Systemisch lehren – Lernen begleiten - Dirk Rohr - E-Book

Systemisch lehren – Lernen begleiten E-Book

Dirk Rohr

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Beschreibung

Wurde Wissen früher überwiegend als einheitlicher, widerspruchsfreier Kanon theoretischer und praktischer Konzepte verstanden, geht es heute um die Fähigkeit, vermeintliche Gewissheit eigenständig und fortlaufend infrage zu stellen. In der Systemischen Therapie und Beratung wurden zu diesem Zweck eine ganze Reihe von Methoden und Techniken entwickelt, die sich sehr gewinnbringend in der Erwachsenenbildung einsetzen lassen – beginnend etwa bei besonderen Reflexionsmethoden oder dem bekannten Reflecting Team. Das vorliegende Buch ist ein Plädoyer für eine systemisch orientierte Lehre. Es vermittelt neben deren Grundlagen auch die Besonderheiten einer systemischen Erwachsenenbildung. Für die Kontexte Hochschule und Weiterbildung beschreibt es konkrete didaktische Settings, wie interdisziplinäres Teamteaching, kollegiale Hospitation, Modelling, Tutorien, Planspiele, Peer-Learning, forschendes Lernen, und illustriert sie an Lehrbeispielen. Auch Onlinelehre und die Evaluation von Lehre werden behandelt.

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Systemische Pädagogik

Was treibt Menschen zum Lernen an? Was hält sie davon ab? Wie kann eine funktionierende Lehrer-Schüler-Eltern-Beziehung entstehen? Wie gelingen Erziehung und Bildung? Was sind Kompetenzen und wie lässt sich deren Reifung unterstützen? Wie fördert man Persönlichkeiten?

Diese und ähnliche Fragen stehen im Mittelpunkt der Systemischen Pädagogik. Das Ziel ist ein von wechselseitigem Respekt geprägter Umgang von Schülern, Lehrern, Erziehern und Eltern. Gemeinsames Lernen mit Zuversicht und Spaß, der Blick auf die Potenziale und Fähigkeiten – zwei Grundannahmen der Systemischen Pädagogik. Gleichzeitig ist sich die Systemische Pädagogik der Tatsache bewusst, dass Menschen lernfähig, aber unbelehrbar sind. Welche Konsequenzen sich daraus für gelingende Lern- und Bildungsprozesse für Lehrende bzw. Lernbegleiter ergeben, ist eine wichtige Zukunftsfrage der Systemischen Pädagogik.

Der Ansatz der Systemischen Pädagogik verbindet systemtheoretische Erkenntnisse, Sicht- und Handlungsweisen mit dem Forschungsstand und den Erkenntnissen der Erziehungswissenschaften und macht sie für den pädagogischen Alltag nutzbar. Auch im familiären Erziehungsalltag lässt sich systemisches Denken und Handeln gut nutzen, ohne Kinder zu disziplinieren oder ihnen mit Anpassungsforderungen zu begegnen. Selbstkritische und selbststeuerungsfähige Menschen benötigen sehr spezifische Möglichkeiten der Reifung und Auseinandersetzung beim Aufwachsen. Welche das sind und wie das gehen kann, zeigen anerkannte Therapeuten, Pädagogen und Berater in den Büchern dieser Reihe.

Prof. Dr. Rolf Arnold

Herausgeber der Reihe Systemische Pädagogik

Dirk Rohr

Systemisch lehren – Lernen begleiten

Ein Lehr- und Praxisbuch für die Erwachsenenbildung

2023

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer † (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin † (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Themenreihe »Systemische Pädagogik«

hrsg. von Rolf Arnold

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlaggestaltung: B. Charlotte Ulrich

Umschlagmotiv: © Richard Fischer • www.richardfischer.org

Redaktion: Anja Bachert

Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Erste Auflage, 2023

ISBN 978-3-8497-0474-2 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8430-0 (ePUB)

© 2023 Carl-Auer-Systeme Verlagund Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Carl-Auer Verlag GmbH

Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg

Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

[email protected]

Inhalt

1 Einleitung

Zum Aufbau des Buches

Dank

2 Grundlagen

2.1 Der systemische Ansatz

2.1.1 Historische Perspektive

2.1.2 Systemische Prinzipien und die systemische Grundhaltung

2.1.3 Was ist ein Problem?

2.1.4 Systemische Basisverfahren

2.1.5 Ziele systemischer Beratung

2.1.6 Systemische Settings

2.1.7 Vertiefung: Erkenntnistheorien zur systemischen Beratung und Therapie

2.2 Geht systemisch ohne konstruktivistisch?

(Gastbeitrag von Kersten Reich)

2.3 Ermöglichungsdidaktik

(Gastbeitrag von Rolf Arnold)

2.4 Meine Rolle als Lehrperson (Rollenklärung/-reflexion)

2.4.1 Perspektivwechsel: Was hat mir geholfen?

2.4.2 Reflexion aus Sicht der Lehrperson

2.4.3 Verantwortungszuschreibung

2.5 Grundhaltungen für die Lehre

2.5.1 Entstehungsgeschichte und Hintergründe

Entstehungsgeschichte

Hintergründe

2.5.2 Grundhaltungen

Empathie

Kongruenz (Echtheit)

Wertschätzung

2.5.3 Grundprinzipien des Gesprächsansatzes

2.5.4 Keine Methode

2.6 Feedback geben und nehmen

2.7 Professionalisierung als narratives Identitätsprojekt

2.7.1 Einleitung

2.7.2 Kollektive und individuelle Aspekte des Professionalisierungsprozesses

2.8 Diskriminierungssensibel und machtkritisch lehren

2.9 »Lernen in Freiheit« (Carl Rogers)

3 Systemische Erwachsenenbildung

3.1 Systemische Hochschuldidaktik (auch für Weiterbildungssettings)

3.1.1 Kompetenzorientierung in der Hochschulbildung

Was sind Schlüsselkompetenzen?

Handlungskompetenz von Lehrenden an der Hochschule

3.1.2 Vom Lehrziel zum Learning-Outcome

3.1.3 Constructive Alignment

3.1.4 Lehrpersönlichkeit

Homo academicus: Das Berufsbild Hochschullehrer:in

3.1.5 Lehren und Lernen

Motivierung von Lernenden

Prüfungen

Kompetenzorientierte Prüfungen

3.2 Improvisieren – als Teil eines systemischen Lehrens

3.3 Systemisches Lehrcoaching

3.3.1 Theoretischer Bezugsrahmen

3.3.2 Hochschuldidaktischer Kontext

3.3.3 Überlegungen zu einem »Kölner Konzept«

Rahmenbedingungen

Phasen

3.3.4 Fazit

3.4 Systemisch lehren – Lehr-Lern-Kontext (Beratungs-)Weiterbildungen

3.4.1 Verständnishintergrund – Geschichte – derzeitige Herausforderungen

3.4.2 Systemische Weiterbildung und ihre Spezifika

3.4.3 Weiterbildung in Beratung: Beratung lehren und lernen

3.4.4 Peer-Learning

3.4.5 Fazit

3.5 Systemisch lehren – Lehr-Lern-Kontext Hochschule

3.5.1 Systemisch spielen

Kontext und Kontextmarkierungen

Spielregeln – »Game« vs. »Play«

Prozesse statt Kategorien – oder: Vom Schach zum Go

3.5.2 Spiel mit Hüten 1 – Irritationen

Hierarchie auf Augenhöhe

»Ich weiß es nicht und auch nicht besser«

3.5.3 Spiel mit Hüten 2 – Transparenz

»Und, zu wievielt bist du heute hier?« – Studieren mit Familie

Einladung zum Zusammenspiel

3.5.4 »Es ist nicht mein Hut«, sagte der Hutmacher

3.5.5 Fazit

4 Konkrete didaktische Settings eines systemischen Lehrens

4.1 Das Reflecting Team in der Lehre

4.1.1 Beispiele, Erfahrungen, Durchführung

Das Reflecting Team in der Praktikumsbegleitung als Supervisionsmethode

Das Reflecting Team als mehrperspektivisches Feedbackinstrument

»Mehr sehen« – das Reflecting Team als Beobachtungsinstrument

4.1.2 Fazit

4.2 Teamteaching

4.2.1 Einleitung

4.2.2 Definition und theoretischer Bezugsrahmen

Definition

Theoretischer Bezugsrahmen

4.2.3 Die Teamteaching-Matrix

4.2.4 »Jeder für sich und alle gemeinsam …« – wichtige Voraussetzungen

4.2.5 Chancen und Risiken

4.2.6 Wichtige Rahmenbedingungen

4.2.7 Resümee

4.2.8 Praktische Materialien und Methoden zum Teamteaching

Handreichung: Erstellen Sie Ihr Teamteaching-Profil – für sich und Ihr Team!

Methodentipp 1: Das Reflecting Team (vgl. Kapitel 4.1)

Methodentipp 2: Die Fishbowl

4.3 Kollegiale Hospitation

4.3.1 Kollegiale Hospitation – Ziele und Aufgaben

4.3.2 Ablauf der Kollegialen Hospitation

4.4 Modelling und Tutorien am Beispiel des Modellkollegs

Kontinuierliche Lehr- und Lernteams im Modellkolleg

Gewinnbringende Aspekte bei der Umsetzung

Herausforderungen bei der Umsetzung

Möglichkeiten der Übertragung

4.4.1 Didaktische Aspekte

Modelling

Tutorien

4.4.2 Evaluation und Fazit

4.5 Planspiele

4.5.1 Das Planspiel als Methode

4.5.2 Beispiele aus der Hochschule

Das Planspiel im Modellkolleg

Das Planspiel im Studium der Politikwissenschaft

4.5.3 Fazit

4.6 Systemisch lehren durch die Initiierung von Peer-Learning

4.6.1 Peer-Learning in der Lehrer:innenbildung

4.6.2 Formen des Peer-Learnings

Peer-Tutoring in der Lehrer:innenbildung

Peer-Counseling und Peer-Mentoring in der Lehrer:innenbildung

Peer-Support in der Lehrer:innenbildung

4.6.3 Empirie und Ausblick

4.7 Lehren durch Beraten und Vorleben: Ambivalenzen wertschätzend transparent machen

4.7.1 Biografische Hintergründe und (Lehr-)Kontexte

4.7.2 Konkrete Abläufe der Lehr-Lern-Settings

4.7.3 Hochschuldidaktische Perspektive

4.7.4 Schluss

5 Lehrbeispiele

5.1 Public-private-Partnership, Service-Learning, Forschendes Lernen, Planspiel oder »nur« ein gelungener Theorie-Praxis-Transfer? Ein Lehrbeispiel

5.1.1 Rahmenbedingungen des Seminarkonzepts

5.1.2 Theoretische Einordnung

5.1.3 Reflexion der Durchführung aus der Perspektive von Felix/Dirk, Arndt und den Studierenden

5.1.4 Fazit und Empfehlungen

5.2 Systemische Reflexionsmethoden in der Praktikumsbegleitung

5.2.1 Zur Implementierung von Reflexions- und Supervisionselementen in die Begleitung des Kölner Orientierungspraktikums

Konzeptionsphase

Akkreditierungsphase

Implementierungsphase

Umsetzungsphase 2011 und 2012

Ausblick

5.2.2 Achtsamkeitstraining als Reflexionsmethode

Perspektive aus der buddhistischen Übungs- und Meditationskultur

Perspektive aus der Humanistischen Psychologie, der Gestalttherapie

Umsetzung des Achtsamkeitstrainings

Resümee

5.3 Praxisbeispiel Schwerpunktmodul Beratung

5.3.1 Einleitung

5.3.2 Rahmenbedingungen und Konzeption der Lehrveranstaltung

5.3.3 Lernziele

5.3.4 Lehr- und Arbeitsweise

5.3.5 Im Detail: Lehre in unserem »Seminar 3«

Theorievermittlung und Expert:innenrolle

Liveberatung und Beobachtungslernen

Trittbrettfahrer:innenrunde

Reflexionsrunde aus Expert:innensicht

5.3.6 Beratungshaltungen

5.3.7 Chancen und Herausforderungen dieser Konzeption

5.3.8 Fazit

5.4 Forschendes Lernen im interdisziplinären Teamteaching: Eigenverantwortliches, kooperatives und problembasiertes Lernen am Beispiel der Entwicklung einer Software für die Genogrammarbeit

5.4.1 Forschungsgegenstand: Softwaregestützte Genogrammarbeiten in Beratungsprozessen

5.4.2 Projektbeschreibung

Kombination von fachbereichsspezifischen Lehrzielen zu einer gemeinsamen, praxisrelevanten Problemstellung

Entwicklung der Fähigkeit zur wissenschaftlich fundierten Problemlösung durch die begleitende Integration von Fachexpert:innen

Begleiteter Weg zur Selbstständigkeit

Kompetenzorientiertes Lernen

5.4.3 Forschendes Lernen

5.4.4 Interdisziplinäres Lernen

5.4.5 Lernen durch und im Teamteaching (vgl. Kapitel 4.2)

5.4.6 Forschendes Lernen im interdisziplinären Teamteaching

Eigenverantwortliches Lernen (Empowerment)

Kooperatives Lernen

Reflexives Lernen

5.4.7 Ausblick

5.5 Theorie-Praxis-Verzahnung bei der Professionalisierung angehender Lehrkräfte: Portfolioarbeit, Lernteams, Reflecting Team und Supervision im Modellkolleg

5.5.1 Vorstellung Modellkolleg Bildungswissenschaften (vgl. Kapitel 4.4)

5.5.2 Theorie-Praxis-Transfer

Der Theorie-Praxis-Transfer im Modellkolleg

Gewinnbringende Aspekte bei der Umsetzung

Herausforderungen bei der Umsetzung

Möglichkeiten der Übertragung

5.5.3 Hochschuldidaktische Aspekte

Portfolio und persönliche Entwicklungsgespräche (PEG)

Lernteams

Reflecting Team (vgl. Kapitel 4.1)

Supervision

5.5.4 Fazit

6 Systemisch online lehren

6.1 »Begriffsbingo« und die Illusion der Best Practice

6.2 Viabilität als Frage an die Lehr-Lern-Praxis

6.3 Theoretische Überlegungen zur digitalen Lehre als viablem Lehr-Lern-Arrangement

6.3.1 Von Rank über Rogers in die »digitale Welt«

6.3.2 Ermöglichungsdidaktik, Heutagogik und die Frage nach der Passung

6.4 Heutagogik systemisch-humanistisch weitergedacht

6.4.1 »Zirkuläre Didaktik« als systemische Antwort auf neue Herausforderungen

6.4.2 Nähe durch Distanz?

6.5 »Digital ist besser – für mich«? – Fazit und Ausblick

7 Systemische Evaluation

7.1 Grundlagen und Begriffsklärungen

7.1.1 Ebenen einer Evaluation

7.1.2 Evaluationskonzept

7.1.3 Dimensionen und Formen von Evaluation

7.2 Systemische Evaluation

7.2.1 Systemische Evaluation als Intervention

7.2.2 Beurteilungspositionen

7.2.3 Der Nutzen von systemischer Evaluation

7.3 Zirkuläre Evaluation

7.4 Empirische Evaluation

7.5 Systemische Evaluation in der Hochschullehre

7.6 Resümee

Literatur

Über den Autor

1 Einleitung

Dieses Lehr- und Praxisbuch soll neugierig machen, mehr Fragen aufwerfen als beantworten und zur (Selbst-)Reflexion einladen: Wie lehre ich? Wie begleite ich andere dabei zu lernen? Wie habe ich gelernt? Wie habe ich gelernt zu lehren? Was macht mich neugierig? Wie bilde ich mich weiter? Wie sollten zukünftige Lehrende ausgebildet sein bzw. werden? Was kann ich zu einer Weiterentwicklung von Lehre beitragen? … Und vor allem natürlich: Welche Impulse bekomme ich für meine Lehre? Wie kann ich meine Lehre systemisch ausrichten? Also: Wie kann der systemische Ansatz mich in meiner Lehre inspirieren?

Und systemisch Lehren meint dabei in erster Linie reflexiv Lehren, Lernen zu begleiten, Forschendes Lernen immer auch zu ergänzen mit: sich selbst zu erforschen, die Systemebenen der beteiligten Personen – wohlwollend selbstkritisch – zu reflektieren und Metakommunikation zu wagen.

Ganz im Sinne einer systemischen – und damit eben auch reflexiven, personenzentrierten – Lehre möchte ich dieses Buch persönlich bzw. (berufs)biografisch beginnen: Bereits in meinem eigenen Studium an der Universität zu Köln habe ich bei Rolf Huschke-Rhein und Kersten Reich den systemisch-konstruktivistischen Ansatz in Pädagogik und Didaktik kennengelernt, bei Kersten auch meine ersten systemisch orientierten Seminare im Wahlpflichtfach Beratung.1

Ich bin von meiner Grundausbildung also Pädagoge, habe dann eine Gestalttherapieausbildung (mit vielen Elementen anderer Ansätze der Humanistischen Psychologie) absolviert und mich dann zum systemischen Berater, lehrenden Berater, Supervisor und Lehrsupervisor (DGSF u. DGSv) weitergebildet. Auch meine Promotion über einen humanistisch-systemischen Ansatz (Rohr 2004) spiegelt meine Hin-und-Her-Gerissenheit zwischen diesen beiden Ansätzen wider. Seit 2001 lehre ich hauptamtlich an der Universität zu Köln (zuerst mit dem Fokus Empowerment/Peer-Learning, dann Beratung/Supervision), seit 2008 auch in Weiterbildungskontexten, seit 2012 im eigenen Institut. Meine beiden Lehrkontexte sind insofern auch verschieden, als dass wir Beratung in unserem universitären Arbeitsbereich immer »nur« als eine von vielen Teilkompetenzen lehren – und zwar innerhalb grundständiger Studiengänge wie Erziehungswissenschaften und Frühförderung (Modul Lehren, Lernen und Beraten) sowie Lehramt (Bildungswissenschaften und Pädagogik) in Pflichtmodulen sowie im Wahlschwerpunktmodul Beratung. In meinem anderen Lehrkontext, dem »Koelner Institut für Beratung und pädagogische Professionalisierung« bieten wir in erster Linie die Weiterbildungen Systemische Beratung (DGSF u. DGfB) und Systemische Supervision (DGSF u. DGSV) an.

Für dieses Buch ist noch ein weiteres universitäres Standbein von Relevanz: Seit 2007 leite ich das »Zentrum für Hochschuldidaktik« an der Universität zu Köln, forsche und lehre also neben der (systemischen) Beratung auch im Bereich der Erwachsenenbildung/Weiterbildung und widme mich daher intensiv der Lehre.

Dieses Buch Systemisch lehren – Lernen begleiten ist also so etwas wie eine »Klammer« – eine Verknüpfung meiner beiden »roten Fäden« – es ist eine Zusammenführung, Aktualisierung und Ergänzung meiner Forschungen und Veröffentlichungen der letzten 20 Jahre.

An manchen Stellen dieses Lehr- und Praxisbuchs werde ich differenzieren zwischen dem Kontext Weiterbildung (vgl. Kapitel 3.4) und dem Kontext Hochschule (vgl. Kapitel 3.5), gleichwohl noch weitere Kontexte (Weiterbildung in der Hochschule, wie z. B. hochschuldidaktische Formate), eintägige Fortbildungen, Workshops, Trainings oder Fachberatungen sowie Coachings an unterschiedlichen Stellen angesprochen werden.

Für den Kontext Hochschule ist das Buch Hochschullehre: systemisch? Theoretische und praktische Impulse für Didaktik und Methodik (2021), herausgegeben von Holger Lindemann und Silke Trumpa, eine hervorragende Ergänzung zur vorliegenden Monografie. Ähnlich wie unsere Herausgeberschaft »Beratung lehren – Erfahrungen, Geschichten, Reflexionen aus der Praxis von 30 Lehrenden« (Rohr et al. 2016), beinhaltet es die Perspektiven von ca. 30 Lehrenden.

Mein geschätzter Kollege Holger Lindemann schreibt bewusst provokativ:

»Eine eigenständige systemische Didaktik oder systemische Lehre ist – so die nachfolgende Argumentation – nicht begründbar. Denk- und Handlungsformen systemischer Praxis eignen sich vielmehr als Ergänzung und Untermauerung bestehender Lehr-Lernmodelle« (Lindemann 2021, S. 15).

In Analogie könnte man formulieren, dass eine eigenständige systemische Beratung nicht begründbar wäre …

Vielleicht hebt sich dieser vermeintliche Widerspruch auf in folgender Formulierung: Es gibt eine systemisch orientierte Beratung und es gibt eine systemisch orientierte Lehre.

Tom Levold und Michael Wirsching schreiben in ihrem Lehrbuch (2017, S. 11):

»Ein Wesensmerkmal der wissenschaftlichen Grundlegung des systemischen Ansatzes liegt jedoch darin, dass Wissen nicht als einheitlicher, widerspruchsfreier Kanon theoretischer und praxeologischer Konzepte, sondern als sich selbst ständig infrage stellende soziale [!] und kommunikative [!] Praxis verstanden wird […]«.

Das vorliegende Buch ist in diesem Sinne ein Plädoyer für eine systemisch orientierte Lehre: für eine wohlwollend kritische Reflexion, ob wir Lernen bestmöglich ermöglichen und begleiten.

Und es hat keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit: Letztlich ist es nur meine Perspektive auf »systemisch Lehren«; die Kapitel sind wie Mosaiksteinchen, die zwar durchaus ein Gesamtbild ergeben, aber die ergänzt und ausgetauscht ein anderes ergäben – bzw. in Ihrer Wahrnehmung und Deutung, aufgrund Ihrer Erfahrungen, ein ganz anderes Bild ergeben. – Insofern ist es wie beim Lehren und Lernen: und ich darf Sie ein wenig begleiten. Für ein Lehrbuch wirkt dieses Buch also vielleicht etwas unsystematisch, ggf. aphoristisch oder eklektizistisch. Und das soll es auch. Wie das »systemische Denken« an sich, soll es anstoßen und irritieren, »angemessen ungewöhnlich« (Tom Andersen; vgl. Kapitel 3.3.1) und ganz im Sinne des »lebendigen Lernens« (Ruth Cohn; vgl. Kapitel 4.2.2) sein. »Systemisch Lehren« hat also noch weit mehr spannende Facetten. Erfinden Sie mithilfe Ihrer Kreativität, Ihrer Spontaneität, Ihrer bisherigen Lehrverständnisse und -kompetenzen sowie mithilfe der Rückmeldungen Ihrer Teilnehmer:innen – bzw. gemeinsam mit Ihren Teilnehmer:innen – eigene Lehr- und Lernsettings.

Zum Aufbau des Buches

Nach dieser Einleitung werden im zweiten Kapitel Grundlagen behandelt. Nach einer ausführlichen Einführung in den systemischen Ansatz folgen zwei Gastbeiträge: einmal von Kersten Reich, dem »Vater« der konstruktivistischen Didaktik, und der andere von Rolf Arnold, dem »Vater« der Ermöglichungsdidaktik. Hiernach thematisiere ich die so wichtigen Grundhaltungen für die Lehre – bevor ich die Themen Feedbackgeben und -nehmen sowie Professionalisierung als narratives Identitätsprojekt in einzelnen Unterkapiteln aufgreife. Auch der so wichtige Themenbereich des diskriminierungssensiblen und machtkritischen Lehrens wird erarbeitet. Das Kapitel endet mit Ausführungen zu Carl Rogers Ansätzen über das »Lernen in Freiheit‹. In Kapitel 3 geht es um die systemische Erwachsenenbildung: Es wird auf systemische Hochschuldidaktik, das Improvisieren als Teil systemischen Lehrens sowie auf das systemische Lehrcoaching eingegangen. Im weiteren Verlauf wird beschrieben, wie systemische Lehre in Lehr-Lern-Kontexten von (Beratungs-)Weiterbildungen aussehen kann. Darüber hinaus wird systemische Lehre im Lehr-Lern-Kontext Hochschule vorgestellt. Ferner werden in Kapitel 4 konkrete didaktische Settings eines systemischen Lehrens dargestellt. Aufgegriffen werden Themen wie das »Reflecting Team«, »Teamteaching«, »Kollegiale Hospitation«, »Modelling« und Tutorien, Planspiele und »Peer-Learning«. Außerdem wird das Lehren durch Beraten und Vorleben im Zusammenhang mit der Wertschätzung von Ambivalenzen erklärt. Kapitel 5 beinhaltet eine ausführliche Darstellung einiger meiner Lehrbeispiele. In Kapitel 6 wird systemische Onlinelehre erläutert, die vor allem durch den Ausbruch der Coronapandemie eine ganz andere Stellung in der Lehre bekommen hat. Zum Schluss geht es in Kapitel 7 um eine systemische Evaluation.

Dank

Zu Beginn dieses Buches möchte ich explizit meinen herzlichen Dank aussprechen, allen Kolleg:innen, mit denen ich in den letzten 20 Jahren zusammengearbeitet habe;2 ohne sie wäre dieses Buch nicht denkbar gewesen; insbesondere natürlich Kersten Reich und Rolf Arnold.

Bedanken möchte ich mich aber auch bei allen Verlagsmitarbeiter:innen, mit denen ich über diese Zeit zusammengearbeitet habe – an dieser Stelle natürlich besonders herzlich beim Team vom Carl-Auer Verlag.

Dirk Rohr

Köln, im Mai 2023

1Mit Kersten Reich habe ich dann auch später intensiv zusammengearbeitet – wie z. B. im Projekt Modellkolleg Bildungswissenschaften und dem Buch Bildungswissenschaften (Rohr u. Roth 2012).

2Bettina Amrhein, Michaela Artmann, Sabine Aschmann, Vasili Bachtsevanidis, Robert Baum, Alexandra Bergedick, Sören Brune, Charles Deutsch, Nina Geldermann, Franziska Gnest, Ilja Gold, Marc Höcker, Annette Hummelsheim, Christine Jablonski, Isabella Kneuper, Paul Köppler, Maike Kricke, Sven Kullack, Tabea Lütters, Martina Masurek, Magdalena Michalak, Sofia Molot, Felix Mutter, Anna Nguyen, Hendrik den Ouden, Denise Ritter (ehem. Kempen), Hans-Joachim Roth, Eva-Maria Rottländer, Ingmar Schindler, Franz-Christian Schubert, Tanja Schulz, Clara Stein, Sarah Strauß, Anja Wegener, Eva Weinberg, Mario Winter, Jürgen Zepp, Leonie Ziehm und Renate Zwicker-Pelzer sind diese Kolleg:innen, mit denen ich zusammen gearbeitet und publiziert habe. Gemeinsame Veröffentlichungen sind z. T. in dieses Buch eingeflossen (siehe einzelne Kapitel, Verweise sowie Literaturverzeichnis).

2 Grundlagen

In diesem Kapitel befasse ich mich zu Beginn mit dem, was den systemischen Ansatz ausmacht (2.1). Darauf aufbauend folgen die beiden Gastbeiträge: »Geht systemisch ohne konstruktivistisch?« von Kersten Reich (2.2) und »Ermöglichungsdidaktik« von Rolf Arnold (2.3). Im folgenden Unterkapitel geht es um die Reflexion unserer »Rolle als Lehrperson« (2.4). Hiernach widme ich mich den Grundhaltungen für die Lehre (2.5) sowie der Bedeutung von Feedback (2.6). Danach befasse ich mich mit der Professionalisierung als narratives Identitätsprojekt (2.7), um anschließend eine diskriminierungssensible und machtkritische Lehre zu beleuchten (2.8). Der letzte Teil des Grundlagenkapitels beschäftigt sich mit dem Konzept »Lernen in Freiheit« nach Carl Rogers (2.9).

2.1 Der systemische Ansatz

Probleme, Unwohlsein, Unzufriedensein, innere Konflikte oder innere Widersprüchlichkeiten (Ambivalenzen) werden im traditionellen systemischen Denken aus der Beziehung des Menschen zu seinem Umfeld und seiner Umwelt heraus erklärt. Der Hauptfokus wird darauf gelegt, wie ein Kontext bzw. »äußeres« System subjektiv vom Individuum wahrgenommen und erlebt wird (»subjektive Perspektive«). Handlungen werden in erster Linie als interpersonale Kommunikation mit anderen Mitgliedern dieses Kontextes bzw. Systems gesehen. Systemische Beratung und Therapie präsentieren sich als ein spezifisches Erkenntnis- und Handlungsmodell, das die Person immer in Wechselbeziehung mit ihrem Kontext sieht und sich damit von einer linear-kausalen Denkweise abgrenzt.

»Die systemische Psychotherapie bzw. Beratung basiert auf dem Paradigma, dass Phänomene, welcher Art auch immer, nicht isoliert betrachtet werden können, sollen sie verstanden bzw. verändert werden. Nur wenn die spezifischen Wechselwirkungen und Rückkopplungsmechanismen in komplexen Systemen (Paarbeziehungen, Familien, Gruppen, Arbeitsteams, Organisationen und anderen Beziehungssystemen), die in der Regel nach einem Gleichgewichtszustand mit den umgebenden Umweltsystemen streben, begriffen werden, können neue Entwicklungsmöglichkeiten, Handlungsalternativen, neue Perspektiven und grundsätzliche Veränderungen entwickelt und erzielt werden« (Mücke 1998, S. 17).

Es sind die individuell gegebenen Bedeutungen, die »Personen-in-Kontexten« (Earman et al. 1993) bewegen. Unzufriedensein – im weitesten Sinne – nur an äußeren Einflüssen auszumachen bzw. durch interpersonale Kommunikation zu begründen, kann jedoch nicht ausreichen – auch nicht im Sinne des Konstruktivismus. Die systemische Zirkularitätshypothese in Verbindung mit dem Autopoiesekonzept erscheint plausibler: Zwischen konkreten Personen und ihrer Umwelt existieren Wechselwirkungen, sogenannte Rückkoppelungsschleifen. Über die Wahrnehmung und die Bedeutung dieser Rückkoppelungsschleifen entscheidet (meist jedoch nicht darüber reflektierend) jeder in Eigenverantwortung.

»Die Rekursivität der Sprache verweist auf die Fähigkeit, das erlebte Interaktionsgeschehen permanent zu qualifizieren, also innere Kommentare über die Interaktion und über das eigene Erleben abzugeben. Dieses Phänomen ist als Innerer Bezugsrahmen in der Psychotherapie ein Begriff: In Familien sind es vielfach nicht die Auseinandersetzungen selbst, mit denen Familienmitglieder sich das Leben schwermachen, sondern die inneren Bewertungen dieser Auseinandersetzungen« (von Schlippe u. Schweitzer 2012, S. 98).

Auch wenn innerhalb der systemischen Beratung nicht in gleichem Maße unterschiedliche Konzepte mit »Gründervätern« oder »-müttern« sowie eigene (weltweit vernetzte) Ausbildungsinstitute existieren (wie bei den Psychoanalytikern Freud, Adler, Jung, bei den »Humanisten«, z. B. Perls’ Gestalttherapie, Rogers’ Gesprächspsychotherapie, Cohns Themenzentrierte Interaktion, TZI), so sind doch auch hier zunächst allgemein anerkannte theoretische und konzeptionelle Prinzipien zu nennen. Es gibt gegenwärtig – und wohl auch noch weiterhin – keine Systemtheorie im Sinne einer einheitlichen therapeutischen Metatheorie, vielmehr haben sich im Laufe der Entwicklung unter den Begriffen »Familientherapie« und »Systemische Therapie« vielfältige Strömungen und Konzepte versammelt, die heute die beraterische und therapeutische Landschaft gestalten. Andererseits wurden auch einzelne komplexe und umfassende Theorieentwürfe entwickelt (z. B. Bateson 1981; Luhmann 1984).

Die unterschiedlichen Konzepte haben jedoch eine gemeinsame Betrachtungs- und Handlungsweise: Beratungsobjekt ist nicht das Individuum an sich, sondern das Beziehungs- bzw. Interaktionssystem, also typischerweise die Familie, die Paarbeziehung, das Arbeitsteam. Individuelles Verhalten wird verstanden als durch das Beziehungssystem »verursacht« und verweist somit auch wiederum auf das System zurück, in dem es sich entwickelt. Die Mitglieder eines Systems wirken ständig wechselseitig aufeinander. Maßgebend für diesen zirkulären Prozess sind nicht die Eigenschaften der beteiligten Personen, sondern die Kommunikations- und Interaktionsweisen und die wechselseitigen Auffassungen/Erwartungen und Bedeutungszuschreibungen (Konstrukte) der Systemmitglieder untereinander. »Therapiert« wird nicht das einzelne Individuum und auch nicht seine Eigenschaften, sondern »therapiert« werden die Beziehung konstituierenden Prozesse. Das sind im Wesentlichen

a)

die Kommunikations- und Interaktionsmuster zwischen den Mitgliedern eines Systems (Ehe, Familie) und

b)

die subjektiven Auffassungen und Überzeugungen (Konstrukte) über die Beziehung, den:die Beziehungspartner:in und über den Kontext (z. B. System), in dem die Interaktionen stattfinden. Das wirkt zunächst noch wechselseitig mechanistisch, ist im Endeffekt aber wesentlich komplexer und selbstgesteuert.

Damit sind schon zentrale Merkmale formuliert, mit denen sich systemisch fundierte Beratung und Systemische Therapie beschäftigen.

Die Bezeichnungen »systemische Beratung«, »Familientherapie« oder »Systemische Therapie« sind keine Bezeichnungen für eine therapeutische Schulenausrichtung oder für ein Behandlungsverfahren. Sie sind Bezeichnungen für ein spezifisches Behandlungssetting mit einer spezifischen professionellen Haltung und Grundeinstellung. Dieses Behandlungssetting wird heute von verschiedenen Therapieschulen mehr oder weniger offen aufgenommen und schulenspezifisch angepasst. Man kann somit systemisches Denken und Handeln nicht nur im Rahmen einer systemischen, sondern auch einer humanistischen, tiefenpsychologischen oder verhaltenstherapeutischen Grundausrichtung praktizieren (vgl. Schweitzer 2010).

2.1.1 Historische Perspektive

Die Anfänge der Familientherapie entwickelten sich in den 1950er- und 60er-Jahren in den USA, und zwar parallel zueinander, zum einen in einzelnen klinischen Forschungsgruppen an der Ostküste der USA in Boston und New York, sowie in Chicago und andererseits im Westen der USA in Palo Alto, Kalifornien. Dort fand sich eine einflussreiche Therapeutengruppe zusammen, die als »Palo-Alto-Gruppe« in die Geschichte der Familientherapie einging (vgl. Steiner et al. 2002).

Psychoanalytisch-psychiatrische Beiträge

In den großen Städten im Osten waren es vor allem psychoanalytisch orientierte Psychiater:innen, die im Team mit Sozialarbeiter:innen ein psychoanalytisch elaboriertes Konzept von Familientherapie vorantrieben. Insbesondere beschäftigten sich diese Pionier:innen mit Forschungen zur Entstehung von Schizophrenie im Rahmen von familiären Beziehungs- und Kommunikationsmustern. Wenn auch die Forschungsergebnisse zu Schizophrenie und Familie heute weitgehend als überholt gelten, so haben die Arbeiten fundamentale Beiträge zur Entwicklung familientherapeutischer Erkenntnisse und Handlungsweisen geliefert.

Bekannt geworden sind die Forschungen zur Familiendynamik z. B. von Theodore Lidz oder von Nathan Ackermann. Ackermann, Kinderpsychiater und Psychoanalytiker, hat in seinen Arbeiten mit Familien den Einwegspiegel und auch Filmaufnahmen eingeführt – Instrumente, die charakterisierend für familientherapeutische und systemische Arbeitsweisen wurden. Bedeutsamkeit hat die Mehrgenerationenperspektive von Ivan Boszormenyi-Nagy erlangt. Er postuliert Bindungen über mehrere Generationen, die sich über Verpflichtungen, Verdienste und Schuld ausdrücken. Im deutschsprachigen Raum entstanden in den 1970er-Jahren richtungsweisende Impulse, z. B. durch Horst Eberhard Richter (»Patient Familie«), Jürg Willi (»Kollusionskonzept«), Helm Stierlin (»Familie als Bindungsgemeinschaft«), sowie Hans Strotzka, Eckhart Sperling und gegenwärtig Manfred Cierpka (»Familiendiagnostik«).

Palo-Alto-Gruppe – pragmatische Kommunikationstheorie

Parallel zu diesen Entwicklungen leistete in Palo Alto, im Westen der USA, eine Gruppe um Gregory Bateson, Don Jackson und Jay Haley familientherapeutische Pionierarbeit, zu der bald auch Virginia Satir und Paul Watzlawick hinzukamen. Ihre Arbeitsweise wird als kommunikationstheoretische und strategische Familientherapie bezeichnet, wobei die Arbeitsweise von Virginia Satir eine eigene Position, als entwicklungsorientierte Familientherapie, einnimmt. Die Palo-Alto-Gruppe hatte weltweiten Einfluss auf die Entwicklung der Familientherapie, z. B. auf die Arbeiten von Salvador Minuchin, der in den 1970er-Jahren die strukturelle Familientherapie begründete, welche heute zu den einflussreichsten klassischen Modellen der (kybernetischen) Familientherapie zählt, oder auf die Arbeitsgruppe, die sich in den 1960er- und 1970er-Jahren in Mailand/Italien unter der Leitung von Mara Selvini-Palazzoli zusammenschloss und als »Mailänder Modell« in die Familientherapie einging.

Konstruktivistische Wende

In den 1980er-Jahren kam es zu einer bedeutsamen konzeptionellen (epistemologischen) Weiterentwicklung, die als »konstruktivistische Wende« und als »Kybernetik 2. Ordnung« bezeichnet wird und die breite Auswirkungen auf die systemische Denk- und Handlungsweise und inzwischen auch auf andere Beratungsansätze hat. Anstoß dafür waren Entwicklungen in Philosophie, Kybernetik und Biologie, die die Objektivität im wissenschaftlichen und therapeutischen Erkennen infrage stellten. In den Fokus rückten erkenntnistheoretische Überlegungen zur Erfassung von »Wirklichkeit« und darüber hinaus der Einfluss, den der:die Beobachter:in (Berater:in, Therapeut:in) auf das zu beobachtende System, z. B. auf die Familie und ihre Mitglieder, bzw. auf die dort beobachtete »Wirklichkeit« ausübt. Insbesondere der Denkansatz des radikalen Konstruktivismus (von Foerster 1981; von Glasersfeld 1981) hat wesentlich zu dieser Wende beigetragen. Er geht davon aus, dass wir die Welt nicht als »wahr« oder »falsch« erkennen können, sondern dass wir »Welt« als individuelle Konstruktionen entwickeln und nach diesem, unserem Modell die weiteren Erkenntnisse und Handlungen vornehmen. Bedeutsam für die Lebensgestaltung und Therapie von Menschen ist nicht primär der vermeintlich »objektive« Wahrheitsgehalt und das »Expertenwissen«, z. B. ob dieses Kind »wirklich« behindert ist oder nicht, ob der Mann seine Frau »wirklich« liebt. Wichtig wird vielmehr die Nützlichkeit und Brauchbarkeit der Auffassungen (Konstruktionen) für die Lebensgestaltung dieses Menschen. Im Zuge dieser Konzeptionen kam es zu einer Abkehr von den klassischen kybernetischen Denkmodellen und zu einer Hinwendung zu sogenannten Konversationsmodellen. In den Mittelpunkt dieser konzeptionellen Überlegungen trat die Frage, wie Wahrnehmung und Sprache Wirklichkeit, Bedeutsamkeit und Sinn bei einzelnen Individuen wie bei Systemen erzeugen. Maßgeblichen Einfluss auf die konstruktivistische Wende hatten zudem die Arbeiten von Humberto R. Maturana (1982) und Francisco J. Varela (1987) zur Autopoiese lebender Systeme (siehe weiter unten).

Mit diesen Entwicklungsschritten wird auch der Wandel von der klassischen Familientherapie zur Systemischen Therapie beschrieben. Die Entwicklungsschritte werden auch als »Kybernetik 1. und 2. Ordnung« formuliert. Sie konkretisieren sich im Wesentlichen über zwei Denk- und Handlungsansätze, die sich gewinnbringend ergänzen, in sich selbst jedoch vielfältig ausgestaltet sind: systemischkybernetische Ansätze (Kybernetik 1. Ordnung) und systemisch-konstruktivistische Ansätze (Kybernetik 2. Ordnung).

Die konstruktivistische Wende führt zu einer veränderten Auffassung über die Position des:der Therapeut:in und über die Prozesse im System. In den systemischkybernetischen Ansätzen geht man davon aus, dass Berater:innen Kraft ihrer fachlichen Kompetenz (»Expert:innenschaft«) die Eigenschaften eines Systems von außen (quasi »objektiv«) erkennen und dazu passende Interventionen entwickeln können. In den konstruktivistischen Ansätzen besteht eine veränderte Perspektive auf das System und seine Mitglieder: Der Fokus ist auf die Wahrnehmungsverarbeitung und Bedeutungszuschreibung der Klient:innen sowie auf die der Berater:innen gerichtet.

Die systemisch-kybernetischen Ansätze basieren auf den klassischen Modellen der Familientherapie, insbesondere denen der Palo-Alto-Gruppe. Diese Modelle werden gegenwärtig kombiniert mit konstruktivistischen Verfahren. Die systemisch-kybernetischen Ansätze verstehen Familie und andere soziale Systeme (z. B. Ehe, Wohngruppen, Arbeitsteams) im Sinne von kybernetischen Regelkreismodellen, d. h. in einer ständigen selbstregulierenden Balance zwischen den »gegenläufigen« Tendenzen zu Stabilität und zu Veränderung (Homöostase und Transformation). Die dafür nötige Selbstregulation wird über selbstentwickelte bzw. systeminterne Interaktions- oder Kommunikationsprozesse gebildet, die von dem:der Berater:in als »Kommunikations- und Beziehungsmuster« oder als »Interaktionsregeln« erfasst bzw. wahrgenommen werden. Solche Regeln und Muster können für das Funktionieren des Systems mehr oder weniger brauchbar sein (Schubert 2013). Die systemisch-kybernetischen Ansätze mit ihrer strukturierten Vorgehensweise – Aufmerksamkeit auf diagnostische Hypothesenbildung und gezielte Veränderung von Systemstrukturen und Prozessen – sind heute fester Bestandteil in beratenden, therapeutischen, psychiatrischen und psychosozialen Handlungsfeldern.

Unter systemisch-konstruktivistischer Perspektive werden Familie, Partnerschaft oder Organisation nicht als ein kybernetisches System betrachtet, in dem die Mitglieder wechselseitig ihr Verhalten regulieren, sondern als ein sprachliches System, in dem durch Konversation Bedeutung geteilt und soziale Wirklichkeit geschaffen wird. In den Mittelpunkt der konstruktivistischen Ansätze tritt die Sprache und wie Sprache Wirklichkeit erzeugt.

»Systemisch-konstruktivistische Beratung wird begriffen als Kooperation von Beraterin und Ratsuchenden in einer gemeinsamen Suche nach Verständnisformen und Lösungen für die wahrgenommenen Probleme. Der Beratungsfokus gilt der Art und Weise, wie Systeme und ihre jeweiligen Mitglieder – und damit auch die Berater – Wahrnehmungen herausfiltern und sich ihre Wirklichkeiten (Konstrukte), ihre Zuschreibungen, Deutungen und Überzeugungen über sich selbst, über andere Personen, über Beziehungen und Konflikte, über Zusammenhänge und Bedeutung von Ereignissen usw. erschaffen und Entscheidungen treffen« (Schubert 2015, S. 197).

Von Schlippe u. Schweitzer schreiben diesbezüglich:

»In Familien mit Symptomträgern zeigt sich dabei häufig, dass diese Beschreibungen nicht mehr angemessen rückgekoppelt werden, sondern dass die Erwartungen einer Person darüber, wie die andere ›ist‹, erstarren […] In der Sprache der Systemtheorie kann man sagen, dass sich die beteiligten Personen auf eine bestimmte Art von Ordnung der Wirklichkeiten, [auf] ein starres Muster festgelegt haben« (2010, S. 9).

In solchen Fällen reagieren die Mitglieder einer Familie nicht auf die Gefühle und Gedanken des anderen, sondern auf das, was sie selbst darüber denken und fühlen, was der andere denken und fühlen würde (»Die Geschichte mit dem Hammer«, Watzlawick 1983). Diese Muster verhindern bei den beteiligten Personen und Systemen Flexibilität und die Entwicklung von Interaktionen und Handlungsabläufen zur Bewältigung von Aufgabenstellungen. Sie behindern darüber hinaus die individuelle Entwicklung und neue Sinnentwicklungen. »[…] und genau diese (erstarrten) und einengenden Muster sind der Gegenstandsbereich systemischer Beratung« (von Schlippe u. Schweitzer 2013, S. 9).

Aus der konstruktivistischen Herangehensweise bildeten sich bedeutsame systemisch-beraterische Entwicklungen heraus, wovon vielfach der lösungsorientierte Ansatz (Beratung als Lösungsgespräch) und der narrative Ansatz (Therapie als biografischer Dialog) angeführt werden. Bereits in den 1970er-Jahren entwickelte eine Gruppe von Therapeut:innen um Steve de Shazer und seine Frau Insoo Kim Berg am Brief Family Therapy Center (BFTC) in Milwaukee/Wisconsin das Konzept der lösungsorientierten Kurztherapie (Solution Focused Brief Therapy, z. B. de Shazer 1989; Kim Berg 1992). Der Ansatz basiert auf der Annahme, dass die Entstehung von Problemen und deren Lösung nicht notwendigerweise kausal zusammenhängen. Der:Die Therapeut:in/Berater:in muss also das Problem nicht in allen Facetten kennen und verstehen, sondern Lösungen erfolgen oftmals außerhalb der Problemstrukturen. Ebenfalls in den 1970er-Jahren begannen in Australien Harry Goolishian und sein Team am Galveston Family Therapy Institute sich mit einem neuen Systemverständnis auseinanderzusetzen (Gergen u. Gergen 2009; Goolishian u. Andersen 1988; White u. Epston 2013; im Überblick: Kronbichler 2017). In ihrem Ansatz erfassen sie, wie Realität durch und in Sprache konstruiert wird und wie über Kommunikation und Erzählungen in sozialen Systemen ein bestimmtes Thema oder ein Problem entsteht bzw. konstruiert wird (siehe weiter unten).

2.1.2 Systemische Prinzipien und die systemische Grundhaltung

Im Folgenden wird eine Auswahl grundlegender Annahmen und Haltungen vorgestellt, die für die systemische Beratung postuliert werden. Im Wesentlichen erfolgt eine Bezugnahme auf zwei Basisliteraturen: Systemische Beratung und Psychotherapie von Klaus Mücke (1998) und Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung von Arist von Schlippe und Jochen Schweitzer (2013).

Den Möglichkeitsspielraum vergrößern

Heinz von Foersters (1988) ethischer Imperativ, »Handle stets so, dass du die Anzahl der Möglichkeiten vergrößerst« (zit. nach von Schlippe u. Schweitzer 2013, S. 201), ist auf der einen Seite Grundidee des systemischen Ansatzes; auf der anderen Seite sind genauso Tabus (Denkverbote), Dogmen, Richtig-/Falsch-Bewertungen und alles Weitere, was den eigenen Handlungsspielraum einschränkt, miteinzubeziehen. Bei den Beschreibungen der Klient:innen sollte immer auf diese Tabus, Denkverbote und Denkeinschränkungen besonders geachtet werden. Das Infragestellen von dem, was ich bis jetzt glaubte, wie ich, wie die Welt und wie andere sind, ist immer ein erster Schritt hin zum (Er-)Finden von Handlungsalternativen und damit zur Freiheit zu wählen. Es ist ein Schritt in die Richtung, mögliche Lösungen zu finden und den Möglichkeitsspielraum zu vergrößern.

Zirkularität – Innere Bezogenheit

»Die Logik ist ein armseliges Modell von Ursache und Wirkung« (Bateson 1987, S. 77). Allgemein bezeichnet man im systemischen Denken mit »Zirkularität« eine »Folge von Ursachen und Wirkungen, die zur Ausgangsursache zurückführt und diese bestätigt oder verändert« (Simon u. Stierlin 1992, S. 393). Von Ursache und Wirkung zu sprechen, ist eine Frage der Setzung eines Anfangspunktes, der dann als Ursache benannt wird (Interpunktion). »Der Junge rebelliert, die Lehrer werden strenger, der Junge rebelliert …« oder »Die Lehrer sind streng, der Junge beginnt zu rebellieren, die Lehrer werden strenger …«. Diese Setzung ist aber nicht zwingend. Genauso könnte diese Ursache schon als Wirkung betrachtet werden, wenn ein früherer Erklärungsansatz/Anfangspunkt gewählt würde (Watzlawick et al. 2000).

Jedes äußere Verhalten ist zirkulär eingebunden in unterschiedliche Kreislaufprozesse, und beides bedingt sich demnach gegenseitig. Es lassen sich im interpersonalen Feld keine Ursache-Wirkungs-Hypothesen aufrechterhalten. Die Annahme von Ursachen auf der einen Seite und daraus resultierenden Wirkungen auf einer anderen, also nach einem naturwissenschaftlich-physikalischen, kausalen Erklärungsprinzip, ist auf die Erforschung der Psyche eines Menschen nicht übertragbar. In einer zwischenmenschlichen Beziehung sind jedwede Gedanken und Gefühle Ausdruck und »Äußerung« und können somit immer auch als Botschaften verstanden werden – und zwar sowohl als Aktion (Ursache) als auch als Wirkung (Reaktion). Ein Beispiel für die Zirkularität von »Begründungen« und für eine interessante Systemebenen-Verschiebung wie auch gleichzeitig ein Bezug zum (schul)pädagogischen Rahmen stellt folgendes Gedankenexperiment dar:

»So kann aus der Wechselwirkung der Ideen: ›Die Schüler sind unmotiviert, weil sie schlechte Pädagogen haben‹ und: ›Die Pädagogen sind frustriert, weil ihre Schüler unmotiviert sind‹ zunächst die Idee entstehen: ›Schüler und Pädagogen frustrieren und demotivieren sich gegenseitig‹. Weitere Kreisläufe können etwa gesellschaftliche Zusammenhänge mit einbeziehen: ›Die Schulpflicht und ihre Umsetzung machen die individuelle Motiviertheit von Schülern und Lehrern für das Überleben der Institution Schule entbehrlich; entsprechend motivieren unmotivierte Schüler und frustrierte Pädagogen den Staat immer wieder dazu, die gesetzliche Schulpflicht in der bisherigen Form aufrechtzuerhalten‹« (von Schlippe u. Schweitzer 2013, S. 205).

Wertschätzung aller Persönlichkeitsfacetten von Klient:innen

Es ist von grundlegender Bedeutung, dass allen Persönlichkeitsfacetten eines:einer Klient:in uneingeschränkte Wertschätzung und Würdigung entgegengebracht wird. Gleichzeitig ist ebendiese Wertschätzung ein hohes Ideal, da es immer wieder Facetten geben wird, die wir erst einmal nicht verstehen und mit denen wir nicht übereinstimmen wollen. So kann es manchmal einiger Erforschungen bedürfen, solchen Facetten eines:einer Klient:in etwas Achtenswertes abzugewinnen. »Würdigung, Achtung und Respekt dem Menschen und seiner systemischen Verwurzelung« (Mücke 1998, S. 25) gegenüber sind zentrale Elemente wie auch gleichzeitig das ethische Fundament systemischer Beratung (ebd.).

Die Wertschätzung aller Klient:innen gleichermaßen und eine dahingehende Allparteilichkeit ist eines der Grundprinzipien des systemischen Ansatzes. Boszormenyi-Nagy und Sparks (1981) definieren die Allparteilichkeit in ihrer Bedeutung für die zwischenmenschliche Systemebene der Familie als

»innere Freiheit, nacheinander die Partei eines jeden Familienmitgliedes zu ergreifen in dem Maße, in dem sein einfühlendes Verstehen und sein strategisches Vorgehen dies erfordern« (ebd., S. 242).

Bezüglich der Wertschätzung eines vermeintlich negativen Verhaltens, ebenso wie in Bezug auf einzelne Eigenschaften eines Menschen, ist eine kurze Passage aus dem Lehrbuch von Klaus Mücke wiederzugeben:

»Zum Beispiel erfordert ›unterwürfig sein‹ folgende intraindividuellen Kompetenzen: die Fähigkeit, sich zurückzunehmen, sich auf den anderen einzustellen, eigene Bedürfnisse zurückstellen, zuhören können; Rücksicht zu üben, andere aufzuwerten, Verantwortung abzugeben, Anpassungsfähigkeit etc. Interindividuell hat dieses Verhalten mitunter folgende Auswirkungen: Es schafft Harmonie; andere fühlen sich bestätigt und anerkannt; den anderen wird Platz, Macht und Einfluss eingeräumt etc.« (Mücke 1998, S. 35).

Neugier, den anderen Menschen kennenzulernen

Eine grundlegende Haltung in der systemischen Beratung ist Neugier gegenüber dem Menschen und dem ihn:sie umgebenden System. Der systemische Therapeut Gianfranco Cecchin (1988), der erst gemeinsam mit den anderen Mitgliedern des alten Mailänder Teams (Selvini Palazzoli et al. 1981) die Prinzipien der Zirkularität, des Hypothesenbildens und der Neutralität fokussierte, entwickelte später das Prinzip der Neugier. Er sieht die Neugier als Widerspruch zu einer Gewissheit, einer Kausalität, ebenso wie zu einer Gewissheit einer bestimmten Moral. Die Neugier ist das Interesse an Mustern und an der Vielfältigkeit. Es ist kein Interesse an Bewertungen.

»Systemische Neugier interessiert sich für die jedem System immanente Eigenlogik, die als weder gut noch schlecht, sondern schlicht als wirksam angesehen wird, weil sie sich für dieses System offensichtlich evolutionär bewährt hat« (von Schlippe u. Schweitzer 2013, S. 207).

Da der Mensch sich immer weiterentwickelt, sich immer wieder in neuen und sich verändernden Systemen befindet, impliziert die Neugier auch die Unmöglichkeit, den anderen Menschen endgültig und umfassend für immer zu kennen. Insofern ist die Unwissenheit sowohl eine Voraussetzung als auch eine Ressource (Anderson u. Goolishian 1992).

»Wir […] sind aufgefordert, dieses Nichtwissen […] dazu zu nutzen, weitere Puzzle-Varianten zu fördern und die vorschnelle Schließung des Dialogs zu verhindern […] Fragen wir von einer Perspektive des Wissens, geleitet von Theorien oder eigenen Verstehenskonzepten, so erfragen wir damit die Geschichte, die bereits in unserem Kopf ist« (Epstein zit. nach von Schlippe u. Schweitzer 2013, S. 121 f.).

Ressourcenorientierung

Die Ressourcenorientierung ist eine weitere grundlegende Haltung des systemischen Denkens, die sich aus der vorher genannten Wertschätzung ergibt. Wenn ich Verhaltensweisen nicht als Defizite bezeichne, wenn es mir also gelingt, diese wertzuschätzen und damit auch positiv zu konnotieren, verschiebt sich der Fokus meiner Betrachtung auf die Ressourcen. Die Ressourcenorientierung als Prinzip der systemischen Beratung ist in erster Linie von dem bereits genannten Erfinder der Kurztherapie, de Shazer (1989), ausgearbeitet worden. Für die systemische Beratung wird aus pragmatischen Gründen davon ausgegangen, dass die Möglichkeit der Lösungsfindung in jedem selbst liegt.

»Und es erweist sich therapeutisch oft als nützlicher, davon auszugehen, Menschen verfügten an jedem Punkt ihrer Entwicklung über eine Vielzahl von Möglichkeiten, sie entschieden sich aber – aus subjektiv respektablen Gründen – vieles von dem, was sie tun könnten, zumindest vorläufig noch nicht (oder nur manchmal) zu tun« (von Schlippe u. Schweitzer 2013, S. 210).

In de Shazers Kurztherapie wird dem Problem an sich keinerlei Bedeutung und Beachtung beigemessen. In der Beratung liegt jedoch der Schlüssel der Lösung in eben den Bedürfnissen, die zu dem als problematisch erlebten Verhalten geführt haben. Um diese Bedürfnisse herauszufinden, ist der Fokus erst einmal auf den Status quo, das gezeigte Verhalten, zu legen.

Der Umgang mit »Widerständen«

Eins der bedeutendsten Prinzipien der systemischen Beratung ist dasjenige, dass es keine Widerstände (im gebräuchlichen tiefenpsychologischen Wortsinn) gibt. Vermeintliche Widerstände werden immer als ein Bedürfnis des:der Klient:in angesehen, das anderen Bedürfnissen widerspricht und das wie die anderen gleichermaßen wertgeschätzt wird. Insofern ist es wichtig, immer so zu handeln, als gäbe es aufseiten des Gegenübers keinen »Widerstand« (1. Pragmatische Regel bei Mücke 1998, S. 100).

»Schließlich kann kein Mensch eine zweifelsfreie Aussage über das Erleben eines anderen Menschen machen und sagen, was wirklich in dem anderen vorgeht; denn dann wüsste ein Mensch über einen anderen besser Bescheid als dieser selbst. Selbst wenn man den Verdacht hat, hier handle es sich um Widerstand und in Wirklichkeit verberge sich hinter den Äußerungen des Kunden/der Kundin ein unbewusster [innerer] Konflikt, dann sollte man sich bewusst sein, dass das nur die eigene Konstruktion ist und man selbst dem Verhalten des Kunden/der Kundin diese Bedeutung gegeben hat« (Mücke 1998, S. 101).

Im Sinne des systemischen Denkens werden Widerstände nicht als feindliche Reaktionen betrachtet. Stattdessen wird vielmehr davon ausgegangen, dass diese Reaktionen wichtige Informationen in sich tragen, dass sie sich für Bedürfnisse einsetzen, welche die Gesamtperson vernachlässigt.

Diese Informationen gilt es herauszufinden. Wenn der:die Berater:in hingegen den – aus der jeweiligen aktuellen Situation heraus verständlichen – Wunsch hat, das Verhalten des:der Klient:in schnellstmöglich abzubauen, verstärkt er:sie durch die Aufmerksamkeit auf eben dieses dessen Wirkmacht. So gibt es also einen »Widerstand« in herkömmlicher therapeutischer (auf Freud zurückgehender) Bedeutung innerhalb der systemischen Beratung nicht. Einen sinnvollen, wohlwollenden und (lebens)wichtigen Widerstand in der Bedeutung von sich widersprechenden Bedürfnissen gibt es hingegen sehr wohl.

2.1.3 Was ist ein Problem?

Aus diesen Überlegungen wird deutlich, dass im systemischen Verständnis ein Symptom oder Problem nicht als Zustand, Eigenschaft oder Strukturmerkmal aufgefasst wird, welches ein System oder eine Person »hat«; sondern ein System erzeugt über Kommunikation ein Problem (»problemdeterminiertes System« oder kurz: »Problemsystem«). Einem problemdeterminierten System können ganz unterschiedliche Akteur:innen auf unterschiedlichen Systemebenen angehören, z. B. Familienmitglieder, Helfer:innen, Berater:innen, Vertreter von Institutionen wie Lehrer:innen, Ärzt:innen, Therapeut:innen, Sozialarbeiter:innen. Betrachten wir ein Problem oder Symptom unter dem Aspekt des problemdeterminierten Systems, dann verschiebt sich der Fokus von der Frage »Wer hat das Problem, seit wann und warum?« zu den Fragen »Wer beschreibt das Problem wie […] und die damit verbundenen Interaktionen in welcher Weise« (von Schlippe u. Schweitzer 2010, S. 7).

Aufgelöst wird das Problem, indem sich die Kommunikation um das Problem verändert, bis die relevanten Systemmitglieder oder alle der Meinung sind, dass das Problem gelöst sei. Häufig ist also nicht die Veränderung des gesamten Systems nötig, sondern »nur« die der Kommunikation rund um das Problem. Als problemstabilisierendes Verhalten gilt, wenn die beteiligten Personen die Auffassung haben, dass kein Weg aus dem Problem herausführe oder die Lösung in der Macht anderer, am Problemsystem nicht Beteiligter liege.

2.1.4 Systemische Basisverfahren

Systemische Verfahren sind in zahlreichen Publikationen dargestellt, beispielhaft sind zu nennen von Schlippe und Schweitzer (2013), Schwing und Fryszer (2012) und der Sammelband von Levold und Wirsching (2017), welcher Verfahren in großer Zahl vorstellt. Daneben gibt es eine Vielfalt übersichtsmäßiger Darstellungen der relevanten Basisverfahren (z. B. Schubert 2013; Schubert, Rohr u. Zwicker-Pelzer 2019; Rohr 2016b).

Die Basismethoden systemischer Beratung lassen sich nach von Sydow et al. (2007) grob in vier Gruppen zusammenfassen, die auch Überschneidungen aufweisen:

strukturelle und strategische Methoden wie Joining, Auftragsklärung, Hypothesenbildung und Reframing (Kommentare und Umdeutungen)

symbolisch-metaphorische Methoden wie Genogramm, Zeitlinie, Skulpturarbeit (Familienskulptur), Familienbrett

systemische Fragen wie zirkuläre Fragen, lösungsorientierte Fragen, Differenzierungsfragen, problemorientierte Fragen, Fragen zu Wirklichkeits- und Möglichkeitskonstruktionen und hypothetische Fragen

narrative und dialogische Methoden wie das Reflecting Team (vgl. Schindler, Kricke u. Rohr 2013).

Die Methoden werden nicht nur in der Arbeit mit Systemen (z. B. Paare, Familien), sondern auch in der systemischen Beratung von Einzelpersonen eingesetzt. Entlang dieser Strukturierung stelle ich im Folgenden die relevanten Basismethoden vor.

Strukturelle und strategische Methoden

Joining bezeichnet den Prozess, mit dem der:die Berater:in zu Beginn einen kognitiv-emotionalen Zugang zu jedem Systemmitglied herstellt. Anschließend erfolgt die Auftragsklärung und -aushandlung. Das beinhaltet die Klärung des Zuweisungskontextes, der verdeckt mitlaufenden Aufträge Außenstehender (z. B. Schule, Arbeitsplatz, Nachbarn, Verwandte) und die Erfassung der Erwartungen und Wünsche der einzelnen am Setting beteiligten Personen, damit alle »an einem Strang ziehen« und Berater:in und Systemmitglieder das gleiche Ziel verfolgen.

Systemische Hypothesenbildung: Ein zentraler Prozess im systemischen Vorgehen ist die Erstellung kontextorientierter systemischer Hypothesen (Hypothetisieren). Das sind Hypothesen über die wechselseitigen Zusammenhänge und Funktionen zwischen Symptom, Beziehungsmustern und Interaktionsregeln in einem System unter bestimmten situativen und biografischen Kontextbedingungen. Zu den Kontextbedingungen zählen auch die Einflüsse beteiligter Helfer:innensysteme. Hypothetisieren ist vornehmlich in den systemisch-kybernetischen Verfahren der Familien- und Systemtherapie bedeutsam. Das Vorgehen kann auch als »systemische Diagnoseerstellung« gelten (im Überblick z. B. Ritscher 2011; Schubert et al. 2018; umfassend Cierpka 2008).

Für diesen »Diagnoseprozess« werden Beobachtungen, Erzählungen und Wirklichkeitskonstruktionen der Systemmitglieder sowie Beobachtungen des:der Berater:in und sein:ihr fachliche Wissen über Struktur und Dynamik spezifischer Problemsysteme herangezogen (z. B. über Co-Abhängigkeitsdynamiken, Kinder psychisch kranker Eltern, Kollusionen in Paarbeziehungen), um

dahinterliegende Strukturen im System zu erkennen

den Beziehungssinn und die systemerhaltenden Funktionen von Symptomen, Störungen, sozialen Auffälligkeiten zu erkennen und

Ressourcen zu erfassen.

Daraus werden Hypothesen über das System und über seine Ressourcen sowie über die Änderungsmöglichkeiten des Systems entwickelt.

Hypothesenbildung dient nicht primär als diagnostisches Erkenntniswerkzeug, wie in der klassischen Wissenschaft, aus dem das »richtige« Behandlungsverfahren abgeleitet wird. Hypothesen sollen vor allem Berater:in wie auch Klient:innensystem aus festgefahrenen Auffassungen lösen und zu neuen Sichtweisen anregen. Es geht nicht darum, »die eine richtigen Hypothese zu finden. Vielmehr führt gerade die Vielfalt der Hypothesen auch zu einer Vielfalt von Perspektiven und Möglichkeiten« (von Schlippe u. Schweitzer 2013, S. 204). Hypothesen haben also eine Ordnungs- und Anregungsfunktion; sie bilden vor allem jedoch den roten Faden im systemischen Beratungsprozess, sie werden fortlaufend überprüft und wenn nötig verworfen und neu gebildet. Hypothesenbildung ist somit nicht strikt von den Beratungsinterventionen getrennt, vielmehr nehmen beide rekursiv Einfluss aufeinander.

Funktion des Problems/Symptoms: Systemische Hypothesenbildung basiert auf den Auffassungen über die Funktion des Problems/Symptoms. Probleme und Störungen werden systemisch immer in ihrer zirkulären Wechselwirkung mit dem Kontext aufgefasst und verstanden:

mit den Anforderungen zur Anpassung der Beziehungen und Interaktionsregeln an anstehende interne oder externe Veränderungen

die wiederum zu einer bestimmten beziehungs- bzw. systemhistorischen Zeit auftreten oder auftraten und

die damals wie auch noch gegenwärtig eine bestimmte, allerdings eben stellvertretende Lösungs- bzw. Sinnfunktion in diesem Beziehungsgefüge hatten und haben (= die »guten Gründe« für das Symptom).

Allerdings wird nicht selten der Kontext einseitig als Ursache des Problems gesehen, im Sinne einer linearen Verursachungszuschreibung, z. B. wird dann das Symptom als Ausdruck der Beziehungsstörung der Eltern interpretiert, also eigentlich als »lineare Folge«. Eine derartige einseitige Kontextualisierung kann eine »Verursachung« mit mehr oder weniger verborgenen Schuldzuschreibungen beinhalten. Die zirkuläre Betrachtungsweise hingegen erfasst zusätzlich die rekursive Wirkung des Symptoms auf den Kontext, hier also die Rückwirkung des symptomatischen Verhaltens des Kindes auf das Verhalten der Eltern (Beendigung des Streites und gemeinsames Kümmern). Damit wird eine wechselseitige Stabilisierung von System (Subsystem Eltern) und Symptom (Kind-Verhalten) erkannt. Solche Wechselwirkungen können zu einer erheblichen Chronifizierung der Störung führen.

Der systemisch-kybernetische Ansatz versteht Störungen, Probleme oder psychische Erkrankung eines Familienmitglieds als Ausdruck einer notwendig gewordenen, jedoch nicht ausbalancierten Anpassungsleistung des Systems an veränderte Bedingungen. Die symptomatischen (von außen als »dysfunktional« bewertete) Beziehungs- und Verhaltensmuster des:der identifizierten Patient:in fokussieren die Familienmitglieder auf das Problemverhalten und halten sie gleicherweise von den anstehenden Struktur- und Prozessveränderungen im System ab. Damit »schützt« quasi das Symptom bzw. das Problem das gesamte System / die Familie vor einer bedrohlich erlebten Belastung der anstehenden Struktur- und Prozessveränderungen. Derartige Veränderungen werden von Mitgliedern häufig auch als Gefährdung der bisherigen Beziehungsform oder als Selbstwertbedrohung befürchtet und erlebt (z. B. Ablösung Jugendlicher, Wegzug der erwachsenen Kinder und »empty nest«). Weiterhin entsteht über diese Problemfokussierung ein spezieller Zusammenhalt im System. So beendet beispielsweise das symptomatische Verhalten eines Kindes (z. B. Angstzustände, Einnässen, kurzfristig auftretendes Schulversagen) den als hoch bedrohlich erlebten Streit zwischen den Eltern, indem sich die Eltern z. B. gemeinsam um das Kind und um seine »Störung« kümmern und von ihrem eigenen Streit ablassen. Daraus entwickelt sich ein Kreislauf, der die Störung aufrechterhält und auch eine langfristige Chronifizierung von Symptomen erklären kann (Ruf 2009; von Schlippe u. Schweitzer 2013). Unter diesem Aspekt erhalten symptomatische Muster und Regeln (allgemein: Symptom, Störung) einen Sinn und eine »systemerhaltende« Funktion. Symptome sind ein »sinnhaftes«, »passendes« Verhalten in einem spezifischen Kontext und sind eben nicht »dysfunktional« (Schubert 2013, 2015).

Reframing: Systemische Therapie erfolgt auf der Basis von Wertschätzung und »positiver Konnotation«. Das umfasst Anerkennung vorhandener Ressourcen, von gezeigter Änderungsorientierung oder Besserung und positive Umdeutungen von Problemen oder symptomatischen Verhaltensweisen. Damit sind nicht hohle Nettigkeiten oder naive Problemverkennung gemeint. Interventiv eingesetzte Kommentare beziehen sich auf eine Uminterpretation (Reframing) der Funktion des Symptoms oder des Kontextes, sodass der Klient die Probleme und die bisher negativen Auffassungen in einem neuen Licht sehen kann bzw. den Sinn und die Funktion des Problems erkennt. Ziel ist es, die in einem spezifischen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang gebundenen Denkmuster aufzulösen und Klient:innen wie auch Therapeut:innen aus rigiden Verhaltens- und Erklärungsmustern herausführen. Umdeutungen werden in Publikationen zahlreich und in anregender Weise vorgestellt. Kontextuelles Reframing gibt eine Kontextdeutung, innerhalb der das Symptom als sinnvoll, hilfreich oder weniger bedrohlich aufgefasst wird. Inhaltliches Reframing bietet eine alternative, positiv gewertete Interpretation für ein gezeigtes Verhalten an und verändert so die Bedeutung des Verhaltens, ohne den Bezugsrahmen (wesentlich) zu verändern. Reframing soll auch anregen, nach Fähigkeiten zu suchen, die in einem störenden Verhalten stecken oder danach zu suchen, in welchem Kontext solche Symptome bzw. Verhaltensweisen sogar wertvolle Ressourcen darstellen.

Symbolisch-metaphorische Methoden

Genogramm und Systembeziehungskarte sind als diagnostisch ordnende Verfahren aufzufassen. Sie geben einen raschen Überblick über systemisch komplexe Strukturen, Beziehungen und mögliche Zusammenhänge.

Das Genogramm erfasst die Personen und familialen Beziehungen über mehrere Familiengenerationen und ordnet sie in grafischer Form. Es ermöglicht einen raschen Überblick über die komplexen Familienstrukturen und die Geschehnisse in mehreren Generationen sowie über mögliche Auswirkungen auf das Gegenwartssystem (McGoldrick et al. 2008; Rohr 2017a).

Die im Gespräch mit den Systemmitgliedern beobachtete Organisation des Systems (z. B. Familie), ihre Interaktions- und Beziehungsmuster sowie Regeln können in einer Systemkarte (Beziehungskarte) über Verbindungslinien und spezifische grafische Symbole schematisch veranschaulicht werden (Minuchin 1977), die sich je nach Hypothesenentwicklung verändern können. Dargestellt wird beispielsweise, wer mit wem eng verbunden oder verstrickt ist, wer zu wem distanziert und wer ausgegrenzt ist und zwischen wem Koalitionen oder Konflikte bestehen.

Mit der Life Line oder Zeitlinie werden sowohl positive als auch »weniger schöne« (belastende) Ereignisse aus der Biografie, aber auch gewünschte Ziele für die nahe Zukunft entlang einer Linie (z. B. auf Papier oder im Beratungsraum an einem Seil) dargestellt. Über die Life Line können positive Entwicklungen wie auch der Einfluss belastender Ereignisse und bisherige Bewältigungs- und Lösungsversuche erfasst werden, und ebenso Ressourcen, die aus den Erfahrungen gewachsen sind oder auch nicht genutzt werden.

Skulpturarbeit ist eine erlebnisaktivierende Methode, die nicht über Worte, sondern über körperliche Darstellung die Beziehungsdynamik in einem System, z. B. in der Familie, zum Ausdruck bringt. Systemmitglieder stellen über Körperhaltung, Bewegung (auch mit kurzen prägnanten Aussagen) und über ihre Verteilung im Aufstellungsraum dar, wie sie die Beziehungen im System erleben. Zum Ausdruck kommen z. B. Nähe und Distanz, Dominanz, Macht und Ohnmacht. Die aufgestellten Mitglieder erkennen und erleben aus ihrer Position und der darin aktivierten Emotionalität die Struktur und Beziehungsdynamik des Systems. In einem weiteren Prozessschritt können einzelne Mitglieder in eine andere Position gehen und aus diesem Perspektivwechsel, also aus einer System- und Beziehungsänderung, die damit verbundene Veränderung der Beziehungsdynamik und der Systemstruktur erfassen.

Anstelle einer Skulptur mit Personen können die Systembeziehungen mit verschiedenen Figuren auf einem Brett (Familienbrett) oder mit symbolischen Gegenständen dargestellt und ähnlich wie die Skulptur als Diagnose- und Interventionsverfahren eingesetzt werden.

Systemische Fragen

Systemisches Fragen beruht auf einer spezifischen Form von Gesprächsführung, die vom Mailänder Team entwickelt wurde und inzwischen breit ausgebaut ist. Über spezielle Frageformen werden die wechselseitigen Annahmen (Konstruktionen) der Systemmitglieder sowohl übereinander als auch über die erlebten Interaktionsregeln erfasst. Es werden also nicht Dinge, Eigenschaften oder Ereignisse fokussiert, sondern deutlich werden die wechselseitigen Überzeugungen, die das Verhalten gegenseitig steuern, wie auch die Kontroll- bzw. Beeinflussungsversuche der Systemmitglieder untereinander.

Bei systemischen Frageformen werden Systemmitglieder gebeten, über die Beziehung zwischen zwei oder mehreren anderen Mitgliedern zu reflektieren und ihre Auffassungen auszusprechen. Dadurch werden die wechselseitigen Auffassungen über Beziehungen und Kontrollversuche nach und nach offenkundig, wodurch wiederum Öffnungen für die Veränderung von bisher festgefahrenen Auffassungen, Bewertungen und Regeln entstehen. Gerade wenn in einem System Veränderungen oder die Bewältigung von Anforderungen anstehen, wird das nicht selten als existenziell bedrohend erlebt. Systemmitglieder versuchen sich dann häufig gegenseitig zu kontrollieren und auf die eigenen, subjektiven Bedürfnisse und Regelauffassungen zu verpflichten. Im weiteren Verlauf der Beratung können »brauchbarere« Erklärungen und Bewertungen des Denkens und Verhaltens der anderen wie auch des eigenen entstehen, womit neue kognitiv-emotionale Entwicklungen, Lösungen und Regelbildungen bei den einzelnen Mitgliedern sowie im gesamten System in Gang gesetzt werden.

Inzwischen ist ein breites Spektrum von Fragetypen entwickelt worden, wie beispielsweise die Folgenden:

Lösungsorientierte Fragen

(»Verbesserungsfragen«) stehen in der Tradition der systemisch-lösungsorientierten Gesprächsführung, mit Fragen zu Ausnahmesituationen und der »Wunderfrage«.

Differenzierungsfragen

sollen die Aufmerksamkeit auf Unterschiede lenken und Auffassungen über andere Subsystem-Vergleiche, Triadische Fragen oder Eigenschaften in Verhaltensweisen überführen (»verflüssigen«). Große Verbreitung haben inzwischen Skalierungsfragen (»Wo zwischen 0 und 10 liegt heute ihr Gesamtbefinden? Wie sind sie von Stufe X nach Stufe Y gekommen? Wie haben sie das gemacht?«).

Problemorientierte Fragen

(»Verschlimmerungsfragen«) rücken den Beitrag des:der Betroffenen bzw. des Klient:innensystems in den Fokus (»Was müssen Sie tun, damit es noch/wieder schlimmer wird?«). Diese Fragen regen an, die eigene Beteiligung am Problemzustand zu reflektieren, ohne dass damit konkret die Aufforderung verbunden ist, etwas Bestimmtes zu ändern.

Fragen nach dem Nutzen des Problems:

»Wofür wäre es gut, das Problem noch eine Weile zu behalten?«, »Was würde schlechter sein, wenn das Problem weg wäre?«.

Fragen zu Möglichkeitskonstruktionen erfassen

, »wie das Leben aussehen würde, wenn die Lösung schon da wäre, oder eine Verbesserung eingetreten wäre, oder sich irgendetwas ganz anderes im Leben ereignet hätte« (Schwing u. Fryszer 2012, S. 219).

Hypothetische Fragen

sollen Klient:innen anregen, sich konkret in einer symptomfreien (nahen) Zukunft zu beschreiben, wobei sie in einem weiteren Schritt überlegen können, wie ein solcher Zustand erreicht werden könnte.

Narrative Methoden

Narrative Ansätze gehen davon aus, dass Menschen ihr Leben und ihre Erfahrungen durch Geschichten (Narrationen) interpretieren, die als Selbsterzählungen bedeutsam für ihre Identitätsentwicklung sind (Kronbichler 2017). Wenn Personen ihr Leben, ihre Verhaltensweisen und Beziehungen immer wieder im Lichte ihrer Problemerzählungen erleben, kann das negative Überzeugungen über sich und andere verfestigen und zu erheblichen Verzerrungen im Alltagsleben und in der Identitätsentwicklung führen. Im Rahmen des narrativen Ansatzes werden solche Geschichten erkundet und infrage gestellt und zu veränderten Selbsterzählungen angeregt. Die Art und Weise, wie Menschen ihre Geschichten erzählen und welchen Inhalt sie entwickeln, was sie ändern und anders erzählen, eröffnet neue Perspektiven und Möglichkeiten für die Klient:innen und für das System. Das ermöglicht eine Neukonstruktion von Lebensnarrationen, eine Veränderung der Problemsicht und eine Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten. Dabei wird der:die Klient:in angeleitet, eine sprachliche Trennung zwischen sich und seiner:ihrer Person vorzunehmen und Ausnahmesituationen vom Problem zu entdecken. Die Aufgabe des:der Therapeut:in/Berater:in besteht darin, bei der Neubeschreibung der Erfahrungen mit kritischen Lebenssituationen oder einzelner Lebensgeschichten unterstützend zu wirken (Rekonstruktion oder Dekonstruktion von Geschichten). Ziel ist es, alternative Lebensgeschichten zu entwickeln, die das Leben des:der Klient:in weniger problembestimmt, freier und glücklicher konstruieren und zur Identitätsentwicklung beitragen (»Welchen Geschichten erlaubst du, deine Identität und dein Leben zu bestimmen?«).

Die lösungsorientierte Beratung geht davon aus, dass die Lösung eines Problems nicht notwendigerweise an die Erfassung der Problementstehung gekoppelt sein muss, sondern davon unabhängig erfolgen kann. Im Beratungsgespräch ist daher die Problembeschreibung so kurz wie nötig zu halten, jedoch wird sehr sorgsam nach Situationen und Zuständen geforscht, wo das Problem nicht oder nur abgeschwächt auftritt, d. h. wo »Ausnahmen« vom Problem auftreten. Anhand der Beschreibung, wie das Erleben und Verhalten nach Beendigung des Problems sein wird, werden die Problemausnahmen, die angestrebten Entwicklungsziele und bereits kleine Veränderungen in die Zielrichtung als Schlüssel zur Lösung aufgefasst und in der therapeutischen Arbeit verfolgt und herausgearbeitet (»Solution Talk«) (de Shazer 1989). Hierfür sind eine Reihe von kreativen und pragmatischen Vorgehensweisen entwickelt worden, wie z. B. die »Wunderfrage«, Fragen nach »Ausnahmen« vom Problem sowie Skalierungsfragen (vgl. Abschnitt »Systemische Fragen«).

2.1.5 Ziele systemischer Beratung

Systemische Beratung hat zum Ziel, gemeinsam mit dem System die problemaufrechterhaltenden zirkulären Prozesse und Konstrukte (Interaktions- und Kommunikationsmuster, Überzeugungen, Zuschreibungen, Erwartungen) wie auch die systemische Funktion und den Sinn der Störung

zu erfassen (diagnostische Hypothesenbildung; Ritscher 2011; Schubert et al. 2018)

zu unterbrechen (»verstören« oder dekonstruieren) und

zusammen mit dem System bessere, brauchbarere Lösungen zu finden.

Brauchbarere Lösungen (Muster, Konstrukte) sollen die bisherige »störende« Funktion bzw. den bisherigen Sinn der Störung ersetzen und nötige Änderungen und Entwicklungsschritte bei den einzelnen Mitgliedern und dem System wieder in Gang setzen.

Das erfolgt im engeren System (Familie, Wohngruppe) oder im weiteren sozialen oder strukturellen Umfeld (Kontext) über

Veränderung von problematischen Interaktions- und Beziehungsmustern

Veränderung von Überzeugungen und Erwartungen (Konstrukten) einzelner oder aller Systemmitglieder (Mitglieder des Problemsystems)

Akzeptanz und Beibehaltung von bisher funktionalen Verhaltens- und Einstellungsmustern

Erfassung und Aktivierung von Ressourcen.

Die Beschäftigung mit Therapiezielen verlangt auch, die Vorteile der Störung, den Symptomgewinn, zu erkennen und letztlich auch von diesen Vorteilen abzulassen, bzw. sie durch andere Vorteile zu ersetzen (Schubert et al. 2018).

Fünf typische Arbeitsmuster sollen diesen Prozess am System Familie veranschaulichen:

Unterbrechung, Auflösung festgefahrener und Entwicklung anderer, brauchbarer Beziehungsmuster und Regeln (Kommunikations- und Interaktionsmuster), womit auch die Familienstrukturen sich verändern

Erkennen der kontextuellen Funktion der Symptome für den Einzelnen und die gesamte Familie und gemeinsames Herausfinden brauchbarerer kontextueller Lösungen und Sinngebungen

Dekonstruieren bzw. »Verstören« der Auffassungen (der »Realitäts«-Konstruktionen) einzelner Familienmitglieder sowie der Familienmitglieder untereinander und gegenüber Umweltsystemen (z. B. über zirkuläres Fragen)

Entdeckung und Nutzung von Ressourcen bei Familienmitgliedern, im Familiensystem und im sozialen wie strukturellen Umfeld

Antizipieren von positiven Mustern und Regeln (Lösungen) in der Zukunft (»Futuring«) und Transfer in (kleine) gegenwärtige Betrachtungsmöglichkeiten (Realitätskonstruktionen) und Verhaltensmuster (Kommunikations- und Interaktionsmuster) (Schwing u. Fryszer 2012).

2.1.6 Systemische Settings

Ein systemisches Setting kann unterschiedlich gestaltet sein, als Beratung mit Einzelnen oder als Beratung mit den Mitgliedern eines Systems (z. B. Familienmitgliedern, Mitgliedern einer Wohngruppe u. a.).

Systemische Beratung mit Einzelnen (»Familientherapie ohne Familie«)

Beratungsarbeit mit Einzelnen unter dem systemischen Ansatz findet häufig im Rahmen von Aufnahmegesprächen bzw. von Erstgesprächen statt. Man kann aber auch längerfristig mit Einzelpersonen systemisch-familientherapeutisch, also in Abwesenheit der Familie, arbeiten, wie 1988 von Weiss in seinem Buch Familientherapie ohne Familie erstmals breiter dargestellt wurde. Verschiedene Techniken können dabei helfen, das System (z. B. Familie, Wohngruppe), in das der:die Klient:in eingebunden ist, und die relevanten Bezugspersonen mental sehr präsent zu machen, wodurch die Probleme und Themen der Einzelperson auch mit den Abwesenden gut bearbeitet werden können. Hierfür eignen sich z. B. Arbeiten mit dem Genogramm, mit dem Familienbrett, mit zirkulären Fragen und Zuschreibungen, mit Narrationen und anderem. Besser geht es aber zumeist, wenn die relevanten Bezugspersonen persönlich dabei sind.

Systemische Beratung mit Familienmitgliedern

Oftmals taucht die Frage auf, wann Bezugspersonen bzw. die Familie in die Beratung einbezogen werden sollen. Maßgeblich sind hier folgende Fragen: In welchen Kontexten werden Probleme (Symptome, Beziehungsprobleme) leichter lösbar bzw. in welchem Kontext ist eine Krankheitsbewältigung eher zu erwarten? Welche Personen sollen eingeladen werden, an der Lösung mitzuwirken, an welchen Orten und zu welchem Zeitpunkt ist es sinnvoll? Allerdings geht es dabei nicht um ein striktes »Ja oder Nein« zur Einbeziehung von Familie, sondern eher um die Frage, zu welchem Zeitpunkt und bei welchem Thema es sinnvoll ist, die Familie einzubinden.

Systemische Beratung bzw. systemische Familienberatung ist nicht ein »Standardpaket«, das stets mit gleichen, standardisierten Systemmitgliedern zur Anwendung kommt. Es ist vielmehr ein sehr flexibles Setting, das für ein sehr breites Spektrum von Beratungskonstellationen infrage kommt (Schweitzer 2010).

2.1.7 Vertiefung: Erkenntnistheorien zur systemischen Beratung und Therapie

Die meisten der Autor:innen der systemischen Beratung benennen den theoretischen Hintergrund ihrer Konzepte mit Philosophen, die man entweder der poststrukturalistischen, der konstruktivistischen, der systemtheoretischen, der autopoietischen oder der ökologischen Philosophie zurechnen kann (von Schlippe u. Schweitzer 2013, S. 87–128; Rohr 2016b).

Poststrukturalismus

Sogenannte post- oder neostrukturalistische Gedanken und ähnliche postmoderne und sprachphilosophische Überlegungen, die das Ende der Metaerzählungen (bzw. Metatheorien) und das Ende der großen Entwürfe deklarierten, entwickelten sich Ende der 80er-Jahre und begannen von da an, die systemische Beratung und Therapie zu beeinflussen (von Schlippe u. Schweitzer 2013, S. 124 f.). So sieht Wolfgang Welsch (1991, S. 4) z. B. im Poststrukturalismus eine »Verfassung radikaler Pluralität«, und zwar auf verschiedenen Ebenen: auf der Ebene der Gesellschaft, auf der des einzelnen Menschen – der jeweils selbst im Plural lebt und »in sich selbst gegensätzliche Ideen und Lebensweisen vereinigt« (ebd.) – und auf der Ebene der Theorien an sich. Welsch fordert ein Nebeneinander, einen »grundsätzlichen Pluralismus von Sprachen, Modellen, Verfahrensweisen« (ebd.) und das in jedem einzelnen (theoretischen) Werk.

Richterich (1993, S. 29) beschreibt postmodernes Denken als »Neugierde«, als »[…] sich selbst gegenüber immer im Zweifel behalten, sich nie ganz ernst nehmen«. Die Herangehensweise der postmodernen Philosophen ist die Dekonstruktion, das Erkennen und Anerkennen der Vielfalt von »Geschichten« und der Komplexität. Ziel ist es, neue Sinnprozesse und neue Möglichkeiten zu finden, zu erfinden. Für die Therapie schreiben von Schlippe und Schweitzer (2013, S. 125 f.):

»In der Gegenwart nutzen viele Therapeuten eher die Vielfalt der Möglichkeiten für die Entwicklung eines eigenen Stils, als dass sie sich auf einen einzigen, großen psychotherapeutischen Entwurf stützen und ausschließlich nach ihm operieren.«

Hier bietet sich eine Übertragung auf das Individuum an: Aus systemischer Sicht können viele Menschen die Vielfalt der Möglichkeiten für die Entwicklung mehrerer eigener Stile nutzen, statt sich auf einen einzigen, gewohnten (oft negativen) Entwurf zu stützen und ausschließlich nach ihm zu operieren.

Der bedeutende postmoderne (und poststrukturalistische) Denker Michel Foucault setzte sich hauptsächlich mit dem Thema »Macht« auseinander. Macht, so Foucault (1976), reproduziere sich durch »verbotene Worte«, durch Tabus. In der interpersonalen Kommunikation bezieht sich Foucault vor allem auf die Bereiche Politik und Sexualität. Diese implizieren eine Unterscheidung zwischen »Vernunft« und »Wahnsinn« und zwischen »Wahrem« und »Falschem« (von Schlippe u. Schweitzer 2013, S. 126). Durch Macht bzw. durch »soziale Herrschaft« werde dem Individuum das Wissen um seine Freiheit zum selbstbestimmten Existenzentwurf genommen. Vergleichbare Mechanismen spielen auch im intrapersonalen System eine ähnliche Rolle, d. h., internalisierte Forderungen wie »Du sollst …«, »Das ist vernünftig«, »Das denkt man nicht einmal« oder »Das tut man nicht« haben innerhalb des inneren Machtkampfes oft herausragende Bedeutung. Diese Bedeutung haben sie wiederum aus dem Grunde, dass eben dementsprechend kontrolliertes Verhalten sozial akzeptiert und erwünscht ist und somit Bestätigung zur Folge hat.

Jene internalisierten Forderungen und Mechanismen können sich auch in der Beratungssituation und der Berater:in-Klient:in-Beziehung widerspiegeln. Entscheidend für systemisches Denken ist folgende postmoderne Schlussfolgerung: »Der Mensch als ›souveränes Subjekt jeder möglichen Erkenntnis‹ trägt die Fähigkeit zur Suche nach alternativem Wissen bereits in sich« (ebd., S. 126 f.). Dies beinhaltet immer auch die Möglichkeit, sich anders, abweichend zu verhalten. Das zu erkennen und anzuerkennen ist Voraussetzung allen Lernens. Doch um die Strategie