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LYRIK ZWISCHEN PUNK UND POESIE Was der junge österreichische Lyriker Christoph W. Bauer mit seinem Überraschungserfolg "mein lieben mein hassen mein mittendrin du" gezeigt hat, setzt er in seinem neuen großen Gedichtband fort: Mal rau, mal sanft, dann wieder lakonisch oder laut, immer aber augenzwinkernd und schelmisch - mit durchschlagender poetischer Kraft erzählt Bauer von Leben, Liebe und Sehnsucht ebenso wie von der Zumutung des Daseins. STREIFZÜGE DURCH DICHTERLANDSCHAFTEN: VON RIMBAUD BIS TRAKL, VON VILLON BIS BECKETT "sag an villon komm sprich mit mir" - nicht von ungefähr steht der französische Dichter François Villon dem Band von Christoph W. Bauer Pate. Motor seiner Gedichte sind das Unterwegssein, das Vagabundieren, die Angst vor dem Stillstand. So treibt das lyrische Ich durch Kindheitslandschaften bis in die Stadt der Dichter, nach Paris. Lustvoll streunt es durch die Geschichte der Poesie, gibt Wegbegleitern wie Rimbaud, Trakl und Heine eine zeitgenössische Sprache. Durch Bauers frischen Blick liest man die alten Meister mit neuen Augen. EIN DIALOG VON HOHER MUSIKALITÄT UND UNMITTELBARKEIT ÜBER DIE ZEITEN HINWEG Christoph W. Bauer vereint in seiner Lyrik stets Tradition und Moderne. Mühelos setzt er Welten in Verbindung, knüpft an die Überlieferung antiker Poesie ebenso an wie an den legeren Tonfall moderner Popkultur und wechselt ungezwungen die Stimmungen und Tonlagen. So lässt sich "stromern" als Entwicklungsreise lesen, die Vergangenheit und Gegenwart vernetzt und unserer Zeit den Spiegel vorhält.
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Seitenzahl: 66
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Christoph W. Bauer
stromern
Gedichte
Titel
Zitat
ein lump hat leicht tanzen
sag an villon komm sprich mit mir
hummeln halleluja hummeln im hintern
collmiza also und du so nah sohn
elfenmühlen malen gedanken
es mühlen die klappern am bachenden rausch
als grasten mir rinder die ohren ab
dem ruf einer böhmin folge ich ans meer
ein lump hat leicht tanzen am stecken
ich hab mit dir so wenig am hut wie du
dort wo ich aufwuchs in den siebzigerjahren
neunzehnhundertfünfundsiebzig
ob schnallenschuh ob heckeinsteiger
wir sind uns nie begegnet maria
von dreister unschuldshand gedüngt rasch
vom straßenrand aus den pfarrer gesehen
spät kommt die einsicht aber auch mir
dem führer auf den schnauz geschaut
oft denk ich an kabeltrommeln
hörst du la montanara die berge sie
in der davenstedter straße
sechs tage vier stunden
warum so in der vergangenheit stets
noch nie dachte ich beim pinkeln an dich
wir hatten homer nicht gelesen und
auf dem schulklo bei einer zigarette
morgenluft witternd nach aguntum hinein
wer schnitzt solche leben zu krippenfiguren
albin-egger-atmosphäre hoch überm drautal
aufgepinselt in barocker überfrachtung die
himmelherrgottscheißenochmal
hop sing war der erste chinese meines lebens
wird zeit dass sie abtreten die alten säcke
die maultasch und der falsche woldemar
überdies egal ob in collmiza kolbnitz oder rom
war es denn je anders als verschusselt
stromern
dass ich nun vor dir stehe wie immer unrasiert
ein gammler eben und du schaust entsetzt
wo zum teufel ist fluntern
fahrig schon morgens und angezählt
mir selbst überlassen in einem waggon
aber kein tag an dem ich nicht an dich dächte
erklär mir keiner das landleben
lesbia war mir die liebste von allen ich lernte
nein catull so hast du nicht ausgesehen
manus manum lavat wer sagt latein
wer zieht an der spülung die
vom himmel ist noch kein nazi gefallen
natürlich bleiben wir dummköpfe allesamt
so tief können die wolken nicht stehen
compañero gut zehn jahre nach deinem tod
gehen hilft wussten sie schon in athen
archilochos alter grieche ich zoll dir respekt
auch die pornohefte sind aus den regalen
bocksteif aufgewacht in livorno centrale
so schnell kann es gehen strabon mit einem mal
auf zerfranster markise la vita
nach lentini hinein die hitze bäckt steine
jedem das seine und
abends eisiger wind aber
viel zu fern von vorstadt und föhn
dich frau im mini schickt ich weiß nicht wer
fällt im april schnee tut er nicht weh
bin so mir selbst ausgeliefert in deiner nähe aus
wie alles wiederkehrt auch abseits der mode
bang als führte jeder schritt ins glück
dass alles dem tod vorausgeht ist schlechte post
und wieder rasten die felder und kein gatter
auch mein teil soll verloren gehen
passage d’enfer
donne-moi une seconde
egal auf welchem boulevard
reißen das gekröse raus
rein in die nächste bar
nieder mit der freiheit
une belle de jour zu finden
im tournon mit blick
dauerregen an der seine
wie gehts dir fragst du
la rue de la vieille lanterne
braun die bananen in den
malika wir lachten
godot eine frau bon
in der passage d’enfer
kann das gras riechen
nie eine schönere frau
an der place des vosges
ça va pas paris dein herz
fünfundzwanzig euro
es ist die fernbedienung
banlieue bleibt bannmeile
ein loblied auf die laterne
wisch mirn hintern eulenspiegel dein
glück zum gruße ihr da draußen
steig zu mir ins bett eleonore ich mag
eine option bleibt immer
dies etüdchen pfeif ich dir fette stadt
mein kopf ist eine geisterbahn
morgens raus und vorbei an den luschen
die nacht ist ein fass
fuchs ich hab dich nicht vergessen
ein würschtl brauch ich jetzt
auf ein schwätzchen rasch schätzchen
lass uns lieber miteinander schlafen
ich traue meinen augen nur noch selten
oha sockenschuss unter grünen linden
ein trinklied wollt ihr ja warum denn nicht
schlurfte an mir vorüber zerfranst ihr saum
übers herzeleid in der gebeutelten brust
weils also den bach jetzt mit mir runtergeht
im zweifel für den teufel erinnerst du dich
mephistopheles herr der schwerenöter
mag sein ich verwechsle äpfel mit birnen
einst fand ich mich an meinen grenzen
ich mag nicht über kastanien dichten
freunde um es kurz zu machen
fremd bin ich eingezogen unter meine haut
freundschaft ist kein großes wort
ach ja villon da wär noch was
Christoph W. Bauer
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„Muss mich aufmachen. Wüsste ich nur wohin. Einerlei wohin. Ich bin ein Vagant.“
Paul Nizon
ein lump hat leicht tanzen
was tun wenn alle stricke reißen ich
häng im echo meiner worte kann
mich selbst schon nicht mehr hören
was tief in meine kehle schneidet
ist ein lied aus herkunftszeichen die
frucht der furcht amygdala treibt
uns beide vor sich her nicht lang
von heimat wollen wir schwafeln
im unterwegssein da ist zukunft so
folge ich den flugbahnen der mandel
als vagant in deinen strophen mal
balladesk mal pathosschwanger
baumle ich in angstgelegter schlinge wie
schwer mein arsch am hals doch wiegt
ich spürs villon komm sprich mit mir
sie wechseln mir die anschriften im alphabet
der straßen die mich durchlaufen pulst es
karantanisch mein herkunftsland und ist
so gut wie jedes andere mir nur ein grund
das weite zu suchen ehe dessen widerpart
mich einschnürt in fraglicher etymologie
finde ich ein tauriskisches erbe überlagert
von römischen kohorten die marschieren
an bord der schiffe die in der geschichte
versinken und ich stochere die meere ab
nach fluren die mich windisch auflesen
zu einem kribbelnden haufen aller anfang
ist ein stab den du über mich brichst neugier
deine ameisen tragen mich nach collmiza
des zeus und der alkmene
ein verrückter haufen wart ihr schon
nichts wofür ich euch beschäme
ausgerechnet hera gab dir die brust
deinem biss entsprang die milchstraße
das ist hokuspokus entbunden der lust
den kosmos zu ermessen mit emphase
die ratio trägt steinkäuze nach athen
und an federvieh wird es nie mangeln
das mag wer will auch nicht verstehn
der mythos möchte mit mir rangeln
denn realität ist viel schwerer zu fassen
aber wirklichkeit ist eine andere tapete
heute füllen deine taten kinokassen
lange stand dein name für eine rakete
abwehrsysteme sind immer in mode
doch ihr götter habt ausgeschissen
wir sparen eben unsre hirne zu tode
ein paar tafeln protzen noch mit wissen
auf dem danielsberg hoch über kolbnitz
spreche ich mit dir recht unterschwellig
leer ist der himmel ohne zeus’schen blitz
und dein sternbild herkules so unauffällig
an die innenwände der augen
ein stück brot bestrichen mit
gemurmel kaum dem mund
eingeschoben käust du sie
wieder die orale tradition hörst
magisches brimborium
voll knuspriger hoffnung
und gebuttertem verlangen
bald nur noch laute
im staunen gebacken folgst
dabei lediglich deiner hand
mit geschlossenen lidern
einen schalenstein hinab
gut sechstausend jahre tief
so verblöden einen die lieder bei jedem refrain
lauf ich aufgespult in den strophen grüner jahre
durch dörfer wo das abwandern des müllers
größte lust sein musste in musealer manie
rotieren die flodern am wegrand hier war leben
eines das kreuzweh verschuldete verschweigen
die broschüren werben mit bemoosten giebeln
und lärchenen urahnen aller turbinen für die
heimstatt neptuns und der tritonen wie ein
reisender einen der weiler einstmals nannte
das tor zum mölltal im visier und genarrt vom
schauspiel des winds der die abstürzenden
gewässer vollends zu einem gussregen über
die häuser peitschte in armseliger theatralik
rotzen plakatnasen bäche jetzt ins rechte licht
zerfetzen im generalbass ewiggestriger strophen
die logische wortfolge der geschichte und ihre
mühlen klappern mit reißwölfischem gelächter
bei jedem refrain so verblöden einen die lieder
ist der verstand erst klipp klapp verscheucht
wenn ich kopfeinwärts mich horch
schellen kuhglocken mir almen
ins schauen spaziert die fetthenne
klaubsteinmauern entlang schnabelt