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Neue Essays, Poeme und Bonmots zu kulturellen und gesellschaftlichen Dringlichkeiten und Aufdringlichkeiten. 'Moralisten' sind übrigens keine Mora!prediger, sondern Essayisten und Aphoristiker, die seit dem 17. Jahrhundert die europäischen 'mores' analysierten, die Sitten und Gebräuche ihrer Epoche. Diese inzwischen abgerissene Tradition soll hier wiederbelebt und etwas fortgeführt werden ... INHALT Eliten unserer Tage Witzlose Philosophie eines philosophischen Witzes Gibt es stille Idylle noch ungiftig? Fremde Filiationen Die Wut ist gut, die mir nichts tut Gott sei Gedanke!? Neue platonische Ideen? Freiwillige Komik des Spotts über unfreiwillige : Aphorismen Kyniker : Wolf im Hundepelz Neue Spesen mehren sich gut Lob der Unduldsamkeit Die hat sich gewaschen! Zwerg Nase Waschtag mit ungewaschenem Maul 'Grüner Fußabdruck' am Hintern? Betriebsklima sau(ber)mäßig! Mann und Frau 2020 'Metaphysik des Irdischen' (Hedwig Conrad-Martius) Gesamtausgabe
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Eliten unserer Tage
Witzlose Philosophie eines philosophischen Witzes
Gibt es stille Idylle noch ungiftig?
Fremde Filiationen
Die Wut ist gut, die mir nichts tut
Gott sei Gedanke!?
Neue platonische Ideen?
Freiwillige Komik des Spotts : Aphorismen
Kyniker : Wolf im Hundepelz
Neue Spesen mehren sich gut
Lob der Unduldsamkeit
Die hat sich gewaschen!
Zwerg Nase
Waschtag mit ungewaschenem Maul
„Grüner Fußabdruck“ am Hintern?
Betriebsklima sau(ber)mäßig!
Mann und Frau 2020
„Metaphysik des Irdischen“
(Conrad-Martius)
Gesamtausgabe
Für Elke
"Das allgemeine Wahlrecht gibt der Masse nicht das Recht zu entscheiden, sondern die Entscheidung der einen oder andern Elite gutzuheißen." (Ortega y Gasset)
"Elite − das sind die Leute, die die Drecksarbeit dirigieren." ("Billy")
"Elite : der ewige Kampf gegen den Abstieg." ("Billy")
"Elite ist immer eine Minderheit. Aber nicht jede Minderheit ist eine Elite." (Erhard Blanck)
"Wer sich selbst zur Elite zählt, der hat sich sicher nur verzählt." (Erhard Bellermann)
"Die Demokratie repräsentiert den Unglauben an große Menschen und an Elite-Gesellschaft." (Friedrich Nietzsche)
"Nur Elite ist immer genau jener Mob, von dem sie sich abheben will." (F. H. Lotterfuchs)
„Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?“ Wenn wir nicht ganz so weit zurückschauen, entsteht Erbadel erst seit Beginn der Landwirtschaft gegen Landschaften, in der neolithischen Revolution vor rund 10.000 Jahren. Ackerbau, Viehzucht und Grundbesitz siegten über Jahrhunderttausende von relativ egalitärem Nomadentum.
Der in der Erde herumwühlende sesshafte Bauer vertrieb die vagabundierend müßiggehenden Hirten, Fischer und Sammler und schuftete für vornehmere Lehnsherrn. "Blut und Boden" wurden "kultiviert". Die Machthierarchien wurden immer steiler bis zu Stratifikationen in sozialen Klassen, die sich hinter machtneutralen Funktionsteilungen immer erfolgreicher und effektiver versteckten. Der "Adel der Menschheit" verschlimmbesserte Gottes Schöpfung, indem er sie zum bloßen Rohstoff eigener Schöpfungen machte. Die Lords wissen es immer besser als der LORD.
„Der Adel, heißt es, ist eine Zwischenstufe zwischen König und Volk. Ja, wie der Jagdhund eine Zwischenstufe ist zwischen Jäger und Hasen.“
Das brachte Nicolas Chamfort 1793 in den Kerker der Robespierres, nicht etwa der Adligen. Was hat sich geändert seit Chamforts Zeiten? Der Erbadel zwischen Monarch und Volk hat sich seit 1789 nur modernisiert : Die bürgerliche Mittelschicht ist stets Sklavin der Oberschicht und zugleich deren privilegierte Sklavenpeitsche gegen die Unterschicht der Arbeitssklavenheere. Die Oberschicht hält sich mittelständische Eliten der Manager, Expertenkulturen und anderer "sozialer Subsysteme".
Adlige, Edelleute, Ritter, Vornehme. − Aristokratie: Herrschaft nicht des „Pöbels“ (peuple, Volk), sondern der Aristoi, der jeweilig „Besten“, der Tüchtigsten oder Tugendhaftesten, Reichsten, Geistreichsten, Mächtigsten und der geborenen Führungselite? Die alten Erbdynastien Europas sind seit 1789 entmachtet und durch Eliten des Besitz- und Bildungsbürgertums ersetzt, die „Pfeffersäcke“. Seither entsteht mit jeder Stufe des „gesellschaftlichen Fortschritts“ ein spezifisch neureicher Neuadel, der den angestammten verdrängt und dysfunktionalisiert.
Moderner Fortschritt ist Fortschritt der naturwissenschaftlich befeuerten Technik, die ihre eigenen taktgebenden "Funktionseliten" hervorbringt, und jede technologische Revolution erzwingt einen passgerechten Elitenwandel. Jedes „ausdifferenzierte Subsystem“ (Niklas Luhmann) der modernen Industriegesellschaften, Recht, Moral, Kunst, Kultur, Wissenschaft, Militär, Wirtschaft, Macht etc. mit deren jeweiliger „autopoietischen Eigenlogik“, rekrutiert stets ihre eigenen Führungseliten, inzestuös aus sich selbst oder durch Blutzufuhr von Außen und Unten, also adoptierte Karrierewillige, die dann besonders übereifrig deren reaktionären Wertekanon vertreten. Wichtig ist stets der „Distinktionszugewinn gegen Unten“ (Elitensoziologe Pierre Bourdieu) durch Finanzkapital oder Kulturkapital. So wurde weltweit das alte eurohumanistische Bildungsbürgertum spätestens seit dem 1. Weltkrieg entmachtet durch neuschlaue " Schlotbarone".
Und hier und heute? Wer herrscht, wer führt − und wie und wen und wohin und womit?
Die Anzahl der Milliardäre, heißt es, hat sich im letzten Jahrzehnt ebenso verdoppelt wie die Anzahl der Obdachlosen. Erkennen wir darin das Verhältnis von Elite und "Mob"? Andreas Reckwitz vertrat 2017 in seinem vielbeachteten Werk „Die Gesellschaft der Singularitäten − Zum Strukturwandel der Moderne“, dass die alten Vorbildeliten der kleinbürgerlichen Handwerker, Beamten, Selbständigen und Gewerbetreibenden zunehmend entwertet werden von einer neuen Elite mit individualistischem Haltungshabitus der linksliberalen, feministischen, multikulturellen und kosmopolitischen „Ökopaxe“ und „Bobos“ (bourgeoise Metropolen-Bohème). Gegen diese bestechende These steht z.B., dass zwar das Finanzkapital oder „Kulturkapital“ (Bourdieu) immer internationaler wird, die Geld- und Machtelite selbst aber immer national orientiert bleibt, und vor allem die deutsche.
Eine der heute wichtigsten Quellen der Elite-Seilschaften ist neben Grundbesitz und Bankvermögen nicht das Denkvermögen (das sie ihren korrumpierten Bildungseliten überlassen), sondern der Einfluss über Politiker auf die Vierte Gewalt der Medien („Wesenskern der modernen Gesellschaft“, Theodor W. Adorno), z.B. die öffentlich-rechtlichen Massenkommunikationsmedien.
Der alte Erbfeudalismus lebt übrigens heute vitalisiert fort in familienzentrierten modernen Mafia-Clans, im wörtlichen wie uneigentlichen Sinn verstanden. Sind moderne Hochindustriegesellschaften tendenziell von elitären "Rackets" (Max Horkheimer und Sozialwissenschaftler Wolfgang Pohrt) unterwandert?
Der Traditionsadel wich einem Schwertadel, der Schwertadel der „Frondeure“ dem Hofadel von Versailles, der Hofadel des absolutistischen Sonnenkönigs dem selbstbewussten „Geistesadel“ (Nietzsche) und dieser dem versierten „Bildungsphilister“-Nerd am PC. Was sind die Führungseliten heute? Sind es flippige Kulturindustrielle gegen den humanistischen Bildungsbürger, sind es gewerkschaftliche „Arbeiteraristokraten“ gegen staatlich subventionierte „Waldbarone“, sind es politisierte Medienschaffende gegen „engagierte Kulturschaffende“?
Wo sind die wahren neuen Adelsgruppen heute? Langer Rede kurzer Widersinn : Ich weiß es kaum. Man müsste sich die Namensregister der teuersten Weltinternate ansehen können, wo die Top-Eliten ihren Nachwuchs schulen lassen.
Oder ist jede Elite der demokratisch mehr oder weniger ungewählten „Auserwählten“ stets selbsternannt wie der grüne Öko-Adel? Heute brauchen die Mächtigen wohl nicht einmal mehr Religion oder Ideologie, um den ausgebeuteten Untertan daran zu hindern, sie umzubringen, wie ein Napoleon sagte.
Ideologien und Utopien liegen nicht mehr in den Köpfen, sondern längst realisiert im gesellschaftlich Bestehenden, als nackte Gewalt der rational „verwalteten Welt“ (Max Horkheimer). Die westliche Welt tendiert formal demokratisch zu einer rundumverwalteten "Umwelt", die von Verwaltungsexperten wie Niklas Luhmann systemtheoretisch korrekt beschrieben wird : als "stählernes Gehäuse" (Max Weber) der modernen Zivilisation ein technisch durchorganisiertes neoliberales Sodom & Gomorrha (dessen Ende bekannt sein sollte) ...
Die vermeintlichen "Leistungseliten" leisten sich so einiges als Leitungseliten, immer und überall.
Satire lebt übrigens davon, den jeweiligen Wertekanon der erfolgreich neuen Eliten im Namen des Wertekanons überlebter Eliten zu verspotten und als ungeschliffene Neureichs zu verhöhnen. Das ist die Crux jeder kritischen Satire. Satiriker sind Leute von Gestern, welche im Namen ihrer geschichtlich verurteilten Werte die Werte von Heute und Morgen sich blamieren lassen wollen. Nichts wäre heute so wichtig wie Satire, und nichts wird langsam ohnmächtiger als Satire, die ans reale, komfortable Grauen der Welt nicht mehr heranreicht, sondern ohnmächtig daran abgleitet, wie Adorno in den „Minima Moralia“ (1951) erkannte.
Nebenbei : Die Einzigen, die jede Teilung in Adel und Volk, Leitelite und Manövriermasse, Oligarchen und Demokraten, ablehnen, sind die Anarchisten und „Maschinenstürmer“, die immer und überall eine schlechte Presse haben, selbst bei geborenen Untertanen und Drecksarbeitern. Eine lebensfähige Anarchie hält beinahe jedermann für eine Horrorherrschaft von Chaoten und Komikern über Recht und Ordnung. Warum eigentlich?
Wo (ver)stecken (sich) die heutigen Obertanen, und sind Eliten nur Wichtigtuer, die lediglich das Anordnen gelernt haben? Parteibuch-Vetternwirtschaft, die sich selbst zur "Sachpolitik" nobilitiert und den "mündigen Bürger endlich mitnimmt"? Sind moderne Adelsgruppen "von Gottes Gnaden"? Wird die Demokratie bedroht und verzerrt durch brandneue Eliten? Gilt „conspicuous consumption“ oder "gated community" noch als gut republikanisch sozialneidgerecht? Die Oberschicht der dreihundert Spitzenfamilien kennen nicht einmal Sozialwissenschaftler sehr gut. Oder sind die hiesigen Landeseliten heute eher vorwiegend friedens-, frauen-, forst- und vaterlandwirtschaftsbewegter Alternativ-Adel und somit von Anfang an wertkonservativ rechtslastig motiviert? Wie sollen nacktes Elend und nackte Wahrheit den Gürtel enger schnallen, lieber Adel?
Der geniale Logiker Sherlock Holmes und Dr. Watson sind zum Zelten unterwegs im freien Gelände. Nach einem guten Abendessen und einer Flasche Wein ziehen sie sich für die Nacht zurück und legen sich schlafen. Nach einigen Stunden der Nachtruhe im Zelt wacht Holmes auf und stupst seinen Freund an.
"Watson, schauen Sie zum Himmel hinauf und sagen Sie mir, was Sie sehen."
"Ich sehe Sterne, Holmes", antwortet er. "Millionen und Abermillionen viele Sterne."
"Und welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?", fragt Sherlock Holmes.
Watson überlegt eine Weile. "Nun, astronomisch gesehen, sagt es mir, da sind Millionen Galaxien und wahrscheinlich Milliarden Planeten. Im astrologischen Sinne beobachte ich, dass Saturn im Löwen steht. Horologisch kann ich für die Uhrzeit ableiten, dass es Viertel nach drei ist. Meteorologisch betrachtet, folgere ich, dass das schöne Wetter noch ein paar Tage anhält. Theologisch sehe ich die Macht Gottes und dass wir ein kleiner und unbedeutender Teil des Universums sind. Was sagt es Ihnen, Holmes?"
"Watson, Sie sind ein Narr!", ruft da Holmes.
"Jemand hat unser Zelt gestohlen."
"A serious and good philosophical work could be written and would consist entirely of jokes."
(Ludwig Wittgenstein)
Es macht sicher mehr Spaß, dröge Philosophien in launige Witze übersetzt zu sehen, als umgekehrt eine lang(weilig)e Philosophie aus kurz(weilig)en Witzen herausziehen zu müssen, als "Moral von der Geschicht". Viele erinnert das allzu qualvoll an ihre Schulzeit, als (an sich fesselnde) Literatur in „Besinnungsaufsätzen“ durch „Interpretationen“ ungenießbar zu machen war. Witze, pointierte Anekdoten und „geistreiche Sprüche kommentieren hieße Schmetterlinge mit Hufeisen beschweren" (Martin Kessel). Versuchen wir es trotzdem, den gutwilligen Leser nicht zu vergraulen und diesen philosophischen Witz nicht allzu witzlos zu verphilosophieren.
Sherlock Holmes und sein Busenfreund Dr. Watson zelten oder übernachten aus welchen Gründen auch immer im selben Zelt. Sein biederer Adlatus sieht beim Erwachen in der Frühe nur Sterne, den astronomischen Nachthimmel, die theologischen Wunder der Schöpfung, die meteorologische Tagesprognose und sein astrologisches Sternbildhoroskop. Aber er sieht eben nicht kriminologisch, was plötzlich gar nicht mehr zu sehen ist, um alles das nur überhaupt sehen zu können.