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JAHRHUNDERTE VOR DER LEGENDÄREN SKYWALKER-SAGA BEGINNT HIER EIN GANZ NEUES ABENTEUER…. Diese neue Serie, die viele Jahre vor den uns bekannten Filmen spielt, erforscht eine bisher unbekannte Ära der Star Wars-Zeitlinie. Der siebzehnjährige Padawan Reath Silas wird aus der lebhaften Hauptstadt Coruscant in eine rückständige Grenzregion der Galaxis geschickt. Aber das Schiff, auf dem er reist, wird aus dem Hyperraum geschleudert. Er und seine Mitreisenden, darunter einige Jedi-Ritter, finden Zuflucht auf einer scheinbar verlassenen Raumstation.
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Seitenzahl: 507
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AUSSERDEM BEI PANINI ERHÄLTLICH
Star Wars: Die Hohe Republik – Die Bewährungsprobe
Justina Ireland – ISBN 978-3-8332-3944-1
Star Wars: Die Hohe Republik – In die Dunkelheit
Claudia Gray – ISBN 978-3-8332-3943-4
Star Wars: Der Funke des Widerstands
Justina Ireland – ISBN 978-3-8332-3825-3
Star Wars: Leia, Prinzessin von Alderaan
Claudia Gray – ISBN 978-3-8332-3569-6
Star Wars: Blutlinie
Claudia Gray – ISBN 978-3-8332-3354-8
Star Wars: Poe Dameron – Freier Fall
Alex Segura – ISBN 978-3-8332-3942-7
Star Wars: Bürde der Königin
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3941-0
Star Wars: Schatten der Königin
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3636-5
Star Wars: Ahsoka
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3450-7
Star Wars: Meistgesucht
Rae Carson – ISBN 978-3-8332-3637-2
Star Wars: Journey to Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers – Der Sammler
Kevin Shinick – ISBN 978-3-8332-3831-4
Star Wars: Galaxy’s Edge – Schicksalsschlag
Zoraida Córdova – ISBN 978-3-8332-3830-7
Nähere Infos und weitere Bände unter:
www.paninibooks.de
IN DIE DUNKELHEIT
ROMAN
Von Claudia Gray
Ins Deutsche übertragen von Tobias Toneguzzo & Andreas Kasprzak
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Titel der Amerikanischen Originalausgabe: „Star Wars: The High Republic – Into the Dark“ by Claudia Gray, published by Lucasfilm Press, an imprint of Buena Vista Books Inc., February 2021.
© & TM 2021 LUCASFILM LTD. All Rights Reserved.
Design by Soyoung Kim and Scott Piehl
Deutsche Ausgabe 2021 by Panini Verlags GmbH, Schloßstr. 76,
70176 Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.
Geschäftsführer: Hermann Paul
Head of Editorial: Jo Löffler
Head of Marketing: Holger Wiest (E-Mail: [email protected])
Presse & PR: Steffen Volkmer
Übersetzung: Andreas Kasprzak
Lektorat: Jürgen Zahn
Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart
Satz und E-Book: Greiner & Reichel, Köln
YDSWHR001E
ISBN 978-3-7367-9884-7
Gedruckte Ausgabe:
1. Auflage, März 2021, ISBN 978-3-8332-3943-4
Findet uns im Netz:
www.starwars.com
www.paninibooks.de
PaniniComicsDE
In der Galaxis herrscht Frieden unter der Regierung der glorreichen REPUBLIK und dem Schutz der edlen und weisen JEDI-RITTER.
Als Zeichen alles Guten entsendet die Republik die STARLIGHT-STATION in die Ferne des Äußeren Rands. Diese neue Raumstation soll allen als weithin sichtbarer Hoffnungsstrahl dienen.
Doch gerade als die Republik eine glanzvolle Zeit der Renaissance erlebt, erhebt sich ein Furcht einflößender neuer Feind. Nun müssen sich die Hüter von Frieden und Gerechtigkeit einer Gefahr stellen, die sie, die Galaxis und die Macht selbst bedroht …
PROLOG
„Ah, Piraten.“ Jora Malli schüttelte beinahe gutmütig den Kopf. „Die lernen es einfach nie.“
Die togrutanische Jedi-Meisterin saß neben ihrem Padawan in einem PI-R-Luftgleiter und raste zwischen den riesigen Gebäuden hindurch, die gut ein Drittel von Coruscant einnahmen, dicht hinter einem Piratenskiff. In den Jahrzehnten, seit die jüngste Bauphase auf dem Planeten begonnen hatte, waren Unmengen an wertvollen Erzen und Materialien hierhertransportiert worden – verlockende Beute für Piraten. Und bis vor ein paar Jahren war es nicht sonderlich schwer gewesen, eine Ladung zu stehlen und sich damit aus dem Staub zu machen. Sicher, Coruscant war der Mittelpunkt der Republik, und es verfügte über unzählige Sicherheitskräfte, aber auf diesem Planeten gab es alles im Überfluss – einschließlich der Möglichkeiten, unterzutauchen und seinen Verfolgern zu entwischen.
Doch nun wurde Coruscant mehr und mehr zu einer geordneten Welt – mehr noch, zu einer wichtigen Welt. Und sie beherbergte den größten Jedi-Tempel in der gesamten Galaxis – was bedeutete, dass Coruscant sicherer war als je zuvor. Jetzt wurde es Zeit, dass die Piraten das ebenfalls merkten.
Jora öffnete den Mund, um ihrem Padawan zu sagen, was sie fühlte – dass die Piraten steil nach oben wollten, um sie zu überraschen –, aber Reath lenkte den Speeder bereits über das Spinnennetz von Baupfeilern dem schillernden Himmel entgegen.
Seine Fähigkeiten in der Macht sind für einen Jedi nicht außergewöhnlich, dachte sie, während sie ihren jungen, menschlichen Schüler musterte. Der Wind wirbelte sein ohnehin zerzaustes dunkelbraunes Haar noch mehr durcheinander als üblich. Aber Reath arbeitet härter als die meisten Padawane, die ich kenne. Er hat meine Gedanken nicht durch seine natürlichen Fähigkeiten aufgeschnappt, sondern durch schiere Willensanstrengung – und er war dabei schneller, als ein Naturtalent es je sein könnte. Er wird es weit bringen – auf eine Weise, die er selbst vielleicht noch gar nicht begreift.
Ihr Luftgleiter stieg über dem unfertigen Gebäudeskelett in die Höhe, und einen Augenblick lang hatten Jora und Reath einen atemberaubenden Blick auf die schimmernden Türme von Coruscant. Viele von ihnen wurden von silbrigen Baugerüsten gekrönt, aber andere waren bereits fertiggestellt und erstrahlten in glänzender Pracht. Das Sonnenlicht, das durch die dunstigen Wolken am fahlblauen Himmel herabstrahlte, tauchte alles in Rosa- und Goldtöne. In Joras Augen war das Schönste an diesem Anblick jedoch der Jedi-Tempel, dessen fünf Türme am Horizont aufragten.
Dann tauchte vor ihnen das Piratenskiff aus dem Labyrinth unfertiger Gebäude auf. Dessen Pilot bemerkte seinen Fehler, aber es war zu spät. Reath feuerte, ohne zu zögern, das Schleppkabel ab, und die magnetische Klammer heftete sich an die Hülle des Skiffs.
In ruhigem Tonfall sagte Jora: „Du hast nicht zufällig im Kopf, wie leistungsstark der Antrieb so eines Skiffs ist, oder?“
„Nein, Meisterin Jora.“ Reath wirkte erst verwirrt, dann verzog er das Gesicht, als er begriff. „Oh nei…“
Das letzte Wort wurde abgeschnitten, als das Skiff sich in einem verzweifelten Manöver dem Boden entgegenstürzte. Der Antrieb des Luftgleiters war machtlos dagegen, und die Jedi wurden mit in die Tiefe gerissen.
Reath griff nach den Kontrollen, um das Kabel zu lösen, dann verharrte seine Hand aber, bereit, jederzeit den Knopf zu drücken. Er hatte bereits gespürt, was Jora vorhatte. Sie lächelte, während sie sich vorbereitete. Der heulende Wind ließ ihre gestreiften Kopftentakel hinter ihr herflattern, aber ihre Augen waren fest auf das Cockpit des Skiffs fixiert, auf die kaum erkennbare Silhouette des Piloten, der so verzweifelt versuchte, vor ihnen zu fliehen, dass er dabei ihrer aller Leben aufs Spiel setzte.
„Daraus wird nichts“, wisperte Jora, dann sprang sie.
Ihr Sprung trug sie von dem Luftgleiter zum Skiff hinüber, und ihre Stiefel donnerten hart gegen die Cockpitscheibe. Im selben Moment schaltete sie ihr Lichtschwert ein. Die blaue Klinge glitt erst durch die Luft und dann durch die Cockpitscheibe. Ein leichter Ruck verriet ihr, dass Reath das Kabel gelöst hatte. Perfektes Timing, dachte sie. Die Macht half ihr, das Gleichgewicht zu halten und auf dem Skiff stehen zu bleiben, obwohl es sich von einer Seite auf die andere neigte, um sie abzuschütteln. Reath hielt den Luftgleiter dicht hinter dem Skiff. Was als zufälliges Aufeinandertreffen begonnen hatte, war zu einer wilden Verfolgungsjagd geworden.
Jora zerschlug mit ihrer Faust den Rest der Cockpitscheibe und rollte sich ins Innere. Die Piraten waren so eingeschüchtert von ihrem Angriff – oder vielleicht eher von ihrem Lichtschwert –, dass keiner von ihnen auch nur versuchte, einen Blaster zu ziehen. Doch das Skiff raste noch immer in steilem Sturzflug der Oberfläche entgegen. In weniger als zwei Minuten würden sie in einem alles vernichtenden Aufprall sterben.
„Bitte zieht das Schiff wieder hoch“, sagte sie. „Und dann fliegt zur nächstbesten Andockstation, damit man euch festnehmen kann.“
Der rodianische Pilot zögerte. In diesem Sekundenbruchteil spürte sie Zorn in ihm. Aber brannte dieser Zorn heiß genug, dass er sein eigenes Leben und das seiner Kameraden opfern würde, nur um sie mit in den Tod zu reißen?
Vielleicht.
Jora machte eine Bewegung mit ihrer freien Hand, ein beiläufiger Wink. „Ihr wollt euch bei der nächsten Andockstation melden.“
„Wir wollen uns bei der nächsten Andockstation melden“, verkündeten die Piraten in perfektem Einklang, und der Pilot beendete den Sturzflug des Skiffs. Ein Blick über die Schulter zeigte Jora, dass Reath seinen Kurs hinter ihnen anpasste. Sein Grinsen strahlte so hell wie das Sonnenlicht.
Zu schade, dass er eine Weile nichts mehr zu lächeln haben wird, dachte Jora. Aber früher oder später muss ich es ihm sagen.
Eine Stunde konnte sie ihre Ankündigung noch hinauszögern. So lange dauerte es, die Piraten unter Arrest zu stellen, sie den entsprechenden Behörden zu übergeben und den PI-R-Luftgleiter auf Schäden zu untersuchen. Trotz der herausfordernden Verfolgungsjagd hatte der Flitzer in Reath’ fähigen Händen kaum einen Kratzer abbekommen.
Er selbst kam aber einfach nicht über den einen Fehler hinweg, der ihm unterlaufen war. „Ich werde gleich morgen anfangen, Antriebsdaten zu studieren“, versprach er, als sie die Station verließen und zwischen den unzähligen Ständen und Verkaufsbuden hindurchstapften, die hier einen dauerhaften Straßenmarkt formten. Eine Gruppe Bith – sie mussten den weiten Weg vom Äußeren Rand gekommen sein – schnatterte bei einer Runde Hafenbrecher vor sich hin, als die Jedi vorbeigingen. „Ich habe mir bereits eine Liste mit den gängigen Schiffsmodellen zurechtgelegt, auf die ich mich konzentrieren sollte. Falls Ihr einen Blick darauf werfen wollt …“
„Das ist im Moment nicht wichtig.“ Jora verschränkte die Hände hinter dem Rücken. „Wir sind jetzt schon seit einer ganzen Weile auf Coruscant, Reath. Du hast viel weniger von der Galaxis gesehen als die meisten anderen Padawane in deinem Alter.“
„Aber wir sind gereist“, entgegnete Reath. „Ich weiß, dass der Rest der Galaxis nicht wie Coruscant ist, und ich weiß, dass es mir hier am besten gefällt. Außerdem war mir klar, dass es so sein würde, als Ihr mich ausgewählt habt, Meisterin Jora. Nur wenige Padawane haben das Glück, von einem Mitglied des Jedi-Rates ausgebildet zu werden. Dass wir da nicht viel umherreisen können, ist nur logisch – und auch kein großes Opfer.“
Jora hatte nicht vor, das so stehen zu lassen. „Für dich ist es überhaupt kein Opfer. An manchen Tagen braucht man einen Traktorstrahl, um dich aus dem Archiv zu bekommen.“
Reath zog grinsend den Kopf ein. „Gut, das stimmt vielleicht. Aber das ist nur ein Grund mehr, warum wir so gut zusammenpassen.“
„Ich weiß. Aber jetzt ist es Zeit, dass wir beide unseren Horizont erweitern. Ich habe einen neuen Auftrag angenommen – einen, der uns weit von Coruscant fortführen wird, und zwar für mehrere Jahre. Wir werden an die galaktische Grenze reisen.“
Wie Jora erwartet hatte, bestand Reath’ erste Reaktion aus Entsetzen. Er stolperte fast über die Bordsteinkante vor einem Bilbringi-Essensstand. „Aber … der Rat …“
„Ich werde auf absehbare Zeit aus dem Rat zurücktreten“, erklärte sie. „Diese Mission ist wichtig genug, um ein langfristiges Engagement zu rechtfertigen, und ich habe mich freiwillig dafür gemeldet. Meine diplomatischen Fähigkeiten sollten dort voll zum Tragen kommen. Aber ich hätte diese Entscheidung nicht getroffen, würde ich nicht glauben, dass sie auch für dich von Nutzen sein wird.“
„Warum?“, platzte es aus Reath heraus. „Wie kann es mir helfen, Coruscant zu verlassen und … mitten ins Nirgendwo zu gehen …?“
„Es ist nicht das Nirgendwo“, korrigierte Jora. „Es ist ein Ort, wo Jedi einst ihr Leben geopfert haben, um die Einheimischen zu schützen. Ein Ort, der unseren Respekt und unsere Aufmerksamkeit verdient.“
„Natürlich. Ich wollte nicht beleidigend klingen.“ Sein Gesicht war blass geworden, weswegen die Sommersprossen auf seiner Nase und seinen Wangen noch deutlicher hervorstachen. Jora gefiel es, wenn Menschen ihre eigenen Gesichtsmarkierungen hatten. „Ich meinte nur, dass ich als Archivar gearbeitet habe und versuche, darin besser zu werden. Ich habe nicht den Eindruck, dass man an der Grenze Archivare braucht.“
Sie legte den Kopf auf die Seite. „Da wäre ich mir nicht so sicher. Außerdem möchte ich, dass du mehr wirst als nur ein Archivar, Reath.“ In sanfterem Tonfall fügte sie hinzu: „Du konzentrierst dich auf die Bereiche, in denen Anstrengung mehr zählt als Talent. Aber du hast mehr als genug Talent für jedes Ziel, das du dir setzt – und Anstrengung ist immer wichtig. Bei jeder Aufgabe, an jedem Ort.“
„Aber ist sie hier nicht wichtiger? Wo ich mehr bewirken kann?“
Jora schüttelte in gutmütigem Protest den Kopf. „Mein erster Padawan wollte immerzu Abenteuer. Und mein zweiter würde am liebsten einen großen Bogen um sie machen. Euch fehlte beiden dasselbe: Balance. Ihm habe ich geholfen, sie zu finden. Und dir werde ich auch helfen.“
(Oder zumindest hoffte sie, dass sie Dez geholfen hatte. Was sie so über seine Einsätze auf Zeitooine und Christophsis hörte, ließ bisweilen Zweifel in ihr aufkommen.)
Reath’ Gesichtsausdruck wirkte fast komisch, aber seine Enttäuschung kam aus tiefstem Herzen. Jora seufzte. Das war eines der Dinge, vor denen der Rat einen nicht warnte, wenn man zum Jedi-Meister gemacht wird: Eine harte Lektion zu erteilen, konnte manchmal mehr wehtun, als diese Lektion zu erhalten. Sie sagte: „Reath, warum kannst du den Kyberbogen nicht allein überqueren?“
Er schlug seine Stirn in Falten. „Muss ich denn?“
Jora antwortete nicht. Der Kyberbogen stand in einem der großen Meditationssäle des Tempels auf Coruscant. Jeder der darin eingesetzten Kyberkristalle stammte aus dem Lichtschwert eines gefallenen Jedi. So schön der Bogen auch aussah, wenn er im Licht schimmerte, war er doch ein Mahnmal für die Ordensmitglieder, die während der vergangenen Jahrtausende im Kampf für die Gerechtigkeit ihr Leben gelassen hatten. Die Säulen des Bogens waren dick, aber der Bogen, der sich darüber schwang, war extrem schmal – eine Repräsentation der Gefahren, denen die Gefallenen sich gestellt hatten.
Den Kyberbogen hochzuklettern und zu überqueren, war eine fortgeschrittene Meditationstechnik. Nur die wenigsten Jedi versuchten es – diejenigen, die sich von der Macht dazu aufgefordert fühlten. Genau darum ging es Jora. Solange Reath ihre Frage wörtlich nahm, würde er die Antwort nie finden.
Und er nahm sie weiterhin wörtlich. „Ich meine, ich könnte ihn bestimmt überqueren. Wir haben schon dünnere Seile und Balken überquert. Wollt Ihr, dass ich es versuche?“ Neue Hoffnung erhellte sein Gesicht. „Wenn ich es allein schaffe, können wir dann hierbleiben, anstatt zur Grenze zu fliegen?“
„Weder du noch irgendein anderer Jedi hat den Kyberbogen je allein überquert“, sagte Jora. „Und niemand wird ihn je allein überqueren. Wenn du den Grund dafür erkennst, wirst du auch verstehen, warum wir zur Grenze reisen.“
Reath seufzte. Seine Frustration war deutlich zu spüren, aber er beherrschte sich und fragte mit bewundernswert ruhiger Stimme: „Wohin reisen wir denn? Wohin genau, meine ich.“
Jora hob den Kopf und sah hinauf in den Himmel, als könnte sie jenseits des Sonnenuntergangs die Sterne sehen. „Zum Symbol der Republik im Äußeren Rand“, erklärte sie. „Zur Starlight-Station.“
1. KAPITEL
Reath Silas war im Begriff, den Jedi-Tempel auf Coruscant zu verlassen, um zu seiner neuen Mission an der Grenze aufzubrechen – und er hasste es.
„Jetzt mach nicht so ein Gesicht!“ Kym klopfte ihm so fest auf die Schulter, dass er fast den Inhalt seiner Tasse verschüttet hätte. Ihr Gesicht war ganz rot vor Aufregung. Sie schien die Abschiedsfeier, die man für ihn organisiert hatte, wirklich zu genießen. „Das wird ein großartiges Abenteuer!“
„Du sagst Abenteuer, aber das ist nur ein Euphemismus für einen Ort, wo es vor Ungeziefer nur so wimmelt“, brummte Reath. „Ich meine, ich weiß, dass Ungeziefer einen Platz in der Macht hat. Es sind Lebewesen und all das – aber das heißt nicht, dass ich sie in meinen Socken haben will.“
Kym lachte. Mehrere der Luftschlangen, die den Gemeinschaftsraum der Padawane schmückten, hatten sich um ihre Lethörner gewickelt. „Ist dir eigentlich klar, dass die Hälfte der Schüler alles dafür geben würde, um an der Grenze eingesetzt zu werden?“
In Reath’ Augen war „Grenze“ auch nur ein Euphemismus. Die eigentliche Bedeutung war „ein Ort mitten im Nirgendwo“. Aber er hatte keine Lust, noch länger mit Kym zu diskutieren. Es war schwer genug, so zu tun, als wäre er dankbar für die Abschiedsfeier, die seine Freunde auf die Beine gestellt hatten.
Halt, nein! Er war wirklich dankbar. Es war schön, zu wissen, dass andere einen schätzten und vermissten, wenn man fort war. Reath war nur nicht in der Stimmung für eine Feier. Alles, was er empfand, waren Melancholie und die absolute Gewissheit, dass er den besten Ort in der Galaxis gegen den schlimmsten eintauschen musste.
Coruscant war der Nabel der bekannten Galaxis, im sprichwörtlichen wie im buchstäblichen Sinne. Reath hatte sich stets glücklich geschätzt, dass man ihn in den hiesigen Tempel geschickt hatte. Er wusste, was für ein Privileg es war, hier aufzuwachsen und direkt von den Mitgliedern des Jedi-Rates zu lernen. Seine Glückssträhne hatte sich fortgesetzt, als er zu Jora Mallis Padawan wurde, schließlich gehörte sie zu den berühmtesten Jedi-Rittern dieses Zeitalters, und sie war selbst ein Mitglied des Rates. Dementsprechend hatte Reath während der letzten Jahre nicht an übermäßig vielen Missionen teilgenommen, dafür aber an umso bedeutenderen. Seine angeborenen Machtfähigkeiten mochten nicht die stärksten sein (dessen war er sich von Kindesbeinen an schmerzhaft bewusst geworden), aber er arbeitete hart, war vertrauenswürdig und übernahm Verantwortung. Die meisten Padawane sehnten sich immer noch nach mehr Unabhängigkeit, wenn sie zwanzig waren. Reath zählte erst siebzehn Jahre, und bereits jetzt vertraute seine Meisterin ihm Aufgaben an, die selbst für einen voll ausgebildeten Jedi eine Herausforderung gewesen wären – oder zumindest sagte sie das.
Aber das Wichtigste – und Beste – von allem war, dass er Zugang zum Jedi-Archiv hatte. Reath liebte Geschichten, und er liebte die Geschichte. Sich durch Aufzeichnungen zu graben, zu lernen, wie die Leute in vergangenen Äonen gedacht, gesprochen und gehandelt hatten … Während andere Padawane akrobatische Tricks übten oder sich mit Lichtschwertern duellierten, hatte er bis spätnachts über digitalen Texten gebrütet.
In gewisser Weise machte ihn das zu einem Außenseiter. Denn anstatt sich anzupassen, verbrachte er nur noch mehr Zeit mit seinen Büchern. Er verstand nicht, warum irgendjemand ihn für seltsam halten könnte. Wenn überhaupt, war es seltsam von den anderen, dass sie glaubten, jeder Jüngling müsste genauso sein wie sie. Wenn die Sucher die Galaxis nach machtempfänglichen Säuglingen durchstreiften, interessierte sie nur das Potenzial. Das Temperament war ihnen egal, und erst recht die persönlichen Vorlieben. Niemand fragte einen Jüngling: „Wärst du gerne ein heroischer, schwertschwingender Ritter? Oder möchtest du lieber zu Hause bleiben und lesen?“ Manchen Leuten war es einfach lieber, über Abenteuer zu lesen, anstatt sie zu erleben – und Reath war einer von ihnen. Das hieß nicht, dass er nicht mutig oder begabt war.
Bis vor Kurzem war Meisterin Jora sehr verständnisvoll gewesen, was das anging. Sie hatte immer gesagt, dass der Orden Akademiker ebenso brauche wie Abenteurer, und meistens gab es in der letzteren Kategorie viel zu viele Kandidaten und in der ersteren viel zu wenige. Sie hatte es erfrischend gefunden, dass Reath gegen den Strom schwamm. Und so hatten seine Aufgaben meistens stundenlange Recherche im Archiv beinhaltet. Die anderen Jedi auf Coruscant ließen für Reath sogar immer eine Lesenische frei, in dem stummen Einverständnis, dass dies sein Platz war.
Und dann, ganz ohne Vorwarnung, hatte Meisterin Jora diese Mission mitten im Nirgendwo angenommen.
Er hatte protestiert – respektvoll natürlich – und zum Ausdruck gebracht, was er von der ganzen Sache hielt. Nicht, dass es viel gebracht hatte. „Es wird dir guttun, dich neuen Herausforderungen zu stellen“, hatte Meisterin Jora mit einem Lächeln gesagt. „Deine Fähigkeiten auf andere Weise zu erproben.“
Aber Reath hatte seine Fähigkeiten bereits erprobt. Er hatte in allen Bereichen vollen Einsatz gezeigt, nicht nur bei den Dingen, die ihm zusagten. Und er hatte hervorragende Leistungen erbracht. Wer stand bei den Lichtschwertduellen in der Padawanklasse immer ganz oben auf der Rangliste, obwohl er nur ungern an den Duellen teilnahm? Reath Silas. Wer hatte all seine Prüfungen mit Auszeichnung bestanden, außer dieses eine Mal, als er todkrank gewesen war? Ebenfalls Reath. Wer war der erste Schüler seit Jahrzehnten, der vor seinem zwanzigsten Lebensjahr die Gatalenta-Meditationspraktiken gemeistert hatte?
Du lässt dich von deinem Stolz leiten, ermahnte er sich. Wer zu stolz ist, beweist nur, dass er keinen Grund hat, stolz zu sein.
Außerdem war es nicht so, als wäre das alles die Idee seiner Meisterin gewesen. Das hatte sie nach seinem Protest zugegeben. Meisterin Jora war von den anderen Ratsmitgliedern ausgewählt worden, die Jedi an diesem jüngsten Außenposten an der Grenze zu repräsentieren. Sie würde die Vertreterin des Ordens auf der Starlight sein. Sobald diese Station voll einsatzfähig war – was nicht mehr lang dauern sollte –, würde sie als Symbol der Einigkeit und Loyalität in diesem neuen Sektor der Republik fungieren. Jora hatte jede Ehre verdient, die ihr zuteilwurde, und jede Pflicht, die sie wählte. Und sie hatte nun einmal diese Pflicht gewählt. Tja, und wohin die Meisterin ging, dorthin musste der Schüler folgen.
Meisterin Jora war bereits vor zwei Wochen zur Starlight-Station aufgebrochen. Sie war allein vorausgereist, damit er seine Prüfungen in Historiografie ablegen konnte. Aber jetzt war er fertig. Seine Zeit auf Coruscant war vorbei.
(Er hatte überlegt, ob er absichtlich durchfallen sollte, aber das hatte er dann doch nicht übers Herz gebracht.)
Warum kann kein Jedi den Kyberbogen allein überqueren?, fragte er sich, wie schon so oft während der letzten Wochen. Er wollte für Meisterin Jora eine Antwort parat haben, wenn er die Starlight-Station erreichte. Während der Vorbereitungen auf die Prüfung hatte er nicht viel Zeit gehabt, über diese Frage zu meditieren. Aber danach war er zum Bogen gegangen, in der Hoffnung, so neue Einsichten zu gewinnen. Und was hatte er dort gesehen? Einen Jedi, der ganz allein und ohne sichtliche Schwierigkeiten über den Bogen balancierte. Doch Meisterin Jora davon zu erzählen, würde ihn sicher nicht weiterbringen.
Er hatte eine Mission. Und jetzt wurde es Zeit, sich darauf zu konzentrieren.
Reath wandte sich an Kym. „Ich sollte mich nicht über diese Mission beschweren oder über irgendeine andere.“
Kym schaffte es, gleichzeitig mit den Schultern zu zucken und zur Musik zu tanzen. „Hey, dir muss nicht jede Mission gleich gut gefallen. Deswegen nennt man sie ja auch Missionen und nicht Freiwilligenveranstaltungen.“
„Ich werde an die Sache rangehen, als wäre es eine Prüfung.“ Reath sprach inzwischen mehr zu sich selbst als zu Kym. „Ein Jedi zu sein, ist eine Berufung. Wir sind mit diesen Fähigkeiten gesegnet – diesen Gaben. Darum haben wir die Pflicht, sie zum Wohl allen Lebens einzusetzen. Das gilt für das Leben an der Grenze genauso wie für das Leben hier auf Coruscant.“
Auch wenn es sich nicht so anfühlte.
Kym verdrehte die Augen. „Danke für den Vortrag, Meister Yoda. Jetzt hör endlich auf zu schmollen und amüsier dich etwas.“
Reath versuchte es. Es war schön, sich von allen verabschieden zu können, die nicht mit an den Äußeren Rand kommen würden. Eine Handvoll Schüler war bereits aufgebrochen. Reath freute sich schon jetzt, Imri wiederzusehen. Und Vernestra hatte es irgendwie geschafft, bereits zur Ritterin geschlagen zu werden, was fantastisch war, weil es bedeutete, dass sie sie mit der neuen Umgebung vertraut machen konnte.
Die Amateurband, die aus einigen der Schüler bestand, hatte ausnahmsweise mal geprobt, und dementsprechend klang sie ziemlich gut. Reath lächelte, tanzte und nippte an Getränken, die zwar nicht wirklich verboten waren, aber auch nicht gern in den Händen eines Padawan gesehen wurden – erst recht nicht bei einem so jungen Padawan, wie er es war. Aber wie hatte seine Meisterin gesagt: Ein klein wenig Genuss ist nicht zwangsläufig etwas Schlechtes. Und ebenso wenig war eine kleine Feier etwas Schlechtes – solange sie Leute in Eintracht und Harmonie zusammenbrachte.
Trotzdem wanderte sein Blick immer wieder zum großen Aussichtsfenster des Raumes. Jenseits der transparenten Fläche konnte er das pulsierende Leben von Coruscant sehen: Schiffe und Speeder, die in unterschiedlichen Höhen und Winkeln vorbeisausten, die Türme der Wolkenkratzer, Fußgängertunnel, so zahlreich, dass sie sich wie die Fäden eines Spinnennetzes überkreuzten. Solange er denken konnte, hatte Reath diese dynamische Energie geliebt – das Gefühl, dass die Galaxis ein energisch pochendes Herz hatte und dass er ihren Puls jeden Tag um sich herum spüren konnte.
„Wende die Augen nach innen, mein Padawan.“ Das waren Meisterin Joras Worte gewesen, als er versucht hatte, sich ihr mitzuteilen. „Du zögerst nur, von hier wegzugehen, weil es das einzige Zuhause ist, das du bislang gekannt hast.“
Das war nicht die ganze Wahrheit – aber es war definitiv ein Grund. Auch wenn er nur zweitrangig sein mochte. Doch dieses Wissen änderte nichts. Reath wollte trotzdem hierbleiben. Er wollte nicht fortgehen.
Sein Chrono piepste, und seine Schultern sackten nach unten. Es war Zeit, die Party zu verlassen. Und das Archiv. Und den Tempel. Und den Planeten. Und mehr oder weniger auch die Zivilisation.
Seine Freunde verabschiedeten sich herzlich von ihm – so herzlich, dass Reath zu spät zum Raumhafen kam, nachdem es ihm endlich gelungen war, sich von ihnen loszureißen. Als er mit der Tasche auf dem Rücken in die Andockbucht stürmte, blieben ihm nur noch wenige Minuten bis zum angesetzten Abflug. Doch er konnte weder andere Jedi entdecken noch das Schiff selbst.
Hatte man ihm die falsche Docknummer gegeben? Reath tippte bereits hektisch auf seinem Kommunikator herum, als plötzlich eine vertraute Stimme hinter ihm ertönte. „Ich hatte gehofft, dass ich dich hier treffen würde.“
Er drehte sich um und sah einen jungen Jedi-Ritter auf sich zukommen. Dez Rydan trug seine Reisekleidung und ebenfalls eine Tasche über der Schulter. Es sah nicht so aus, als wäre er zum Raumhafen gekommen, um sich von Reath zu verabschieden. „Dez? Was macht Ihr denn hier?“
Dez grinste. „Sieht aus, als würden wir mit demselben Transporter zur Grenze fliegen.“
„Ich wusste gar nicht, dass man Euch auch dorthin versetzt hat“, sagte Reath. Ein junger Ritter, der so große Taten vollbracht hatte wie Dez, sollte sich eigentlich selbst aussuchen können, wohin er ging.
„Es wurde auch gerade erst entschieden.“ Dez zog die Schultern hoch. „Andererseits hatte ich auch erst vor ein paar Tagen meinen Antrag gestellt. Ein Glück, dass er noch rechtzeitig bestätigt wurde, nicht wahr?“
Reath nickte, was leichter und taktvoller war, als zu fragen: Warum sollte irgendjemand – und erst recht Dez Rydan – freiwillig die bekannte Galaxis verlassen, um irgendwo in der hintersten Provinz im Schlamm herumzustapfen?
Vermutlich hatte es mit Meisterin Joras Bemerkung darüber zu tun, dass ihr zweiter Padawan am liebsten einen Bogen um Abenteuer machte, während ihr erster gar nicht genug davon bekommen konnte.
Dez war Meisterin Joras Schüler gewesen, bevor sie sich Reath’ angenommen hatte. Nicht selten freundeten sich junge Ritter mit den neuen Schützlingen ihrer alten Lehrmeister an. Reath würde seine Beziehung zu Dez zwar nicht gerade als enge Freundschaft bezeichnen, aber das lag vor allem daran, dass Dez ständig auf irgendwelchen Missionen durch die Galaxis reiste. Auf jeden Fall kamen sie ganz gut miteinander aus, und sie hatten auch schon öfter gemeinsam mit dem Lichtschwert trainiert – was einige der anderen Padawane, die Dez zu ihrem Vorbild auserkoren hatten, ziemlich neidisch gemacht hatte.
Trotz seiner eher akademischen Vorlieben bewunderte Reath Dez genauso wie die anderen. Er war gut aussehend, hochgewachsen, hatte goldene Haut, dichtes schwarzes Haar und eine einnehmende Persönlichkeit. Obwohl er erst vor acht Jahren in den Ritterstand aufgestiegen war, hatte er sich bereits als Diplomat und als Kämpfer einen Namen gemacht.
„Wo ist der Transporter?“, fragte Reath. Seine Wangen glühten noch immer von den Getränken, an denen er genippt hatte, und er hoffte, dass Dez es nicht bemerken würde. (Es war nicht so, als hätte er Angst vor einer Standpauke. Reath wusste, dass Meisterin Jora Dez einmal bei einer kleinen Party erwischt hatte, bei der deutlich stärkere Getränke herumgereicht worden waren. Er wusste aber auch, dass Jora ihm diesen Zwischenfall vorgehalten hatte, bis er die Prüfungen zum Jedi-Ritter bestanden hatte.)
Falls Dez auffiel, dass er ein wenig angeheitert war, so wollte er es zumindest nicht thematisieren. „Unser Transporter hat einen durchgebrannten Subgenerator“, erklärte er. „Offenbar lässt sich da auf die Schnelle nichts machen. Es hieß, sie würden ein Ersatzschiff für uns organisieren, aber der Ersatz scheint sich zu verspäten.“
„Was, wenn er gar nicht kommt?“, fragte Reath, halb in der Hoffnung, dass Dez antworten würde: Dann bekommst du einen neuen Auftrag und kannst noch mal ganz von vorne anfangen!
Der junge Jedi zuckte mit den Schultern. „Dann suchen wir uns ein anderes Schiff. Ich bin sicher, in ein oder zwei Tagen wird jemand in unsere Richtung fliegen.“
„Ein oder zwei Tage? Ohne mich.“ Orla Jareni verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen einen Stützträger neben ihr. Sie war wie aus dem Nichts aufgetaucht, eine schillernde Fata Morgana in der grauen Eintönigkeit des Raumhafens. Während Reath und Dez in der standardmäßigen Reisekleidung eines Jedi steckten, hatte Orla sich in schneeweiße Roben gewandet, wie nur sie sie tragen würde. „Ich bin sicher, es gibt mindestens einen Captain in diesem Raumhafen, der dringend genug Geld braucht, um uns falls nötig direkt in den Schlund zu fliegen.“
Reath kannte Orla Jareni nicht besonders gut, aber er kannte ihren Ruf. Sie hatte sich vor Kurzem zur Wegsuchenden erklärt – einer Jedi, die unabhängig von den Geboten des Jedi-Rates agierte. Hin und wieder fanden sich Jedi in einer Situation wieder, in der sie es für nötig hielten, eine gewisse Zeit eigenmächtig zu handeln, sei es nun beim Meditieren auf einem Berg, beim Kampf gegen die Tyrannei auf einer unterjochten Welt oder, wie in einem legendären Fall, auf Alderaan, um zu einem berühmten Sänger zu werden. All diese Pfade konnten zu einem tieferen Verständnis der Macht führen, wie Reath gehört hatte. Er selbst hielt aber nicht wirklich viel davon. Doch wenn der Jedi-Rat Orlas Entscheidung akzeptierte, würde er es auch tun. Und offenbar glaubte sie, dass ihr Weg sie zur galaktischen Grenze führen würde.
Ihr Erscheinungsbild war ebenso individuell wie ihre Entscheidungen. Sie war eine Umbaranerin mit der kreidebleichen Haut und den hohen Wangenknochen, die typisch für ihre Spezies waren. Die weißen Roben waren so makellos, dass ihre Haut im Vergleich dazu beinahe schon dunkel wirkte, während ihr Haar, das sie zu einem Knoten nach hinten gebunden hatte, nur eine Nuance heller war als das tiefste Schwarz des Weltalls. Alles an ihr war kantig, von ihrem Doppelklingenlichtschwert bis hin zu ihrem wissenden Lächeln.
Und im Augenblick schien Reath der Grund für dieses Lächeln zu sein. Sie hatte ihn dabei erwischt, wie er sie anstarrte. Hastig zog er den Kopf ein und hoffte, dass seine Wangen nicht noch röter werden würden.
„Da wäre ich mir nicht so sicher“, sagte Meister Cohmac Vitus, als er sich zu der wartenden Gruppe gesellte. Die tiefe, volltönende Stimme, die unter der Kapuze seiner goldenen Robe hervordrang, ließ jedes Wort wie den Urteilsspruch eines Richters klingen. „Handelsschiffe fliegen nicht in die Richtung der Starlight-Station – zumindest noch nicht.“
Reath kannte Meister Cohmac nur oberflächlich, aber er fand ihn faszinierend, denn der Mensch war im Tempel als Gelehrter und als Mystiker bekannt. Zitate von ihm fanden sich in jedem dritten Buch, das Reath las, und er beschäftigte sich mit den unterschiedlichsten Themen, von alten Machtritualen bis hin zu Verhandlungstechniken für Geiselnahmen. Doch nichts von alledem konnte die Aura des Mysteriösen erklären, die ihn umgab. Für einen männlichen Menschen oder Humanoiden war Meister Cohmac von durchschnittlicher Größe, aber sein sehniger, kantiger Körperbau ließ ihn größer erscheinen. Sein dichtes schwarzes Haar hing ihm fast bis auf die Schultern, aber das machte seine Erscheinung nur noch würdevoller.
Bis vor Kurzem hatte Reath Meister Cohmac regelmäßig im Archiv gesehen. Sie hatten viele Stunden in nahe beieinanderliegenden Lesenischen verbracht und Holocron um Holocron studiert. Was die Frage nahelegte, warum Meister Cohmac einen Posten an der galaktischen Grenze annehmen würde? Dann wurde es Reath schlagartig klar: Oh, natürlich, er ist ja auch ein Volkskundler. Sicher will er die Geschichte und die Legenden der einheimischen Spezies erforschen.
Er fragte sich, ob Meister Cohmac sich der Gefahren einer solchen Mission bewusst war. Es war im ganzen Tempel bekannt, dass er unglaublich sensibel auf die Strömungen der Macht reagierte, und an einem so wilden Ort wie der Grenze würde er sicher Einflüssen ausgesetzt sein, die sich keiner von ihnen vorstellen konnte.
Erst jetzt bemerkte Reath, dass Orla Jareni zu Cohmac Vitus hinüberging. Sie sahen sich direkt an, und ein schwaches Lächeln lag auf ihren Gesichtern. „Na so was“, sagte Orla. „Hattet Ihr nicht geschworen, dass Ihr diesen Teil der Galaxis nie wieder betreten würdet, oder habe ich mich da verhört?“
„Es ist unwichtig, wie weit wir rennen oder in welche Richtung“, erwiderte Meister Cohmac. „Letztlich zieht es uns immer an den Punkt zurück, an dem unsere Reise begonnen hat.“
Orla nickte langsam. „Ja. Für mich ist es ebenfalls Zeit, den Kreis zu schließen.“
Was meinte sie damit? Reath und Dez tauschten einen Blick, der verriet, dass sie beide neugierig waren, aber auch unwillig, sich in die Privatsphäre der anderen einzumischen.
Einen Moment später wurde Reath’ Aufmerksamkeit – genau wie die der anderen – von einem Schiff abgelenkt, das dicht über dem Boden in die Andockbucht flog und dann an der Stelle landete, wo eigentlich ihr Transporter hätte stehen sollen. Es war ein ungewöhnliches Schiff, zumindest in Reath’ Augen: Die Hülle war dunkelblau lackiert, und das Cockpit und die Antriebe waren so stark abgerundet, dass sie beinahe eiförmig wirkten. Es handelte sich entweder um einen sehr alten Bautyp, oder das Schiff war von einer Spezies gebaut worden, die nichts von den technologischen Trends im galaktischen Kern hielt – und keine dieser Optionen behagte Reath. Die Jedi schauten sich verwirrt an, als das Schiff auf dem Landefeld aufsetzte.
„Es sieht mehr wie ein Frachter als ein Passagierschiff aus“, bemerkte Meister Cohmac.
„Wen kümmert’s, solange es einen Hyperantrieb hat?“, grinste Dez. Der Luftstoß des landenden Schiffes zerrte an seinem Haar und seiner Robe.
Reath zog die Brauen zusammen. „Falls es einen hat.“
Kaum dass das Schiff mit einem metallischen Schaben auf der Plattform zum Stillstand gekommen war, wurde auch schon die Luke geöffnet, und es erschien eine junge Frau. Sie war vielleicht so alt wie Reath, maximal ein oder zwei Jahre älter, und sie hatte gebräunte Haut und langes braunes Haar, das ungezähmt über ihre Schultern fiel. Sie trug einen typisch schmucklosen Pilotenoverall, der aber untypisch knitter- und fleckenfrei war, so als hätte man ihn frisch gewaschen und gebügelt. Er erstrahlte in demselben Dunkelblau wie das Schiff selbst, und auf dem Ärmel war ein sternförmiges, dunkelorangenes Wappen aufgenäht. Die Frau stemmte die Hände in die Hüften und betrachtete die kleine Gruppe vor ihr, als wäre sie enttäuscht. „Seid ihr die Passagiere, die zur Starlight wollen? Ich dachte, ich würde einen Haufen Mönche oder so abholen, aber ihr … seht ja fast normal aus.“
„Wir sind Ihre Passagiere, und auf gewisse Weise könnte man uns tatsächlich Mönche nennen“, sagte Meister Cohmac ohne eine Spur von Überraschung. „Sind Sie die Pilotin?“
Die Frau grinste und deutete mit dem Daumen über die Schulter. „Natürlich nicht. Ich bin die Co-Pilotin. Affie Hollow. Das ist der Pilot.“
Eine jugendliche Co-Pilotin weckte Zweifel in Reath, aber als er in die Richtung sah, in die sie deutete, wurden all diese Zweifel zerstreut, verdrängt von viel wichtigeren Fragen wie zum Beispiel: Trägt dieser Kerl sein Hemd wirklich bis zum Bauchnabel offen? Hat er wirklich die Arme ausgebreitet, als wollte er uns alle umarmen? Will er uns vielleicht tatsächlich umarmen? Ist der Kerl auf Spice?
Nein, falsche Frage. Wie viel Spice hatte der Kerl intus?
„Meine lieben Kinder“, sagte der Pilot mit melodiöser Stimme und einem breiten Grinsen. „Ich bin Leox Gyasi, und ich heiße euch herzlich an Bord meines Schiffes willkommen.“
Einen Moment lang herrschte Schweigen, und Reath fühlte sich etwas besser. Offenbar waren sich nicht einmal die erfahrenen Jedi sicher, wie sie auf diesen Kerl reagieren sollten. Schließlich trat Dez mit seinem typischen Charme nach vorne. „Dez Rydan. Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen. Wie heißt Ihr Schiff denn?“
Leox und Affie wechselten einen verstohlenen Blick, wie zwei Kinder, die sich vor einem Streich abstimmen wollen. „Das sagte ich bereits“, erklärte Leox dann. Er war ein hochgewachsener, braun gebrannter, schlaksiger Mensch, und sein welliges dunkelblondes Haar sah aus, als hätte es schon seit Längerem keinen Kontakt mehr mit einem Kamm gehabt. Falls überhaupt jemals. „Unser Schiff heißt … Schiff. Die meisten Namen sind Schall und Rauch, also habe ich einen gewählt, der mich daran erinnert, hinter die Fassade zu schauen. Versteht ihr?“
Er klingt wie Meister Yoda auf Spice, dachte Reath. Das war entweder ein gutes Zeichen – oder aber ein sehr, sehr schlechtes.
„Gefällt mir“, sagte Orla, dem Klang ihrer Stimme nach mit echtem Enthusiasmus. „Könnten wir uns jetzt unsere Kabinen ansehen?“
Affie verzog das Gesicht und erklärte: „Was das angeht … Nun, das Schiff ist eigentlich mehr ein Frachter …“ Meister Cohmac warf Dez einen Blick zu, der sagte: Zu früh gefreut! „… aber wir können ein paar Klappbetten und Trennwände für euch aufstellen.“ Affies schmales Gesicht hellte sich wieder auf. „Nur weil wir in letzter Minute eingesprungen sind, heißt das nicht, dass wir euch nicht einen gewissen Komfort bieten können.“
Leox ergriff wieder das Wort: „Zumindest wenn wir die Definition von Komfort ein wenig weiter fassen.“
Orla war die Erste, die zur Rampe ging. „Wir sind Jedi, Mister Gyasi. Wir müssen nicht verhätschelt werden.“
Affie zog die Nase kraus. „Dann sind die Jedi also Mönche?“
Das ließ Reath innehalten. Wenn die beiden nicht wussten, was die Jedi sind, dann konnte das nur bedeuten … „Sie stammen von dort draußen, richtig? Von der Grenze?“
„Für uns ist es nicht die Grenze, Junge.“ Leox winkte sie durch, als sie hinter Orla an Bord des Schiffes stiegen. „Für uns ist es die Heimat. Aber wenn du meinst, dass wir nicht an diesen Teil der Galaxis gewöhnt sind, dann ja, das stimmt. Wir waren noch nie im Kern. Noch nicht mal ansatzweise in der Nähe des Kerns.“
„Die Byne-Gilde kontrolliert den Frachtverkehr in unserem Sektor.“ Affie klang stolz, als sie das sagte. „Und das hier ist eines der Schiffe der Byne-Gilde – eines der kleineren, um ehrlich zu sein. Trotzdem hat Scover Byne uns für die allererste Mission nach Coruscant ausgewählt.“
Reath war jetzt ein wenig verlegen – es war taktlos gewesen, die Heimat dieser beiden als die „Grenze“ zu bezeichnen –, und er wollte das Gespräch schnellstmöglich in eine andere Richtung lenken. Wäre dies nicht der perfekte Zeitpunkt, um mehr über Leox, Affie und ihr Schiff zu erfahren? Oder darüber, warum ausgerechnet ihnen diese besondere Ehre zuteilgeworden war? Oder er könnte ihnen erklären, was es mit dem Jedi-Tempel auf sich hatte. Wenn sie noch nie davon gehört hatten …
Doch bevor er auch nur den Mund öffnen konnte, hielten Leox und Affie die kleine Gruppe am Eingang des Cockpits zurück. „Und das hier“, verkündete Leox mit einem Grinsen, „ist unser Navigator, Geode.“
In der Ecke des Cockpits stand ein Fels.
Er war ungefähr so groß und breit wie Reath, dunkelgrau, mit abgerundeten Kanten und einer graphitartigen, schuppigen Oberfläche. Ziemlich beeindruckend – für einen Stein. Oder war er mehr als nur das? Reath zog die Brauen zusammen, unsicher, ob es sich nur um einen bizarren Scherz handelte.
„Er ist ein Vintianer. Von Vint.“ Leox legte den Arm um die „Schultern“ des Steinbrockens, als wären sie beste Freunde. „Geode ist übrigens nur sein Spitzname. Seinen eigentlichen Namen kann man nicht richtig aussprechen, wenn man einen Mund hat.“
Reath versuchte immer noch, die Situation zu verarbeiten. Sein einziger Trost bestand darin, dass Dez und Meister Cohmac genauso verwirrt dreinblickten, wie er sich fühlte. Orla Jareni hingegen hatte wieder dieses wissende Lächeln aufgesetzt.
„Geode, hm?“, sagte sie. „Freut mich, dich kennenzulernen.“
Affie tätschelte die Seite des Steins. „Er ist am Anfang immer ein bisschen schüchtern, aber wartet nur ab, bis er euch besser kennt.“
Leox lachte und führte sie vom Cockpit in den hinteren Teil des Schiffes. „Ja, wartet nur ab. Aber nicht, dass ihr jetzt einen falschen Eindruck bekommt. Geode mag zwar ein wilder Kerl sein, aber wenn es darum geht, das Schiff zu steuern, ist er absolut professionell.“
„Wie ein Fels in der Brandung“, warf Orla mit hochgezogener Braue ein. „Na schön. Dann sehen wir uns doch mal unsere Schlafplätze an.“
„Na ja, wir müssen die Betten erst aufstellen, bevor ihr sie euch ansehen könnt“, erwiderte Affie verlegen. „Aber wenn ihr mithelft, geht es bestimmt schneller.“
Na wunderbar, dachte Reath, während er den anderen folgte. Nicht nur dass ich ans Ende der Galaxis reisen muss, der Navigator, der mich dorthin bringen soll, ist auch noch ein Steinblock.
Manchmal hatte die Macht schon einen seltsamen Sinn für Humor.
Eine halbe Stunde später waren ihre behelfsmäßigen Schlafplätze im Frachtraum aufgebaut und verteilt, und die Passagiere und die Besatzung schnallten sich für den Start fest. Von Reath’ Platz aus konnte er nur einen kleinen Teil der Cockpitscheibe sehen, eingerahmt von Instrumententafeln auf der einen Seite und Geodes (noch immer regloser) Silhouette auf der anderen. Und selbst um diesen kleinen Teil zu sehen, musste er sich vorbeugen und den Hals recken. Trotzdem wollte er es sich nicht nehmen lassen, einen letzten Blick auf Coruscant zu werfen. Wer konnte schon sagen, wann er hierher zurückkehren würde. In ein paar Monaten? In einem Jahr? Reath war nicht bereit, sich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen, dass sein Aufenthalt an der Grenze noch länger dauern könnte.
Zuhause, dachte er. Das Wort durchbohrte ihn wie ein Pfeil. Man brachte den Jedi bei, ihre Tempel nicht als ihr Zuhause zu betrachten, ebenso wenig wie die Planeten, auf denen sie geboren worden waren. Aber kein denkendes Wesen konnte sich je ganz von dem Wunsch nach einer Heimat befreien. Und Reath wollte sich auch gar nicht davon befreien. Er wollte Coruscant so im Gedächtnis behalten, wie es jetzt vor ihm lag: schillernd, prachtvoll, himmelhoch.
Widersetzt du dich deinen Pflichten, mein Padawan?, hallte Meisterin Joras Stimme aus seinem Gedächtnis, amüsiert, aber gleichzeitig auch kritisch. Das ist eines Jedi aber nicht würdig.
Ich will meine Pflicht tun, erwiderte Reath im Geiste, viel klarer und entschlossener als in dem Moment, als Jora ihm tatsächlich diese Frage gestellt hatte. Aber ich glaube, dass meine Pflichten hier liegen – auf Coruscant, im Archiv.
Doch dann erinnerte er sich daran, dass es vielleicht nicht die Macht war, wenn ihn etwas aufforderte, jegliche Veränderung in seinem Leben abzulehnen.
Vielleicht aber doch.
Reath beugte sich auf seinem Sitz nach vorne, während seine Instinkte ihm zuriefen, dass diese Reise eine ganz üble Idee war. Mit diesem Gefühl schien er allerdings allein zu sein: Die drei anderen Jedi wirkten ruhig, fast schon fröhlich. Er beneidete sie um ihre Selbstsicherheit, ihre unerschütterliche Verbindung mit der Macht.
Wenn ich meine Prüfungen abgelegt habe, dachte Reath, werde ich auch so sein wie sie. Beherrscht und selbstsicher. Pflichtbewusst. Völlig frei von Zweifeln und Konflikten.
Orla Jareni verschränkte die Hände vor den gepolsterten Riemen ihrer Sicherheitsgurte. Das Schiff bot deutlich weniger Komfort als die Transporter, mit denen sie normalerweise flog, aber genau das hatte sie sich von der Mission an der galaktischen Grenze erhofft – etwas Einfaches, Direktes, Unmittelbares. Dass sie bereits beim Aufbruch von ihrer Heimat einen ersten Vorgeschmack darauf bekam, gefiel ihr. Gerne hätte sie darin ein gutes Omen gesehen, aber sie wusste, dass es ein Fehler war, Hoffnungen oder Ängste durch Vorzeichen bestätigen zu wollen. Echte Omen offenbarten sich von allein, und wenn man sie sah, gab es auch keinen Zweifel an ihrer Natur.
Bislang hatte sie noch keine Zeichen entdeckt, die bewiesen, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Sollte ich doch umkehren?, fragte sie sich verwundert. Der Rat würde es mir nicht verübeln. Wenn ich ihnen mitteile, dass ich mich geirrt habe, dann …
Dann würdest du deine Instinkte verraten. Lass es wenigstens auf einen Versuch ankommen. Geh dorthin zurück, wo alles begonnen hat. Erst dann wirst du wissen, ob es die richtige Entscheidung war.
Oder nicht.
Die Kapuze eines Mantels konnte viele Aufgaben erfüllen: Sie konnte wärmen, tarnen, Lärm ausblenden und so weiter. Jetzt gerade diente sie Cohmac Vitus als Schild. Er war nämlich ganz darauf konzentriert, seine Emotionen zu beherrschen, da wollte er sich keine Sorgen machen, ob irgendein verräterischer Ausdruck über sein Gesicht huschte. Und es war wichtig, dass er den Aufruhr in seinem Inneren beschwichtigte. Erst dann konnte er sich auf seine Pflichten an der Grenze konzentrieren.
Es hatte sich richtig angefühlt, diese Mission freiwillig anzutreten. Zum einen, weil es eine wichtige Aufgabe war, zum anderen aber auch, weil Cohmac an den Ort zurückkehren konnte, wo er – zumindest seiner eigenen Ansicht nach – von einem Schüler zum Jedi gereift war. Nach der Eiram-E’ronoh-Krise waren die Prüfungen im Tempel nur noch reine Formsache gewesen.
Doch wann immer Cohmac an diese Ereignisse zurückdachte, hatte er mit Emotionen zu kämpfen, die kein Jedi empfinden sollte.
Wenn du zurückgehst, kannst du deinen Frieden damit machen, sagte er sich. Dann kannst du dich endlich und endgültig von diesen Emotionen trennen.
Auf Coruscant war er noch von diesem Gedanken überzeugt gewesen.
Aber jetzt kamen ihm Zweifel.
Dez Rydan streckte seine langen Beine aus, überkreuzte sie an den Knöcheln und lehnte sich so weit auf seinem Notsitz zurück, dass er vielleicht ein wenig dösen konnte, sobald sie in den Hyperraum gesprungen waren. Er hatte erwartet, dass der Abflug ihn mit Zweifeln erfüllen würde, aber das Gegenteil war der Fall. Er fühlte sich geradezu bestärkt. Eine Entscheidung zu treffen, konnte manchmal genauso viel bewirken wie direktes Handeln. Ein Ziel zu haben, schärft jede Bewegung, klärt jeden Gedanken.
Meisterin Jora würde ihn zweifelsohne ermahnen, vorsichtiger zu sein. Dass sein Hunger nach Abenteuer andere Gelüste in ihm wecken könnte, die sich nicht mit der Rolle eines Jedi vereinbaren ließen.
Aber nachdem er seine Mission auf Zeitooine so abrupt abgebrochen hatte … Nach all den Fragen, die gestellt worden waren – und denen garantiert noch viele mehr folgen würden …
Du hast getan, was du tun musstest, dachte er. Wärst du länger geblieben, wäre deine Frustration in Wut umgeschlagen. Du hast lange genug an dir gezweifelt.
Und zumindest momentan waren seine Zweifel verflogen. Natürlich musste sich erst noch zeigen, ob er sie langfristig hinter sich lassen konnte.
Vorne im Cockpit nickte Leox, als die Koordinaten auf seinem Schirm erschienen. Die Kette mit Meditationsperlen, die über den Hebel für die Landefüße drapiert war, schaukelte leise klackend hin und her, als Affie die Schiff aus dem Raumhafen in den hektischen Luftraum über Coruscant steuerte. „Gut gemacht, Geode“, sagte Leox. „Ich kann es kaum erwarten, diesen verrückten Planeten wieder zu verlassen. Hier ist alles so zugebaut und hektisch. Wir sind im Freien, und trotzdem fühlt es sich an, als wären wir drinnen.“
„Ich war auch nicht wirklich beeindruckt“, merkte Affie an. „Wir haben zwar nicht viel gesehen, aber trotzdem. Scover hatte uns den Eindruck vermittelt, als wäre das hier der großartigste Ort der Galaxis.“
„Na ja, groß ist er ja.“ Leox nickte zur Oberfläche des Planeten hinab, die sich unter ihnen rasch verkleinerte. „Aber es fehlt dem Ganzen an Charme, wenn du mich fragst.“
Affie konnte ihre Enttäuschung nicht unterdrücken. Sie hatte gehofft, tiefere Einsichten oder Erkenntnisse zu gewinnen, damit sie bei ihrer Rückkehr beweisen konnte, dass sie diesen historischen Auftrag verdient hatten. Dass Scover Byne einen triftigen Grund gehabt hatte, sie als erste Gildenmitglieder überhaupt zum Galaktischen Kern zu schicken. Etwas Bedeutsames oder Fantastisches musste es doch an Coruscant geben. Andernfalls wäre es wohl kaum die wichtigste der Kernwelten, oder? Aber was immer es war, Affie hatte es nicht entdeckt. Vielleicht waren ja zumindest ihre Passagiere interessant. Dann könnte sie Scover zumindest von diesem „Jedi“-Kram erzählen.
Ich wollte dich wirklich stolz machen, dachte sie im Stillen, an ihre Ziehmutter und die Besitzerin der Gilde gewandt.
Die Atmosphäre wurde dünner, der Himmel dunkler. Dann ließ die Schiff Coruscant hinter sich und raste ins All hinaus. Leox griff nach dem Regler für den Hyperantrieb und sagte: „Verschwinden wir aus dieser sogenannten Zivilisation.“
Mit diesen Worten sprangen sie in den Hyperraum, fort vom Galaktischen Kern, der Wildnis an der Grenze der Republik entgegen.
2. KAPITEL
Die behelfsmäßigen Schlafplätze an Bord der Schiff waren alles andere als luxuriös, aber dasselbe konnte man auch von den Unterkünften der Padawane im Tempel behaupten, und so beschwerte Reath sich weder über die kleinen Klappbetten noch über die dünnen Trennwände oder die rudimentäre Waschkabine.
Und er beschwerte sich auch nicht über das Schiff selbst. Sicher, die Mannschaft war … exzentrisch, und vielleicht war der Frachter ein wenig klappriger als die meisten anderen Schiffe, die auf Coruscant landeten, aber seine Antriebe summten ruhig und gleichmäßig, und die Temperatur an Bord bewegte sich innerhalb der Spanne, die für Menschen und die meisten humanoiden Spezies angenehm war. Zudem hatten die Jedi mehr als genug Platz, um sich zu entspannen, entweder allein oder gemeinsam in der Hauptkabine.
Gab es hier so etwas wie eine Informationskonsole? Ein Terminal, mit dem er auf historische oder fiktionale Texte zugreifen konnte? Nein, natürlich nicht. Es wäre auch töricht gewesen, so etwas auf einem Frachter dieser Größe zu erwarten. Dennoch sah Reath darin das erste Vorzeichen der Entbehrungen, die ihn an der Grenze erwarteten. Vermutlich war es besser, jetzt darüber zu schmollen, bevor er wieder zu Meisterin Jora stoßen und mit seiner Arbeit beginnen sollte. Ein Teil von Reath hoffte immer noch, dass er sie dazu bringen könnte, ihre Meinung zu ändern, aber er wusste, dass die Chancen dafür sehr gering waren – vor allem, wenn er als schmollender Griesgram auf der Starlight-Station eintreffen würde.
Dementsprechend hatte er keine Lust auf Gesellschaft. Aber – wie gewöhnlich –hatte er Lust, etwas zu essen. Er erlebte gerade einen späten Wachstumsschub – im letzten Jahr allein war er zwölf Zentimeter in die Höhe geschossen –, und manchmal hatte er das Gefühl, als könnte er gar nicht so viel Nahrung in sich hineinstopfen, wie sein Körper brauchte.
Zu seiner Erleichterung war die Bordküche verwaist. Er konnte also essen und ungestört sein.
Auf der anderen Seite der Bordküche stand Geode. Wie war er aus dem Cockpit hierhergelangt? Hatten Leox und Affie ihn getragen? War er gegangen oder gekrochen oder gerollt? Hatte er sich teleportiert? Reath betrachtete den Felsklumpen mit zusammengekniffenen Augen und versuchte abzuschätzen, ob er freundlich oder verärgert oder überhaupt lebendig war. Es blieb bei einem Versuch.
„Tut mir leid“, begann er. „Du, äh, du hast mich erschreckt.“
Geode reagierte nicht. Natürlich nicht. Jetzt kam Reath sich dumm vor, weil er ernsthaft eine Reaktion erwartet hatte.
„Oh, hallo“, sagte Affie Hollow, als sie die Bordküche betrat. „Und, gefällt sie dir? Die Schiff, meine ich?“
„Sie ist perfekt für unsere Zwecke“, räumte Reath ein.
Bei dem Wort perfekt leuchtete Affies Gesicht auf wie eine Laterne von Naboo. „Ich liebe dieses Schiff. Was mich angeht, so gibt es in der gesamten Flotte kein besseres.“
„Was für eine Flotte?“
„Die der Byne-Gilde“, erwiderte sie, während sie ein kleines Päckchen mit rosafarbenem Pulver nahm und ein wenig davon in eine kleine Schale kippte. „Scover Byne ist die Besitzerin, und sie bringt mir alles bei, damit ich sie später mal ablösen kann. Wenn ich beweise, dass ich ein klein wenig mehr Verantwortung übernehmen kann, gibt sie mir mein eigenes Schiff – da bin ich ganz sicher. Und ich würde die Schiff wählen.“
Nach diesen Worten korrigierte Reath seine Einschätzung über die Bedeutung der Byne-Gilde erst mal nach unten. Die Schiff mochte vorzeigbar sein, aber wenn das hier das Kronjuwel der Flotte war, dann konnte sie weder sonderlich groß noch sonderlich einflussreich sein.
Seine Miene musste seine Gedanken verraten haben, denn Affie lachte plötzlich. „Scover versteht auch nicht, warum das hier mein Lieblingsschiff ist. Aber ich finde einfach, dass manche Schiffe … Na ja, sie sind von einer bestimmten Energie umgeben, verstehst du? Es ist ein wenig, als hätten sie eine Seele. Und die Schiff hat mehr Seele als irgendein anderes Schiff, das ich je gesehen habe. Darum möchte ich mit ihr die Galaxis bereisen.“
„Ich verstehe“, sagte Reath. Vielleicht wuchs einem das Schiff ja wirklich ans Herz, wenn man genug Zeit an Bord verbrachte. „Es hat definitiv, ähm … Charakter.“
Affie schüttete ein wenig Wasser in die Schale, und das rosafarbene Puder quoll zu einem Pappbrötchen auf. „Ähm, also, könntest du mir vielleicht in ein, zwei Sätzen erklären, was es mit euch Jedi auf sich hat.“
Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit lächelte Reath. „Das würden zwei ziemlich lange Sätze werden.“
„Ich habe einen ganzen Hyperraumsprung Zeit.“ Sie setzte sich auf einen Hocker und biss in das Brötchen. Während sie kaute, drehte sie den Kopf. „Bereit für eine Geschichte, Geode?“
Geode sagte nichts und tat nichts.
Reath seufzte. Vermutlich war es am besten, wenn er ganz am Anfang begann. „Wissen Sie, was die Macht ist?“
Affie bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick. „Erstens, sag du zu mir. Und zweitens, jedes Kind weiß, was die Macht ist.“
„Schon gut, schon gut.“ Er hob beschwichtigend die Hände. „Tut mir leid. Ich wollte nur sichergehen. Nun, die Jedi sind Machtnutzer, geeint in ihrem Bestreben, die Mysterien der Macht zu begreifen und als Hüter von Frieden und Gerechtigkeit in der Galaxis zu dienen.“
„Ich habe schon von Wesen gehört, die die Macht nutzen können“, schmatzte sie. „Aber warum macht euch das zu Mönchen?“
„Einen Satz habe ich ja noch. Ähm, um uns ganz auf die Macht und unsere Aufgabe konzentrieren zu können, wählen wir eine spirituelle Existenz und verzichten auf weltliche Bindungen.“
Affie kaute einen Moment lang nachdenklich auf ihrem Pappbrötchen herum, dann sagte sie: „Dann habt ihr also keinen Sex?“
Sollte er Meisterin Joras Vortrag über den Unterschied zwischen körperlicher Enthaltsamkeit und wahrer, seelischer Reinheit rezitieren? Das wäre eine sehr lange Ansprache. Reath entschied sich, darauf zu verzichten. Stattdessen begnügte er sich mit einem knappen „Ja“.
Sie nickte. „Definitiv Mönche.“
„Eines kapier ich trotzdem nicht“, sagte Leox später, als Affie und Geode versuchten, ihm zu erklären, was die Jedi waren. „Wie soll man seine Liebe für die Galaxis im Allgemeinen beweisen, wenn man nicht weiß, wie man eine Person im Speziellen liebt?“
Affie zog die Schultern hoch, während sie ihre Anzeigen überprüfte. Das wabernde blaue Licht des Hyperraums wurde von jeder metallenen Oberfläche im Cockpit reflektiert, was den Eindruck erweckte, als würde alles unter Strom stehen. Selbst Geode schillerte – ein wenig zumindest. „Man kann jemanden auch lieben, ohne Sex mit ihm zu haben“, sagte Affie. „Das solltest du doch besser wissen als jeder andere.“
„Oh, und ob ich das weiß. Aber andere Wesen betrachten … intimen Kontakt als eine Form von Bindung.“ Leox verzog sein Gesicht und fluchte. „Tut mir leid, etwas unpassend.“
Er meinte es gut, das wusste Affie, aber sie hasste es, wenn er sie wie ein Kind behandelte. Zum Glück kam das inzwischen nicht mehr allzu oft vor. „Es ist nicht so, als hätte ich noch nie von Sex gehört, weißt du?“
Das ließ Leox auflachen. „Solange deine Mutter weiß, dass ich nicht der Erste bin, der dir davon erzählt, ist alles gut.“
Wann immer er Scover Byne als ihre Mutter bezeichnete, wurde Affie ganz warm ums Herz. „Weißt du, du könntest ganz leicht Pluspunkte bei Scover sammeln. Wenn du nur hin und wieder den Gildenoverall tragen würdest …“
„Das ist leider nicht drin.“ Leox schüttelte den Kopf. „Man muss schließlich zu seinen Überzeugungen stehen. Ich habe nicht genug Geld, um die Gilde zu verlassen und mich selbstständig zu machen, also muss ich meine Individualität eben durch meine schicke Garderobe ausdrücken. Mit anderen Worten: Euren hässlichen Overall trage ich höchstens, wenn ihr mich darin beerdigt.“
Affie unterdrückte ein Lächeln. „Weißt du, die Jedi würden wahrscheinlich sagen, dass du zu viel Wert auf weltliche Dinge legst.“
„Meine Beziehung zum Metaphysischen ist immer noch meine eigene Angelegenheit, Dreikäsehoch.“
„Du sollst mich nicht so nennen!“
Cohmac Vitus war ein Mann der Vernunft und der Logik. Er hatte natürlich auch Emotionen, aber er ließ nicht zu, dass sie sein Urteilsvermögen beeinflussten. Oder zumindest hoffte er das. Sein präziser, mathematischer Verstand zog das Konkrete dem Nebulösen vor, das Quantifizierbare dem Mysteriösen. Ein paar seiner Ordensbrüder hatten ihn darauf hingewiesen, dass das für einen Mystiker eine ungewöhnliche Einstellung war. Doch in Cohmacs Augen war es ein Teil dessen, was ihn zum Orden geführt hatte: Stabilität und Rationalität.
Aber warum fühlte sich diese Einstellung gerade jetzt weniger wie eine Gabe und mehr wie ein Verteidigungsmechanismus an?
Weil du gerade auf dem Weg zu dem Ort bist, wo du gelernt hast, wie schmerzhaft Ungenauigkeit sein kann. Welchen Schaden Emotionen anrichten können. Ja, Eiram und E’ronoh haben dich einige wichtige Lektionen gelehrt.
Für einen Augenblick war er wieder in den Höhlen, die zitternde Orla an seiner Seite, während sie voller Furcht die Gestalten in der frostigen Finsternis anstarrten …
Cohmac schüttelte den Kopf, als könnte er die Erinnerung so verscheuchen. Er wusste, der beste Weg, um sich abzulenken, wäre körperliche Aktivität. Leider bot das Schiff nicht gerade viele Möglichkeiten, was das anging, aber ein kurzer Marsch den Korridor hoch und runter sollte helfen. Also ging er die Länge des Schiffes ab und hoffte, dass ihn niemand stören würde. Diese Hoffnung wurde aber schlagartig zerstört, als er Dez und Reath Silas über den Weg lief, die gerade in eine angeregte Unterhaltung vertieft waren. „Ich weiß nicht“, sagte Reath. „Würdet Ihr uns denn als Mönche bezeichnen?“
„Nicht wirklich“, erwiderte Dez. „Oh, und ich sehe, Meisterin Jora zwingt dich immer noch, den Padawanzopf zu tragen.“
„Ja, leider.“ Reath deutete auf seinen Hinterkopf. In den alten Zeiten war der Zopf für Schüler Pflicht gewesen, zumindest bei Spezies, denen Haare auf dem Kopf wuchsen. Heutzutage beharrten aber nicht mehr alle Meister auf dieser Tradition. Cohmac selbst würde es auch nicht verlangen, sollte er je wieder einen Padawan annehmen. Doch Meisterin Jora schien die Sache anders zu sehen.
Cohmac wollte sich unauffällig zurückziehen, aber bevor er sich umdrehen konnte, sprach Reath ihn an. „Verzeiht, Meister Vitus. Darf ich fragen, wie Ihr vorgeht, wenn Ihr neuen Legenden nachspürt und sie dokumentiert? Als Volkskundler, meine ich. Sucht Ihr einfach den örtlichen Dorfältesten auf und bittet ihn um eine Geschichte?“
„Manchmal.“ Cohmac schaute durch eines der wenigen und sehr kleinen Fenster der Schiff in das unheimliche, brodelnde Blau des Hyperraums hinaus. „Meistens ist die Sache aber ein wenig komplizierter. Es gibt immer die Geschichten, die ein Volk über sich erzählen will – und dann gibt es die anderen Geschichten. Die geheimen, dunklen Geschichten, deren tiefere Bedeutung sich einem oft nur schwer erschließt. Das sind nicht die Geschichten, die man bereitwillig mit einem Fremden teilt. Aber in der Regel sind sie die bedeutsamsten.“
Eiram und E’ronoh hatten auch solche Geschichten gehabt. Geschichten, die das Schlimmste hätten verhindern können …
Dez grinste, während er sich vorbeugte und seine Stiefel neu schnürte. „Und, wie entlockt Ihr den Leuten diese Geschichten?“
„Kommt darauf an“, antwortete Cohmac. „Es gibt Spezies, die das aufrichtige Interesse von Fremden respektieren. Wenn man sie nach den Fakten fragt, geben sie Auskunft. Aber damit sollte man besser warten, bis man wirklich sicher ist, mit was für einer Kultur man es zu tun hat. Und während man wartet“, er zuckte mit den Schultern, „studiert man ihre Kunst. Gemälde, Musik, Literatur. Symbolismus und Allegorien verraten viel über ihre Urheber. Dann befragt man die Leute über ihre Kunst, und das Gespräch kommt mehr oder weniger von selbst auf die Legenden.“
„Clever“, nickte Dez. „Aber auch respektvoll.“
„Danke!“ Cohmac neigte den Kopf.
Reath merkte an: „Eine gänzlich neue Aufgabe zu übernehmen, an einem gänzlich neuen Ort, das muss eine große Herausforderung für Euch sein.“
Cohmac hätte erklären können, dass er schon einmal in dieser Region gewesen war – genauer gesagt auf dem verlorenen Mond zwischen den Zwillingsplaneten, gar nicht weit von der Starlight-Station entfernt.
Doch es gab keinen Grund, darüber zu sprechen, und Cohmac hatte gelernt, sich bei Unterhaltungen auf das Nötige zu beschränken. Es war viel zu einfach, zu viel zu reden.
Im Cockpit kaute Leox Gyasi auf einem Gewürzstäbchen herum, während er die Daten des Navigationscomputers betrachtete.
(Gewürzstäbchen waren im Territorium der Republik legal – zumindest noch. Größtenteils lag das vermutlich daran, dass die Regierung zu sehr damit beschäftigt war, alles andere zu verbieten. Und sollte irgendwann auch Spice in dieser Form den Bürokraten zum Opfer fallen … Nun, Leox hatte sich für alle Fälle einen kleinen Vorrat angelegt.)
Eigentlich sollte es hier deutlich mehr Raumverkehr geben, überlegte er. Stimmten die Daten vielleicht nicht?
„Geode, Kumpel, siehst du, was ich sehe?“, fragte Leox.
Geodes unheilvolles Schweigen sagte mehr als tausend Worte. Irgendwas stimmte nicht mit dem Hyperraumverkehr. Die wenigen Schiffssignaturen, die die Systeme aufschnappten, bewegten sich in die völlig falschen Richtungen.
„Das gefällt mir nicht“, murmelte er. „Das gefällt mir ganz und gar nicht.“
Doch solange der Frachter auf Kurs und der Hyperraumtunnel stabil war, hatte er nicht vor, anzuhalten. Vielleicht war es ja nur ein örtlich begrenztes Problem – etwas, an dem sie geradewegs vorbeifliegen konnten.
Orla Jareni hatte sich vorgenommen, während der Reise zur Starlight-Station ein wenig mit der Besatzung der Schiff zu plaudern. Sie würde sich schon bald ein eigenes Schiff kaufen – etwas, was sie noch nie zuvor getan hatte. Leute, die schon ihr ganzes Leben zwischen den Sternen rumreisten, konnten ihr sicher ein paar nützliche Tipps geben – nützlicher als die technischen Daten, mit denen sie sich vertraut gemacht hatte.