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Die schönste Liebesgeschichte seit es Online-Dating gibt Vor drei Jahren stand Marlene vor dem Nichts: Freund weg, Haus weg, Job weg. Seitdem hat sie aus einer Idee, die aus Verzweiflung und einer Menge Cocktails geboren wurde, ein eigenes Unternehmen gemacht: Die Online-Dating-Agentur »Wolke Sieben«, für deren Kunden sie auch als Ghostwriterin schreibt und ihnen so dabei hilft, den perfekten Partner zu finden. Sie selbst will sich ganz sicher nie wieder verlieben. Lieber spielt sie für andere den Amor. Doch das Schicksal hat andere Pläne mit ihr: Der berühmte Sänger Basket, sein rüpelhafter Manager Bruno und ein Spontantrip nach Sardinien bringen Marlenes geordnetes Leben ganz schön durcheinander. Bald merkt sie, dass sie die Liebe nicht so einfach aus ihrem Herzen räumen kann, und vielleicht landet sie dieses Mal ja sogar selbst auf Wolke Sieben …
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Suche Platz auf Wolke Sieben
FRANZISKA JEBENS wuchs an der Nordsee auf, studierte Journalismus in München und lebte in Tokio, New York und Hamburg. Heute wohnt sie mit ihrem Mann in einem alten Forsthaus mitten im Wald, arbeitet als Autorin und Coach und hält Vorträge zu verschiedenen Themen. Neben ihrer Liebe zu Büchern hat sie eine große Schwäche für maßlose Romantik, Ruinen an schönen Orten und aufregende Abenteuer jenseits all ihrer Komfortzonen.
»Du hast heute Geburtstag, Marlene? Wieso sagst du denn nichts? Da machen wir doch gleich was Cooles draus!« Basket scheint begeistert. »Alles Gute, viel Gesundheit, Freude, Erfolg und natürlich vor allem Liebe! Aber die hast du ja als Chefin von Wolke Sieben wahrscheinlich massenhaft in deinem Leben, oder?«Eine Sekunde zu lang. Ich zögere eine Sekunde zu lang, bevor ich überzeugend und selbstbewusst »Ja klar!« rufe. Und im Augenwinkel sehe ich genau, dass Bruno Buchenwald das nicht entgeht. Denn just in diesem Moment sieht er von seinem Handy auf und unsere Blicke treffen sich. Hitze schießt in meine Wangen. Ich fühle mich wie eine Hochstaplerin und total durchschaut.
Franziska Jebens
Roman
Ullstein
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Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2021© für Songtexte: Carsten JebensUmschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: FinePic®, MünchenGesetzt aus der Quadraat Pro powered by pepyrus.comISBN 978-3-8437-2491-3
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Titelei
Die Autorin / Das Buch
Titelseite
Impressum
Prolog
Klirrend zerbrochen
So richtig schön links und rechts
Don Juanita
Das beste Pferd im Stall
Blau
Drei Jahre später
Knallende Korken
Mundraub
Fragwürdige Komplimente
Die Godmother des Wuppens
Feurig
Welle-Teilchen-Dualismus
Klopse und Pataten
Körperwärme
Leuchtende Korallen
Kleine Gesten
Bunte Lichterketten
Negroni zum Nachtisch
Delfino Rosso
Auf Herz und Nieren
Astrein
Nichts als Ausrufezeichen
Kleine Steinchen
Don Juanita reloaded
Budder bei die Fische
Ein Angebot
Epilog I
Epilog II
Anhang
Brief an die Leser*innen
Playlist
Danke …
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Prolog
Für meine Eltern.
Und, wie alles, für Carsten ∞
Let’s.Be.Love.
Dankbar.
Dank. Bar.
Hmm. Wofür bin ich dankbar? Eine Hausaufgabe hat sie es genannt. Jeden Tag am Abend, bevor ich ins Bett gehe, soll ich aufschreiben, wofür ich dankbar bin. Auch, nein, vor allem, die kleinen Dinge. In ein schönes Buch. Vielleicht eines mit Ledereinband. Oder wenn mir das lieber sei, könne ich auch eines mit Glitzerelementen wählen. Oder eins mit einem schönen, motivierenden Spruch vorn drauf. Oder ein ganz schlichtes, edles. Das sei allein meine Entscheidung. Aber es solle mir gefallen. Eine Art Tagebuch, aber eben für Dankbarkeit. Das hat sie gesagt. Also bin ich los und habe mir eins gekauft. Aus Protest nur ein Schulheft mit nüchternem Linienpapier. Und jetzt sitze ich hier, vor mir die erste leere Seite, den Stift in der Hand.
So ein Schwachsinn!
Dankbarkeit,ich hasse dich.Beste Grüße aus der Hölle,Marlene
»Und? Wie läuft es mit dem Dankbarkeitstagebuch? Wollen Sie ein paar Einträge mit mir teilen?« Frau Kantenkranz lehnt sich in ihrem Sessel zurück, auf ihren Knien ein Klemmbrett mit weißem Papier. Sie hält den Stift gezückt, um sich gegebenenfalls eine Notiz zu machen. Ich habe noch nicht herausfinden können, welche von meinen Aussagen sie für aufschreibenswert hält.
»Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, was das bringen soll. Ich habe nichts, wofür ich dankbar sein kann. Mein ganzes Leben ist den Bach runtergegangen. Ich habe Ihnen doch die Geschichte erzählt, oder?«
Tatsächlich bin ich mir nicht mehr ganz sicher, ob ich ihr in unserer ersten Stunde überhaupt etwas erzählt oder ob ich nur geweint habe.
Eddie hat mir nach meiner Schilderung der Ereignisse den wöchentlichen, ihm heiligen Termin bei seiner Therapeutin überlassen.
Er saß mir in der Sitzecke seiner schicken Wohnung in der Gertigstraße gegenüber und fragte: »Und, hast du ihm wenigstens eine geballert, Marlene? So richtig schön links und rechts? Oder hast du vor lauter Wut ganz Norderstedt zusammengeschrien?«
Ich habe ihn nur mit verquollenen Augen angeschaut und den Kopf geschüttelt. Daraufhin legte er dann so richtig los.
»Du bist ein Emotionenunterdrücker, Marlene. Und Emotionenunterdrücker kriegen irgendwann Magengeschwüre. Immer frisst du diese ganze Scheiße in dich rein. Das hast du früher schon so gemacht. Mit unseren verrückten Alten, oder wenn in der Schule was war, und als Lilo damals nach Sardinien gezogen ist. Und jetzt machst du es wieder. Du musst schreien, wüten, schlagen, verklagen, beschuldigen, verfluchen, trauern, mit den Füßen stampfen, unvernünftig viele Drogen nehmen und dann den ganzen Dreck beim Fallschirmspringen mit deinem brillanten Bruder Eddie über Bord schmeißen. Und dann geht's weiter. Und du kannst endlich auch mal mit jemand anderem vögeln. Mit deinen langen roten Haaren und den grünen Augen kannst du so ziemlich jeden haben. Das ist doch toll! Du musst die positiven Seiten sehen, Marli! Die Chancen, die sich jetzt für dich auftun! Das war ja schon fast Inzest zwischen Besi und dir. Trotzdem hau ich dem Sack eine rein! Meine Schwester verarschen, so weit kommt's noch! Du gehst morgen zu meiner Therapeutin. Keine Widerrede! Ich weiß, du hältst das für Quatsch, aber ich schleif dich an den Ohren da hin, wenn es sein muss. Das wird dir guttun, glaub mir. Du hast morgen ja noch frei, richtig? Besi und du, ihr hattet bestimmt vor, eure Hausübergabe so richtig schön zu feiern, oder?«
Warum war ich nach dem Zusammenbruch im Treppenhaus bloß zu meinem Bruder gegangen? Eddie ist bekanntermaßen die unsensibelste Person auf der Welt. Aber vielleicht hatte ich genau das gebraucht.
Wie dem auch sei. Nun sitze ich zum zweiten Mal in einer Woche seiner Therapeutin gegenüber und bin mehr damit beschäftigt, mich an ihren Namen zu erinnern, als mich auf unser Gespräch zu konzentrieren. Wie hieß sie noch gleich? Mummenschanz? Tonnenfranz?
»Doch, Frau Boss. Sie haben mir die Geschichte von der Trennung erzählt. Ich will Ihre Situation auch nicht mit meinem Tagebuchvorschlag verniedlichen. Sie haben ein Trauma, und es ist sehr gut, dass Sie hier bei mir sind. Das Dankbarkeitsjournal hat lediglich die Aufgabe, Ihre Aufmerksamkeit auf Kleinigkeiten zu lenken, die Sie, auch wenn die Situation für Sie noch so düster ist, in Ihrem Alltag für erwähnenswert halten. Sie können zum Beispiel dankbar sein für einen Sonnenstrahl, für eine Tasse Tee oder für Ihren Bruder Eddie.« Sie lächelt, und ich frage mich, ob sie einen Witz gemacht hat. »Sie wissen ja, dass ich eigentlich keine Familienangehörigen von meinen Patienten aufnehme. Aber Eddie war sehr um Sie besorgt, und diese Seite kenne ich gar nicht an ihm.«
Jetzt muss auch ich schmunzeln. Ich kenne Eddie so auch nicht. Immerhin haben Frau Franzentanz und ich das schon mal gemeinsam, und sie ist mir dadurch gleich ein bisschen sympathischer. Ist das überhaupt erlaubt, Sympathie in einer Therapie?
»Ich würde mich wirklich freuen, wenn Sie dem Dankbarkeitsjournal noch einmal eine Chance geben würden, Frau Boss. Es könnte Ihnen bestimmt helfen. Und jetzt möchte ich gerne mit Ihnen darüber sprechen, warum Sie unbedingt in dem Haus übernachten müssen und nicht bei Ihrer Freundin Sassy bleiben können, bis Sie eine neue Wohnung gefunden haben. Denken Sie, dass das eine Art unbewusste Konfrontationstherapie ist? Oder könnte es sein, dass Sie sich selbst bestrafen? Und wenn ja, wofür?«
Nicht dankbar für das Absagen der Hochzeitslocation,des Catering, der Torte.Nicht dankbar für die Ausladung der Gäste undderen mitleidige Reaktionen,nicht dankbar für die Stornierung des Honeymoon,nicht dankbar für die Diskussion mit der Bank, die das Haus finanziert hat,nicht dankbar für die nett gemeinten Worteder Kolleginnen und Kollegen im Büro,nicht dankbar für meine Dummheit undmein armseliges Leben.
Das Rotkehlchen sitzt auf dem Rasen. Ich habe ihm ein paar Kerne zwischen die Gräser gestreut. Es beruhigt mich, ihm dabei zuzusehen, wie es sich vorsichtig durch die für dieses kleine Vögelchen wahrscheinlich monströs wirkenden, dschungelartigen Halme bewegt. Aus Angst, dass das Rotkehlchen gegen die Scheibe fliegt und sich das Genick bricht, habe ich zur Abschreckung fast die ganze Terrassentür und das Fenster daneben mit diesen großen schwarzen Raubvogelsilhouetten beklebt. Sassy sagt, dass das morbide und krank sei, weil das Wohnzimmer nun ohne künstliches Licht fast ganz dunkel ist. Aber mir gefällt es so. Die Fensterdekoration passt zu meiner Stimmung.
Ich habe mir ein Kissen direkt vor die Terrassentür gelegt. Zwischen ein paar Vogelsilhouetten kann ich von dort aus nach draußen schauen und das Rotkehlchen sehen. Jeden Morgen seit dreieinhalb Wochen sitze ich da, beobachte es und schaue mir von ihm ab, wie man sich vorsichtig durch monströs wirkende Gefilde bewegt, ohne überrascht oder gar gefressen zu werden. Deckung ist das Zauberwort!
Während ich vom Rotkehlchen fürs Leben lerne, trinke ich meinen Kaffee aus einem weißen Emaillebecher.
Die Espressomaschine habe ich behalten. Die meisten anderen Sachen – das Bett, in dem wir nebeneinander und miteinander geschlafen haben, das Sofa, auf dem wir uns durch Hollywood, Grace & Frankie und Friends geguckt haben, Geschirr, von dem wir seine Currys oder meine Lasagnen gegessen haben, Handtücher, auf denen wir im Urlaub dicht beieinander am Strand lagen – alles das, was er nicht wollte, habe ich kurz nach dem Umzug von einem Entrümpler aus dem Nicht-Haus abholen lassen. Es war einfach zu schmerzhaft, die vielen mit Erinnerungen behafteten Dinge um mich zu haben.
In einem Outdoorladen habe ich mir neben dem Emaillebecher noch eine Isomatte, einen Schlafsack, ein komprimierbares Kissen und eine batteriebetriebene Leuchte im Petroleumlampen-Look gekauft. Mein temporäres Camp habe ich im Wohnzimmer aufgeschlagen.
»Du bist echt eine Masochistin. Wieso wohnst du da? Und wieso kümmerst du dich um alles? Er hat euch doch diesen ganzen Mist eingebrockt. Jetzt soll er ihn gefälligst auch auslöffeln!« Eddie klang richtig sauer, als wir ein paar Tage nach dem Desaster in Norderstedt telefonierten. Er fand es völlig absurd, dass ich jetzt allein in dem leeren Haus wohne.
Aber ich brauche das. Bei Eddie, der nur noch davon redet, Besi die Visage zu polieren, und mich ständig fragt, wann ich denn nun endlich so richtig ausraste und alles zu Klump schlage, will ich ganz bestimmt nicht wohnen. Und Sassy, die sich alle zwei Minuten nach meinem Befinden erkundigt und permanent versucht, mich mit schlechten Witzen aufzumuntern, ist mir momentan auch irgendwie zu viel. Das Alleinsein, in dem ich versuche, mich wieder oder überhaupt das erste Mal in meinem Leben zu finden, ist wie eine Kur. Zugegebenermaßen eine sehr schmerzhafte Kur, aber eben eine Kur. Ich, hier in diesem Haus, das ist wirklich eine Konfrontationstherapie mit mir selbst. Und eine Bestrafung ist es auch. Eine Bestrafung für meine Dummheit, jemandem so sehr zu vertrauen. Eine Bestrafung, die mir hoffentlich für alle Zeit eine Lehre sein wird.
»Er hat angeboten, sich darum zu kümmern. Aber ich habe Nein gesagt. Ich war ja die ganze Zeit mit den Firmen in Kontakt. Da hätte ich es irgendwie komisch gefunden, denen nicht auch selbst abzusagen«, erklärte ich meinem Bruder am Telefon.
»Oh Gott, Marli. Du bist echt nicht zum Aushalten. Ich sag's dir: Magengeschwür, und wenn nicht Magengeschwür, dann mindestens Gürtelrose. Na ja, wenigstens gehst du zur Kante.« Er sprach seinen Spitznamen für Frau Kantenkranz übertrieben norddeutsch-hamburgisch aus, machte das »t« zum fast stummen »d«.
Der ist schon ein Phänomen, mein großer Bruder. Ein langer schlaksiger Typ, erfolgreicher IT-Programmierer, ein Electro-House-Fan, der alles Gefällige, Melodiöse verabscheut. Ein Partytier, sowohl ein Womanizer als auch ein Mananizer, der die Menschen entweder charmant bezirzt oder total direkt, irritierend konsequent und schmerzhaft ehrlich vor den Kopf stößt.
Bei einer Sache ist er allerdings nicht ehrlich: Unsere Eltern sind für ihn gestorben. In Wahrheit sitzen sie jedoch quicklebendig auf Mallorca und produzieren nach wie vor für die Gabriele Winters, die Frieda & Frederiks und für deren schunkelwütige Fans einen Schlagerhit nach dem anderen.
Eddie und ich wurden von Lilo, unserem Kindermädchen großgezogen. Unsere Eltern hatten schon, als wir klein waren, kein großes Interesse an uns. Und auch heute hat sich daran nichts geändert. Wenn es hochkommt, schicken sie uns eine Nachricht zum Geburtstag. Aber meistens vergessen sie es. Eddie und ich wissen beide nicht, warum sie uns überhaupt bekommen haben. Wahrscheinlich dachten sie, Kinder gehören nun mal zum Leben dazu.
»Ich glaube, die Kante würde das gar nicht gut finden, wenn sie wüsste, dass du sie so nennst«, schimpfte ich ein bisschen mit Eddie. Einfach, um auch mal ein bisschen schimpfen zu können und mich nicht, wie so oft in letzter Zeit, nur halt- und hilflos zu fühlen.
Aber er antwortete nur lapidar: »Ach, mach dir mal um Kante keine Sorgen. Die kann schon auf sich selbst aufpassen.« Er wollte noch etwas sagen, machte aber eine Pause, zögerte einen Moment. Dann traute er sich doch und fragte: »Hast du Besi eigentlich noch mal gesehen, seit Nordageddon?«
Mein Magen krampfte sich zusammen.
»Nein! Er wollte, aber ich wollte nicht. Und ich will auch weiter nicht. Ich würde ihn wahrscheinlich anflehen, zu mir zurückzukommen. Und ein bisschen Selbstachtung habe ich schon auch noch. Wir haben alles per WhatsApp geklärt.«
»Wohnt er bei seinem Kumpel? Diesem Chaoten, der ständig auf Bali abhängt? Wenn der ihm mal nicht diese Flausen in den Kopf gesetzt hat …« Eddie wurde wieder wütend. Ich hoffte inständig, dass er nicht gleich wieder damit anfing, Besi verprügeln zu wollen.
»Justus? Zutrauen würde ich es ihm. Er hat mich nie wirklich gemocht. Meinst du echt, er hat Besi …« Wieder fing ich an zu weinen.
»Komm schon, Marli. Du hast schon so viel auf die Reihe gekriegt. Über Besi hinwegzukommen, schaffst du auch noch.«
Das Rotkehlchen hat sich auf den Ast des kleinen Kirschbaums gesetzt und putzt sich. Dabei spreizt es hin und wieder seine Flügel. Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Die Hochzeitslocation, das Essen, die Getränke, DJ Bombastic, die Flitterwochen, das Haus, der Kredit – alles ist überraschend leicht und mit geringen Kosten zu stornieren gewesen. Nur das bereits auf meine Figur angepasste Kleid, das natürlich nicht. Ein Telefonat nach dem anderen, das mir vor Augen führte, dass alles, was mein Leben ausgemacht hat, von heute auf morgen nicht mehr existiert. Mein Blick verfängt sich an der roséfarbenen Kleiderhülle, die ich achtlos an die Türklinke gehängt habe.
»VERDAMMTE SCHEISSE!!! Waaaaarrruuuum????«, schreie ich unkontrolliert los und erschrecke über mich selbst. »Tut mir leid, Rotkehlchen. War nicht persönlich gemeint.«
Das Rotkehlchen schaut mich kurz mit seinen Stecknadelkopfaugen an, zuckt mit den Flügeln und flattert davon.
In ein paar Tagen kann ich endlich in die neue Bleibe, die Sassy für mich aufgetan hat. Ein Freund von einem Freund, der Hals über Kopf auf unbestimmte Zeit nach Ecuador muss, hat mir seine Wohnung untervermietet. Nicht im beschaulichen Winterhude, nicht in Eimsbüttel. Sondern auf Sankt Pauli. Achtzig Quadratmeter, möbliert. Ich auf dem Kiez passt genauso gut wie Roland Kaiser auf einer der Elektro-Partys meines Bruders. Bestimmt nicht meine erste Wahl, aber so kurzfristig überhaupt an eine Wohnung gekommen zu sein, grenzt ja heutzutage in Hamburg an ein Wunder. Ich kann es nicht erwarten.
Aber vorher muss ich noch meinen Nicht-Hochzeitstag überstehen. In vierundzwanzig Stunden habe ich auch das geschafft.
Sassy hat darauf bestanden, dass wir uns heute Abend treffen und uns ganz fürchterlich betrinken:
»Cosmopolitans bis zum Abwinken. Und vielleicht bestell ich uns auch 'nen Stripper. Schließlich hat Besenstiel mir die Chance genommen, endlich mal Brautjungfer zu sein. Der Penner! Meine Süße, auch wenn der Anlass ätzend ist, wir machen es uns trotzdem schön, und wenigstens einmal wirst du auch lachen. Versprochen!«
Bei ihren Worten konnte ich mich tatsächlich für einen Moment, eine Sekunde von meinem traurigen Schicksal lösen und ein bisschen schmunzeln, so als wäre es die irre Geschichte einer anderen Person, die man für so unglaublich hält, dass sie eigentlich nur erfunden sein kann.
Aus der Blechdose mit dem Vogelfutter nehme ich eine Handvoll Kerne und lasse sie durch meine Finger zurück in die Dose rieseln. Ich öffne die Terrassentür: »Okay, Rotkehlchen. Hier ist der Deal: Da ich mich ja nie wieder verlieben werde, weil ich so etwas ganz bestimmt nicht noch einmal mitmache, bist du jetzt dran, die Herzen der schönsten Männer zu brechen, einverstanden? Und deshalb taufe ich dich … Don Juanita! Was hältst du davon? Nicht so viel? Tja, was soll man machen. Du weißt ja, manche Dinge im Leben kann man sich einfach nicht aussuchen. Andere entscheiden über dein Schicksal. Und schwupps, sprichst du mit einem Rotkehlchen und taufst es Don Juanita, anstatt mit der Liebe deines Lebens vor den Altar zu treten, Hochzeit zu feiern und im Anschluss nach Capri in ein wunderbares Hotel zu fliegen und den schönsten Urlaub deines Lebens zu genießen. So sieht's aus, Don Juanita! Ich muss los, aber du weißt ja jetzt, was du mit deinem Leben anzufangen hast, nicht wahr?«
Nach meiner Ansprache streue ich Don Juanita die Kerne ins Gras. Ein paar Minuten habe ich noch, bevor ich zur Arbeit aufbrechen muss, für die ich nie dankbarer war, auch wenn ich sie gleichzeitig nie sinnloser fand. Ich lehne mich erschöpft gegen die Hauswand und schließe die Augen.
Mir fällt auf, dass die Sonne scheint.
Natürlich tut sie das.
Jetzt würde ich wahrscheinlich gerade aufwachen, würde mich noch einmal recken und strecken, mich kurz danach aufgeregt aufsetzen, weil ich realisieren würde, dass heute mein Hochzeitstag ist und Sebastian und ich uns ein Versprechen für den Rest unseres Lebens geben würden. Mein Blick würde vorfreudig auf die Schutzhülle am Kleiderschrank fallen. Ich würde fröhlich aus dem Bett hüpfen, würde vorsichtig mein wunderschönes Hochzeitskleid aus der Hülle nehmen, meine Fingerkuppen über den weichen und feinen Baumwollstoff mit den Lochstickereien gleiten lassen und mich freuen, dass ich mich für die bodenlange Variante mit der Empire-Taille und den kleinen Ärmeln entschieden habe. Ein bisschen wie die Kleider in Bridgerton sieht es aus. Wieder zurück im Bett, würde ich meinen Kaffee trinken, würde dabei abwechselnd auf das Kleid und aus dem Fenster schauen, das Rotkehlchen in dem blühenden Flieder vor unserem Schlafzimmer entdecken, es nicht Don Juanita, sondern Marry nennen und mich fragen, ob Besi, der bei seinem besten Freund Justus übernachtet haben würde, auch solches Glücklichkeitsherzklopfen hat wie ich.
Aber so wird das heute nicht werden. Fantasie ist das, reine Fantasie. In meinem Leben heiratet heute niemand.
Na gut, trotz allem, meinetwegen:Danke für Don Juanita.
»Oh, Marlene. Heute ganz in Schwarz? Das ist aber ungewöhnlich für dich«, begrüßt mich meine Kollegin Daniela fröhlich in der Küche unseres Büros. Sie hat recht. Eigentlich trage ich meistens weiße T-Shirts, blaue Jeans plus gestreifte, karierte oder unifarbene Blazer. Heute aber trage ich Trauer.
»Oh, Marlene«, wiederholt Daniela erschrocken, weil ihr bei meinem Gesichtsausdruck einfällt, welcher Tag heute ist. »Entschuldige bitte. Wenn ich irgendetwas für dich tun kann, du weißt ja, wo du mich findest«, flüstert sie noch schnell, bevor sie aus der Küche verschwindet.