkommen ist. Kühe sind nicht so träge, wie sie immer dargestellt werden. Sie können hinterhältig sein. Und Robbie Vasquez konnte nicht ahnen, was Carmen getrieben hat, bis er die Kameras um die Scheune installiert hat. Er hat nicht damit gerechnet, dass Carmen sich davonstiehlt. Und noch weniger, dass sie auf fremde Grundstücke eindringt und sich ein wenig Spaß mit Clarksons Rindern gönnt. Wenn Sie mich fragen, war es einfach der Ruf der Natur.«
Bobbi mit einem i blinzelte mich an, als wäre mir gerade ein zweiter Kopf gewachsen. Oder sie dachte darüber nach, wie sie mir meinen eigentlichen Kopf abhacken und ihn verschwinden lassen konnte.
O Gott, stand ich kurz davor, verklagt zu werden? Würde Robbie verklagt werden? Mein Magen verkrampfte sich. »Bitte, verklagen Sie uns nicht. Ich schwöre, der Zaun wird repariert.«
Bobbi schloss die Augen, dann murmelte sie: »Das ist mein schlimmster Albtraum.«
»Ist das ein Ja oder ein Nein? Denn ich verspreche Ihnen, Miss Shark, es ist wirklich nicht nötig …«
»Sie«, unterbrach sie mich. »Das hier. Rinder. Kühe, die Carmen heißen. Zäune. Scheunen. Dieses … Wetter. Die frische Luft. Die Tatsache, dass ich keinen Starbucks mehr gesehen habe, seitdem ich vom Flughafengelände gefahren bin. Alles.« Ich öffnete den Mund, aber sie stoppte mich mit einem erhobenen Finger. »Sie haben keine Ahnung, was vor sich geht oder warum ich hier bin, dabei wurde mir versichert, dass Sie gebrieft wurden und mit allem einverstanden sind. Ich habe eine schriftliche Bestätigung. Ich kann Ihnen die Mails zeigen. Ich könnte schwören, dass Sie in allen auf CC standen.«
Die Mails?
Die …
Ein Bild blitzte vor meinem inneren Auge auf. Eine Erinnerung.
Bobbi fuhr fort: »Ich hatte gedacht, meine letzte Beziehung wäre toxisch gewesen, aber Klienten sind schlimmer als ein egomanischer Partner, der denkt, er täte einem einen Gefallen, in dem er Gaslighting betreibt.« Sie zog ihr Handy aus der Manteltasche und begann, auf dem Bildschirm herumzutippen. »Das werde ich ihn wissen lassen. Das wirft uns einen ganzen Tag zurück, wenn nicht sogar zwei. Was für eine Zeitverschwendung!«
Das werde ich ihn wissen lassen.
Ihn.
Ich schluckte gegen das aufsteigende Grauen an, dann krächzte ich quasi: »Wer genau sind Sie?«
Das Klicken ihrer Nägel auf dem Display verstummte, und sie schenkte mir einen beeindruckten Blick. »Ich bin PR-Strategin. Und zwar eine hochpreisige. Das wüssten Sie, wenn Sie die Mails gelesen hätten.« Ihr schien etwas einzufallen. »Hier gibt es Internet, oder? Ich weiß, wir sind hier in der Pampa und es gibt« – sie sah sich um – »Bäume und Berge und Natur und, keine Ahnung, Cabincore oder rustikalen Charme oder was auch immer. Aber hier gibt es Internet. Richtig?«
Wenn ich ganz ehrlich war, wünschte ich mir, es wäre nicht so.
Dann hätte ich eine Ausrede, die ich dieser PR-Strategin präsentieren konnte, die nur von einem Mann geschickt worden sein konnte. Von ihm.
Andrew Underwood.
Kein Internet würde mir eine Ausrede liefern, warum ich Andrews letzte Kommunikationsversuche rundheraus ignoriert hatte. Etwas anderes als Ich hatte gehofft, irgendwann den Mut zu finden, die Mails zu lesen. Oder Sorry, ich kann einfach keinen weiteren Zoom-Call mit dir und deinem Assistenten ertragen, während der vorgibt, Notizen zu machen, weil wir uns nur verlegen anstarren. Oder …
»… von Ihrem Vater.« Bobbis Worte lenkten meine Aufmerksamkeit wieder auf das Gespräch.
Weil ich vollkommen abgedriftet war. Und sie hatte geredet. Wahrscheinlich darüber, warum sie hier war und wer sie geschickt hatte und warum. Dann fiel mir etwas ein. »Moment! Andrew ist hier?«
Bobbi wedelte lässig mit der Hand. »Nein. Er ist zu beschäftigt, um sich um solches Zeug zu kümmern.«
Solches Zeug.
Was für Zeug?
Mir schwirrte der Kopf, als mein Hirn unzählige Antworten auf diese Frage vorschlug und ich …
»Ich glaube nicht, dass Sie mir wirklich zuhören, Josephine«, verkündete Bobbi.
Damit hatte sie nicht ganz unrecht.
»Also vermute ich, dass ich Sie einweisen muss«, fuhr sie fort. »Ich mache Ihnen keine Vorwürfe wegen all dieser Verlobungen, glauben Sie mir. Wären Sie nicht Andrews Tochter, würde es keine Rolle spielen. Oder wenn Sie nicht zum schlimmstmöglichen Moment aufgetaucht wären.«
»Er hat mich angerufen«, krächzte ich. »Ich bin nicht aufgetaucht. Wenn überhaupt …«
»Adalyn hat ihm keine Wahl gelassen«, hielt Bobbi dagegen. Bei der Erinnerung an das Ultimatum, das Adalyn ausgesprochen hatte, als sie herausgefunden hatte, dass wir Schwestern waren, rutschte mir das Herz in die Hose. Niemand hatte gewusst – und noch weniger damit gerechnet –, dass die Frau, die Andrew in wohltätigem Auftrag nach Green Oak geschickt hatte, sich als meine Schwester entpuppen würde. Nicht Adalyn und sicherlich nicht ich, so froh ich auch gewesen war, Adalyn eine Freundin nennen zu dürfen, als die Wahrheit herausgekommen war. »Meiner professionellen Meinung nach ist er sehr ungeschickt an die Sache herangegangen. Und jetzt, ein Jahr später, hat er in einem Versuch der fehlgeleiteten Wiedergutmachung, oder was auch immer, alles nur noch schlimmer gemacht, indem er mit dem Time-Magazin über Sie und diesen Ort geredet hat.«
Der Artikel war letzte Woche erschienen. Ich war mir nicht sicher, inwiefern der Text irgendetwas schlimmer gemacht hatte … aber ich wusste, dass mein Name in dem vierseitigen Artikel über Andrew Underwoods Leben und seine geschäftlichen Erfolge erwähnt worden war. Und ich wusste auch, wie die Journalistin, die den Text geschrieben hatte, mich bezeichnet hatte.
Als Fehltritt.
Bobbi fuhr fort: »Und genau, wie ich es vorhergesagt hatte, war jemand neugierig genug, um Recherchen über Sie anzustellen und diese ganze Affäre in eine Soap-Opera zu verwandeln, die wirklich keiner brauchen kann. Das wirft kein gutes Licht auf Andrew. Es stellt eine Bedrohung für sein Image, sein Business, dar. Für alles, was angesichts seines bevorstehenden Ruhestandes auf dem Spiel steht.« Sie hielt kurz inne. »Übrigens, Sie sind diese Bedrohung.«
Die Worte raubten mir auf seltsame Weise den Atem. »Ich?«
»Sie sind Andrews Fehltritt«, erklärte Bobbi und wiederholte damit den Ausdruck, den die Journalistin verwendet hatte.
Ich wurde bleich unter meiner Algenmaske, als ich dieses Wort laut ausgesprochen hörte.
»Er hat Sie jahrzehntelang verborgen gehalten … was nicht ungewöhnlich ist. Sie wären überrascht, wenn Sie wüssten, wie viele Kinder irgendwelche Promis geheim halten. Aber er …«
»Ich bin …« Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin niemandes gar nichts. Ich bin einfach nur … seine Tochter.«
»Und jetzt wissen alle, dass er Sie im Stich gelassen hat, Josephine«, antwortete Bobbi mit solcher Überzeugung, dass ich einen Schritt zurückwich. »Dieses nette Kleinstadtmädchen, das mit siebzehn ihre Mutter verloren hat und sich ganz alleine durchschlagen musste, während ihr Dad in Miami Millionen gescheffelt hat.« Wieder hob sie die Hand und vollführte eine dramatische Geste in meine Richtung. »Diese nette junge Frau aus der Kleinstadt, die von der Abwesenheit ihres Vaters so traumatisiert wurde, dass sie diese Liebe seitdem verzweifelt und erfolglos an anderen Orten gesucht hat. Diese nette junge Frau aus der Kleinstadt, die nicht einen, nicht zwei, nicht drei, sondern gleich vier unterschiedliche Männer erst um den Finger gewickelt und dann wie traurige, lauwarme Kartoffeln hat fallen lassen. An ihrem Hochzeitstag.« Sie hielt inne. »Ehrlich, es ist, als wären Sie einem Drehbuch entsprungen. Es entsetzt mich, dass so ein cleverer Mann nicht erkennen konnte, wie das sein Image schädigen und sein Vermächtnis schädigen würde.«
Sein Vermächtnis schädigen.
Meine Wangen brannten. Himmel, mein gesamter Körper brannte unter meinem Bademantel. »Nichts könnte der Wahrheit ferner liegen.«
»Nicht wahr?«, fragte Bobbi mit einem Achselzucken. »Vielleicht sollten Sie sich mal einen Podcast namens Filthy Reali-Tea anhören. Dritte Staffel, zwölfte Folge, Minute achtzehn. Die analysieren alles genau. Schockierend einfühlsam. Und das ist auch der Grund, wieso ich hier bin.«
Ich blinzelte. »Was …« Ich stieß so heftig die Luft aus, dass ich für einen Moment nicht sprechen konnte. »Was für ein Podcast?«
»Einer mit zwei Millionen wöchentlichen Hörern«, erklärte sie. »Wenn man alle Plattformen einrechnet, Video eingeschlossen.« Ich starrte sie mit offenem Mund an, und sie warf mir einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte. »Würden Sie nach Miami ziehen?« Ich schwankte leicht, weil mir plötzlich schwindelig wurde. »So, wie der heutige Abend läuft, hielte ich das wirklich für klug. Sie brauchen mich dringender, als ich dachte. Aber ich werde Ihnen nicht beim Packen helfen. Außer das sorgt dafür, dass wir im ersten Flieger sitzen, der uns von hier wegbringt. Es wäre vorübergehend. Der alte Mann könnte mitkommen, auch wenn es mir lieber wäre, wenn er das nicht täte. Wir würden Sie in einer hübschen Wohnung unterbringen und dafür sorgen, dass Sie zusammen mit Andrew Ausflüge machen und auf Events erscheinen. So könnten wir den Sturm überstehen. Indem wir uns geeint zeigen.«
Bobbis Stimme verklang zu einem hochfrequenten Summen in meinen Ohren. Ich presste die Hände an den Kopf. An meine Schläfen. Tätschelte meine Wangen, um herauszufinden, ob sie wirklich in Flammen standen. Aber ich fühlte nichts. Brannte ich? War das ein Fiebertraum? Ich fühlte mich so … überwältigt. So … kurz davor, etwas extrem Dämliches zu tun. Wie … mit einem Schrei meinen Bademantel abzuwerfen und in den Wald zu rennen. Weg von dieser Unterhaltung. Selbst wenn das bedeutet hätte, dass ich mitten in der Nacht splitterfasernackt durch den Wald rannte. Ich …
»Was ist das?«, keuchte Bobbi, und ihr Kreischen riss mich zurück in die Realität. »Wieso hat niemand mir davon erzählt?«
Ich blinzelte, bis ich die PR-Strategin wieder scharf sah, dann folgte ich ihrem Blick zu meinen Händen. Himmel! »Es ist nur Marmelade. Vielleicht ein bisschen Blut von einem Schnitt, aber …«
»Nein«, schnaubte Bobbi. »Nicht das.« Sie deutete auf meinen Ringfinger. »Das.«
»Oh«, flüsterte ich. »Das ist nur mein Verlobungsring. Er ist nicht …«
»Wieso hat mir niemand gesagt, dass Sie schon wieder verlobt sind?«
Schon wieder? »Weil …«
»Moment«, unterbrach sie mich. »Still. Warten Sie.« Sie schloss die Augen, dann geschah etwas, worauf ich absolut nicht vorbereitet war. Bobbi kicherte. Sie lachte. Es war kein nettes Geräusch. Es klang eingerostet und ein wenig … bösartig. »Das verändert alles.«
Ich war so müde. So fertig mit der Welt. »Was ändert alles?«
»Das«, sagte sie und hob meine Hand. »Das mag Andrew stinken, aber das sind tolle Neuigkeiten. Für uns. Sie, mich, Andrew, meinen Job. Dieses Chaos.«
Mein Hirn suchte nach Möglichkeiten, dieser Frau zu erklären, dass es sich hier um ein Missverständnis handelte. Dass einer meiner alten Verlobungsringe an meinem Finger festsaß. Kein neuer. Dass ich sie manchmal noch mal ansteckte, aus … Nostalgie? Einsamkeit? Dummheit? Und dass meine Finger und Knöchel anschwollen, wenn ich gestresst war und das wiederum dafür sorgte, dass Ringe nicht mehr abgehen wollten. Aber ich war einfach zu sehr durch den Wind. So war es schon gewesen, bevor sie angekommen war – und die Marmelade bewies deutlich, wie schlecht meine Problemlösungsfähigkeiten unter Stress waren.
Und jetzt dachte diese Frau, ich wäre verlobt? Schon wieder? Zum fünften Mal. Und aus irgendeinem Grund veränderte das alles. Ich … O Gott. Mir wurde schlecht. Ich brauchte Zeit zum Nachdenken. Ich …
Mein Blick blieb an etwas hinter ihr hängen.
Nicht etwas. Jemandem. Einen Mann. Der am Anfang der Einfahrt stand.
Wir mussten ebenfalls seine Aufmerksamkeit erregt haben, weil er den Kopf drehte. Sein Haar war ein zerzaustes dunkelblondes Nest, und ich sah eine Brille auf seiner Nase. Er trat einen Schritt vor, sodass das Licht der Laterne auf sein Gesicht fiel.
»Matthew?«, hörte ich mich selbst sagen.
Bobbi drehte den Kopf.
»Wer ist das? Ihr Verlobter? Toll! Er sollte bei diesem Gespräch sowieso dabei sein. Wie denken Sie über eine richtig große Hochzeit?«, fuhr sie fort, die Lippen zu einem breiten Lächeln verzogen. »Wir werden sie groß verkünden. Werden keine Kosten und Mühe scheuen. Andrew zahlt alles. Daddy eilt zur Rettung. Nichts lieben die Leute mehr als eine Hochzeit. Ein geläuterter Schurke führt die Braut zum Altar, ihrem Happy End entgegen. Und bumm, PR-Bombe entschärft. Vater-Tochter-Verhältnis gestärkt. Das Ansehen von allen gerettet. Krise abgewendet. Irritierende Podcaster zum Schweigen gebracht. Kein Umzug für irgendwen, nirgendwohin. Bobbi gewinnt und kehrt siegreich in die Zivilisation zurück.«
Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen.
PR-Bombe entschärft. Vater-Tochter-Verhältnis gestärkt. Das Ansehen von allen gerettet. Krise abgewendet.
Dann machte etwas in mir klick.
Ich hob die Hand in die Luft, und zur allgemeinen Überraschung – zu meiner, Bobbis und sicherlich Matthews – rief ich laut: »Hey, Baby!«
Matthew riss den Kopf zurück. Ich konnte nur beten, dass er mitspielen würde. Er kannte mich. Wusste, wer ich war.
»Liebe meines Lebens!«, rief ich noch lauter. »Du bist endlich zurück.«
Wie schon gesagt: Unter Stress war ich nicht gerade eine Meisterin der Problemlösungskompetenz.
Matthews Augen wurden groß.
Mist!
Dann runzelte er die Stirn.
Doppelmist!
Spiel mit, formte ich mit den Lippen.
Matthew, der – geschlossen nach seinem nassen Haar – in das Gewitter geraten sein musste, das gerade über Green Oak hinweggefegt war, sah hinter sich. Dann deutete er auf sich selbst.
Ich?, las ich von seinen Lippen.
Okay. Shit!
Das lief nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber was hatte ich erwartet? Ich hatte das nicht geplant. Matthew war der beste Freund meiner Schwester. Ich hatte gewusst, dass er irgendwann dieses Wochenende in Green Oak ankommen würde. Aber ich hatte keine Ahnung, wieso er hier war, in meiner Einfahrt. Hatte er beschlossen, auf seinem Weg zu dem Cottage in Lazy Elk vorbeizuschauen? Hatte Adalyn ihm meine Adresse gegeben? Wieso trug er eine Reisetasche? Wo war sein Auto? Ich wünschte, ich befände mich im Besitz aller nötigen Informationen, aber auf jeden Fall war er Adalyns bester Freund. Matthew und ich waren nicht wirklich befreundet, wir waren nur Bekannte. Gewissermaßen. Wenn man zwei Leute, die beide in einem Gruppenchat schrieben, sich aber nie persönlich getroffen hatten, so nennen konnte.
Und ich hatte ihn gerade Liebe meines Lebens genannt. Hörbar. Sehr laut sogar.
Ich riss die Augen auf.
Ich habe ihn gerade Liebe meines Lebens genannt.
Ich schluckte schwer, dann sah ich wieder Bobbi an. Dunkle Augen suchten meinen Blick. Erwartungsvoll. Wertend. Nein. Ich konnte jetzt keinen Rückzieher mehr machen. Auf keinen Fall. Sie würde sofort annehmen, dass ich Probleme hatte. Echte Probleme, nicht nur solche, wie sie sie mir unterstellt hatte. Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Matthew Flanagan, Adalyns besten Freund und, seit wenigen Minuten, meinen angebeteten Verlobten. Der Gedanke sorgte erneut dafür, dass mir der Kopf schwirrte … aber damit konnte ich etwas anfangen. Matthew wusste, wer ich war. Josie. Die Schwester seiner besten Freundin. Er würde verstehen, dass irgendetwas im Busch war.
Matthew bewegte sich. Endlich. Er hob den Fuß und … trat einen Schritt vor. In Richtung meiner Veranda.
Ich stieß erleichtert den Atem aus.
»O Mann, wie ich dich vermisst habe!«, sagte ich, schon wieder laut. »Hast du mich auch vermisst, mein süßer … Baby … muffin?«
Wie zwei Signalflaggen schossen seine Brauen nach oben.
»Oh, du musst nicht antworten«, stieß ich eilig hervor. »Ich kenne die Antwort bereits, als wäre sie mir aufs Herz tätowiert. Du hast mich total vermisst, da bin ich mir sicher. Weil wir uns lieben. Und Leute, die sich lieben, es kaum erwarten können, zu … du weißt schon, schmusen. Zu knutschen. Liebe zu machen.«
Bobbi stöhnte hinter mir.
Matthew geriet für eine Zehntelsekunde aus dem Tritt.
Mit einem Kopfschütteln stieg ich ein paar Stufen hinunter. Damit verringerte ich die Entfernung, die mein spontaner Verlobter – viel zu langsam – überbrückte, und ignorierte die Tatsache, dass mein Herz aus vollkommen falschen Gründen raste.
Er stoppte am Fuß der Treppe, bevor er aufsah und von rechts nach links schaute. Als versuche er, die Situation einzuschätzen. Dann fing er meinen Blick sein. Seine Augen waren braun, groß und hinter der immer noch tropfenden Brille halb zusammengekniffen. Und ich erkannte etwas darin. Etwas, was ich nicht deuten konnte und was mich trotzdem ablenkte. Etwas, was mich glauben ließ, dass er immer noch über sein weiteres Vorgehen nachdachte. Ich spürte, wie ich ihn stumm anflehte. Dann veränderte sich sein Blick, und ich hielt erneut den Atem an.
»Das bin ich«, verkündete er und stellte seinen Stiefel mit einem matschigen Quatschen auf die unterste Stufe. »Baby.« Er räusperte sich. »Und süßer Babymuffin. Worüber wir später noch sprechen werden. Aber im Moment bin ich einfach glücklich, endlich … zu Hause zu sein. Bereit für all die Schmuserei.« Es folgte ein Moment der Stille. Matthew musste meine allumfassende Erleichterung mit Verwirrung verwechselt haben, weil er mir einen Blick zuwarf und sagte: »Und jetzt schaff deinen Hintern her und schmus endlich mit mir.«
Bobbi seufzte laut, dann stieß sie ein angewidertes Brummen aus.
Ganz anders als ich. Genau wie verlangt, stürmte ich los. Ich sprang von der Veranda und landete an seiner Brust, als wäre wüsste ich genau, wie es war, mit diesem Mann zu schmusen. Natürlich hatte ich keine Ahnung, aber ich schlang trotzdem die Arme um ihn und kuschelte meinen Kopf unter sein Kinn. Er … war patschnass. Matthews Kleidung war durchnässt, seine Lederjacke eingeschlossen. Ich konnte spüren, wie mein Bademantel die Feuchtigkeit aufsaugte. Wie meine Haut kalt wurde. Außerdem spürte ich, wie sein Körper sich an meinem versteifte. Warum?
Jemand räusperte sich.
Bobbi. Richtig.
Ich löste mich mit einem gemurmelten Danke – das nur dafür sorgte, dass er noch steifer wurde – von Matthews Brust, dann drehte ich mich zu der Frau auf meiner Veranda um. »Tut mir leid«, meinte ich mit einem Lächeln. »Habe mich für eine Sekunde davontragen lassen. Wir befinden uns noch in der Flitterwochen-Phase. Nicht wahr, Mattsie … Hase?«
Matthew schwieg. Er wirkte erneut unsicher. Glücklicherweise schüttelte er das schnell ab. »Richtig. Absolut.« Sein Blick huschte zur Seite und landete auf Bobbi. »Und dafür übernehme ich die volle Verantwortung.« Er stieß ein seltsames Lachen aus. »Ich bin Matthew Flanagan. Und das ist mein Zuhause. Und das« – er legte schwungvoll einen Arm um meine Schultern – »ist meine Frau.«
»Bobbi«, erklärte sie mit einer Grimasse. »Shark. Ich gehöre niemandem, noch besitze ich irgendetwas, außer vielleicht zu viel Kryptowährung, dank eines fragwürdigen Anlageratschlages.«
»Yay!«, quietschte ich. Laut. »Jetzt, wo wir das geklärt haben und wir uns alle vorgestellt haben, wie wäre es …«
»Wie lange sind Sie schon verlobt?«, fragte Bobbi.
Matthew stieß ein seltsames Geräusch aus, das ich mit einem unerträglichen Lachen übertönen musste, bevor ich antwortete: »Sechs wunderbare Tage.«
Bobbis Augen wurden schmal.
»Es war ein unglaublich romantischer Antrag«, fügte ich hinzu. »Mein absoluter Lieblingsantrag von allen.« Ich spürte, wie Matthews Blick sich an meinem Profil festsaugte. »Warum fragen Sie?«
»Das ist eine wichtige Information«, meinte Bobbi mit einem gespielt lässigen Achselzucken. Aber sie konnte mich nicht täuschen. Die PR-Agentin schlenderte zum Geländer und lehnte sich neben einem meiner Blumentöpfe dagegen. »Und wie genau hat er um Ihre Hand gebeten, wenn Ihnen die Frage nichts ausmacht?«
»Romantisches Picknick«, schoss ich sofort zurück, wobei ich spürte, wie Matthew meine Schultern fester packte. Bobbi hob die Augenbrauen. »Bei Sonnenuntergang«, bot ich an. Der Blick, mit dem sie mich ansah, zwang mich quasi, weiterzusprechen. »Wir sind zu einem Sonnenblumenfeld gefahren, eine Stunde von Green Oak entfernt. Ich trug ein Sommerkleid und er ein weißes Hemd. Diese dünnen Dinger, die einfach fantastisch aussehen. Sie betonen seinen tollen Körper.«
Bobbi schürzte die Lippen. »Ich kenne die Dinger.«
»Wir haben Rosé genippt«, fuhr ich unaufhaltsam fort. »Und Käse gegessen, den er ins ganz dünne Scheiben geschnitten hatte … so wie ich ihn mag. Und bevor ich wusste, wie mir geschah, kniete er schon vor mir, und aus dem Sonnenblumenfeld kam ein Miniatur-Schwein hervor und rannte mit seinen winzigen Beinen in unsere Richtung. Das Schwein hat vor Matthew angehalten, und an einer Schleife um seinen Hals hing ein Brief. Ich habe das Papier geöffnet, und mein Herz raste angesichts der Frage, die dort stand. Dann hat er die Worte auch noch gesprochen: Willst du mir die Ehre erweisen, mich zu heiraten?«
Meine fantasievolle Antragsgeschichte wurde mit Schweigen quittiert, während mein Herz raste.
»Was für ein glücklicher, kreativer Mann ich doch bin«, hörte ich leise neben mir.
Bobbi legte den Kopf schief. »Ich kann nur zustimmen«, sagte sie, als sie auf die erste Stufe trat. »An diesem Punkt sollten wir morgen wieder einsetzen. Ich kann nicht glauben, dass ich das wirklich sage … aber es sieht so aus, als würde ich auch als Ihre Hochzeitsplanerin fungieren.«
»Entschuldigung? Unsere Hoch…«, setzte Matthew an und zog den Arm zurück.
Ich tarnte meinen strengen Blick mit einem Lächeln. »Du bist müde. Brauchst Schlaf. Und da ist ja noch die Liebe.« Also wie wäre es, wenn wir Bobbi jetzt gehen lassen und wir reingehen, uns hinsetzen und reden? Allein?«
»Das ist eine tolle Idee, Josephine«, kommentierte Bobbi, die inzwischen neben uns stand. »Sie sollten Ihrem Verlobten alles erklären. Und vergessen Sie nicht, die riesige Kleinstadthochzeit zu erwähnen. Daddy zahlt alles, nichts ist zu teuer.«
Ich wollte antworten, aber der Ausdruck auf Matthews Gesicht ließ die Worte auf meiner Zunge zu Staub zerfallen. Er musterte mich einmal kurz schockiert von Kopf bis Fuß, dann wurde er bleich.
Ich sah an mir selbst herunter und verstand. »Das vergesse ich immer. Es ist nur Marmelade«, erklärte ich.
Matthew, der jetzt, wo er direkt vor mir stand, irgendwie größer und breiter wirkte, begann zu schwanken. Und zu meiner Überraschung sagte er nur: »Josie?«
Ich musterte ihn stirnrunzelnd, weil ich nicht verstand, wieso er auf diese Art meinen Namen aussprach.
Bobbi tätschelte Matthew die Schulter. »Gratulation, Champ. Wir können nur hoffen, dass dieser Ring dranbleibt. Zumindest lange genug, dass ich meine Magie wirken und dieses Chaos in Ordnung bringen kann. Wir werden die Details und die Medienstrategie noch besprechen. Morgen … Oh, vielleicht sollten wir die Hochzeit in Miami abhalten? Hmm, darüber sollten Sie noch schlafen. Und jetzt … es war mir ein Vergnügen, aber tschüss.«
Matthew musterte mich. Seine Lippen waren immer noch bleich, und er wirkte unglücklich. Nicht schockiert oder verwirrt oder auch nur wütend. Sondern … mutlos.
Ich öffnete den Mund, aber bevor ich etwas sagen konnte, umfasste er mit der Hand mein Handgelenk. Er hob langsam, sanft, meine Finger. Seine Haut fühlte sich klamm an, als er meine Handfläche nach oben drehte.
»Matthew«, setzte ich an.
Doch mehr bekam ich nicht heraus, bevor Grandpa Moe durch die Tür stürmte, pinkfarbene Putzhandschuhe an den Händen und eine Schürze mit kleinen gelben Sternen um die Hüften.
»Auf keinen Fall!«, rief er und wedelte heftig mit den Armen, womit er sehr effektiv die Aufmerksamkeit von jedem Menschen und Tier in einem Umkreis von dreißig Schritten um uns herum auf sich zog. »Meine Josie wird nicht nach Miami verschwinden. Und ich auch nicht.« Grandpa starrte den Mann an, der immer noch meine Hand hielt. »Josie, wieso umklammert dieser durchnässte Lederjackenträger auf diese Weise deine Hand? Ja, du. Der seine Lippen bewegte wie eine Forelle an Land. Du nimmst niemanden mit nach Miami!«
»Himmel, Grandpa«, warnte ich. Gleichzeitig sah ich mich sichernd nach Bobbi um, aber sie war … verschwunden. »Könntest du …«
»Spar dir das Himmel, Grandpa«, hielt er dagegen und trat ans Geländer. »Weißt du …« Er hielt inne, und sein Blick huschte hinter uns. »Otto Higgings!«, schrie er. »Schaff deinen Hintern zurück ins Haus! Das geht dich nichts an, du neugieriger, verschrumpelter Greis!«
Ich fluchte leise. Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass mein Nachbar – und Grandpas Erzfeind – am anderen Ende des Gartens stand und seine Nase in unsere Angelegenheiten steckte. Natürlich tat er das. Natürlich …
Jemand zog an meiner Hand.
Ich konzentrierte mich wieder auf Matthew. Er senkte den Blick, dann wurde sein Gesicht noch bleicher. Er hielt immer noch meine Hand, die Handfläche nach oben, sodass man den Schnitt dort sehen konnte. Er blutete kaum noch, aber ein Teil meiner Haut glänzte in dunklerem Rot als die Erdbeermarmelade.
»Josie«, flüsterte Matthew. »Du blutest.«
»Oh«, sagte ich, zog die Hand zurück und wischte den Schnitt am Ärmel meines Bademantels ab. »Mach dir keine Sorge, es ist nur ein …« Meine Stimme verklang. »Matthew?«
Seine Lider sanken nach unten … und bevor ich irgendetwas unternehmen konnte, sank er zu Boden.
Irgendwann erwachte Matthew mit einem Keuchen.
Ich schob eine Tasse in seine Richtung und zwang mich, ihm mein wärmstes, freundlichstes Lächeln zu schenken.
Er blinzelte mich an.
Meine Mundwinkel sanken nach unten. »Bitte, trink das! Ich bin gleich wieder da. Ich kann mich sehr schnell umziehen. Und Grandpa Moe wird ein Auge auf dich halten.«
Ich konnte Matthew weder seine Verwirrung übel nehmen noch seine Widerwilligkeit, nach der Tasse zu greifen. Ich konnte auch Grandpa Moe sein Murren nicht vorhalten. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen … und sobald Matthew den Tee hielt, wirbelte ich herum und rannte nach oben. Und kaum dass ich die Tür zu meinem Schlafzimmer geschlossen hatte, sank ich zu Boden.
Ich schloss die Augen und ließ mich gegen das Holz der Tür sinken.
Dann stieß ich ein inbrünstiges, gezischtes »Scheiße« aus.
Nein, korrigierte ich mich im Kopf. Das war keine beschissene Situation. Es war eine Lastwagenladung voller Kuhdung, die alle Sinne verklebt-Situation.
Denn der heutige Abend war … übel gewesen. Es gab Fernseh-Sketche, die weniger absurd waren als das, was gerade geschehen war. Grandpa Moe, der schrie, als wäre ein Fuchs in den Stall eingedrungen und hätte die Hälfte der Hühner gemeuchelt, war nur das Sahnehäubchen gewesen. Ich fragte mich immer noch, wie es mir gelungen war, die Ruhe zu bewahren, als Matthew zu Boden gesunken war. Wie es uns – und ja, ich machte den alten Mann mitverantwortlich – gelungen war, dafür zu sorgen, dass ein über einen Meter achtzig großer Mann einfach in sich zusammengesunken war. So wie es mit meinem Töpferton passierte, wenn er die Form nicht halten wollte. In einer Sekunde stand er, stolz und fest und scheinbar sicher zwischen meinen Händen, und bei der nächsten Umdrehung der Töpferscheibe klebte er schon als unförmiger Kloß auf dem Boden.
Nur dass Matthew kein Tonklumpen war. Oder ein Projekt, das ich in die Form zwingen konnte, die ich mir vorstellte. Er war der beste Freund meiner Schwester. Eine Person mit eigenem Leben, die ich in mein Chaos hineingezogen hatte. Das war nichts, was ich in Ordnung bringen konnte, indem ich ihn mit einem Föhn hart werden ließ. Vergesst das. Ich sollte nicht mal an hart werden lassen denken und auch nicht an das Blasen eines Föhns.
Ich öffnete die Augen, stand auf, nahm die Schultern zurück und konzentrierte mich auf meine Aufgabe. Umziehen. Keine Ablenkungen. Also glitt ich in das angeschlossene Bad, um mir die Algenmaske vom Gesicht zu waschen. Gleichzeitig fasste ich den Entschluss, den Rest der Dose wegzuwerfen, weil sie schlechtes Karma verbreitete. Sobald das erledigt war, wusch ich mir die Hände, klebte ein Pflaster auf den Schnitt auf meiner Handfläche und zog die ersten Kleidungsstücke an, die mir in die Hände fielen. Leggins, ein Tanktop und eine Strickjacke. Dann fuhr ich mir noch einmal mit den Händen durch die Haare, bevor ich wieder nach unten trottete.
»Ist der Tee okay?«, fragte ich, kaum dass ich über die Türschwelle der Küche getreten war.
Der Mann, der auf meinem pinkfarbenen Lehnstuhl saß, kommentierte die Frage mit Schweigen … aber er fing meinen Blick ein, als ich vor ihn trat.
»Kamille«, erklärte ich, um die Stille zu füllen. »Meine Mom hat ihn mir immer gemacht, wenn ich mich krank gefühlt habe oder einfach einen schlechten Tag hatte. Ich dachte mir, dass genau das wahrscheinlich bei dir der Fall ist. Also dachte ich, der Tee könnte helfen. Dich trösten. Ich fühle mich danach immer wie neu.«
Matthew schien über seine Antwort nachzudenken, bevor er ein kurzes »Danke« hervorstieß.
Das war nicht unbedingt beruhigend, aber zumindest hatte sein Gesicht wieder ein wenig Farbe zurückgewonnen. Es war ein attraktives Gesicht, jetzt, wo ich es in besserem Licht sah. Markantes Kinn, volle Lippen, die Augen hinter der Brille braun. Ich hatte die Brille für ihn geputzt, als er bewusstlos gewesen war. Sie war feucht gewesen vom Regen. Und es war unter diesen Umständen das Mindeste, was ich tun konnte. Sie … Sie gefiel mir. Also die Brille. Auf Bilder hatte er sie nie getragen. Oder wenn Adalyn mit ihm über FaceTime gesprochen hatte und ich in der Nähe gewesen war, um einen kurzen Blick auf ihn zu erhaschen oder ein kurzes Hallo einzuwerfen.
Mit Brille sah er … anders aus. Irgendwie … keine Ahnung. Und wahrscheinlich spielte das auch überhaupt keine Rolle.
»Ist deine Hand okay?«, fragte Matthew mit tiefer, rauer Stimme.
»Ja«, sagte ich, erleichtert, dass er endlich sprach. Ich schnappte mir einen Hocker und stellte das Möbel vor Matthew, bevor ich mich darauf sinken ließ. »War keine große Sache. Nur ein kleiner Schnitt«, log ich. So klein war er gar nicht gewesen.
»Du hast geblutet, Josie.«
»Habe ich, yup. Aber lass uns nicht darüber reden. Es geht mir gut, und ich fände es schrecklich, wenn du wieder … die Hautfarbe eines Zombies bekommst.«
»Ist schon okay«, meinte er und hob die Tasse an den Mund. »Ich kann mich nicht erinnern, wann so was das letzte Mal passiert ist. Ich glaube, die Wanderung durchs Gewitter hat nicht geholfen. Mein Körper hat einfach kurz den Stecker gezogen.« Er ließ die Tasse auf seinen Schoß sinken. Braune Augen huschten über mein Gesicht, dann tiefer. Er musterte mich langsam – oder träge, oder vielleicht auch müde –, bevor er mir wieder in die Augen sah. »Du hast dich wirklich schnell umgezogen.«
»Eine meiner Superkräfte«, meinte ich mit einem Kichern. Aber mein Humor verklang schnell. Ich war nicht die Einzige, die dringend frische Kleidung gebraucht hätte. Und ich fand es schrecklich, daran erinnert zu werden. Ich beäugte seine feuchten Jeans und den noch feuchteren Pullover, den er trug. »Wir haben dir die Lederjacke ausgezogen, als wir dich reingebracht haben. Du hast irgendetwas gemurmelt … ich vermute, es ging darum.« Wieder folgte ein angespannter Moment der Stille. »Es wird ein Wunder nötig sein, um sie zu retten. Tut mir leid. Dasselbe dürfte für deine Stiefel gelten, wenn ich ehrlich bin. Die habe ich dir nicht ausgezogen, aber ich wollte. Eigentlich hätte ich dir jeden Fetzen Kleidung ausziehen müssen. Aber Grandpa Moe hat mich nicht gelassen.«
Matthews Augenbrauen wanderten langsam immer höher.
»Das meine ich offensichtlich in einem rein praktischen, medizinischen Sinn«, erklärte ich. »Nicht im Sinne Alles runter bis auf die Unterhose.«
Seine Mundwinkel zuckten.
»Ich würde niemals einen bewusstlosen Mann ausziehen«, versicherte ich ihm. »Außer sein Leben hinge davon ab, na ja, nackt zu sein. Und das war bei dir nicht der Fall. Du hast vor dich hingemurmelt. Also ging es dir wahrscheinlich gut. Und es wäre wirklich unangenehm gewesen, dich nackt ins Haus zu tragen.«
Matthews Lippen wurden schmal.
»Keine Sorge.« Ich schenkte ihm ein breites Lächeln. »Grandpa und ich tragen ständig schwere Sachen. Na ja, hauptsächlich ich, weil ich es ihm nicht mehr erlaube. Auch wenn ich langsam glaube, dass diese Pilates-Kurse, die ich gemacht habe, den Muskeltonus nicht so sehr verbessern, wie sie versprochen hatten. Vielleicht hätte ich auf mein Bauchgefühl hören und mich an Krav Maga versuchen sollen.« Ich zuckte mit einer Achsel. »Oh! Willst du etwas Witziges hören?«
Seine einzige Antwort war ein seltsamer Blick.
»Adalyn ist an ihrem ersten Tag in der Stadt letztes Jahr auch in Ohnmacht gefallen«, erklärte ich ihm trotzdem. »Natürlich waren die Umstände anders. Aber ich bin mir ziemlich sicher, darüber weißt du schon Bescheid. Aber hey, ist das nicht ein witziger Zufall? Dass ihr beide das Bewusstsein verloren habt, kaum dass ihr Green Oak betreten habt?«
So, wie Matthew mich ansah, schien er das nicht besonders witzig zu finden. Tatsächlich bemerkte ich, dass er schon seit einer Weile nichts gesagt hatte, während ich zugegebenermaßen zu viele Worte von mir gegeben hatte.
»Ich neige zum Faseln, wenn ich nervös bin«, murmelte ich. »Also wäre es nett, wenn du etwas sagen könntest. Irgendwas.«
»Du bist nicht, was ich erwartet hatte.« Er stieß ein schnaubendes, kurzes Lachen aus, das ein wenig müde klang. Aber es war ein Lachen, also nahm ich es. »Und gleichzeitig irgendwie doch.«
Ein kleines Lächeln verzog meine Lippen. Zur Abwechslung mal ein ehrliches. Selbst wenn ich keine Ahnung hatte, was Matthew damit sagen wollte.
»Das hat er nicht verdient«, brummelte Grandpa Moe, der plötzlich neben uns auftauchte und einen Teller auf Matthews Schoß fallen ließ. »Er hat noch kein Lächeln verdient.«
Ich verdrehte die Augen. »Nun, ich finde, dass er sich nach dem heutigen Abend mehr als ein Lächeln verdient hat. Außerdem schenke ich ein Lächeln, wem auch immer ich möchte, Moe Poe.«
Grandpa Moe ignorierte mich und zeigte stattdessen mit dem Zeigefinger auf Matthew. »Überbackenes Käsesandwich. Iss. Vor ein paar Minuten sahst du noch aus wie welker Lauch. Ich habe so eine Ahnung, dass du heute noch nicht viel gegessen hast. Also iss.«
»Grandpa meint es gut«, erklärte ich dem blonden Mann, der auf meinem absoluten Lieblingsstuhl im ganzen Haus saß. Matthew kaute sorgfältig. »Und ich verspreche, dass er aufhören wird, dir komische Spitznamen zu geben. Keine Ahnung, was heute Abend in ihn gefahren ist. Er ist heute besonders grummelig.«
»Ich werde nicht aufhören, ihn irgendwas zu nennen«, hielt Grandpa dagegen. »Und ich meine es nicht gut. Ich will aus ganz selbstsüchtigen Gründen, dass er gesund und stark ist. Schließlich weiß ich immer noch nicht, ob ich ihm aufs Dach steigen muss.«
Ich verzog das Gesicht in Richtung des alten Mannes, bevor ich mich wieder Matthew zuwandte. »Das meint er nicht ernst.«
»Tue ich wohl«, beharrte Grandpa Moe und riss Matthew den Teller aus den Händen, kaum dass er den letzten Bissen geschluckt hatte. »Das ging schnell. Noch Hunger?«
»Nein, Sir«, antwortete Matthew, sobald er geschluckt hatte. »Aber vielen Dank, Sir.«
Ich schnaubte angesichts dieser zwei Sir. »Du kannst ihn Grandpa Moe nennen, so wie alle in der Stadt es tun. Oder wenigstens Moe. Es gibt keinen Grund für Förmlichkeit, das verspreche ich …«
»Mein Name ist Maurice«, warf Grandpa Moe ein. »Und wie wäre es, wenn er mich weiterhin Sir nennt, bis ich entschieden habe, was ich mit ihm anfangen will? Das ist mein Zuhause. Und er ist kein Gast.«
Ich wandte mich meinem hosenträgertragenden Mitbewohner zu. »Dein Zuhause? Du hast Glück, dass ich dich mag, sonst würde ich dich rauswerfen und deinen Hintern ins Fairhill-Heim schaffen, Mr. Altenheime-sorgen-dafür-dass-ich-mich-uralt-fühle.« Grandpa schnappte nach Luft, obwohl er genau wusste, dass ich es nicht ernst meinte. So einfach wurde er mich nicht los. Nicht nach seinem Schlaganfall … auch wenn er sich gut davon erholt hatte. Ich richtete den Blick wieder auf Matthew. »Es tut mir so leid, ich …«
»Er hat recht«, meinte Matthew, und aus seinen Augen leuchtete eine beruhigende Wärme, die ich wahrscheinlich nicht verdient hatte. »Er hat mich gerade erst kennengelernt, und er ist dein Großvater. Ich habe heute das Mittagessen ausgelassen. Und wenn ich mir die Uhrzeit anschaue, auch das Abendessen. Das war nicht clever. Ich wette, das hatte einen gewissen Einfluss auf meinen kleinen Zusammenbruch. Also vielen Dank für das Essen und den Tee und dafür, dass ihr mir die nasse Jacke ausgezogen habt und mich ins Haus geschleppt habt. Und danke auch, dass du mich nicht bis auf die Unterhose ausgezogen hast. So wohl ich mich gewöhnlich nackt fühlen mag, damit wäre alles zweimal so peinlich.«
Zweimal so peinlich. Ich hatte das Wort selbst benutzt, aber es störte mich, dass auch er die Situation so beschrieb.
Grandpa Moe grummelte etwas Unverständliches, bevor er sich umdrehte und wieder zum Herd schlurfte. Ich wusste, dass er mehr Essen für Matthew anfertigen würde. Er bestand wirklich aus einer großen Klappe mit nicht viel dahinter.
»Grandpa Moe ist nicht wirklich mein Großvater.« Aus irgendeinem Grund hielt ich es für nötig, das zu klarzustellen. »Ich …« Aber wahrscheinlich hatte Adalyn Matthew darüber aufgeklärt. »Vermutlich schadet es nicht, das aufzuklären. Grandpa lebt … hat früher nebenan gelebt. Direkt neben Otto Higgings. Keine Ahnung, ob du dich an ihn erinnerst …«
»Tue ich«, sagte Matthew. »Der neugierige, verschrumpelte Greis.«
Ich nickte mit einem leisen Lachen. »Grandpa hat uns immer im Haus geholfen, als ich noch klein war. Anscheinend habe ich eines Tages beschlossen, dass er mein Grandpa Moe ist, nicht einfach Moe, und habe mich geweigert, ihn jemals wieder anders zu nennen. Der Name hat sich eingebürgert. Aus irgendeinem Grund nennt ihn inzwischen ganz Green Oak so.« Ich bemühte mich um ein kleines Lächeln. »Also tu das bitte auch. Ich verspreche, es macht ihm nichts aus.«
Matthew musterte mich ein paar Sekunden. Nachdenklich. Dann beugte er sich leicht vor und sagte leise: »Ich gehe lieber auf Nummer sicher und halte meine Eier intakt«, erklärte er mir mit einem Zwinkern.
Ein Zwinkern.
Mein Lächeln gewann an Kraft. Wirkte jetzt vielleicht sogar glücklich. Das erinnerte mehr an den Matthew, von dem ich gehört hatte. Nach allem, was Adalyn über ihren besten Freund erzählt hatte – und nach dem, was ich aus unseren kurzen Interaktionen über ihn gelernt hatte. Vor einer Weile hatte Adalyn uns beide in einen Gruppenchat mit ihr und Cameron aufgenommen – ihr Freund und mein Kumpel –, und es war unmöglich gewesen, angesichts von Matthews Texten nicht ein gewisses Bild von ihm zu entwickeln. Witzig, klug, schlagfertig, schonungslos ehrlich. Matthew tippte die unglaublichsten Dinge. Ich hatte mehr als einmal laut über seine Nachrichten gelacht.
Was mich wieder an das Gespräch erinnerte, das wir hier gerade führten. »Also …« Meine Stimme verklang, und ich zerrte an den Ärmeln meiner Strickjacke. »Wie war die Reise?«
Er seufzte. »Lang. Anstrengend. Nötig.«
»Nun, Chicago liegt nicht gerade um die Ecke«, kommentierte ich. »Ich wusste, dass du kommst, aber ich hatte keine Ahnung, dass du heute Abend ankommen sollst.«
Seine Schultern sackten nach unten, und er sank tief in den Stuhl. »Mein Mietvertrag wäre erst Montag ausgelaufen, aber ich konnte einfach keine Nacht mehr umgeben von Kartons verbringen.«
»Du wohnst in der Lodge, richtig?«, fuhr ich fort. Sie stand leer, jetzt, wo Adalyn und Cameron sich ein Zuhause näher an Charlotte gesucht hatten – und dem Fußballclub, den sie gegründet hatten, und in den sie jetzt ihre gesamte Energie steckten. »Lazy Elk ist toll. Es wird dir dort gefallen, das verspreche ich dir. Die Lodge ist gemütlich, schick und hat die schönste Aussicht in der ganzen Stadt.«
Deswegen war es Adalyn und Cameron noch schwerer gefallen, Green Oak zu verlassen. Vielleicht hatten sie die Hütte deswegen noch nicht vermietet. Vielleicht konnten sie sich einfach noch nicht davon trennen. Oder sie wollten das Haus für Besuch freihalten. Oder für jemanden, der eine Unterkunft brauchte wie Matthew. Weder meine Schwester noch Cameron brauchten das Geld der Mieteinnahmen. Die Vorteile davon, eine hart arbeitende Boss-Lady und ein professioneller Fußballspieler im Ruhestand zu sein.
»Das hatte ich schon gehört«, meinte Matthew. »Adalyn hat mich auch gewarnt, dass die Lodge erschreckend schwer zu finden ist, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass mein Navi mich eine ganze Stunde lang im Kreis führt. Ich verstehe immer noch nicht, wie ich auf irgendeiner Schotterstraße gelandet bin, um dort in ein Schlagloch zu fahren.«
»Das also ist passiert?« Ich spürte, wie Sorgen Runzeln in meine Stirn gruben. Ich wusste, dass ich kein Recht hatte, ihm einen Vortrag zu halten – besonders nicht heute Abend – aber … »Du hättest im Auto bleiben sollen, Matthew. Du kannst nicht einfach durch ein Gewitter gehen. Und bitte, wandere niemals einfach so in den Wald. Das nächste Mal ruf einfach …« Ich brach ab, weil ich hatte sagen wollen, dass er mich anrufen sollte. »Ruf einfach irgendwen an. Fordere Hilfe an. Einen Abschleppwagen.«
Sein Blick huschte über ein Gesicht, als hätte ihn meine Reaktion überrascht. Dann lachte er kurz. »Die Batterie war nach all diesen Umleitungen tot. Ich weiß, wie klischeehaft das klingt. Aber mein Prius hat keinen USB-Port, und angeblich befand ich mich nur eine Meile von der Lodge entfernt. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich innerhalb von einer Minute bis auf die Haut durchnässt sein … und mich verlaufen würde. Als ich meinen Fehler erkannt hatte, habe ich einfach nur noch gehofft, die Lodge wäre näher als das Auto.«
Ich sah ihn stirnrunzelnd an. Ich wollte es nicht sagen, aber … »Du bist wirklich ein Mann.«
Er schnaubte. »Nachvollziehbare Einschätzung. Aber du hast recht. Es war dumm und ich … es war ein langer Tag, Josie. Eine verdammt lange Woche, wenn ich ehrlich sein soll.«
Bei seinen Worten verkrampfte sich mein Magen. Als mir bewusstwurde, warum er das sagte – abgesehen von seinem unglücklichen Ankommen in der Stadt.
»Es tut mir leid«, meinte ich. »Ich kann mir nicht mal vorstellen, wie hart das für dich gewesen sein muss. Adalyn hat mir erzählt, was mit deinem Job passiert ist. Tut mir wirklich leid. Das war nicht fair, da bin ich mir sicher. Und es stinkt zum Himmel, dass sie dich einfach so rausgeschmissen haben. Es … tut mir einfach leid.«
Matthew wurde mit jedem Wort aus meinem Mund steifer. »Es gibt nichts, was dir leidtun müsste.«