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Nach dem erfolgreichen Jugendroman "Verlorene Welten" betritt die "New York Times"-Bestsellerautorin Claudia Gray mit dem Roman "Blutlinie" zum zweiten Mal die große Star-Wars-Bühne. Das mitreißende Prequel zum Kinoblockbuster "Episode VII" ist etwa sechs Jahre vor "Erwachen der Macht" angesiedelt. Leia Organa – einst Prinzessin, später Generalin, kommt uns dabei auf ganz besondere Weise nahe, so nahe wie noch nie zuvor! Doch stets liegt auch ein dunkler Schatten über den Ereignissen – der Schatten ihres Vaters Darth Vader ...
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Seitenzahl: 561
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AUSSERDEM VON PANINI ERHÄLTLICH:
Star Wars: Verlorene Welten
(Journey to Star Wars: Das Erwachen der Macht)
Claudia Gray – ISBN 978-3-8332-3194-0
Star Wars: Bewegliches Ziel – Ein Prinzessin Leia-Abenteuer
(Journey to Star Wars: Das Erwachen der Macht)
Cecil Castellucci, Jason Fry – ISBN 978-3-8332-3197-1
Star Wars: Die Waffe eines Jedi – Ein Luke Skywalker-Abenteuer
(Journey to Star Wars: Das Erwachen der Macht)
Jason Fry – ISBN 978-3-8332-3196-4
Star Wars: Im Auftrag der Rebellion – Ein Han Solo &Chewbacca-Abenteuer
(Journey to Star Wars: Das Erwachen der Macht)
Greg Rucka – ISBN 978-3-8332-3195-7
Star Wars: Shadow Games – Im Schatten
Michael Reaves – ISBN 978-3-8332-3158-2
Star Wars: CORUSCANT NIGHTS Band 1 – Im Zwielicht
Michael Reaves – ISBN 978-3-8332-2906-0
Star Wars: CORUSCANT NIGHTS Band 2 – Straße der Schatten
Michael Reaves – ISBN 978-3-8332-2983-1
Star Wars: CORUSCANT NIGHTS Band 3 – Schablonen der Macht
Michael Reaves – ISBN 978-3-8332-2984-8
William Shakespeares Star Wars: Fürwahr eine neue Hoffnung
Ian Doescher – ISBN 978-3-8332-2866-7
William Shakespeares Star Wars: Das Imperium schlägt zurück
Ian Doescher – ISBN 978-3-8332-3017-2
Nähere Infos und weitere Bände unter:
www.paninicomics.de
BLUTLINIE
VON CLAUDIA GRAY
AUS DEM ENGLISCHENVON TIMOTHY STAHL
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Titel der Amerikanischen Originalausgabe: „Star Wars: Bloodline“ by Claudia Gray, A Del Rey ® Book, published by The Random House Publishing Group.
TM & © 2016 LUCASFILM LTD.
Deutsche Ausgabe 2016 by Panini Verlags GmbH, Rotebühlstraße 87,
70 178 Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.
Geschäftsführer: Hermann Paul
Head of Editorial: Jo Löffler
Head of Marketing: Holger Wiest (E-Mail: [email protected])
Presse & PR: Steffen Volkmer
Übersetzung: Timothy Stahl
Lektorat: Andreas Kasprzak
Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart
Satz und E-Book: Greiner & Reichel, Köln
YDSWBL001E
ISBN 978-3-8332-3395-1
Gedruckte Ausgabe:
1. Auflage, September 2016
ISBN 978-3-8332-3354-8
Findet uns im Netz:
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PaniniComicsDE
Es war einmal vor langer Zeit in einer weit,weit entfernten Galaxis …
Eine ganze Generation ist in einer Ära des Friedens aufgewachsen. Seit über zwanzig Jahren ist die Neue Republik unter der Regierung des Galaktischen Senats an der Macht. Der Krieg, der die Galaxis entzweite, verblasst zur Legende.
Doch innerhalb des Senats ist es zu neuen Konflikten gekommen. Während der Abwesenheit von MON MOTHMA, der früheren Anführerin der Rebellion und ersten Kanzlerin der Neuen Republik, sind zwei inoffizielle, aber einflussreiche Splittergruppen entstanden – die POPULISTEN, deren Meinung nach die einzelnen Planeten über annähernd uneingeschränkte Autorität verfügen sollten, und die ZENTRISTEN, die eine striktere galaktische Regentschaft und ein stärkeres Militär befürworten.
Nur die größten Helden des Krieges werden noch allseits verehrt. Eine Gedenkfeier zu Ehren von BAIL ORGANA hat den Senat in seltener Harmonie vereint. Doch selbst an diesem Festtag nimmt die Spaltung zwischen den Welten der Galaxis weiter zu …
1. KAPITEL
„Wenn wir zurückblicken auf den Krieg gegen das Imperium – auf die Milliarden verlorener Leben –, dann scheint es bisweilen, als könnte nichts jemals den furchtbaren Preis, den wir bezahlt haben, wert gewesen sein. Aber wenn wir an all jene denken, die in diesem Kampf umgekommen sind, wollen wir uns daran erinnern, dass sie für die Gerechtigkeit gestorben sind. Für die Freiheit. Für den beispiellosen Frieden, den wir heute genießen.“ Senator Tai-Lin Garr breitete die Arme aus und umfing mit seiner Geste alle Aspekte dieser Feier auf Hosnian Prime: den strahlenden Sonnenschein, den aquamarinblauen Himmel, die zahllosen, tausend Völkern entstammenden Gäste, die sich unter den bunten Flaggen ihrer Welten versammelt hatten. Die Schönheit und Verheißung der Neuen Republik schienen wie auf dem Silbertablett vor ihnen zu liegen. „Dafür haben wir gekämpft.“
Alle applaudierten. Viele jubelten.
Senatorin Leia Organa klatschte mit den anderen und dachte: Ein Jammer, dass all das auseinanderfällt. Dem Großteil der Zuschauer – von denen etliche eigens wegen der Einweihungsfeier und des Konzerts nach Hosnian Prime gereist waren – mussten die zahlreichen Senatoren, die sich auf den Tribünen drängten, wie ein Zeichen der Solidarität und der Stärke erscheinen. Planeten von den Kernwelten bis hin zum Outer Rim waren vertreten: die Menschen trugen die Mäntel, Roben und Festgewänder unzähliger verschiedener Kulturen und verfolgten die Zeremonie Seite an Seite mit Angehörigen anderer Völker – von den Aqualishanern über die Ithorianer und die großäugigen Mon Calamari bis hin zu den wolligen kleinen Ashaftan – in scheinbar vollkommener Einigkeit. Leias schärferer Blick indes erkannte die unsichtbare Trennlinie zwischen den beiden Hälften der Versammlung – die Senatoren der Zentristen auf der einen Seite, die der Populisten, zu denen auch sie selbst zählte, auf der anderen. Der tatsächliche Riss ließ sich nicht messen, der philosophische jedoch wurde mit jedem Tag breiter. Bald würde sich dieser Spalt zu einer Kluft erweitert haben, tief genug, um zu offenbaren, wie brüchig der Frieden wirklich war.
Hör auf. Leia zwang sich, positiv zu denken. Vernünftig. In der galaktischen Politik hat es immer Parteien, Splittergruppen und Fraktionen gegeben. Und so wird es auch immer sein. Nicht jeder ideologische Konflikt führt zu einem völligen Zusammenbruch der Regierung.
Gleichwohl, das Unbehagen, das sich dicht unter der glänzenden Oberfläche dieser Zeremonie regte, erinnerte sie an die letzten Tage des Imperialen Senats. Höfliche Floskeln verschleierten angedeutete Drohungen. Es herrschte so gut wie keinerlei Vertrauen zwischen den Welten … Diese Stimmung kam ihr nur allzu bekannt vor.
Andererseits hat der Imperiale Senat ab und zu konkrete Entscheidungen getroffen. Siehst du? Die Geschichte wiederholt sich doch nicht, dachte sie säuerlich.
An einem Aspekt dieser Zusammenkunft fand Leia jedoch Gefallen, nämlich an der neuen Statue, zu deren Einweihung sie hier heute zusammengekommen waren. Die siebzig Meter hohe Figur war aus jelucanischem Nebelstein gefertigt, der in hellem Licht wie Diamant funkelte und bei Dunkelheit eine blasse, durchscheinende graugrüne Färbung annahm. Als Tai-Lin seine Rede unter Applaus beendete, trieb eine Wolke vor die Sonne. Das Glitzern des Nebelsteins wurde matter und ließ die feinen Details der Statue von Bail Organa hervortreten, der in seiner Amtstracht als Vizekönig von Alderaan dargestellt war, in klassischer hagiografischer Haltung, eine Hand in Richtung des Volkes ausgestreckt. Sein Gesicht jedoch war präzise und liebevoll gemeißelt, wie auf einem persönlichen Porträt. Die verschiedenen Senatoren und Planeten mochten sich in kaum einem Punkt einig sein, doch zumindest das Vermächtnis ihres Vaters hatte Bestand.
Tai-Lin nickte Leia zu, als sein Pod zurück an seinen Platz schwebte. Für zeremonielle Zwecke waren solche Pods erlaubt, obgleich ihr Gebrauch im Senat inzwischen als „übermäßig hierarchisch“ galt. Sein Nicken bedeutete zum einen, dass nun sie an der Reihe war, war zugleich aber auch eine aufrichtig gemeinte Ermutigung. Sie erwiderte die Geste mit einem raschen Lächeln, bevor sie die Steuerkontrollen betätigte, die ihren Pod von der Tribüne nach vorn schweben ließen und die Lautsprecher-Droiden auf ihre Stimme justierten. Als Leia schließlich vor der Versammlung stand, ließ eine warme Brise die Falten ihres dunkelblauen Capes und ihres Kleides flattern.
„Ich trete nicht allein als Senatorin, sondern auch als Bail Organas Tochter vor Sie.“ Leias Stimme klang klar und kräftig und verriet nichts von den Zweifeln, die sie den Tag über heimgesucht hatten. „Und alles, was ich in meiner Laufbahn als Senatorin getan habe, hat seinen Ursprung in jenen wertvollen Lektionen, die er mich lehrte. Über Mut. Über Stärke. Über Führerschaft.“
Führerschaft war etwas, das der Senat gegenwärtig dringend brauchte. Mon Mothma war auch nach ihrer Amtszeit als Kanzlerin höchst einflussreich geblieben … mehr, als es Leia vor Mon Mothmas Erkrankung bewusst gewesen war. Ohne jemanden, der in der Lage war, die philosophischen Differenzen im Senat zu überbrücken und einen Konsens zu finden, zeigte der politische Prozess, den sie für die Neue Republik geschmiedet hatten, seine Schwächen.
Leia fuhr mit ruhiger Stimme fort, während die Fahnen in der kräftigen Brise flatterten. „Er stand zu Beginn eines dunklen Zeitalters als Vizekönig von Alderaan für unsere ganze Galaxis.“ Bei der Erwähnung des Namens ihres toten Planeten senkte sich Schweigen über die Menge. Leia tat so, als bemerke sie es nicht. Ihr Pod schwebte so hoch über dem Boden, dass sie die hunderttausend von tausend Welten stammenden Anwesenden, deren individuelle Haut-, Schuppen- und Pelzfarben sich leuchtend voneinander unterschieden, nur verschwommen wahrnahm – eine bunte, raunende Masse, zu der bloß schwer eine emotionale Verbindung herzustellen war. Leia versuchte es dennoch. „Mein Vater half Mon Mothma, die Rebellenallianz ins Leben zu rufen, während er zugleich tapfer um den Erhalt des letzten Rests von Integrität und Autorität kämpfte, den der Imperiale Senat noch besaß. Ich zweifle nicht daran, dass er den Kampf an der Seite unserer Rebellensoldaten fortgesetzt hätte, wenn er uns durch die Vernichtung meiner Heimatwelt nicht auf so grausame Weise genommen worden wäre.“
Sie fuhr fort: „Es ist mein Privileg, ihn sowohl als Anführer, als auch als Vater gekannt zu haben. So stolz ich auch bin, wenn ich daran denke, wie mutig er sich Palpatines Tyrannei entgegenstellte, so sehr entlockt es mir jedes Mal ein Lächeln, wenn ich mich daran erinnere, wie er sich auf den Boden setzte, um mit seinem kleinen Mädchen mit Bauklötzen zu spielen.“ Ein einvernehmliches Lachen ging durch die Zuhörerschaft.
Gut. Sie hatte die Menge geweckt, sie für sich gewonnen. Jetzt war es für Leia an der Zeit, das auszusprechen, was ihr Publikum nicht hören wollte.
„Mein Vater lehrte mich vieles über Politik, Führung und Krieg, doch vor allem anderen brachte er mir bei, dass für unsere Ideale kein Preis zu hoch ist. Bail Organa war bereit, für den Sturz des Imperiums zu sterben. Er glaubte an die Neue Republik, die zu erschaffen, uns gelungen ist, und an das Versprechen einer fairen, gleichberechtigten und gesetzmäßigen Regierung.“ Applaus brandete auf, und Leia hielt inne, bis er verebbte; erst dann sprach sie weiter. „Er glaubte an die Gemeinsamkeit, und er wusste, dass der Preis der Gemeinsamkeit im Kompromiss bestand. Mon Mothma, eine seiner frühesten und treuesten Verbündeten, teilte seine Überzeugungen und ließ sich in ihrer Führung des Senats davon leiten. Sie wollte, dass die Welten der Neuen Republik in Einklang und Gleichgewicht miteinander leben, und dass wir stets einen Mittelweg finden, der es uns erlaubt, gemeinsam an einer besseren Zukunft zu arbeiten.“
Diese Worte ernteten weiteren Applaus, der jetzt jedoch verhaltener klang. Populisten und Zentristen waren sich in diesen Tagen bloß in einem Punkt einig: dass Kompromisse etwas für Schwächlinge waren.
Leia betrachtete die Statue und stellte sich vor, sie spräche direkt zu Bail Organa, als sie zum Schluss kam. „Mein Vater hinterließ uns ein Vermächtnis, das kostbarer ist als jedes andere – den galaktischen Frieden. Wir alle, die wir heute hier versammelt sind, haben die Verantwortung geerbt, diesen Frieden zu bewahren. Nur so können wir ihm wahrhaft Ehre erweisen und seiner gedenken.“
Applaus und Jubel brandeten auf, ohrenbetäubend laut jetzt, Ausdruck einer Begeisterung, die größer war als jede, die Leia seit Langem erlebt hatte. Hatten die Leute ihre Botschaft tatsächlich gehört? Verstanden sie, wie brüchig der Frieden geworden war? Würden sie ihre Senatoren jetzt drängen, ihre endlosen Zwistigkeiten beizulegen und der Galaxis endlich die verdiente Führung zuteil werden zu lassen?
Dann vernahm sie von oben das hohe, silberhelle Sirren von X-Flüglern. Die Flugschau des Militärs hatte begonnen. Deshalb jubelten die Zuschauer. Sie hatten Leias letzte Worte überhaupt nicht gehört.
Das war … enttäuschend. Aber keine Überraschung.
Die X-Flügler teilten sich zu einer spektakulären neuen Formation auf, und Leia hieb seufzend auf den Steuerknopf, der ihren Pod zur Senatorentribüne zurückgleiten ließ. Wenn ihr schon niemand zuhörte, konnte sie sich ebenso gut die Flugschau ansehen.
„Was sind Sie nur für eine Pessimistin, Leia?“, sagte Senatorin Varish Vicly nach der Zeremonie, als sich eine Reihe von Führungskräften um den Fuß der schimmernden Statue von Bail Organa versammelt hatte. Wie alle Loneraner hatte auch Varish langes, seidiges goldfarbenes Fell und vier dünne, lange Gliedmaßen, die es ihr erlaubten, sich mit derselben Mühelosigkeit sowohl auf zwei Beinen, als auch auf allen Vieren fortzubewegen. Nun schlenderte sie aufrechten Gangs umher, um besser winken und Hände schütteln zu können. „Natürlich haben die Leute wegen der Flugschau gejubelt! X-Flügler sind nun mal aufregender als selbst die beste Rede, die je gehalten wurde.“
Leia strich eine widerspenstige Haarlocke in ihren langen Zopf zurück. „Ich wünschte nur, wir brächten sie dazu, zuzuhören.“
„Betrachten Sie es doch mal so.“ Varishs goldenes Fell wallte im Wind, und ein breites Lächeln, das jemandem, der in der Ferne winkte, galt, teilte ihr langes, schmales Gesicht. „Die Leute lieben die X-Flügler-Piloten, weil sie in ihnen die großen Kämpfer der Rebellion sehen. Verstehen Sie? Die Leute haben den Krieg nicht vergessen. Er ist nur schon so furchtbar lange her.“
„Das ist er wohl.“ Leia dachte daran zurück, wie sie als vierzehnjährige Junior-Abgeordnete im Senat saß und davon überzeugt war, die Jüngste unter all jenen Tausenden zu sein – heute kam sie sich manchmal wie die Älteste vor. Der Krieg hatte von ihrer Generation seinen Tribut gefordert und so viele Opfer verlangt, die andernfalls zu Führungkräften herangereift wären. Unter den Besuchern und auch im Senat gab es viele, die noch nicht einmal geboren gewesen waren, als die Schlacht von Endor geschlagen wurde.
Eigentlich hätte Leia das Gefühl haben müssen, ihr Alter sei so eine Art Ehrenabzeichen. Die Zufriedenheit der Bevölkerung wäre nicht möglich gewesen ohne die Jahrzehnte relativen Friedens, den die Neue Republiuk ihnen beschert hatte. Aber Leila konnte sich einfach nicht entspannen. Sie konnte nicht aufhören, sich Gedanken zu machen. Das war die unvermeidliche Konsequenz, wenn man auf der Flucht und unter ständiger Belagerung aufgewachsen war und jeden Moment damit rechnen musste, gefangengenommen zu werden oder zu sterben. Man sah die Welt nur noch durch die Brille der Paranoia und konnte diese Brille nie wieder ganz absetzen.
„Ach, kommen Sie schon. Ich warne Sie: Wenn Sie vor dem Abendessen nicht wieder bessere Laune haben, setze ich Sie neben Count Jogurner … oh, Feleen, hier drüben!“ Varish drückte Leias Arm, bevor sie in die Menge davoneilte, um einen weiteren ihrer politischen Freunde zu begrüßen.
Leia schüttelte in liebevoller Resignation den Kopf. Unter ihren scheinbar unbedarften Interessen war Varish Vicly eine integre Person und eine ebenso standhafte Populistin wie Leia selbst – und eine der wenigen im Senat, in deren Gesellschaft man tatsächlich Spaß haben konnte. (Im Gegensatz beispielsweise zu Count Jogurner, der es zwar gut meinte, aber kaum ein anderes Gesprächsthema kannte als cheedoanische Whiskys.) Allerdings war Varish keine gute Zuhörerin, was Leias düsterere Befürchtungen betraf.
Niemand will mehr etwas vom Krieg hören, sagte sich Leia. Niemand will Angst haben vor neuerlichem Chaos und Aufruhr. Aber habe ich nicht genau dafür gekämpft? Dass niemand mehr Angst haben muss?
Sie ließ den Blick über die Menge schweifen und entdeckte dabei Freund und Feind gleichermaßen. Tai-Lin Garr in seinem auffälligen scharlachroten Umhang, der mit ernster Miene einer Gruppe von Gästen lauschte, die offenbar den weiten Weg von Tai-Lins Heimatplanet Gatalenta in Kauf genommen hatten, um hier zu sein. Sein dichtes schwarzes Haar war auf dem Kopf zu einem Knoten gebunden, seine dunklen Augen blickten nachdenklich, ja, fast feierlich, in jedem Fall aber auf eine Weise, die nicht im Widerspruch zu dem sanften Lächeln stand, das auf seinem Gesicht lag. Unweit davon scharwenzelten einige Zentristen-Senatoren um einen der aufgehenden Sterne ihrer Bewegung herum, einen jungen Politiker von Riosa namens Ransolm Casterfo, der zweifellos eine schneidige Figur abgab. Casterfo war groß, gutaussehend, charismatisch und gerade einmal zweiunddreißig Jahre alt – ein Alter, das sich für Leia einst erwachsen angehört hatte und ihr heute ungeheuer jung erschien. Zu jung, um im Krieg gekämpft oder sonst etwas Wesentliches im Leben erreicht zu haben, doch anscheinend suchten die Zentristen ihre neuen Aushängeschilder nach dem Gesichtspunkt aus, wer sich in ihrer Propaganda optisch am besten machte. Leias Stimmung hellte sich etwas auf, als sie in der Ferne Admiral Ackbar erblickte. Er hatte die weite Reise nach Hosnian Prime auf sich genommen, um an der Zeremonie teilnehmen zu können, obschon er inzwischen über achtzig war – aber natürlich hätte ihn nichts davon abhalten können, Bail Organa die Ehre zu erweisen. Leia schob sich durch das Gewühl in seine Richtung, getrieben von der Hoffnung auf eine Gelegenheit, sich mit jemandem unterhalten zu können, der sich wie sie der alten Zeiten entsann.
„Prinzessin Leia?“ Die melodische Stimme, die Leias Namen rief, hätte für die meisten Leute verführerisch geklungen. Nur dank ihrer diplomatischen Ausbildung schaffte Leia es, nicht zusammenzucken. „Prinzessin Leia! Auf ein Wort?“
Leia brachte ein überzeugendes Lächeln zustande, bevor sie sich umdrehte. „Lady Carise. Was kann ich für Sie tun?“
Lady Carise Sindian, Senatorin von der Zentristenwelt Arkanis, gehörte zur selben Generation wie Ransolm Casterfo, wirkte jedoch noch jünger. Vielleicht rührte dieser Eindruck von Unreife eher von Lady Carises Prioritäten als von ihrem liebreizenden Gesicht her. Ihr langes, silbriges Gewand war mit Juwelen besetzt, die den Reichtum und die Macht ihrer Welt wiederspiegelten und in deutlichem Kontrast zu Leias zwar schlichterem, aber eleganterem Blau standen.
„Wir müssen über das Gouverneursamt auf Birren reden“, begann Lady Carise. „Wie Sie ja wissen, ist Lord Mellowyn verstorben …“
„Natürlich. Das habe ich mit Bedauern vernommen.“ Lord Mellowyn war ein entfernter Verwandter Bail Organas gewesen. Im Laufe der Jahre hatte Leia ihn einige Male besucht, da Mellowyn zu den wenigen Leuten zählte, die sich noch an ihren Vater erinnerten und ihn einen Freund genannt hatten.
(Wenn sie an ihren Vater dachte, dann dachte sie nur an Bail Organa. Er war ihr geistiger Vater gewesen, und das war zweifellos wichtiger als alles andere.)
„Nun, das Gouverneursamt wird in den älteren Blutlinien weitervererbt …“, fuhr Lady Carise fort, und der Gedanke an royale Titel ließ ihre dunkelbraunen Augen leuchten. Niemand nahm das Konzept des Erbadels ernster als sie, nicht einmal die anderen Angehörigen der älteren Häuser. Lady Carise hingegen schien sich keine größere Ehre vorstellen zu können als diese. „Doch da Lord Mellowyn keine Kinder hatte, ist sein Titel nun auf Sie übergegangen.“
Leia hielt sich die Hand vor den Mund, als wäre sie überrascht. Tatsächlich hoffte sie, so ihre Bestürzung besser zu verbergen. Eine der wenigen Erinnerungen, die sie an Birren hatte, war die, dass die Rituale dort ausnahmslos mehrere Wochen in Anspruch nahmen. Birren war eine kleine, verschlafene Welt im Inner Rim, die vielleicht ausgezeichnete Urlaubsmöglichkeiten bieten mochte, für eine Senatorin, die wichtige Arbeit zu erledigen hatte, jedoch ein ausgesprochen frustrierendes Exil war. „Dieser Titel ist doch rein zeremonieller Natur, nicht wahr? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bevölkerung von Birren es allzu eilig hat, einen Gouverneur zu ersetzen, der kaum mehr als eine Galionsfigur ist.“
„Aber der Titel!“ Lady Carises Augen wurden groß. Womöglich unbewusst schüttelte sie den Kopf. Ts, ts, ts … „Wie können wir dem Volk die Gewissheit und die Beruhigung vorenthalten, dass diese alte Tradition weiterhin Bestand hat?“
„Ich werde sofort jemanden auftragen, sich der Sache anzunehmen.“ Das war Leias Standardausflucht für Amtsgespräche, die sie zügig beenden wollte – es klang offiziell, ohne etwas zu versprechen. Lady Carise lächelte und nickte, als sie sich abwandte. Fürs Erste war sie zufrieden.
Über der Menge zogen abermals die X-Flügler vorbei. Obgleich die Flugschau längst vorüber war, posierten die Piloten noch für Holobilder und hatten ihren Spaß. Im Moment wartete keine wichtigere Aufgabe auf sie, keine heilige Pflicht; sie konnten ganz der schieren Lust am Fliegen frönen.
Wie lange ist es her, seit ich so unbekümmert war?, überlegte Leia. War ich das überhaupt jemals?
Wahrscheinlich nicht.
Das knappe Zeitfenster zwischen der Zeremonie und Varishs Dinner für die Populisten-Senatoren ließ Leia keine Möglichkeit, sich zu entspannen. Stattdessen musste sie sich mit ihrem Mitarbeiterstab treffen. Glücklicherweise konnte sie dabei wenigstens auf vernünftige Gespräche zählen.
Größtenteils.
„Was für eine herrliche Feier!“ C-3PO schlurfte durch das weite Oval von Leias Amtsbüro. Durch die Fenster fiel nachmittäglicher Sonnenschein herein und vergoldete das in Weiß gehaltene Mobiliar. Die goldene Metallverkleidung des Droiden glänzte wie neu. „Was für eine illustre Zusammenkunft! Ich wage zu behaupten, dass alle, die dabei waren, ihre Erinnerung daran einst mit ihren Enkelkindern teilen werden.“
„Das hätte ich mir nie träumen lassen“, hatte Han gemurmelt, als er spätnachts in ihrem gemeinsamen Bett saß und Bens winziges Köpfchen in der Armbeuge seines Vaters ruhte. „Ein Kind zu haben. Auch nur ein Kind haben zuwollen. Aber jetzt ist er da, und …“
„Und du bist Vater.“ Leia hatte sich vorgebeugt und konnte der Gelegenheit, ihren Mann zu necken, einfach nicht widerstehen. „Stell dir nur vor, du Heißsporn: Eines Tages bist du vielleicht sogar Großvater.“
Hans leises Lachen hatte ihr Herz erwärmt. „Du sprichst nur für dich selbst, Schätzchen. Ich werde niemals so alt.“
„Prinzessin Leia?“
Leia wurde aus ihrer Gedankenversunkenheit gerissen und war schlagartig wieder im Hier und Jetzt. „Ich bitte um Verzeihung, Greer. Es war ein langer Tag. Was sagten Sie?“
Greer Sonnel, Leias Assistentin, fuhr so nahtlos fort, als wäre ihre Chefin nicht gerade sekundenlang geistig abwesend gewesen. „Sie haben eine Einladung zum Empfang von Senator Bevicard auf Coruscant erhalten, und ich sagte ihm, Sie würden sie in Betracht ziehen. Soll ich gleich absagen oder erst morgen?“
„Warten Sie bis morgen.“ Es war nicht gut, wenn man zu berechenbar wurde.
Greer nickte; ihre Finger tanzten geschickt über das Datenpad. Ihr dichtes, bläulich-schwarzes Haar war zu einem einfachen Knoten gebunden. Der grobe Webschal, den sie über ihrem Bodysuit trug, stammte von ihrer harschen Heimatwelt Pamarthe. Greer bevorzugte stets das Schlichte und Praktische. Leia wusste, dass sie ihre Übergangsarbeit im Senat schwierig fand, wahrscheinlich, weil es so viele Formalitäten und noch viel mehr Unsinniges zu beachten gab. Doch Greer hatte sich noch jeder Herausforderung gestellt, und in den letzten Monaten hatten sich ihre diplomatischen Fähigkeiten merklich verbessert. „Soll ich mit gewöhnlicher oder außerordentlicher Höflichkeit absagen?“
„Mit außerordentlicher, würde ich sagen. Ehrlichkeit verdient Entgegenkommen. Bevicard ist eine Schlange, aber zumindest gibt er nicht vor, etwas anderes zu sein.“ Leia schüttelte bedauernd den Kopf. „Mehr kann man heutzutage von einem Zentristen kaum erwarten.“
„Aber …“ Korr Sella, Sondivs Tochter, Praktikantin des Büros und gerade einmal sechzehn Jahre alt, fing sich und zuckte zurück. „Verzeihen Sie, Prinzessin Leia. Das war vorlaut von mir.“
„Sie werden feststellen, dass ich nicht am Protokoll klebe, Korrie.“ Aus dem Augenwinkel sah Leia, wie C-3PO seinen Oberkörper in ihre Richtung drehte, zweifellos abgestoßen von der Vorstellung, irgendjemand könne sein heißgeliebtes Protokoll ignorieren. „Was wollten Sie sagen?“
Erst guckte das Mädchen dermaßen bestürzt, dass Leia schon fürchtete, sie hätte Korrie in eine peinliche Lage gebracht. Doch bevor sie ihre Frage zurückziehen konnte, fasste die Kleine wieder Mut. „Ich wollte fragen, ob es nicht vielleicht besser wäre, die Einladung doch anzunehmen? Könnte eine solche Geste nicht dazu beitragen, Beziehungen und Einigkeit zwischen Zentristen und Populisten aufzubauen?“
„In einer vollkommenen Galaxis, ja. Leider leben wir nicht in einer solchen Galaxis.“ Leia klang so abgestumpft, dass sie sich selbst anwiderte. In sanfterem Ton sagte sie: „Diese Einladung hat nur Symbolwert und ist nicht wirklich ernst gemeint. Im Gegenteil: Bevicard wäre entsetzt, wenn ich sie tatsächlich annähme.“
Korrie nickte, doch das Unbehagen in ihrer Miene blieb. „Liegen die beiden Fraktionen wirklich so weit auseinander?“
Leia lehnte sich in ihren Stuhl zurück und rieb sich den schmerzenden Nacken. Hätte Varish heute Abend doch nur kein Bankett gegeben, dann hätte sie jetzt ihr Haar aufmachen können. „Ich fürchte, ja.“
„Oh.“ Korrie senkte den Kopf, aber Leia erhaschte noch einen flüchtigen Blick auf die Verwirrung und Bestürzung im Antlitz des Mädchens.
So jung war ich auch einst. Ich glaubte bedingungslos an die Macht der Regierung, alles bewältigen zu können. Leia war dem Imperialen Senat mit vierzehn beigetreten, und sie hatte den Glauben an den Rechtsgrundsatz innerhalb des Imperiums nie gänzlich aufgegeben, bis sie Alderaan mit eigenen Augen untergehen sah. Wie ich dieses Gefühl vermisse – das Gefühl, dass die Gerechtigkeit am Ende immer obsiegt.
„Ich habe eine Stellungnahme zur Einweihungsfeier vorbereitet, um sie an die planetaren Nachrichtenagenturen zu schicken. Sie sollten einen Blick darauf werfen und mir sagen, was ich gegebenenfalls daran ändern soll.“ Greer tippte auf ihrem Datenpad herum und schickte das Dokument an Leia, auch wenn das eigentlich unnötig war. Leia wusste genau, was darin stand, genauso, wie sie wusste, mit welchem unterschwelligen Dreh die Zentristen-Senatoren ihre eigenen Stellungnahmen spicken würden. „Damit wären die geschäftlichen Angelegenheiten für den Moment so gut wie erledigt, Prinzessin Leia. Sie haben noch eine Stunde bis zu Senatorin Viclys Bankett. Was möchten Sie als Nächstes tun?“
Leia wurde sich ihrer Antwort nur Augenblicke, bevor die Worte über ihre Lippen kamen, bewusst: „Ich möchte aufhören.“
Korrie runzelte die Stirn. Greer hielt inne, bevor sie erwiderte: „Verzeihen Sie, Ma’am … Sie möchten mit dieser Besprechung aufhören, oder …“
„Ich möchte den Senat verlassen. Raus aus der Regierung.“ Unvermittelt erblühte in Leia ein gleichermaßen beglückendes, wie fremdartiges Gefühl. Vielleicht fühlte sich so Freiheit an. „Ich will aufhören.“
2. KAPITEL
Han sagte: „Das muss ich hören.“
Die Verbindung zwischen Hosnian Prime und dem Theron-System war heute Abend klar – kein Rauschen, keine Verzögerungen. Leia konnte das Gesicht ihres Ehemanns ebenso deutlich sehen wie das breite Fenster seiner momentanen Unterkunft auf Theron hinter ihm. Seine graue Jacke lag auf einem Stuhl dichtbei, und bei der bernsteinfarbenen Flüssigkeit in dem schlanken Glas auf dem Tisch handelte es sich höchstwahrscheinlich um corellianischen Brandy. Hinter Han flitzten kleine, blitzende Lichter über den Nachthimmel – zweifellos Podrenner, die die berühmten Felsspiralformationen des Planeten als Trainingsgelände nutzten.
Doch all das verblasste verglichen mit dem Anblick von Hans Lächeln. Ungeachtet des skeptischen Tons in seiner Stimme kannte Leia das Leuchten in seinen Augen nur zu gut.
„Der Senat wird mehr und mehr zu einem politischen Sumpf.“ Sie saß im Schneidersitz auf dem Sofa und begann, ihr Haar zu entflechten – ein langwieriger Vorgang, den sie jedoch stets als beruhigend empfand. „Und daran sind wir selbst schuld. Nach Palpatine wollten wir niemandem mehr so viel Macht übertragen, dass er sie missbrauchen kann. Deshalb haben wir jetzt keine Exekutivgewalt, sondern bloß einen Kanzler ohne echte Befugnisse. Mon Mothma bewältigte ihre Aufgaben durch pures Charisma, aber so gut wie jeder Kanzler, der nach ihr kam, war –“
Han beendete den Satz für sie: „Nutzlos.“
„Mehr oder weniger, ja.“ Damals war Leia dankbar gewesen für Mon Mothmas Führerschaft; nun allerdings wurde ihr klar, dass die Fähigkeiten einer einzelnen Person die fundamentalen Mängel des Systems der Neuen Republik übertüncht hatten. Wäre Mon Mothma früher zurückgetreten, hätten sie dann ihre eigenen Fehler erkannt? Und die Verfassung rechtzeitig geändert? Schwer zu sagen, jetzt, wo es zu spät war. „Der Konflikt zwischen den Parteien wird mit jedem Tag schlimmer. Die meisten Zentristen und Populisten gehen zwar noch recht höflich miteinander um, aber nur mit Müh und Not. Jede Debatte im Senat wird zu einem endlosen Streit über ‚Ton‘ oder ‚Form‘, nie geht es um substanzielle Fragen …“
Han nickte immer noch, aber seine Augen wurden allmählich glasig. An diesem Punkt ihrer Ehe konnte Leia auf die Nanosekunde genau voraussagen, wann Hans Geduld für politische Angelegenheiten erschöpft war.
Und mittlerweile hatte sie die Nase davon genauso voll wie er.
„Also, warum sollte ich nicht aufhören?“ Leia löste die letzten Strähnen ihres langen Haars und ließ es frei bis zu ihren Hüften hinunterfallen. „Nichts hält mich davon ab, mitten während meiner Amtszeit auszuscheiden. Ich könnte ankündigen, dass ich im Lauf der nächsten Wochen zurücktrete. So hätte ich Zeit, ein paar offene Probleme zu lösen, bevor eine Interimswahl angesetzt wird. Greer hat sich schon bereit erklärt, eine Verlautbarung aufzusetzen – naja, sie nennt es eine ‚hypothetische‘ Verlautbarung. Sie glaubt nicht, dass ich es wirklich durchziehen werde.“
„Genauso wenig wie ich“, entgegnete Han, keineswegs unfreundlich. „Hör zu, Leia, ich habe nie genau verstanden, was dir die Politik gibt, aber irgendwas muss da ja sein, schließlich hat sie bislang dein gesamtes Leben bestimmt.“
„Jedenfalls, seit ich vierzehn bin.“ Als Mädchen war sie ungeheuer stolz darauf gewesen, Alderaan zu vertreten. Sie hatte voller Ungeduld auf ihre Chance gewartet, endlich etwas Sinnvolles zu tun. Warum hatte sie sich nicht ein bisschen mehr Zeit genommen, um einfach nur ein Kind zu sein? Auch Prinzessinnen durften manchmal Spaß haben – ihre Mutter hatte versucht, ihr das von Zeit zu Zeit klarzumachen, doch Leia hatte sich ihre Worte nie wirklich zu Herzen genommen …
Han fuhr fort: „Du hast den Senat nicht zum ersten Mal satt. Ich habe dich tausend Mal über Splittergruppen und Sackgassen meckern hören. Aber aufgeben? Das sieht dir einfach nicht ähnlich.“
„Ich gebe nicht auf. Ich … stelle mich den Fakten.“ Seufzend nahm Leia ihre Haarbürste zur Hand und machte sich daran, die Spitzen auszukämmen. Inzwischen schimmerten ein paar stahlgraue Strähnen in ihrem braunen Haar. „Ich kann das nicht ewig machen, Han. Irgendwann muss meine Zeit im Senat ein Ende finden. Also, warum nicht jetzt?“
Hans Gesicht auf dem Bildschirm wurde größer, als er sich vorbeugte, vielleicht, um ihre Miene zu studieren. Obgleich er immer noch skeptisch wirkte, sah sie ihm an, dass er begonnen hatte, ernsthaft über die Möglichkeit nachzudenken, dass sie tatsächlich aus der Politik ausschied. „Versteh mich nicht falsch, aber … was würdest du dann mit dir anfangen?“
Das war eine durchaus berechtigte Frage. Leia hatte einen so großen Teil ihres Lebens erst der Rebellion und dann der Neuen Republik gewidmet, dass sie sich bisweilen selbst gefragt hatte, ob noch irgendetwas von ihrer Zeit für sie persönlich übrig blieb?
Aber natürlich tat es das.
„Ich habe nachgedacht.“ Sie tat so, als ließe sie sich seine Frage durch den Kopf gehen. „Was wäre, wenn ich beschließen würde, zusammen mit irgendeinem Schurken in der Galaxis herumzufliegen?“
Han hob die Brauen und zeigte auf seine Brust.
Leia lachte. „Es sei denn, du hättest einen anderen Schurken im Sinn?“
„Hey, hey. Ich bin der einzige Schurke, der für diesen Job infrage kommt.“ Er schüttelte den Kopf … Überrascht? Ungläubig? Leia vermochte es nicht genau zu sagen. Das war aber auch nicht wirklich wichtig, denn was am meisten zählte, war die Wärme in seinem Lächeln. Selbst, wenn Han nicht davon überzeugt war, dass sie ihr Vorhaben wirklich in die Tat umsetzen würde – gefallen tat ihm die Idee doch.
Tief in ihrem Innern, dort vergraben, wo sie ihre Angst beinahe ignorieren konnte, war Leia sich nicht sicher gewesen, wie er reagieren würde.
Sie waren in ihrer Ehe einfach zu oft getrennt gewesen. Zu lange. Das hatte zum Großteil an Hans Rastlosigkeit gelegen, doch die Schuld daran traf nicht ihn allein. Leia hatte hier im politischen Morast festgesessen. Jetzt endlich konnte sie ihren Teil dazu beitragen, die Situation für sie beide zu ändern.
„Glaubst du ernsthaft, dir würde so ein Vagabundenleben gefallen?“, fragte Han. „Von einem System ins andere springen, an Schiffen rumschrauben, ohne zu wissen, wo es dich als Nächstes hinverschlägt?“
„Das hört sich nicht so viel anders an als das Dasein als Mitglied der Rebellen-Allianz.“
„Mag sein.“ Han gab mit einem Kopfneigen nach. „Es ist trotzdem ein ziemlich wilder Ritt. Bist du sicher, dass du dazu bereit bist?“
Das war leicht übertrieben. Han ging oft für wohltätige Zwecke an den Start, und ebenso häufig, wie er bei Rennen antrat, sponsorte er auch einige Veranstaltungen. Nach Theron war er gereist, um die renommierte Pilotenmeisterschaft zu leiten, die unter dem Namen Die Fünf Schwerter bekannt war. Hier wurden sämtliche Fähigkeiten der Teilnehmer auf die Probe gestellt, von Atmosphärenflügen mit einem Raumjäger bis hin zur Navigation im Hyperraum. Mit anderen Worten: Han Solo war für die Einhaltung der Regeln zuständig. Obwohl er seine Transportfirma von unterwegs aus führte, war er ein sehr viel aufmerksamerer und verantwortungsbewussterer Geschäftsmann, als er durchblicken ließ. Sein heutiges Leben führte ihn zwar durch die gesamte Galaxis, doch mit dem gefährlichen Dasein als Schmuggler hatte das alles nichts mehr zu tun.
Verglichen mit der Stagnation im Senat wirkte Hans Welt geradezu paradiesisch.
„Freiheit und Abenteuer.“ Sie seufzte. „Ja. Ich bin bereit.“
Han musterte sie ein paar Augenblicke lang, dann grinste er. „Eins ist dir doch klar, oder? Nach drei Monaten auf demselben Schiff werden wir uns gegenseitig umbringen.“
Leia beugte sich näher an das Terminal heran, damit er die Verruchtheit in ihrem Lächeln sehen konnte. „Aber in diesen drei Monaten werden wir eine Menge Spaß haben, nicht wahr?“
Sie dachte an eine gemeinsame Unterlichttour zu Beginn ihrer Ehe zurück, als sie sich noch häufig gestritten hatten. Gleichwohl, die lange Zeit allein zu zweit, unbehelligt von niemandem, hatte schließlich zu sehr viel angenehmeren Zerstreuungen geführt. Angesichts des Zeitpunkts war sie ziemlich sicher, dass diese Zerstreuungen einige Monate später Bens Geburt zur Folge gehabt hatten.
„O ja, Spaß werden wir haben.“ Han strich mit den Fingern über die Holokamera, als könne er so ihr Gesicht berühren. „Darauf kannst du dich verlassen.“
Am nächsten Tag im Senat ertappte Leia sich dabei, dass sie an die Art und Weise dachte, wie Han das gesagt hatte. Sie ließ sich die Erinnerung daran wieder und wieder durch den Kopf gehen, wie ein junges Mädchen in seinen Tagträumen. Natürlich war das albern, und für gewöhnlich ließ sie sich nicht so einfach ablenken, wenn der Senat tagte.
Andererseits hatte ihr der Senat heutzutage wenig zu bieten, worauf es sich zu konzentrieren lohnte.
Klatschen auf den Bänken der Zentristen holte sie ins Hier und Jetzt zurück. Auf der Konsole ihres Platzes im weiten, ebenen Senatssaal, dessen bauliche Gegebenheiten einen schier in den Wahnsinn treiben konnten, sah sie Bilder und Holos von Ransolm Casterfo, der sich unter dem Jubel seiner Kollegen verbeugte und das stoische Schweigen der Populisten dabei ignorierte. Leia ließ in Gedanken seine letzten Worte Revue passieren … Ja, er hatte sich über die Zahl der Populisten-Redner bei der Einweihungsfeier der Statue ausgelassen. Anders ausgedrückt: Er hatte genau dasselbe gesagt wie alle anderen Zentristen-Senatoren heute, wenn auch etwas eloquenter. Trotz all ihres Applauses waren die Zentristen keineswegs interessierter oder engagierter als die Populisten; ihre Reaktion war reine Routine. Leia ließ den Blick durch den weitläufigen Raum und über all diese Repräsentanten einer solchen Vielzahl von Welten schweifen und fand, dass sie wirkten wie Theaterbesucher, die den letzten Akt eines langweiligen Stücks über sich ergehen ließen.
„Wie viele Zentristen haben inzwischen gesprochen?“, raunte sie C-3PO zu, der sie gelegentlich begleitete, um die Sitzungen aufzuzeichnen. Selbst, wenn es nicht viel gab, das des Aufzeichnens wert gewesen wäre.
„Siebzehn, die allesamt das irreguläre Protokoll während der Einweihungszeremonie zur Sprache brachten“, erwiderte C-3PO mit gewohnter Freude darüber, eine exakte Antwort geben zu können. Dann wandte er ihr seinen goldenen Kopf zu und fügte in leiserem Ton hinzu: „Ich muss allerdings sagen, dass das Augenmerk, das sie auf diese Punkte der Etikette legen, mir recht … exzessiv erscheint.“
Leia wollte aufstöhnen. Wenn sogar C-3PO fand, dass sie das Protokoll überbewerteten, war das ein ganz schlechtes Zeichen.
Sie tippte auf den Bildschirm in ihrem Pod herum, der ihr die heutige Tagesordnung anzeigte, dann straffte sie sich. Ausnahmsweise würden die Senatoren einmal schweigen und zuhören müssen.
Wie aufs Stichwort kündigten die Lautsprecher-Droiden an: „Das Wort hat nun Yendor von Ryloth, Abgesandter an den Senat.“
Leia setzte sich aufrechter hin, als Yendor hereinkam. Für einen Twi’lek war er sehr groß, und mit dem langen blauen Lekku, der von seinem Hinterkopf über den Rücken seines dunkelbraunen Mantels hing, gab er ein imposantes Bild ab. Obgleich sich das Senatsparkett über hundert Meter vor ihr befand, konnte Leia ihn dank der verschiedenen Bildschirme und Holos, die sein Abbild auf ihre Konsole übertrugen – darunter einige in anderen Wellenlängen für Angehörige von Spezies, deren Augen sich von denen der Menschen gravierend unterschieden – gut sehen. Sie hatte Yendor im Krieg, als er X-Flügler-Pilot gewesen war, kurz kennengelernt. Leia bezweifelte zwar, dass sie sich öfter als zwei Dutzend Mal miteinander unterhalten hatten, doch allein der Anblick von jemandem aus den Tagen des Kampfes genügte, um ihre Stimmung ein wenig zu heben.
„Ich grüße die geschätzten Vertreter des Galaktischen Senats.“ Trotz seines fortgeschrittenen Alters und des langen Stabes, auf den er sich stützte, stand Yendor aufrecht und gerade. „Die Geschichte meines Planeten wie auch meines Volkes ist altbekannt. Jahrhundertelang litten wir unter dem Joch der Hutten und ihrer kriminellen Unternehmungen. Die Dominanz des Imperiums vervielfachte unsere Schwierigkeiten noch. Erst in den vergangenen paar Jahrzehnten, in der Ära der Neuen Republik, ist es uns schließlich gelungen, unsere Unabhängigkeit und eigene Herrschaft durchzusetzen. Auch wenn wir nicht auf Ihrer Seite stehen, bezeugen wir Ihnen doch unseren Respekt und begrüßen den Frieden, den die Neue Republik der Galaxis gebracht hat.“
Leia applaudierte, wie auch viele andere, sowohl Populisten, als auch Zentristen. Ryloth war eine unabhängige Welt, abseits der Neuen Republik, und gehörte damit weder zur einen, noch zur anderen Partei. Zudem verabscheute man die Hutten auf überparteilicher Ebene.
Yendor neigte kurz den Kopf und honorierte die Reaktion, bevor er fortfuhr: „Jetzt ist unsere Unabhängigkeit jedoch abermals in Gefahr. Die Hutten haben viel von ihrer alten Macht verloren, mit der Folge, dass andere sich anschicken, diese Lücke zu füllen. Davon sind die Kartelle unter der Führung der Niktos die gefährlichsten.“
„Die Niktos standen jahrhundertelang in den Diensten der Hutten“, erklärte C-3PO. Das wusste Leia natürlich, doch sie vergeudete ihre Zeit nicht damit, ihn zu unterbrechen; sie kannte den Droiden gut genug, um zu wissen, dass er trotzdem weiterreden würde. „Sie hatten nie eine wirklich unabhängige, eigene Regierung. Im Grunde genommen hatten sie nicht einmal eine richtige eigene Welt.“
Dann gewann Botschafter Yendors Ton an Schärfe. „Zu den zahlreichen Versprechungen der Neuen Republik nach Palpatines Sturz zählte auch jenes, dass das organisierte Verbrechen nie wieder solchen Einfluss gewinnen werde, wie es während der Zeit des Imperiums der Fall war. Finanzielle Regelungen und umfassende Patrouillen der Frachtrouten sollten Ryloth und alle anderen Welten der Galaxis vor verbrecherischer Korruption im großen Stil schützen. Doch diese Regelungen werden leider nur sporadisch umgesetzt, und von den angekündigten Patrouillen ist bis heute nichts zu sehen, obwohl mittlerweile über zwanzig Jahre vergangen sind. Im Laufe dieser Zeit haben die Kartelle begonnen, ihre einstige Macht zurückzuerlangen.“ Leia schämte sich für ihren Anteil an diesem Versagen und hoffte, dass andere im Senat das ebenfalls taten. Über den Streitereien um Nichtigkeiten – wer was wann und wie durchsetzte – hatte der Senat es einmal mehr versäumt, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Jetzt wurde der Preis für diese Untätigkeit fällig, und es waren stets kleinere, ärmere Welten wie Ryloth, die am ärgsten zur Kasse gebeten wurde.
„Insbesondere ein Kartell ist für die Frachtrouten in unserem Sektor zu einem Risiko geworden“, nahm Yendor den Faden nach einer kurzen, dramatischen Pause wieder auf. „Auch, wenn unsere Informationen unvollständig sein mögen, glauben wir doch, dass diese kriminelle Organisation bereits jetzt an die der mächtigsten Hutten auf dem Höhepunkt ihres Einflusses heranreicht. Mit Sicherheit wissen wir nur, dass unsere Piloten überfallen werden, dass unsere Händler um Schutzgelder erpresst werden und dass das Kartell von einem Kajain’sa’Nikto namens Rinnrivin Di geführt wird, der seine Fäden zumindest teilweise vom Planeten Bastatha aus zieht.“
Gedämpftes Gemurmel ging durch einige Bereiche des Senatssaals. Von beiden Parteien. Über diesen Kerl hätten wir längst Bescheid wissen müssen, dachte Leia und richtete sich in ihrem Sessel auf. Über ein Kartell dieser Größe hätten wir längst Bescheid wissen müssen. Doch natürlich hatte niemand seine Aufmerksamkeit einer Sache geschenkt, die tatsächlich Beachtung verdiente. Verdrossen biss sie die Zähne zusammen.
Yendor hob die Hand, um so einerseits um Ruhe zu bitten, und andererseits das Ende seiner Ansprache zu signalisieren. „Heute stellt Rinnrivins Kartell eine Gefahr für die Zukunft Ryloths und des freien Handels in unserem Teil der Galaxis dar. Doch schon morgen könnte es den Rechtsgrundsatz der Neuen Republik selbst bedrohen, so wie es die Hutten sowohl in der Alten Republik, als auch dem Imperium gegenüber taten. Deshalb ersuche ich den Senat eindringlich, die Reichweite und den Einfluss von Rinnrivin Dis Kartell zu ermitteln und die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um Recht und Ordnung wiederherzustellen. Meine Bitte an Sie ergeht im Namen der Twi’leks von Ryloth – jedoch zu unser aller Wohl.“
Die nachfolgende Stille währte nur einige Sekunden … Dann wurde im Senat plötzlich ungeheuer viel geredet, aber sehr wenig zugehört. Senatoren gaben hektisch Befehle in ihre Terminals ein, und das Protokollprogramm, das so ausgelegt war, dass es die Ansichten beider Fraktionen in ausgewogenem Verhältnis zueinander anzeigte, ließ eine wahre Meinungsflut über die Hauptbildschirme flimmern.
Ein Otteganer äußerte sich mittels eines Vokoders, der seine Worte in eine für Menschen verständliche Sprache übersetzte: „Woher wissen wir, dass die Informationen des Abgesandten zutreffend sind?“
Senator Giller, ein älterer Zentrist mit Schnurrbart, der seine Kriegsorden auch heute noch jeden Tag trug: „Seit einer Weile kursieren außerdem Gerüchte über kriminelle Machenschaften von Twi’leks! Vielleicht ist dies bloß ein Versuch der Twi’leks, uns dazu zu bringen, ihre Konkurrenz aus dem Weg zu räumen!“
Lady Carise Sindian, deren Haupt ein mit Juwelen besetzter Haarreif zierte: „Senatoren sind keine simple Planetenpolizei, die man losschickt, um sich um die Ahndung irgendwelcher geringfügiger Gesetzesverstöße zu kümmern. Wir müssen an die Würde unseres Amtes denken. Wollen wir uns zu bloßen Untersuchungsbeamten degradieren lassen?“
Varish Vicly strich ihr goldenes Fell zurück: „Es handelt sich hier um eine Angelegenheit des Intrasystems. Selbst, wenn die betroffenen Welten zur Neuen Republik gehörten, was auf Ryloth und Bastatha nicht zutrifft, würde der Senat mit einer Einmischung seine Befugnisse überschreiten.“
Leia ertappte sich dabei, wie sie an den Gestank in Jabbas Palast zurückdachte, wo jeder Atemzug nach dem Fett und Rauch eines halben Dutzends illegaler Substanzen roch. In ihrem Kopf flackerte die quälende Erinnerung an Han auf, der in Karbonit eingefroren war, seine schmerzerfüllte Grimasse hart wie Stein … An das raue Gelächter der Zuschauer bei Lukes Kampf auf Leben und Tod in der Rancor-Grube … Und an das Gewicht des engen Metallkragens um ihren Hals.
Unterm Strich hatte sie Jabba den Hutten fast ebenso sehr gehasst wie Imperator Palpatine. Ihr Abscheu vor Jabba hatte allerdings ein befriedigenderes Ende gefunden.
Leia sah Yendor von Ryloth auf seinem Stab lehnen und erkannte mit Schrecken, dass er erschöpfter war, als er es sich anmerken ließ. Er hatte diese Reise quer durch die Galaxis unternommen, um zu einer Regierung zu sprechen, der die meisten Twi’leks immer noch misstrauten, und das allein in der Hoffnung, eine Veränderung für sein Volk zu bewirken. Und die einzige Antwort, die der Senat für ihn hatte, war weiteres Gezänke?
Leia spürte, wie ein elektrisierendes Gefühl von Zielstrebigkeit ihren Körper durchfuhr, als in ihrem Kopf eine Idee Gestalt annahm. Vielleicht konnte sie noch ein letztes Mal etwas Gutes tun, bevor sie zurücktrat und die Regierung für immer verließ.
Sie stand auf, für die Moderatoren-Droiden ein Zeichen, dass ein Senator sich unmittelbar zu Wort melden wollte. Es war ihnen zwar ausdrücklich untersagt, dieses Privileg überzustrapazieren, doch Leia hatte es schon seit Monaten nicht mehr in Anspruch genommen. Fast umgehend sausten die schwebenden Holodroiden auf sie zu. Aus dem Augenwinkel sah sie sich selbst in ihrem langen weißen Kleid, das ergrauende Haar als Zopf auf ihrem Rücken. Wie erhaben und förmlich sie wirkte. Wie würdevoll. Niemand hatte auch nur den geringsten Grund zur Annahme, sie könne irgendetwas sagen, das von der Parteilinie abwich.
Umso mehr Genugtuung bereitete es Leia deshalb, zu verkünden: „Verehrte Mitglieder des Senats, meiner Meinung nach hat der Abgesandte von Ryloth eine Angelegenheit von großer Wichtigkeit an uns herangetragen, eine Angelegenheit, die weitere Nachforschungen verlangt. Daher biete ich mich an, die Untersuchungen in diesem Fall persönlich zu leiten … und mache mich dementsprechend unverzüglich auf den Weg nach Bastatha.“
Darauf folgte Schweigen – wie Leia vermutete, aus reinem Erstaunen geboren. Wie lange war es her, dass jemand im Senat aufgestanden war und sich bereit erklärt hatte, tatsächlich etwas Sinnvolles zu tun?
Zu lange, dachte sie. Und dabei ist das so ein verdammt gutes Gefühl.
3. KAPITEL
Leia fand, dass ihr Angebot, die Mission nach Bastatha zu leiten, vernünftig, sinnvoll und unmissverständlich war.
Der Senat hingegen wusste offenbar nicht, was er davon halten sollte.
„Wir wären kaum in der Lage, Ihre Sicherheit zu gewährleisten, Prinzessin Leia“, sagte Lady Carise Sindian, die Einzige, die Leia im Senat mit ihrem königlichen Titel ansprach. „Einem solchen Risiko dürfen wir Sie nicht aussetzen.“
„Haben Sie denn kein Vertrauen in die Soldaten der Neuen Republik, Senatorin Sindian?“ Dieser Einwand kam von einem anderen Zentristen, Senator Arbo, einem der Kriegstreiber von Coruscant. „Ein ganzes Gardegeschwader wird Senatorin Organa begleiten und sie rund um die Uhr beschützen. Zweifeln Sie niemals am Können und der Tapferkeit unserer Kämpfer!“
Tai-Lin Garr schüttelte den Kopf. „Wir könnten kaum davon ausgehen, dass Senatorin Organas Ermittlungen reibungslos verlaufen, wenn sie in Begleitung einer Militäreskorte auftritt. Die Bevölkerung von Bastatha würde das als Einmischung betrachten, womöglich sogar als Invasion.“
Das war die erste zweckdienliche Äußerung ihrer Amtskollegen, seit Leia sich freiwillig für diese Mission gemeldet hatte. Tatsächlich fühlte sie sich angesichts des Umstands, dass sich die Konversation zunehmend um den Sicherheitsaspekt ihrer Reise drehte, allmählich regelrecht angespornt.
Und hätte sie geahnt, was für eine Energie sie aus der bloßen Idee, wieder draußen im Einsatz zu sein, gewinnen würde – aus der Gelegenheit, mit normalen Leuten statt mit Politikern zusammenzuarbeiten, um eine Situation aus eigener Anschauung zu beurteilen, ohne irgendwelche Komitees, die sich ihr in den Weg stellten –, dann hätte sie sich schon längst eine geeignete Aufgabe gesucht! Diese Reise nach Bastatha würde das perfekte Ende ihrer Senatskarriere sein – endlich tat sie wieder etwas Interessantes, etwas von Bedeutung. Danach konnte sie abtreten – mit einem Gefühl der Zufriedenheit darüber, dass sie es geschafft hatte, etwas Konkretes zu bewirken, bevor sie der Politik endgültig den Rücken kehrte.
Wer weiß?, dachte sie. Wenn ich mich mit einem der Gewürz-Kartelle anlege, springen dabei vielleicht sogar ein paar Geschichten raus, die mit Hans konkurrieren können. Sie konnte es jetzt schon kaum erwarten, ihm davon zu erzählen.
Doch Lady Carise war noch nicht fertig. „Trotz allem Wohlwollen bleibt die Frage nach dem Wert dieser Mission. Wie andere bereits ausführten, ist die Aussage des Abgesandten von Ryloth unsere einzige Informationsgrundlage. Was er als kriminelles Treiben bezeichnet, mag in Wirklichkeit nichts weiter sein als der Versuch der Niktos, ihre Wirtschaft wiederaufzubauen, nachdem sie dem Einfluss der Hutten endlich entkommen sind. Darüber hinaus – und verzeihen Sie mir bitte meine Direktheit, aber das muss einfach gesagt werden! – könnte man eine solche Senatsuntersuchung nicht allein einer Populisten-Senatorin überlassen. Auch wenn Prinzessin Leia keine Verschwörungstheoretikerin ist, sind doch einige derer, die auf den Populisten-Bänken sitzen, fest entschlossen, in jeder größeren Organisation nur das Schlimmste zu sehen, ganz gleich, ob sie nun staatlicher, militärischer oder wirtschaftlicher Natur ist.“
„Ich bin durchaus imstande, objektiv zu urteilen –“, begann Leia, wurde jedoch fast augenblicklich von anderen Stimmen übertönt. Seitens der Populisten-Senatoren brandete Protest auf, und Leia musste an sich halten, um nicht aufzustöhnen. Jetzt hinderte sie sogar schon ihre eigene Partei daran, sich Gehör zu verschaffen.
C-3POs goldener Kopf schwang hin und her in dem Versuch, die gesamte Debatte aufzuzeichnen. „Ich hätte gedacht, der Senat würde Ihr großzügiges Angebot begrüßen“, sagte er. „Oh, du meine Güte.“
„‚Oh, du meine Güte‘ trifft es genau.“ Leia reckte das Kinn in die Höhe, fest entschlossen abzuwarten, bis sich die Aufregung wieder legte. Jetzt, da sie von der Hoffnung gekostet hatte, wieder aktiv zu werden, würde sie sie nicht so einfach wieder aufgeben.
Einer der Moderatoren-Droiden intonierte: „Das Wort hat Senator Casterfo von Riosa.“
Noch während sein Name genannt wurde, hatte Ransolm Casterfo sich bereits erhoben, um für die Holodroiden ein beeindruckenderes Bild abzugeben. Der dunkelgrüne, samtene Umhang, den er trug, bezeugte seinen Reichtum und Stand. Leia fragte sich säuerlich, ob er diese Kleidung gewählt hatte, um den Anschein zu erwecken, er stamme von einer mächtigeren, angeseheneren Welt als Riosa, oder weil die Farben zu seinem Teint passten? Er hatte etwas von einem Star an sich … Das traf auf viele der jüngeren Senatoren zu, für die es im Senat mehr um Ruhm und Einfluss als um Pflichterfüllung ging.
„Geschätzte Senatskollegen“, proklamierte Casterfo. Sein schmales, aristokratisches Gesicht blickte ihnen aus den Bildschirmen und Holos entgegen. Den Politikertrick, scheinbar mit jedermann zugleich Augenkontakt aufzunehmen, hatte er bereits gemeistert. „Senatorin Sindian hat soeben einen wichtigen Punkt angesprochen. Diese Mission sollte ein überparteiliches Unterfangen sein. Genau genommen schäme ich mich für meine eigene Partei, dass keiner von uns sich als Erster freiwillig dafür gemeldet hat – denn wir Zentristen schätzen schließlich nichts mehr als Recht und Ordnung, nicht wahr?“ Zustimmendes Gemurmel einiger Zentristen-Senatoren hob an, während Casterfo fortfuhr: „Es geht nicht nur darum, das Problem der Nikto-Kartelle sowohl aus populistischer als auch zentristischer Perspektive zu betrachten – nein, wir sollten auch so großzügig sein, den Mut der geschätzten Senatorin Organa zu würdigen, wenn wir schon von ihr erwarten, eine solche, potenziell gefährliche Reise zu unternehmen.“
Sehr geschickt, dachte Leia mit widerwilliger Bewunderung.
Casterfo sprach weiter: „Ich biete mich daher an, Senatorin Organa auf ihrer Mission nach Bastatha zu begleiten. Wir werden Hand in Hand arbeiten, um dem Senat nach unserer Rückkehr eine umfassende und objektive Zusammenfassung unserer Erkenntnisse zu präsentieren.“
Die Regung in Leias Brust fühlte sich ein bisschen so an, als schösse sie in einem Boot mit vollen Segeln übers Wasser, um dann durch den Anker mit einem Ruck gestoppt zu werden. Ihr letztes großes Abenteuer war gerade zum … Babysitting verkommen.
„Ich wusste, das Ganze ist zu schön, um wahr zu sein“, murmelte sie.
„Wie meinen, Prinzessin Leia?“ C-3PO deutete auf Casterfos Holoabbildungen. „Ich habe versäumt, Ihre letzte Bemerkung aufzuzeichnen. Wenn Sie möchten, dass sie Teil der Aufnahme …“
„Nicht weiter wichtig, Dreipeo. Vergiss es.“ Leia hörte, wie andere Stimmen ertönten, um weitere Punkte des Protokolls zu diskutieren, doch sie kannte den Senat gut genug, um zu wissen, wie dies alles enden würde: Sie würde nach Bastatha reisen – mit Ransolm Casterfo an ihrer Seite.
„Sie hätten uns ruhig sagen können, was Sie vorhaben“, meinte Greer später in Leias Büro.
„Ich hätte Sie wissen lassen, dass ich mich freiwillig melden würde, wenn ich es vorher selbst gewusst hätte.“
„Dann nehmen Sie also die Mirrorbright?“ Greers Tonfall klang beiläufig, während sie an ihrem Datenpad arbeitete, doch das kleine Lächeln auf ihren vollen Lippen konnte sie nicht verbergen.
„Ich gebe Ihnen die Antwort auf die Frage, die Sie eigentlich stellen. Sie lautet: Ja, Greer, Sie dürfen das Schiff fliegen.“ Leia hielt inne. Die Bastatha-Mission barg ein kleines, aber konkretes Gefahrenelement. Gut möglich, dass das Ganze kein reiner Vergnügungsausflug wurde. „Jedenfalls, wenn Sie sich sicher sind, dass –“
„Ich bin mir sicher.“ Greer strahlte. So gut sie sich auch auf ihre Arbeit im Büro verstand, so hatte sie ihre Liebe fürs Fliegen doch nie ganz verloren. Ein Jammer, dass Greer die Rennfahrerei aufgeben musste, dachte Leia, und das nicht zum ersten Mal.
Als Nächstes musste Leia jedes Datenpad, das Bild-, Ton- und sensorische Aufzeichnungen der heutigen Senatssitzung enthielt, als korrekt verifizieren – eine weitere Auflage der neurepublikanischen Bürokratie, mit der sie sich tagtäglich herumschlagen musste. „Lassen Sie uns das so schnell wie möglich erledigen. Ich möchte mich gleich auf den Weg zu Casterfos Büro machen.“
„Aber …“ Einen Stapel Datenpads im Arm, schaute Korrie zwischen Leia und Greer hin und her. „Sollte nicht vielmehr er zu Ihnen kommen?“
„Das sollte er in der Tat!“ C-3PO klang erfreut darüber, etwas von Bedeutung beitragen zu können. „Das ordnungsgemäße senatorische Protokoll verlangt, dass stets der jüngere Senator an den älteren heranzutreten hat. Senator Casterfo wird sich zweifellos gleich morgen früh hier einfinden.“
„Zweifellos“, pflichtete Leia ihm bei. „Und genau deshalb suche ich ihn stattdessen in seinem Büro auf, bevor er Gelegenheit hat, sich in den Feierabend zu verabschieden. Er soll begreifen, dass wir auf unserer Mission nach Bastatha keinen Wert aufs Protokoll legen. Außerdem“, fügte sie hinzu, „will ich ihn unvorbereitet erwischen.“
Greer verstand sofort. Wie eigentlich immer. „Er wird überrascht sein. Sich geschmeichelt fühlen. Sie werden Gelegenheit haben, zu hören und zu sehen, was er sagt und wie er sich verhält, wenn er kein Zentristen-Skriptum hat, nach dem er sich richten kann.“
„Ganz genau.“ Leia machte sich daran, die Datenpads der Reihe nach zu verifizieren – ein Daumenabdruck hier, ein Netzhaut-Scan da. Korrie hatte ihre Überraschung rasch verdaut und reichte ihr die Datenpads in zügiger Folge. „Darüber hinaus können wir auf diese Weise gleich konkrete Reisevorbereitungen treffen. Je früher ich von Hosnian Prime wegkomme, desto besser.“
Sie tat so, als bemerke sie die Blicke nicht, die Greer und Korrie tauschten.
Kurz darauf konnte Leia ihr Büro verlassen und sich auf den Weg zu Casterfo machen. Trotz C-3POs Einwänden ging sie allein. Wenn Leia keine Mitarbeiter dabei hatte, konnte sie Casterfo bitten, auch seine eigenen zu entschuldigen. Es war wesentlich einfacher, jemanden einzuschätzen, wenn er jede Frage selbst beantworten musste und nicht auf seine gewohnte Unterstützung zurückgreifen konnte.
Die Senatsanlage auf Hosnian Prime war ein riesiges Gefüge, das zum größten Teil in einem einzigen langen, flachen, lediglich einstöckigen Gebäude untergebracht war. Man hatte sich ganz bewusst für diese Bauweise entschieden, um den Eindruck zu vermeiden, dass Büros in höheren Türmen „repräsentativer“ seien als andere, was zu jener Zeit durchaus sinnvoll zu sein schien. Für Leia bedeutete das jetzt allerdings, dass sie beinahe anderthalb Kilometer zurücklegen musste, um zu Casterfos Büro zu gelangen. Sie trat auf einen der automatischen Gehwege und streifte ihre weiße Kapuze über. Das würde zwar nicht verhindern, dass man sie erkannte, aber dieses Erkennen doch zumindest lange genug hinauszögern, dass sie nicht in fruchtlose Gespräche verwickelt werden würde, mit denen sie nur Zeit vergeudete.
Breite, transparente Dachplatten über ihr zeigten große Ausschnitte des dämmerigen Himmels. Leia blickte zur Statue Bail Organas empor, als sie daran vorbeiglitt. In der aufziehenden Dunkelheit leuchtete das Standbild in kühlem Weiß. Ihr Vater schien ihr nachzuschauen. Zahllose Bewohner verschiedener Welten hatten sich um das Monument versammelt, sowohl auf den beweglichen Gehsteigen, als auch darum herum: Vor einer Bürotür knurrte sich eine Gruppe von Bothanern an, ein Gungan führte über den Kommlink in seiner Hand eine lebhafte Unterhaltung, und weit vor ihr trug das Laufband zwei Wookiees durch das Gewühl aus Politikern, Arbeitern, Lobbyisten und Wählern, das den Komplex fortwährend beherrschte. Allein der Anblick der Wookiees entlockte Leia ein Lächeln.
Ich frage mich, wie es Chewie wohl geht …
Der alte Wookiee-Partner ihres Mannes hatte sich wieder auf Kashyyyk niedergelassen, um ein friedvolles Leben zu führen. So schwer es Leia auch fiel, sich vorzustellen, dass Chewie daheim zufrieden war, ohne Action und Abenteuer, war er mittlerweile doch schon so lange dort, dass es ihm wohl gefallen musste. Han leitet Chewies Holos nie an mich weiter. Ich muss mich endlich wieder mal persönlich bei ihm melden, und zwar bald.
Der Planet Riosa war ein zunehmend unbedeutenderes Produktionszentrum im Inner Rim, das Mühe hatte, zu seiner einstigen Blüte zurückzufinden. Entsprechend hatte man Riosa Senatsbüros am äußeren Rand von einem der Gebäudeflügel zugewiesen. So viel zum Thema „Gleichberechtigung in der Büroaufteilung“. Es ließ sich aus allem ein Statussymbol machen, wenn die Leute das nur wollten – und Leias Erfahrung nach wollten sie das immer. Im Umkehrschluss bedeutete dies, dass so gut wie niemand Zeuge wurde, wie sie Casterfos Büros betrat. Als sie hereinkam, standen Casterfos Mitarbeiter einen Moment lang nur da und starrten sie erwartungsvoll an.
„Ich nehme an, Senator Casterfo ist noch hier?“, erkundigte sich Leia freundlich, die Hände vor sich in den weiten weißen Ärmeln ihres Gewands verborgen. „Könnten Sie ihn bitte fragen, ob er Zeit für Senatorin Organa hat?“
Man musste Casterfo zugutehalten, dass er fast umgehend aus seinem Privatbüro geeilt kam. „Senatorin Organa?“ Lächelnd legte er sein grünes Cape wieder um; offenbar hatte er bereits den geruhsamen Teil seines Tages eingeläutet gehabt. „Ich hatte eigentlich vor, Ihnen gleich morgen früh einen Besuch abzustatten.“
„Warum warten, wenn es Arbeit zu tun gibt?“ Leia erwiderte sein Lächeln so höflich, wie sie konnte.
„Ganz meine Meinung.“ Casterfo hatte den gleichen aristokratischen Akzent wie Großmoff Tarkin, den gleichen, den damals so viele höhere Offiziere des Imperiums pflegten … und den Leia nachgeäfft hatte, als sie und Tarkin sich seinerzeit zum letzten Mal von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. Sie versuchte, sich davon nicht nervös machen zu lassen. „Bitte, kommen Sie doch rein und nehmen Sie Platz. Kann ich Ihnen einen Tee anbieten? Oder irgendetwas anderes?“
Leia winkte ab, während sie Casterfo in sein persönliches Büro folgte – und blieb dann wie angefroren stehen.
An den Wänden von Casterfos Büro hingen Artefakte des Imperiums.
Ein Sturmtruppen-Helm. Die schwarze Kontrollbox des Atmosphärenanzugs eines TIE-Piloten. Fahnen und Banner des Imperiums, der verschiedenen Sturmtruppen-Legionen, sowie eines, das – ausgebleicht und leicht eingerissen, für Leia aber dennoch ein schmerzvoller Anblick – Palpatine persönlich darstellte.
Es war eine Sache, derlei Dinge in einem Museum zu sehen … Nicht, dass Leia je in eine solche Ausstellung gegangen wäre, aber sie hätte den historischen Zweck verstanden. Diese Verherrlichung des Imperiums hingegen war grotesk.
„Senatorin Organa?“ Casterfo schaute Leia an, scheinbar völlig blind für den Grund ihres Unbehagens. „Geht es Ihnen nicht gut? Sie sehen blass aus. Vielleicht sollten Sie sich setzen.“
„Hier drin?“ Leia breitete die Hände aus und wies auf die aufgereihten Artefakte, die sie umgaben. „In Ihrem Schrein zum Ruhme des Imperiums?“
Casterfo lächelte. Wie konnte er es wagen, zu lächeln? „Na, na, Senatorin. Nun übertreiben Sie bitte nicht. Das sind Antiquitäten, weiter nichts.“
Als hätte der Krieg gegen das Imperium vor Jahrtausenden stattgefunden, anstatt vor gerade einmal einer Generation. Leia fragte sich, ob Casterfo sie gleichermaßen für eine Antiquität hielt.
„Dann betrachten Sie sich also als Sammler.“ Ihr Tonfall blieb kühl, aber sie nahm in einem der Sessel Platz. Wie sie erwartet hatte, setzte Casterfo sich nicht hinter seinen Schreibtisch – damit hätte er seine Autorität geltend gemacht. Er wollte sie nicht auf diese Weise beleidigen, wusste allerdings auch nicht recht, was er stattdessen tun sollte, und so blieb er schließlich ein wenig ratlos vor ihr stehen.
Dennoch war er erpicht darauf, weiter über sein Hobby zu sprechen. „Ja, genau. Ich war bei Kriegsende ja noch ein kleiner Junge. Oh, die Abenteuer, die Sie alle erlebt haben müssen! Wenn ich mir diese Dinge ansehe, dann kann ich mir die Schlachten so lebhaft vorstellen, als wäre ich selbst dabei gewesen.“
Wenn Casterfo sich die großen Schlachten des Krieges wirklich hätte vorstellen können, dann hätte er keineswegs Gefallen an dieser Erfahrung gefunden. Leia hatte genug traumatisierte Rebellensoldaten kennengelernt, um das zu wissen. Gleichwohl, sein argloser Enthusiasmus beruhigte sie ein wenig. Also, ein Kriegshetzer ist er nicht. Bloß ein zu groß geratenes Kind, das glaubt, es hätte die ganze „Aufregung“ verpasst.
Sie war Casterfo physisch noch nie so nah gewesen wie jetzt, und nun erkannte sie, dass seine auf Hochglanz polierte Erscheinung doch nicht ganz vollkommen war. Vermutlich trug er sein sandfarbenes Haar etwas länger, um seine Ohren zu verbergen, die eine Spur zu weit von seinem schmalen Gesicht abstanden. Und er hatte sein Haar praktisch lackiert, damit es glatt aussah, denn andernfalls hätte es sich zweifellos in dichten Locken geringelt. Selbst der fließende Umhang sollte wahrscheinlich nur verbergen, wie spindeldürr er war. Bisher hatte Leia ihm seine offenkundige Sorge um sein Äußeres als Eitelkeit ausgelegt – jetzt erkannte sie, dass zumindest teilweise Verletzlichkeit dahintersteckte, ein Beleg dafür, dass Casterfo älter wirken wollte, als er es an Jahren war, und wohlhabender als sein Planet. Er wollte im Senat stehen und wirken, als gehöre er dazu.
Ihr Urteil über ihn milderte sich … bis er hinzufügte: „Außerdem: Wenn wir auch die Methoden dieser Soldaten nicht respektieren können, so sollten wir doch wenigstens ihren Traum ehren.“
„Ihren Traum?“
„Den Traum vom Imperium natürlich.“ Casterfo lächelte wie ein Mann, der an die besten Tage seiner Kindheit zurückdachte. „Wäre die Galaxis wirklich unter einem weisen, Ehrfurcht gebietenden Führer vereint worden, hätte ein solches Imperium zweifellos tausend Jahre währen und der Alten Republik gleichkommen können.“
Leia merkte, dass sie ihn offenen Mundes anstarrte. „Sie wünschten, das Imperium würde noch bestehen?“
„Nicht das Imperium, das wir hatten, unter der Führung eines so verderbten Mannes wie Palpatine. Das nicht. Aber wäre das Imperium vielleicht reformiert worden, zum Besseren gekehrt unter einer verantwortungsvolleren Führung …“
„Sie meinen, wenn die Rebellion besiegt worden wäre?“, schnappte Leia. Ihre Wut hatte einen Punkt jenseits aller Zurückhaltung erreicht. „Ich bedaure, dass wir Sie so enttäuscht haben, Senator Casterfo, indem wir kämpften und starben, um die Galaxis von einem großen Übel zu befreien.“
Sein Gesicht wurde rot. „Oh, verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich hätte nie gewollt, dass die Rebellion den Krieg verliert. Ich wünschte mir nur, der Krieg als solcher wäre nicht nötig gewesen.“
„Sie glauben, Palpatine war das einzige Problem, das das Imperium mit sich brachte? Dann sollten Sie das vielleicht nochmal überdenken. Diese Art von Machtgefüge war ein Nährboden für Korruption, von den höchsten Ebenen Coruscants bis hinunter zu den kleinsten Außenposten auf irgendwelchen Grenzwelten. Wenn die Leute an der Spitze sich für ihr Handeln nicht vor den Bewohnern der Galaxis verantworten müssen, dann führt das zwangsläufig zu Tyrannei.“
Casterfos jungenhafte Bestürzung war gewichen; an ihre Stelle trat Wut, so schlecht verhohlen wie Leias eigene. „Dann besteht die Lösung also darin, niemandem Macht zu übertragen? Um zu gewährleisten, dass diejenigen, die über Autorität verfügen, kein Übel anrichten können, sorgen wir dafür, dass sie auch nichts Gutes bewirken können?“
„Was hatte das Imperium Ihrer Meinung nach denn ‚Gutes‘ zu bieten?“
„Allem Anschein nach sehr wenig. Aber wäre die Alte Republik nicht selbst mit Mängeln behaftet gewesen, wäre Palpatine gar nicht erst an die Macht gelangt.“