Tao für Anfänger - Harry Eilenstein - E-Book

Tao für Anfänger E-Book

Harry Eilenstein

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Beschreibung

Das Tao ist das, was man nicht beschreiben kann - man kann auf das Tao nur hinweisen kann. Das Tao ist die Einheit hinter der Vielheit - und das Denken braucht zwei Dinge und den Bezug dazwischen. Das Tao kann man nicht definieren - aber man kann es erleben. Das Tao ist die Leinwand, die das Bild trägt. Das Tao ist die Stille, die den Klang gebiert. Das Tao ist die Leere, aus der die Fülle hervorfließt. Das Tao ist das Ende des Krampfes - das Tao ist das freie Fließen. Das Tao ist das Ende der Enge - das Tao ist ein still leuchtendes Glück, das nichts braucht. Das Tao ist das Ende der Anstrengung - das Tao ist die Quelle der mühelosen Magie. Das Tao ist das Nichts, das Chaos, die Urmutter, das Große Geheimnis - aber man kann es in jedem Grashalm erleben.

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Inhaltsverzeichnis

Lao-tse und das Tao-Tê -King

Die 81 Sprüche

A Die Muttergöttin

B Das Nichts

C Das Tao

D Yin und Yang

E Wandel

F Das Wu-Wei

G Klarheit

H Einfachheit

I Meditation

J Einsgerichtetheit

K Die eigene Mitte

L Beständigkeit

M Irrwege

N Verstehen

O Behutsamkeit

P Gemeinschaft

Der Rheinische Taoismus

Bücherverzeichnis

I Lao-tse und das Tao-Tê-King

Das Tao-Tê-King ist das am häufigsten übersetzte und am häufigsten kommentierte Buch der Welt. Es ist also fraglich, ob ich noch etwas Neues dazu sagen kann.

Die 81 Gedichte habe ich aus verschiedenen Übersetzungen zusammengestellt und aufgrund der verschiedensten Kommentare zu einzelnen Übersetzungen zum Teil neu formuliert – in der Hoffnung, damit dem, was Lao-tse sagen wollte, näher zu kommen.

Das, was ich – meiner eigenen Einschätzung nach – Neues dazu tun kann, ist der Blickwinkel der Magie, der in so gut wie allen Übersetzungen und Kommentaren vollständig fehlt. Zudem werden manche Zeilen auch deutlicher, wenn man sie vor dem Hintergrund der damaligen Mythologie betrachtet – was bisher nur selten geschehen ist.

Letztlich kann man den Wert eines Buches natürlich nur daran messen, in welchem Ausmaß es das eigene Leben zum Besseren verwandelt. Zumindestens mein eigenes Leben hat Lao-tse wohltuend beeinflußt.

Lao-tse hat im 6. Jahrhundert v.Chr. in China gelebt. Über sein Leben ist nichts Sicheres bekannt. Auch sein Name, der schlicht „Alter Meister“ bedeutet, hilft nicht weiter.

Das Tao-Tê-King ist möglicherweise erst um ca. 400v.Chr. aufgeschrieben worden. Seine heutige Form hat es recht sicher erst um 150 v.Chr. erhalten.

Wenn man dies alles zusammennimmt, ist es ungewiß, ob Lao-tse tatsächlich ein realer Mensch gewesen ist, oder ob das Tao-Tê-King eine Sammlung von chinesischen Weisheiten gewesen ist.

Für die Auffassung des Lao-tse als eines konkreten Menschen spricht hingegen, daß um 600 v.Chr. in ganz Eurasien Weisheitslehren und Mysterienkulte entstanden sind, die alle die Eigenständigwerdung des einzelnen Menschen zum Ziel haben: (der vermutete) Lao-tse, Dschuang-tse, Kunfu-tse, Buddha, Patanjali, Jaina, Zarathustra, Zalmoxis, Pythagoras, die Mysterien von Eleusis und von Samothrake, der Kult des Mithras, des Orpheus und des Sol invictus, die Einweihungsrituale der Kelten und der Germanen usw.

Die Lehren des Lao-tse gehören auf jeden Fall in diesen Gesamtzusammenhang – egal ob Lao-tse nun ein konkreter Weiser gewesen ist oder eben sozusagen viele einzelne Weise.

Der Name „Tao-Tê-King“ bedeutet „Buch über den Weg der Magie“.

Das Wort „Tao“ bedeutet sowohl „Weg“ als auch „ursprüngliche Einheit“. Es ist hier also das Leben im Einklang mit der ursprünglichen Einheit gemeint.

Die Wirkung dieser Lebensweise ist das „Tê“, das man am besten mit „Magie“ übersetzen kann, da es die Verzauberung der Welt beschreibt. Mit dieser Verzauberung ist gemeint, daß sich die Ereignisse für den, der im Zustand des Tê ist, sinnvoll fügen.

Das Wort „King“ bedeutet schlicht „Buch“. Dies ist dasselbe Wort wie das Wort „Ging“ in dem Begriff „I Ging“, der „Buch der Wandlungen“ bedeutet.

Ein weiterer wichtiger Begriff aus dem Taoismus ist das „Wu-Wei“, das „Nicht-Tun“ bedeutet. Damit ist das Streben nach dem Einklang mit dem Tao gemeint.

Zwei Begriffe, die sowohl für das Tao-Tê-King als auch für das I Ging von großer Bedeutung sind, sind „Yin“ und „Yang“. Yang ist das Diesseits, der Leib, das Leben, der Süden, die Wärme, der Tag, die Helligkeit und die Trockenheit; Yin ist das Jenseits, die Seele, der Tod, der Norden, die Kälte, der Tag, die Dunkelheit und die Feuchtigkeit. Das ursprüngliche Tao hat sich in diese beiden Gegensätze polarisiert und die Mischung dieser beiden Ergänzungs-Gegensätze läßt alle Dinge in der Welt entstehen – dies wird ausführlich im I Ging betrachtet und beschrieben.

Ein weiteres interessantes Detail ist die Anzahl der Sprüche in dem Buch „Tao-Tê-King“. Warum gerade 81 Sprüche?

Zahlen sind damals in der Regel nicht zufällig gewählt worden. So findet sich z.B. in den indischen Schriften und auch in der germanischen Überlieferung die „108“ im Zusammenhang mit dem Sonnengott-Göttervater. Diese „108“ setzt sich aus „1·2·2·3·3·3“ zusammen, was man auch als „11·22·33“ schreiben kann. Die Sonne war eine Einheit („1“), deren Leben zwei Phasen, d.h. Tag und Nacht, Leben und Tod enthält („2“), und die eine endlose Wanderung, einen endlosen Zyklus durchläuft („3“).

Diese drei Zahlen (1, 2, 3) standen auch für die damals üblichen drei grammatischen Numerus-Formen „Singular“, „Dual“ (Zweizahl) und „Plural“. Diese drei Numerus-Formen wurden z.B. in der Hieroglyphen-Schrift durch einen, zwei bzw. drei senkrechte Striche dargestellt.

Der Singular war die Einheit, der Dual der Ergänzungs-Gegensatz und der Plural, also die „3“ die Vielzahl und somit auch der Zyklus sowie die Sonne als dem Urbild eines zyklischen Vorgangs.

Wenn man nun die „81“ betrachtet, zeigt sich, daß sie eine „9·9“ oder „92“ bzw. eine „3·3·3·3“ oder „34“ ist. Was ist damit gemeint?

Die „3“ ist allgemein der Zyklus und die Sonne. Somit wäre die „81“ ein Hinweis auf das Strahlen der Sonne auf dem Weg der Sonne – dabei könnte der zyklische Lauf der Sonne dem Tao entsprechen.

Aus diesem Grunde haben alte Darstellungen der Sonne oft acht Strahlen, hat das I Ging 8·8=64 Hexagramme, hat das Schach- und Dame-Brett 8·8=64 Felder, wurden die ägyptischen Götter oft in 8er-Gruppen zusammengestellt usw.

Es ist somit einleuchtend, wenn Systeme 8·8=64 Felder haben – das ist die Darstellung der Vollständigkeit. Doch warum 9·9=81 Felder?

Die „9“ ist die Zahl, die die „8“ zerstört – so wie auch die „13“ die Vollkommenheit der „12“ zerstört und daher Judas der dreizehnte Apostel ist und die „13“ als Unglückszahl und Todeszahl angesehen wird – im Tarot ist daher die 13. Karte der „Tod“. In Japan und in China findet sich z.B. auch der neunschwänzige Fuchs als Jenseitsbote.

Ist die „9“ in der Anzahl „81“ der Sprüche des Lao-tse ein Hinweis auf die Vergänglichkeit („9“) jedes harmonischen Zustandes („8“)? Falls dies zutreffen sollte, wäre die „81“ geradezu eine programmatische Erklärung zu den Sprüchen des Laotse, die besagt, daß sich alle Dinge ständig ändern und daß man daher jederzeit mit dem „Tod“ seiner liebgewonnenen Lebensumstände rechnen sollte und jederzeit für die „kleinen Tode“ in seinem Leben und für den „großen Tod“ am Ende seines Lebens bereit sein sollte.

Wenn diese Deutung zutreffen sollte, wäre die „81“ dieselbe Aussage wie das „I“ in „I Ging“: der ständige Wandel aller Dinge. Genau das ist auch eine der Grundaussagen im Tao-Tê-King.

Das Hexagramm-Quadrat

Im I Ging sind die 8·8=64 Hexagramme nach einem bestimmten Muster in ein Quadrat eingefügt worden. Es ist leicht zu sehen, daß jeweils gegensätzliche Zeichen nebeneinander stehen, d.h. daß bei den Hexagrammen mit geraden Zahlen die durchgezogenen Linien und die unterbrochenen Linien gerade umgekehrt sind wie bei den Hexagrammen links neben ihnen mit den ungeraden Zahlen.

Ob diese 32 Paare in einer logischen Weise angeordnet sind, ist schwer zu erkennen – links oben sind immerhin die beiden Zeichen, die nur aus durchgezogenen oder nur aus unterbrochene Linien bestehen – und rechts unten sind die beiden Zeichen, die aus abwechselnd durchgezogenen und unterbrochene Linien bestehen.

Es wäre denkbar, daß auch die 9·9=81 Felder, in die man die Sprüche des Tao-Tê-King einfügen könnte, eine Ordnung aufweisen, aber das ist schon deshalb schwer zu erkennen, weil diese Sprüche keine graphischen Symbole, sondern eben Verse sind. Und selbst bei dem Quadrat des I Ging ist bis heute keine schlüssige Ordnung entdeckt worden …

- - -

Die 81 Sprüche des Tao-Tê-King haben eine klassische Anordnung, die im Folgenden der Nummerierung der Sprüche von 1 bis 81 entspricht.

Da sich das Wesen der Weltanschauung, die hinter diesen Sprüchen steht, meines Erachtens jedoch nicht in dieser Folge am einfachsten verstehen läßt, werden die 81 Sprüche in diesem Buch in einer anderen Reihenfolge betrachtet – wobei jedoch jeweils die klassische Nummerierung beibehalten worden ist.

Es gibt natürlich keinen Spruch, der nur zu einem Thema gehört, aber die meisten Sprüche haben immerhin einen deutlichen Schwerpunkt in ihrer Aussage.

Lao-tse

II Die 81 Sprüche

Die 81 Sprüche des Tao-Tê-King sind im Folgenden in mehreren Kapiteln zusammengefaßt worden, in denen jeweils die Sprüche stehen, die zu einem Thema gehören.

A Die Muttergöttin

1. Spruch

Wenn man das Tao definieren kann, ist es nicht das ewige Tao!

Wenn man Begriffe begreifen kann, sind sie keine ewigen Begriffe!

Unbegreiflich ist der Ursprung des Himmels und der Erde,

der Ursprung ist begreiflich als der abertausend Dinge Mutter.

Daraus folgt:

Wenn Du beständig ohne Begehren bist, wirst Du sein Geheimnis erblicken;

Wenn Du beständig mit Begehren bist, wirst Du seine Oberfläche erblicken.

Diese beiden entstanden gemeinsam, doch wurden sie verschieden benannt –

beide zusammen nennt man geheimnisvoll,

das Geheimste des Geheimnisses, die Pforte aller Tiefgründigkeit …

Das Tao ist formlos und daher auch unerklärlich, da man nur über Strukturen eine Aussage machen kann. Zudem ist das Tao ewig. Das Tao ist auch die Muttergöttin, die alle Dinge geboren hat – auch Himmel und Erde.

Begehren bewirkt eine Auswahl, sodaß man nur die Oberfläche der Welt sieht. Wenn man sich jedoch ganz auf das Leben einläßt, sieht man das Innere der Welt.

Das Außen ist der Leib: Yang. Das Innen ist die Seele: Yin. Beide gehören zusammen und wurden zusammen erschaffen – sie sind aus dem Ur-Ei entstanden: Yin und Yang sind aus dem Tao entstanden.

Das Geheimnis ist das Tao, die Urgöttin. Die Tiefgründigkeit ist ebenfalls das Tao, die Urgöttin. Die Pforte zu dieser Tiefgründigkeit ist der Schoß der Urgöttin, die alle Dinge geboren hat.

6. Spruch

Der Geist des Tales ist unsterblich …

man nennt ihn den geheimnisvollen Mutterschoß.

Der geheimnisvollen Urmutter Pforte

wird des Himmels und der Erde Uranfang genannt.

Endlose feinste Seidenfädchen – sie sind unerschöpflich,wenn man sie benutzt.

Der „Mutterschoß“ und der „Urmutter Pforte“ ist der Schoß der Muttergöttin, die alle Dinge gebiert. Sie gehört in allen Religionen zu der ältesten Schicht, die noch aus der Altsteinzeit stammt.

Diese Göttin hat sogar Himmel und Erde geboren.

Der Schoß der Göttin ist „geheimnisvoll“, weil er als der Anfang, als die ursprüngliche Einheit, nicht in mehrere Teile zerlegt und somit auch nicht vom Verstand beschrieben werden kann – dieser Anfang ist einfach da, wie sich an der Existenz der Welt zeigt. Der Schoß der Göttin ist hier mit dem Tao identisch.

Was ist der „Geist des Tales“? In anderen Sprüchen erscheint das Wasser als das, was die Täler erschafft. Das Wasser ist das, was alle Dinge gestaltet und das Wasser wird auch mit der Wasserunterwelt, mit dem Urwasser als Quelle aller Dinge und vermutlich auch mit dem Fruchtwasser, das das ungeborene Kind im Bauch der Mutter umgibt, assoziiert.

Der „Geist des Tales“ ist somit auch der Geist des Wassers – und das Wesen des Wassers wird im Tao-Tê-King als Weichheit, Nachgeben, Formen, Unüberwindbarkeit beschrieben. Der „Geist des Tales“ ist somit die Haltung der Taoisten: das Wu-Wei.

Die „feinsten Seidenfädchen“ sind vermutlich die „Silberschnüre“, d.h. die Verbindungen aus Lebenskraft, die alle Dinge miteinander verbinden, die Analogien zwischen ihnen deutlich werden lassen und die Vielfalt zu einer organischen Einheit verweben und so die Geborgenheit in der Muttergöttin entstehen lassen. Sie sind unerschöpflich, weil sie in allem sind.

20. Spruch

Verzichte auf Gelehrsamkeit –

und Du hast keine Sorgen mehr.

Zustimmung und Ablehnung –

der Unterschied zwischen ihnen ist klein, nicht wahr?

Gut und Böse –

der Unterschied zwischen ihnen ist nicht groß, nicht wahr?

Das, was die Menschen fürchten, kann nicht nicht gefürchtet werden.

Einsamkeit, ach – Dein Ende ist wirklich weit entfernt!

Die meisten Menschen sind fröhlich und ausgelassen

als gingen sie zu großen Opferfesten, als bestiegen sie die Terrassen im Frühling.

Ach, ich jedoch bin still ohne jegliches Anzeichen von Lächeln

wie ein neugeborenes Baby, das noch nicht gelächelt hat,

müde, erschöpft, ach, wie ohne einen Ort, an den ich heimkehren könnte.

Die meisten, alle Menschen leben im Überfluß, nur ich allein bin wie verloren.

Wahrlich, ich habe das Herz eines einfältigen Menschen.

Ach, verworren und verwirrt …

Gewöhnliche Menschen sind klar und klug,

nur ich bin dunkel und trübe;

gewöhnliche Leute sind scharf und entschieden,

nur ich allein bin traurig und bekümmert.

Ach, wogend bin ich wie das Meer,

ach, wehend bin ich wie ohne Ziel.

Die meisten, alle Menschen haben ein Ziel,

nur ich allein bin einsam,

scheine ein Hinterwäldler zu sein,

Nur ich alleine bin anders als die anderen Menschen –

aber ich schätze die Nährende Mutter.

Die Hauptaussage in diesen Versen ist, daß der Taoist (das „ich“ in dieser Strophe) sich nicht um Gelehrsamkeit, Gesellschaft, Heimat und ähnliches kümmert, sondern auf die Muttergöttin vertraut – auf die „nährende Mutter“.

25. Spruch

Am Anfang entstand aus dem Chaos heraus ein vollendetes Wesen –

bevor Himmel und Erde geboren wurden.

Ach wie still, ach wie leer,

eigenständig, unveränderlich,

überall wirkend und doch unerschöpflich es ist:

es kann daher als die Urmutter der ganzen Welt angesehen werden.

Ich kenne seinen Name nicht und um es zu bezeichnen, nenne ich es Tao;

wenn ich ihm einen Namen geben sollte, würde ich „groß“ sagen.

Groß bedeutet entschwindend,

entschwindend bedeutet weitreichend,

weitreichend bedeutet zurückkehrend.

Daher ist das Tao groß, ist der Himmel groß,