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Drei hinreißende Männer und eine abgelegene Berghütte in Schweden Die junge Lehrerin Daisy fährt überstürzt und unvorbereitet nach Schweden, um die wohl schlimmste Woche ihres Lebens hinter sich zu lassen. Das Letzte, was sie jetzt noch gebrauchen kann, ist der Elch, der ihr vor das Auto läuft. Oder der wortkarge und muskelbepackte Ranger, der sie aus ihrem Autowrack rettet und sie als naive Touristin beschimpft. Doch ein Sturm zieht auf, und widerwillig nimmt der Ranger Daisy mit auf seine Hütte, in der seine Mitbewohner warten. Eingeschneit vor dem knisternden Kaminfeuer lernt Daisy den Arzt Riven kennen, der sie mit seinem Körper in den Wahnsinn treibt, sowie Eli, den Skilehrer mit Lippen, die sie unbedingt küssen möchte. Riven und Eli lieben es, Daisy gemeinsam zu verwöhnen. Nur Ranger Cole taut nicht auf. Er ahnt, dass Daisy ein dunkles Geheimnis in sich trägt … THREE SWEDISH MOUNTAIN MEN ist eine extra spicy Reverse-Harem-Romance. Noch mehr Bücher von Lily Gold: Triple Duty Bodyguards Nanny for the Neighbors Faking With Benefits
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Seitenzahl: 449
Three Swedish Mountain Men
Lily Gold lebt in London, England, und schreibt zeitgenössische Liebesromane. Sie hat eine Schwäche für starke Männer mit großen Herzen und denkt, dass das Einzige, was besser ist als ein book boyfriend, sind zwei book boyfriends... oder vielleicht drei. Wenn sie nicht schreibt, liest sie normalerweise, tötet aus Versehen ihre Topfpflanzen oder sucht sich ein Haustier zum Kuscheln.
Die junge Lehrerin Daisy fährt überstürzt und unvorbereitet nach Schweden, um die wohl schlimmste Woche ihres Lebens hinter sich zu lassen. Das Letzte, was sie jetzt noch gebrauchen kann, ist der Elch, der ihr vor das Auto läuft. Oder der wortkarge und muskelbepackte Ranger, der sie aus ihrem Autowrack rettet und sie als naive Touristin beschimpft. Doch ein Sturm zieht auf, und widerwillig nimmt der Ranger Daisy mit auf seine Hütte, in der seine Mitbewohner warten.
Eingeschneit vor dem knisternden Kaminfeuer lernt Daisy den Arzt Riven kennen, der sie mit seinem Körper in den Wahnsinn treibt, sowie Eli, den Skilehrer mit Lippen, die sie unbedingt küssen möchte. Riven und Eli lieben es, Daisy gemeinsam zu verwöhnen. Nur Ranger Cole taut nicht auf. Er ahnt, dass Daisy ein dunkles Geheimnis in sich trägt …
Lily Gold
Roman
Aus dem Englischen von Maya Lloyd
Forever by Ullsteinforever.ullstein.de
Deutsche Erstausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinNovember 2023© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2023© Lily Gold 2021Die englische Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel: Three Swedish Mountain Men.Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.Umschlaggestaltung: zero-media.net, München,nach einer Vorlage von © Yummy Book CoversE-Book powered by pepyrus
ISBN 978-3-95818-780-1
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Das Buch
Titelseite
Impressum
Daisy
Cole
Daisy
Riven
Daisy
Eli
Daisy
Daisy
Cole
Daisy
Riven
Daisy
Daisy
Riven
Daisy
Cole
Daisy
Eli
Daisy
Daisy
Daisy
Cole
Riven
Daisy
Eli
Cole
Daisy
Daisy
Cole
Daisy
Riven
Daisy
Daisy
Epilog
Leseprobe: My Sexy Enemy Next Door
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Daisy
Diese Reverse-Harem-Romance enthält explizite und erotische Szenen zwischen mehreren Partnern (lasst euch nicht von dem niedlichen Cartoon-Cover täuschen – es ist sehr spicy!)
Obwohl das hier ein süßer, heißer Liebesroman ist, geht es auch um sensible Themen. Eine vollständige Liste findet ihr auf meiner Website unter: www.lilygoldauthor.com.
Viel Spaß beim Lesen!
Dies ist ein Werk der Fiktion. Alle Charaktere sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit realen Ereignissen, Unternehmen oder Personen (lebendig oder tot) ist rein zufällig.
Ich schwöre bei Gott, der Elch taucht wie aus dem Nichts auf.
In der einen Sekunde fahre ich noch seelenruhig eine kurvenreiche Straße durch einen frostigen, glitzernden Kiefernwald hinauf. Es ist mein erster Tag in Lappland, und ich bin ein paar Stunden vor meiner Check-in-Zeit in meinem Airbnb angekommen, und so habe ich mich dazu entschlossen, noch ein wenig die Gegend zu erkunden. Es ist ein wunderschöner Nachmittag; die Straßen sind leer, um mich herum ragen die Berge auf, und der Schnee rieselt in großen Flocken friedlich vom Himmel.
Und dann biege ich um eine Ecke und fahre plötzlich auf einen verdammt großen Elch zu.
Er ist gigantisch, doppelt so groß wie mein Auto, mit einem riesigen, verzweigten Geweih, das spitz genug aussieht, um mich aufzuspießen. Mit seinem Körper blockiert er die gesamte Straße. Es gibt keine Möglichkeit, ihm auszuweichen, also hupe ich, um ihn zu verscheuchen.
Was eine schlechte Idee ist.
Als das Hupen durch den Wald schallt, wirbelt der Elch herum, dreht sich einmal fast ganz im Kreis und stürmt direkt auf mein Auto zu.
Fluchend reiße ich das Lenkrad zur Seite und lege den Rückwärtsgang ein; der Wagen kommt von der Straße ab und rast auf eine Baumgruppe zu. In dem Moment gerät alles außer Kontrolle, meine Reifen rutschen über den Schnee. Ich kneife die Augen zusammen und bereite mich auf den Aufprall vor …
Eine Schockwelle flutet über mich hinweg. Ich höre das Geräusch von berstendem Glas und spüre die eiskalte Luft auf meiner Haut, als die hinteren Fensterscheiben nach innen zerspringen. Mein Sicherheitsgurt blockiert und schneidet in mich ein, als ich nach vorne geschleudert werde. Bevor ich durch die Windschutzscheibe fliege, öffnet sich der Airbag und schleudert meinen Kopf wieder nach hinten. Mein Schädel knallt gegen den Sitz. Schmerz schießt mir den Nacken hoch, und ich schreie auf, als das Auto knirschend und knatschend zum Stehen kommt.
Ein paar Sekunden lang sitze ich keuchend da. Das Adrenalin schießt in Wellen durch mich hindurch. Meine Hände umklammern noch immer das Lenkrad, und die Knöchel treten weiß hervor. Es ist gespenstisch still. Draußen höre ich die Bäume rascheln und das leise Rieseln dicker Schneeflocken, die gegen die Windschutzscheibe prasseln und darauf schmelzen.
Ich versuche, mich zu bewegen, aber der Airbag drückt mich fest in meinen Sitz. Es fängt an zu zischen, und langsam entweicht seine Luft.
Ich schließe die Augen und mache eine Bestandsaufnahme. Nirgendwo an meinem Körper fühlt es sich nass an, deshalb glaube ich nicht, dass ich blute, und nichts tut so sehr weh, als dass etwas gebrochen sein könnte. Mein Nacken brennt, als ich versuche, meinen Kopf zu drehen, aber hoffentlich ist das nur eine Muskelzerrung. Ich atme langsam aus, und ich spüre, wie mir die Tränen in die Augen steigen.
Ich will nicht zu dramatisch sein, aber das war definitiv die schlimmste Woche meines Lebens.
Noch vor sieben Tagen stand ich im Klassenzimmer und unterrichtete Siebzehnjährige in Kunst. Nach der Arbeit ging ich noch in die Kneipe, und als ich nach Hause kam, standen TV-Übertragungswagen vor meiner Haustür, und keiner meiner Freunde reagierte mehr auf meine Anrufe. Der Rektor der Schule hatte mich per E-Mail gefeuert, und meine Mailbox war voller Nachrichten von Journalisten. Irgendjemand hatte HURE an meine Haustür gesprüht.
Eine einzige Mail. Mehr brauchte mein hinterhältiger, schleimiger kleiner Ex-Freund nicht, um mein Leben in Stücke zu reißen.
Ich hatte erwartet, dass sich die Aufregung schnell legen würde, aber das tat sie nicht. In den nächsten Tagen wurden die Belästigungen immer schlimmer, weitere Reporter klopften an meine Tür, und wütende Nachbarn warfen mir böse Briefe in den Briefkasten. Gestern Abend bin ich dann endgültig zusammengebrochen. Ich musste einfach weg. Schweden schien mir ein guter Ort zu sein, um eine Zeit lang unterzutauchen. Seit Jahren schon wollte ich die Nordlichter sehen, und ich dachte, wenn ich weit, weit nach Norden ginge, bis nach Lappland, würde mich dort niemand finden. Ich dachte, dort wäre ich in Sicherheit.
Doch offensichtlich habe ich nicht daran gedacht, wilde Elche in meine Überlegungen einzubeziehen.
Undeutlich nehme ich das Geräusch von Reifen auf Schotter wahr, und mein Herz macht einen Satz, als mir klar wird, dass auf der Straße hinter mir ein Wagen angehalten hat. Gott sei Dank. Autotüren werden zugeschlagen, und dann nähern sich Schritte. Zwei männliche Stimmen rufen irgendetwas, aber ich kann nicht verstehen, was sie sagen. Vor meinem Fenster taucht eine dunkle Gestalt auf, und die Fahrertür wird aufgerissen. Ein Mann beugt sich ins Innere meines Autos und mustert das Chaos. Er sagt etwas auf Schwedisch, aber ich bin noch so benommen von dem Unfall, dass ich ihn nur anblinzle.
Der Typ sieht aus wie eine Art nordischer Gott. Ein markantes, kantiges Gesicht, ein blonder Bart und eisblaue Augen. Er könnte fast der echte Thor sein. Als ich ihn einfach nur weiter anstarre, streckt er seinen Arm ins Auto, fasst an meine Wange mit seiner behandschuhten Hand und wiederholt seine Frage. Sein Daumen streicht sanft über meinen Wangenknochen.
Endlich funktioniert mein Mund wieder. »Entschuldigung, sprechen Sie Englisch?«
Er zieht eine blonde Augenbraue hoch. Es ertönt ein leises Pfft, als die restliche Luft aus dem Airbag entweicht und dieser wie eine leere Plastiktüte am Lenkrad hängt. Ich lasse das Lenkrad los und nehme die Hände an die Seite. Mein Kopf schwirrt. Ich versuche, mich an die wenigen schwedischen Sätze zu erinnern, die ich heute Morgen aus meinem Reiseführer auswendig gelernt habe. »Äh. P-pratar du engelska? Tut mir leid, ich kann Sie nicht verstehen.«
Thor wendet sich an jemandem hinter ihm. »Sie ist eine Touristin«, sagt er auf Englisch, und seine Worte triefen nur so vor Abscheu.
»Oh, in diesem Fall können wir sie genauso gut hier zum Sterben zurücklassen«, ruft eine andere, tiefe Stimme zurück. Ich fummele am Gurt herum, aber meine Hände sind zu taub, um ihn öffnen zu können, und rutschen am Plastik ab. Thor greift zu mir nach unten und drückt mit dem Daumen auf den Knopf. Ich erschaudere, als der Sicherheitsgurt an meinem Körper hochrutscht und wieder in seiner Halterung einrastet.
Ein Streifen aus Polyester. Das war alles, was mir das Leben gerettet hat. Ohne ihn wäre ich jetzt wahrscheinlich tot.
Scheiße.
Thor sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Du fährst wie ein Idiot«, knurrt er. »Dein Schwedisch ist das schlimmste, das ich in meinem ganzen verdammten Leben jemals gehört habe.«
Ich stammele irgendetwas.
»Oh, geh aus dem Weg«, murmelt der zweite Kerl, und Thor wird zur Seite geschoben. »Wenn sie schon sterben muss, kann sie sich dabei auch etwas Hübsches ansehen, und nicht deine hässliche Visage.«
Meine Augen weiten sich, als ein neuer Kopf in der Wagentür auftaucht. Er ist genauso heiß wie der erste Typ – kantige Wangenknochen und volle, verführerische Lippen. Seine Augen sind hellgrün, sein Haar ist kupferbraun und fällt ihm in zerzausten Locken in die Stirn. Er grinst schief, und auf einer Wange zeichnet sich ein Grübchen ab. Mein Gesicht wird heiß.
Ich bin mir nicht sicher, was mit mir los ist. Normalerweise schaue ich mir nicht so unverhohlen Typen an. Vielleicht sterbe ich tatsächlich gerade hier im Schnee, und mein Gehirn liefert mir eine besänftigende Halluzination von schönen Männern, während ich langsam ausblute.
»Es tut mir leid«, wiederhole ich lahm, weil es das Einzige ist, was mir einfällt.
»Das muss dir nicht leidtun, Süße«, sagt er munter und lässt seine Augen über mich gleiten. Er hat die leiseste Spur eines Akzents, der seinen Worten einen hübschen, singenden Klang verleiht. »Bist du verletzt? Tut dein Rücken weh?«
»Ich …« Ich rolle mit den Schultern, und der Schmerz schießt mir wieder in den Nacken. »Mein Rücken nicht, nein.«
»Gut.« Er streckt mir seine Hand entgegen. Ich nehme sie und lasse mich von ihm sanft aus dem Wrack holen. »Ich glaube nicht, dass hier noch ein Krankenwagen durchkommt.« Er zieht mich hinaus auf die Straße. Die kalte Luft ist beißend im Gesicht, während Schneeflocken auf meinem Mantel landen. Ich stolpere, als meine Füße in einer dicken Schneewehe versinken, und er legt seinen anderen Arm um meine Taille, um mich aufrecht zu halten. »Du bist in Sicherheit«, sagt er leise. »Du bist unverletzt. Im Gegensatz zu dem armen Baum, den du gerade umgemäht hast.«
Ich wappne mich innerlich und schaue mir dann die Verwüstung an, die ich angerichtet habe. Ich habe schon halb damit gerechnet, einen riesigen Kadaver zu sehen, der in den Schnee blutet, aber nach den Hufspuren zu urteilen, die in den Wald führen, habe ich den Elch knapp verpasst. Gut für ihn.
Stattdessen bin ich rückwärts in eine Kiefer gekracht.
»Heilige Scheiße«, hauche ich und betrachte mein Auto. Es ist nichts Besonderes – eine gebrauchte, orangefarbene Schrottkiste mit abgeplatztem Lack –, aber ich habe es schon, seit ich Teenagerin war. Jahrelang habe ich mein Kellnerinnen-Gehalt gespart, um mir dieses Auto zu leisten. Heute Morgen habe ich extra die Fähre genommen, um es mit nach Schweden zu nehmen. Und jetzt ist es so verbogen und zerbeult, dass es kaum noch wie ein Auto aussieht. »O Gott. Da war dieser Elch …«
»Ich hab ihn gesehen«, brummt Thor. »Eli hat ihn gesehen. Sogar die Leute im Dorf haben ihn verdammt noch mal gesehen. Offenbar warst du die Einzige, die ihn nicht gesehen hat.«
Ich schaue zu ihm hinauf. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt und den Kiefer zusammengepresst, während er mich unverwandt anblickt. »Wie genau konntest du ein zwei Meter großes Tier übersehen? Du fährst wie ein Idiot. Du hättest ihn umbringen können.«
Mir bleibt der Mund offen stehen. »Ich hätte ihn umbringen können? Der Elch hätte mich töten können!«
Er zuckt mit den Schultern, als ob mein Tod keine schlimme Sache wäre.
Der Rotschopf wirft ihm einen Blick zu, dann wendet er sich wieder mir zu. »Kümmer’ dich nicht um ihn, er wird mürrisch, wenn man seine Tiere in Gefahr bringt. Wie heißt du, Süße?«
Ich zögere, meine Gedanken rasen. »Ähm. Äh. Ich heiße … Daisy«, entscheide ich mich. Ich bin eine schreckliche Lügnerin, und nach Thors hochgezogener Augenbraue zu urteilen, denkt er das Gleiche, aber der andere Kerl lächelt und bietet mir seine Hand an.
»Daisy. Das ist hübsch. Ich bin Elias Sandahl. Ich bevorzuge Eli«, sagt er und schüttelt mir fest die Hand. »Und der große Bär, der dich gerade über meine Schulter anstarrt, ist Cole. Tut mir leid wegen ihm, er ist schwer verhaltensgestört.«
Thor – Cole – grummelt etwas vor sich hin und klopft auf den eingebeulten Kofferraum. »Ich hoffe, du hattest nichts Wichtiges hier drin.«
Meine Augen weiten sich. Ich habe Leinwände und alle meine Farben mitgebracht, weil ich dachte, dass ich mich hier monatelang verkriechen könnte, wenn ich weiter Auftragsarbeiten anfertige. Falls mich jemals wieder jemand engagieren will.
Mist, Mist, Mist.
Ich stapfe zum Kofferraum und reiße die Klappe auf. Entsetzt starre ich auf meine Ausrüstung. Oder was davon übrig ist. Alle meine Leinwände sind ruiniert, die Rahmen gesplittert und der Stoff zerrissen. Die meisten Farben sehen noch gut aus, aber eine Tube Kadmiumrot ist geplatzt und hat alle Utensilien mit tropfendem, leuchtendem Karmesinrot bespritzt. Es sieht aus wie ein Tatort.
Eli stellt sich hinter mich und sieht sich das Blutbad an. »Scheiße.«
Ich strecke die Hand nach meinem Koffer aus, und meine Finger kommen rot zurück. Allmählich dämmert mir der Ernst der Lage. Ich bin in einem fremden Land gestrandet, habe kein Auto, keine Möglichkeit, Geld zu verdienen, und keine Ahnung, wo ich bin. Ich lege meinen Kopf in den Nacken und schaue in den Himmel. In den letzten Minuten hat sich der Schneefall verstärkt, und die Wolken haben sich bedrohlich verdunkelt.
»Scheiße«, wiederhole ich.
Natürlich ist sie eine Touristin. Natürlich.
Ich hasse Touristen. Keiner von denen kann hier oben Auto fahren. Sie kommen einfach mit ihren Sommerreifen an und erwarten, dass sie auf dem Eis und Schnee hier zurechtkommen. Ich unterdrücke den Drang zu fluchen. Sie fährt ein englisches Auto, um Himmels willen. Das Lenkrad ist auf der falschen Seite. Um mit so einem Auto auf dunklen Winterstraßen zu fahren, muss man schon eine sehr gute Fahrerin sein.
Was diese Frau eindeutig nicht ist. Wahrscheinlich hat sie die Führerscheinprüfung gerade so bestanden. Wie schwer kann es sein, auszuweichen, ohne gegen einen Baum zu fahren?
Ich hasse Touristen.
Undeutlich höre ich, wie Eli hinter mir mit ihr zu flirten anfängt, während ich das Auto unter die Lupe nehme. Als sie antwortet, ist ihre Stimme leise und zittrig. Sie hört sich ziemlich mitgenommen an.
Das sollte sie auch sein. Sie hat Glück, dass sie noch lebt. Ich gehe um das Auto und sehe mir den Schaden an. Die Heckscheibe ist zerborsten, und der Kofferraum ist eingebeult wie eine zerquetschte Blechdose. Da sie den Schlüssel im Zündschloss stecken gelassen hat, drehe ich ihn testweise. Nichts passiert. Seufzend ziehe ich ihn heraus und schlage die Autotür zu.
»Hey!«
Ich schaue auf.
Die Frau sieht mich stirnrunzelnd an. »Was machst du denn da? Gib mir meine Schlüssel zurück.«
Ich lasse meinen Blick über sie wandern. Sie ist winzig. Wären da nicht die weichen Kurven, die sich gegen ihre blassrosa Skijacke drücken, würde ich nicht einmal glauben, dass sie alt genug ist, um Auto fahren zu dürfen. Obwohl sie etwa so groß ist wie eine Puppe, hat sie die Arme verschränkt und starrt mich an, als wolle sie es mit mir aufnehmen.
Ich habe keine Zeit für so was. »Warum hast du gehupt?«, frage ich.
Sie blinzelt. »Weil da ein riesiger Elch auf der Straße stand. Ich habe versucht, ihn zu verscheuchen.«
»Man hupt nie einen Elch an. Damit erschreckst du ihn nur.«
»Nun ja«, murmelt sie, »das war ja irgendwie auch Sinn der Sache.«
Ich runzle die Stirn. »Was ist dir lieber – ein sechshundert Kilogramm schweres Tier, das ruhig und entspannt auf der Straße steht, oder eines, das wild durch die Gegend rennt?«
»Cole …«, beginnt Eli.
Ich ignoriere ihn. »Und du bist zu schnell gefahren.«
»Ich war unterhalb des Tempolimits!«, erwidert sie.
»Wenn Elche auf der Straße stehen, fährt man noch langsamer.«
»Tut mir leid, dass ich die Regeln für Elchzusammenstöße nicht kenne«, zischt sie. »Ich bin das erste Mal hier.« Sie stapft auf mich zu, aber kurz bevor sie mich erreicht, rutscht sie aus und taumelt. Meine Hände schnellen hervor und packen sie gerade noch rechtzeitig, bevor sie auf den Boden knallt. O Gott. Sie kann nicht einmal aufrecht stehen, um Himmels willen.
»Wie kannst du nur so tollpatschig sein?«, schimpfe ich, während ich sie wieder hinstelle. »Bist du betrunken?«
»Kannst du bitte aufhören, so zu schreien? Mein Kopf bringt mich um.« Sie schnappt sich ihre Schlüssel und stützt sich angeschlagen auf die Motorhaube, während sie sich die Augen reibt. Alle Farbe ist aus ihrem Gesicht gewichen.
Scheiße. Also ist sie nicht einfach nur tollpatschig. Ihr ist schwindlig. »Du hast dir den Kopf gestoßen, stimmt’s?«, sage ich knapp. Na toll. Selbst wenn ich ihr Auto starten könnte, kann sie nicht mehr fahren.
»Entschuldige, dass ich dir Unannehmlichkeiten bereite«, murmelt sie.
Ich seufze und möchte ihr Gesicht berühren. Sie zuckt vor meinen Händen zurück. »Was machst du?«
»Ich will nachsehen, ob du blutest.« Ich ziehe ihr die flauschige Kapuze vom Kopf und erstarre, als ich ihre Züge ausmachen kann.
Oh.
Sie ist wunderschön. Wirklich, wirklich schön. Weiche Wangen, große braune Augen und ein kleiner rosa Mund. Sie schüttelt den Kopf, und lange, dicke, schokoladenbraune Locken entwirren sich unter ihrer Kapuze und fallen ihr bis zur Taille. Ich bemerke, wie Eli neben mir zusammenzuckt.
»Sie blutet nicht«, sage ich zu ihm, mit rauerer Stimme als sonst. »Aber ihr ist schwindelig, und ihr Auto springt nicht an.«
Er wirft einen skeptischen Blick Richtung Himmel. »Dann sollten wir zurück in die Stadt fahren, bevor der Sturm kommt. Sie in einem Hotel unterbringen und einen Arzt rufen. Sie sagt, ihre Unterkunft ist in Kiruna.«
Ich schnaube. »Natürlich ist sie das.«
Wir haben den ganzen Tag in Kiruna verbracht und uns mit Vorräten eingedeckt. Ich hasse es in der Stadt. Zu dieser Jahreszeit wimmelt es nur so von Touristen, die alle Hundeschlitten fahren, Rentiere streicheln und die Nordlichter in ihren Instagram-Storys posten wollen. Sie sehen uns Einheimische an, als wären wir verdammte Ausstellungsstücke im Museum.
Eli seufzt. »Jetzt komm schon. Die Fahrt zur Hütte dauert eine Stunde, wenn der Schneefall noch stärker wird. Dann schaffen wir es vielleicht nicht.«
»Wir werden es schaffen«, sage ich voller Überzeugung.
»Das weißt du nicht mit Sicherheit.«
»Doch, das tue ich.« Ich öffne den Kofferraum unseres Trucks und hole ein Abschleppseil heraus. »Wenn wir zurück in die Stadt fahren, werden wir eingeschneit. Ich werde nicht wochenlang in dieser Touristenfalle festsitzen.« Ich vertaue ihr Auto mit wenigen Handgriffen, ziehe an dem Seil, um sicherzugehen, dass es straff gespannt ist, und wende mich dann an sie. »Schlüssel.«
»Was?«
»Gib mir deine Schlüssel zurück.«
Sie schaut erschrocken. »Was? Nein! Warte, was ist los?«
Einen Moment lang frage ich mich, ob sie wirklich einfach nur dumm ist. Dann wird mir klar, dass sie das ganze Gespräch nicht verstanden hat.
Touristen.
»Du kannst nicht fahren«, fasse ich für sie zusammen. »Dein Auto hat einen Totalschaden und du eine Kopfverletzung. Das heißt, du musst mit uns kommen. Es zieht ein Sturm auf. Wir müssen los.«
Sie tritt einen Schritt zurück und verschränkt die Arme vor der Brust. Sie bibbert bereits vor Kälte in ihrem dünnen rosa Mantel. »Aber wo bringt ihr mich hin?«
»Nach Hause.«
Ihre Augen werden größer. »Ich kenne euch doch gar nicht. Ich werde nicht mit zu euch fahren!«
»Gut. Dann krepier halt hier.« Ich knalle den Kofferraum des Trucks zu.
Eli legt ihr seinen Mantel um die Schultern. »Du hast nicht wirklich eine Wahl, Babe«, sagt er besänftigend. »Du frierst doch jetzt schon. Und wenn der Wind auffrischt, holst du dir ganz schnell eine Unterkühlung. Wir beißen nicht, versprochen.«
»Ich kann auch einfach jemanden anrufen, der das Auto abschleppt.« Skeptisch beäugt sie mich. »Jemand Professionellen. Nicht irgendwelche Fremden von der Straße.«
»Viel Glück dabei.«
»Bei diesem Wetter wird niemand kommen«, erklärt Eli. »Im Moment sind alle auf dem Weg nach Hause, um sich vor dem Wetter in Sicherheit zu bringen. Und ich bezweifle, dass du hier draußen überhaupt Empfang hast.«
Ich strecke erneut meine Hand aus. »Ich sag’s zum letzten Mal. Gib. Mir. Deine. Schlüssel.«
Sie starrt zu mir hoch, ihr Kiefer arbeitet, und Wut flackert in ihren hübschen braunen Augen auf. Um uns herum fallen dicke Schneeflocken, und das Schneegestöber wird immer dichter. Ohne nachzudenken, ziehe ich die Kapuze ihrer Jacke wieder hoch, um ihren Kopf zu schützen.
Sie presst ihre Lippen aufeinander. Langsam öffnet sie ihre Hand und reicht mir den Autoschlüssel. Ich nehme ihn entgegen und stecke ihn zurück in das Zündschloss ihres Autos, um die Lenkung zu entriegeln, gehe zurück zum Truck und öffne die hintere Beifahrertür mit einem Ruck. »Rein mit dir.«
Sie wirft mir einen strengen Blick zu, dann steigt sie wortlos ein. Ich schlage die Tür zu und gehe auf die Fahrerseite.
»Würde es dich umbringen, mal ein bisschen freundlicher zu sein?«, murmelt Eli und schnallt sich neben mir an. »Sie hatte gerade einen Autounfall.«
»Ich rette ihr das Leben. Ich denke, das ist ziemlich nett von mir.«
»Sie hat Angst«, beharrt er.
»Du kannst sie ja knuddeln, wenn wir da sind.« Ich lasse den Motor an. »Schnall dich an«, befehle ich ihr über die Schulter hinweg und fahre los.
Wahrscheinlich hätte ich ein bisschen energischer protestieren sollen, denke ich, während der schneebedeckte Wald an meinem Fenster vorbeizieht. Ich glaube, ich habe irgendwo mal gelesen, dass die Chancen, Entführern zu entkommen, um fünfundneunzig Prozent sinken, wenn man erst einmal im Auto ist. Ich kenne diese Männer überhaupt nicht.
Aber ehrlich gesagt, fühle ich mich wirklich nicht mehr gut. Jetzt, wo das ganze Adrenalin aus mir herausgespült ist, kann ich nicht aufhören zu zittern. Mein Gehirn ist träge und vernebelt, und mein Nacken bringt mich um. Ich schätze, das ist die Nachwirkung des Aufpralls gegen den Sitz.
»Seid ihr sicher, dass ihr mich nicht in die Stadt bringen könnt?«, frage ich Cole und schaue durch die Windschutzscheibe. Das Gelände wird stetig steiler, weil wir weiter in die Berge fahren. Angst überkommt mich. Wie hoch oben leben diese Typen? Man hat mir gesagt, dass Kiruna, wo ich eigentlich übernachten wollte, die nördlichste Stadt Schwedens ist, aber jetzt sind wir schon eine ganze Weile unterwegs.
Seine Hände krallen sich um das Lenkrad. »Nein.«
»Woher weiß ich, dass ihr mich nicht entführt?«
»Das weißt du nicht.«
»Großartig«, murmle ich. »Fantastisch.«
Wie auch immer. Ich schätze, ich habe nicht wirklich eine Wahl. Wenn er recht hat und es zieht tatsächlich ein Sturm auf, wäre ich sowieso darin gestorben. Zumindest geht es schneller, mit einer Axt zerstückelt zu werden, als unter mehreren Metern Schnee zu ersticken.
Ich schaue mich im Auto um. Es ist ein abgenutzter, aber solider Truck mit dunklen Ledersitzen. Auf dem Rücksitz neben mir stapeln sich Wintermäntel, und die Ladefläche ist voll mit Kartons und Werkzeugen.
Misstrauisch mustere ich die beiden. »Hier hinten liegt eine Waffe.«
»Ja«, antwortet Cole.
»Und eine Axt.«
»Gut erkannt.«
»Willst du mir vielleicht erklären, warum?«
Er biegt um eine Kurve, und wir fahren in ein noch dichteres Waldstück. Die Bäume stehen so eng beieinander, dass sie das Scheinwerferlicht des Wagens absorbieren und die Straße verdunkeln.
»Nein.«
Na toll.
Eli dreht sich um und grinst mich an. »Mach dir keine Sorgen, Babe. Wir werden dich an einen sicheren Ort bringen. Ich verspreche es.«
Cole murmelt etwas vor sich hin, und Eli verdreht die Augen. Die beiden Männer fangen an, in schnellem Schwedisch miteinander zu streiten; ich sinke in den Sitz und schließe wegen meiner hämmernden Kopfschmerzen die Augen.
Als der Wagen zum Stehen kommt, wache ich mit einem Ruck auf. Ich muss eingenickt sein. Die Jungs schnallen sich beide ab und schlüpfen in ihre Schneeschuhe.
Wir haben vor einer recht großen Hütte angehalten, die umgeben ist von kahlen, gefrorenen Bäumen. Die Wände der Hütte sind rot gestrichene Holzbalken, und aus den Fenstern strahlt goldenes Licht. Es sieht aus wie auf einer Weihnachtskarte.
Ich richte mich auf und muss fast schreien, als ein scharfer Schmerz meinen Nacken durchzuckt. Er ist noch steifer als vorher, und ich beiße die Zähne zusammen gegen die Tränen, die mir in die Augen schießen.
Ein eiskalter Luftzug trifft mich, als Eli meine Tür öffnet.
»Brauchst du Hilfe?«, fragt er gut gelaunt.
»Geht schon«, murmle ich, rutsche aus dem Auto und rein in den Schnee. Sofort sinke ich bis zu den Knien ein. Eiskaltes Wasser dringt durch den Stoff meiner Jeans. Fröstelnd sehe ich mich um und betrachte die Umgebung.
Der Schnee fällt noch dichter als zuvor. Es ist schwer, durch das Gestöber der dicken Flocken etwas zu erkennen. Außer einem großen hölzernen Lagerschuppen gibt es keine weiteren Häuser in der Nähe. Ich schätze, diese Typen leben hier völlig isoliert. Ganz allein im Wald. Keine neugierigen Nachbarn, die die Schreie ihrer Opfer hören könnten.
Großartig.
Eli und Cole holen die Kisten von der Ladefläche des Trucks und gehen zur Haustür. Ich versuche, den beiden zu folgen, aber als ich einen Schritt nach vorne mache, versinkt mein Fuß einfach. Ich ziehe mein anderes Bein aus dem Schnee und kämpfe mich weiter vorwärts. Es ist, als würde man durch Treibsand waten. Ich schaffe nur etwa drei Meter, bevor mein Fuß an irgendetwas hängen bleibt, das unter dem Schnee verborgen liegt. Ich verliere das Gleichgewicht, taumle und stolpere nach vorne. Ich strecke die Arme aus und bereite mich auf eine Ladung Schnee im Gesicht vor …
Zwei starke Arme legen sich um meinen Körper. Ich werde hochgehoben und gegen eine Brust gedrückt.
Ich blicke hoch. Cole trägt mich, als wäre ich so leicht wie ein kleines Kind. Von Nahem kann ich die weichen blonden Bartstoppeln erkennen, die sein Kinn bedecken. Ich beobachte, wie eine Schneeflocke auf seiner Haut schmilzt. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit«, murmelt er und stapft weiter. Mit wenigen großen Schritten legt er den Weg vom Wagen zur Hütte zurück und setzt mich dann sehr, sehr sanft neben Eli an der Tür ab.
»Bring sie rein. Ich stelle noch ihren Wagen in der Scheune unter«, sagt er mürrisch und verschwindet.
Eli öffnet die Haustür und hält sie mir auf. »Nach dir«, sagt er strahlend.
Ich schlucke meine Angst hinunter und betrete die Hütte.
Ich bin mir nicht sicher, was ich eigentlich erwartet habe. Ein blutbespritztes Schlachthaus? Die Leichen all ihrer früheren Opfer, die an Haken von der Decke baumeln?
In Wirklichkeit ist es ein wirklich schönes kleines Haus. Die Eingangstür führt direkt in das Wohnzimmer. An der Wand zu meiner Rechten befinden sich einige Schränke und Haken, wohl für Schuhe und Mäntel. Zu meiner Linken stehen ein kuscheliges Sofa und ein paar Sessel, die um einen Couchtisch herum arrangiert sind. In einem Kamin knistert ein Feuer, und an den Holzwänden hängen elektrische Lampen, die einen sanften goldenen Schimmer verbreiten.
Ich gehe einen weiteren vorsichtigen Schritt hinein und sehe mich weiter um. An den Wänden hängen Bücherregale. Ein großer Esstisch mit nicht zusammenpassenden Stühlen. An das Wohnzimmer grenzt die Küche, die hell erleuchtet ist.
»Riv!«, ruft Eli hinter mir und zieht seinen Mantel aus. »Sieh mal, was wir gefunden haben!«
Ein Mann erscheint in der Küchentür und hält einen dampfenden Becher in der Hand. Ich blinzle ein wenig, als er ins Licht tritt. Wow.
Er ist umwerfend. Tiefbraune Haut, hohe Wangenknochen, volle Lippen. Er trägt ein weißes, gebügeltes Hemd, das am Kragen offen ist. Die Ärmel sind hochgekrempelt und enthüllen beeindruckend dicke Unterarme, die mit dunklem Haar bedeckt sind. Seine Augen hinter der dickrandigen Brille sind wachsam und klar. Als er seinen Blick über mich gleiten lässt, fühlt es sich beinahe so an, als würde ich von ihm untersucht werden.
»Hallo«, sage ich verlegen. »Ähm. Tut mir leid, dass ich hier so hereinplatze.«
Er beachtet mich nicht. »Eli. Was ist das?« Seine Stimme ist ruhig und tief, und sein Englisch ist ohne die Spur eines Akzents.
»Eine junge Frau.« Eli hilft mir aus meiner Jacke. »Ich weiß, dass du jetzt schon eine ganze Weile hier oben sitzt, aber du hast bestimmt schon mal eine gesehen.«
Am Kiefer des Mannes zuckt ein Muskel. »Warum ist sie hier?«, fragt er noch mal.
»Sie hatte eine Autopanne. Wir konnten sie nicht einfach im Sturm sitzen lassen, also haben wir sie mitgenommen.«
»Und was jetzt? Soll sie etwa hierbleiben?«
»Was hätte ich denn tun sollen?« Eli schiebt mich sanft in einen Sessel und beugt sich hinunter, um mir die Stiefel auszuziehen. Ich versuche, ihn wegzudrücken – ich bin doch kein Kind –, aber als ich mich nach vorne lehne, jagen mir wieder Messerstiche den Nacken hinauf, und ich zucke schmerzerfüllt zusammen. Eli schaut mich mitfühlend an, kniet sich hinunter zu meinen Füßen und entwirrt die Schnürsenkel meiner schneebedeckten Schuhe. »Hätten wir sie dem Tod überlassen sollen?«
»Wir haben kein Gästezimmer«, sagt der andere Mann eisig.
»Ach, sie ist doch so klein«, meint Eli vergnügt. »Ich bin sicher, wir können sie irgendwo unterbringen.«
»Sie hat einen Namen«, mische ich mich ein, weil ich es leid bin, dass sie sich über meinen Kopf hinweg unterhalten. »Ich bin Daisy. Es ist schön, dich kennenzulernen.«
Die Augen des Mannes huschen zu mir zurück. »Riven.«
Hinter mir öffnet sich die Haustür, und Schnee weht in den Flur, als Cole hereinkommt und sich den Schnee von den Stiefeln klopft.
»Cole«, schnauzt Riven. »Was ist hier los?«
Cole deutet mit dem Kinn zu mir. »Sieh sie dir an«, sagt er unwirsch.
»Was? Warum?«, fragt Riven. »Wer ist diese Frau?«
Ich schüttle den Kopf. Ich habe genug davon. Offensichtlich ist Eli der Einzige, der will, dass ich hier bin. »Wisst ihr, vielleicht sollte ich einfach gehen. Sicher gibt es hier in der Nähe ein Hotel oder so, in dem ich übernachten kann.«
Ich versuche, vom Sessel zu rutschen, aber anscheinend hat mein Körper nach allem, was heute passiert ist, nun endgültig den Dienst eingestellt. Meine Knie zittern und geben nach.
»Woah.« Drei Paar Hände fassen nach mir; Coles nach meinen Schultern, Elis nach der Hüfte, und Rivens nach meiner Taille. Ich weiß nicht, wie er das Zimmer so schnell durchqueren konnte. Ich muss gegen den Drang ankämpfen, nach Luft zu schnappen, als die drei Männer mich zurück in den Sessel drücken. Es ist überwältigend, an so vielen Stellen berührt zu werden, von so vielen großen, warmen Händen.
Eli massiert meine Wade. »Wir glauben, dass sie sich bei dem Unfall den Kopf angeschlagen hat. Sie fühlt sich nicht besonders gut.«
Rivens Aufmerksamkeit richtet sich wieder auf mich. »Bist du verletzt?«
»Mein Nacken tut ein bisschen weh«, gebe ich zu.
»Das hättest du gleich sagen sollen.« Er dreht sich um und geht in die Küche. »Setzt sie auf den Tisch. Ich brauche Licht.«
Ich kreische auf, als Coles Arme sich wieder um mich schlingen und ich plötzlich aus dem Sessel gehoben werde. Er trägt mich zum Esstisch aus dunklem Holz.
»Ich kann selbst laufen«, murmle ich.
»Hast du das vor Kurzem erst gelernt? Du bist nicht besonders gut darin.«
Riven wäscht und trocknet sich die Hände, dann baut er sich vor mir auf. Ich kann gar nicht glauben, wie groß er ist. Obwohl ich auf dem Tisch sitze, überragt er mich immer noch. Alle drei Männer scheinen ungewöhnlich groß zu sein; Eli ist der Kleinste, und er ist immer noch deutlich über eins achzig groß.
Aufmerksam blickt Riven mir ins Gesicht. »Ist dir übel? Bist du verwirrt?«
»Ein bisschen.« Wer wäre in diesem Moment nicht verwirrt?
»Kopfschmerzen?«
Ich zucke zusammen. »Nicht auszuhalten.«
Seine Lippen verziehen sich. »Hm.« Er nimmt meinen Kopf in seine Hände. Ich erschrecke ein wenig. »Na gut. Ich werde jetzt Kopf und Nacken auf Verletzungen untersuchen. Bitte nicht bewegen. Es könnte wehtun.«
Ich werde Eli umbringen.
Das ist seine Schuld. Es muss so sein. Ich weiß nicht genau, was er sich dabei gedacht hat, eine gestrandete Frau aufzulesen. So eine Aktion ist typisch für ihn. Er kann sich einfach nicht von einer schönen Frau fernhalten, selbst wenn sein Leben davon abhängen würde.
Und selbstverständlich muss sie wunderschön sein. Es war schwierig, ihr und Eli nicht dabei zuzuschauen, wie sie sich all ihre Winterkleidung ausgezogen haben. Als ihre Jacke und Kapuze herunterfielen, wurden ihre runden Kurven, ihr langes kastanienbraunes Haar und ihr süßes, herzförmiges Gesicht kamen zum Vorschein. Sie trägt eine blaue Jeans, die sich wie angegossen an ihre Hüften schmiegt, und ein enges Thermo-Top, das ihre vollen Brüste zur Geltung bringt. Ich kann die Konturen ihres BHs durch den Stoff sehen.
Und jetzt sitzt sie vor mir, und ich muss sie berühren, die samtige Beschaffenheit ihrer weichen Haut spüren. Ohne zu blinzeln, schaut sie mit ihren rehbraunen Augen zu mir auf, während ich ihren Kopf sanft hin- und herbewege. Meine Hand wirkt riesig an ihrem zarten Kiefer. Sie ist winzig, wahrscheinlich kaum eins fünfzig groß. Ich berühre ihren Nacken, und sie zuckt ein wenig zusammen.
»Tut das weh?« Ich berühre den zarten Muskel und presse leicht darauf. Sie nickt und stöhnt, als ich meinen Daumen in die Stelle drücke, um nachzufühlen. Ich knirsche mit den Zähnen.
Ja. Ich werde Eli umbringen. Ganz langsam.
Daisy muss meine schlechte Laune bemerken, denn sie räuspert sich verlegen. »Es tut mir leid, dass ich dich so nerve. So wolltest du deinen Abend sicher nicht verbringen.«
»Das ist mein Job«, sage ich knapp.
»Bist du Arzt?«
Ich nicke, bin mit ihrem Nacken fertig und wende meine Aufmerksamkeit ihrem Kopf zu. Meine Finger streichen durch ihr Haar, während ich ihre Kopfhaut nach etwaigen Wunden abtaste. Es ist, als glitten meine Hände durch Seide. Ihr Haar ist unglaublich weich und fällt ihr bis zur Taille. Als ich es vorsichtig auseinanderziehe, um nach Blut oder Schwellungen zu suchen, steigt mir der süße Duft von Pfirsichen in die Nase. Mir läuft buchstäblich das Wasser im Mund zusammen.
Plötzlich zittert sie, und ein Schauer läuft ihr über den Rücken.
Ich halte inne. »Ist dir kalt? Möchtest du eine Decke?«
»Mir geht’s gut.«
»Wir können die Heizung aufdrehen, das ist kein Problem.«
»Mir ist nicht kalt. Entschuldige, es ist nur … das fühlt sich gut an.«
Ich starre sie an.
Sie wendet sich ab, und ihr ist sichtlich unbehaglich. »Also. Ähm … Du bist hier oben Arzt? Gibt es hier überhaupt jemanden, den du behandeln kannst?«
»Es gibt ein paar Dörfer in der Nähe. Einige samische Siedlungen. Ich mache vor allem Hausbesuche bei Menschen, die die Krankenhäuser in den Städten nicht erreichen können.« Ich schließe die Untersuchung ihres Kopfes ab. »Schau bitte mal nach oben.« Sie tut es und zuckt dabei ein wenig zusammen.
Ich untersuche alles, was ich hier in der Hütte kann, prüfe ihren Gleichgewichtssinn, ihre Reflexe und ihre Pupillenerweiterung. Sie besteht jeden Test mit Bravour. Schließlich ziehe ich meinen Stift aus der Tasche und halte ihn ihr vor das Gesicht.
»Okay. Ich werde meinen Stift nach links und rechts bewegen. Ich möchte, dass du ihm mit deinen Augen folgst.«
Sie nickt und dreht ihren Kopf mit, als ich den Stift von Seite zu Seite wandern lasse.
Ich umfasse ihr Kinn mit meiner Hand. »Halt den Kopf still«, befehle ich leise. Etwas benommen sieht sie mich an. Ich halte meine Hand unter ihren Kiefer, bis wir den Check beendet haben, und spüre, wie ihr Puls gegen meine Finger schlägt.
Sie kann den Bewegungen ohne Probleme folgen, und ich trete zufrieden einen Schritt zurück. »Sehr gut.« Ich stecke den Stift wieder in meine Tasche. »Du hast keine Gehirnerschütterung, aber dein Nacken scheint verspannt zu sein. Du hast aber noch volle Bewegungsfreiheit. Ich würde mir da nicht allzu viele Sorgen machen.« Ich wische mir die Hände ab und gehe zu dem Küchenschrank, den wir als Medikamentenlager benutzen, und krame darin herum. »Ich werde dir ein paar entspannende Mittel gegen die Schmerzen geben. Die machen dich zwar müde, aber es ist sowieso besser, wenn du ein wenig schläfst. Deine anderen Symptome sind wahrscheinlich nur ein psychologischer Schock. Bei Nahtoderfahrungen fühlt man sich oft krank.« Ich finde die lila Pillenpackung, die ich gesucht habe, und überprüfe das Verfallsdatum. »Nach einer Mahlzeit und etwas Schlaf solltest du dich wie neu fühlen.« An Eli gewandt, frage ich: »Kannst du ihr etwas zu essen machen? Etwas Warmes?«
»Klar.« Eli hüpft vom Küchentresen. »Willst du auch was?«
»Ich habe schon gegessen. Ich will mir noch ihr Auto ansehen, bevor der Schneefall zu schlimm wird.« Ich reiche ihr die Pillen. »Nimm zwei vor dem Essen. Wo ist eigentlich deine Unterkunft? Kiruna?«
Sie nickt.
»Es wird eine Weile dauern, bis die Straßen runter in die Stadt geräumt sind, aber es liegt eine samische Siedlung auf dem Weg. Dort haben sie eine Autowerkstatt. Hast du deine Geldbörse dabei?«
Sie nickt, zieht sie aus der Tasche ihrer Jeans und reicht sie mir.
»Ernsthaft?«, meldet sich Eli. »Du hast so viel Aufhebens darum gemacht, dass Cole deinen Wagen abschleppt und wir dich entführen, aber ihm gibst du einfach dein Geld?«
Sie zuckt mit den Schultern. »Jetzt bin ich eh schon hier. Das Geld werde ich nicht mehr brauchen, wenn ihr Jungs tatsächlich Mörder seid und mich in Stücke hackt.«
Widerwillig zucken meine Mundwinkel. »Ich will dich nicht ausrauben. Ich werde die Werkstatt anrufen. Sie werden erst helfen können, wenn der Sturm vorbei ist, aber es geht schneller, wenn wir jetzt gleich einen Termin vereinbaren.« Ich klappe die Brieftasche auf und durchsuche ihre Karten. »Ich brauche deinen Führerschein und Ausweis.«
Plötzlich stürzt sie sich auf mich und reißt mir den Geldbeutel aus der Hand. »Tut mir leid, tut mir leid, ähm, geht nicht«, stammelt sie mit weit aufgerissenen Augen. »Ich, ähm, habe keinen.«
Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Du hast keinen Führerschein?«
»Nun, natürlich habe ich einen.« Sie schluckt. »Aber ich … will ihn dir jetzt einfach nur nicht geben.«
»Warum?«
»Weil ich dich nicht kenne. Du könntest versuchen, meine Identität zu stehlen, oder so!«
»O… kay«, sage ich gedehnt. Sie dreht sich etwas, um die Brieftasche zurück in ihre Hosentasche zu schieben – dann erstarrt sie auf einen Schlag und greift sich an die Rippen. Ich runzle die Stirn. »Hat dir das wehgetan?« Ich greife nach dem Saum ihres T-Shirts. »Lass mich mal sehen.«
Sie schlägt meine Hand weg. »Was zum Teufel glaubst du, was du da tust?«
Ich blinzle. »Dein Shirt ausziehen. Ich muss mir deinen Oberkörper ansehen.«
»Was? Nein!« Sie rutscht auf dem Tisch nach hinten. Sie wirkt richtig erschrocken, als würde ich ihr gleich die Kleider vom Leib reißen wollen. »Es ist alles in Ordnung. Ich habe mir nur vorhin einen Muskel gezerrt.«
»Zieh es aus«, knurrt Cole von der Tür aus. »Sei kein Idiot.«
»Hör auf, mich Idiot zu nennen«, schnauzt sie. »Es ist nicht idiotisch, mein Hemd nicht ausziehen zu wollen, Arschloch.«
Eli prustet los.
»Ich versuche nicht, dich zu befummeln«, sage ich ruhig. »Ich will nur nachsehen, ob du dich an den Rippen verletzt hast.« Sie zögert, und ich fasse erneut nach ihr.
Sie schlägt meine Hände weg. »Nein! Stopp!«
Ich versuche, meinen Ärger zu verbergen. »Warum nicht?«
Sie verschränkt die Arme vor der Brust. »Weil ich es sage! Reicht das nicht? Ich hab doch gesagt, es geht mir gut.«
Ich mustere sie ein paar Sekunden lang. Sie atmet schwer, ihre Kiefermuskeln sind angespannt. Sie sieht aus, als würde sie mich gleich angreifen wollen.
»In Ordnung.« Ich wende mich an Eli. »Koch ihr etwas«, sage ich und wechsle dabei ins Schwedische. »Ich werde mir ihr Auto ansehen. Stelle ihr ein paar Fragen. Finde heraus, wer sie ist und was sie hier macht. Versuch, so viele Informationen wie möglich herauszubekommen.«
Er salutiert lässig. »Alles klar, Chef.«
Daisy rutscht vom Tisch herunter und zuckt zusammen, als sie erneut von Schmerzen durchbohrt wird. Ich bleibe im Türrahmen stehen. Ich bin so sehr daran gewöhnt, dass Cole Schusswunden und Tierbisse vor mir verbirgt, dass ich nicht anders kann, als mir das schlimmste aller möglichen Szenarien auszumalen. Innere Blutungen. Zerschmetterte Knochen. Eine Infektion.
Ich fühle mich wie ein Arsch, weil ich sie bedrängt habe, aber sie hatte einen Autounfall. Wenn es was Schlimmes ist, könnte sie ohne die richtige Versorgung sterben. Mitten in einem Sturm kann man sie nicht einfach in die Notaufnahme bringen. Sie muss untersucht werden. »Versuch, sie zu überreden, ihr Shirt auszuziehen«, füge ich hinzu. »Sieh nach, ob sie blaue Flecke oder Schnitte oder dergleichen hat.«
»Du Perversling.«
Ich verdrehe die Augen, schnappe meinen Mantel und ziehe meine Schneeschuhe an. »Tu es einfach.« Ich streife meine Handschuhe über und gehe hinaus in den Schnee.
Zum Glück haben wir Eli. Wenn überhaupt jemand die Frau dazu bringen kann, sich von mir untersuchen zu lassen, dann er. Normalerweise ist es schwieriger, Frauen davon zu überzeugen, ihre Kleider anzubehalten, wenn sie in seiner Nähe sind.
Er wird sie auch zum Reden bringen. Eli kann so gut wie jedem Informationen aus der Nase ziehen. Ich wette, bevor die Stunde vorbei ist, hat sie ihre ganze Lebensgeschichte ausgepackt.
Dann werden wir wissen, wer diese mysteriöse Frau wirklich ist.
Ich sehe, wie Riven verschwindet, dann löse ich langsam meine Arme vor der Brust. Vielleicht hat Cole recht. Vielleicht benehme ich mich wirklich wie ein Idiot. Aber noch traue ich diesen Typen nicht. Keiner von ihnen scheint mich zu erkennen, aber vielleicht tun sie auch nur so. Wenn sie wissen, wer ich bin, dann werde ich ihnen ganz sicher nicht auch noch meine Brüste zeigen.
Ganz gleich, wie heiß sie sind.
Eli fängt an, in der Küche herumzuklappern, und ich entspanne mich etwas. Wenigstens einer von ihnen mag mich. »Ich glaube nicht, dass deine Freunde mich hier haben wollen«, sage ich trocken.
Er schüttelt den Kopf. »Mach dir keine Sorgen um sie. Cole hat nur schlechte Laune. Seit ungefähr dreißig Jahren. Und Riv hat Probleme damit, jemandem zu vertrauen. Aber die beiden werden sich schon wieder einkriegen.« Er grinst mich an und macht den Herd an. »Du bist doch keine Vegetarierin, oder, Babe?«
»Nein. Ich esse alles.«
»Großartig.« Er nickt in Richtung des großen Sofas. »Mach’s dir bequem. Es wird nicht lange dauern.«
Brav lasse ich mich auf das Sofa fallen. Das Feuer neben mir knistert und wärmt mich, während ich mich umschaue. Es scheint fast so, als seien alle Möbel handgefertigt. Die Kissen, die auf dem Sofa liegen, sind bunt bestickt. Der Couchtisch ist aus dickem, gemasertem Eichenholz, und sogar die Untersetzer, die darauf liegen, sehen aus wie geschnitztes Leder. Da ich nichts anderes zu tun habe, ziehe ich mein Handy aus der Tasche und schalte es zögerlich ein. Ich hatte es in den letzten Tagen ausgeschaltet. Zu viel Angst habe ich vor den Nachrichten und E-Mails, die mir bestimmt alle geschickt haben. Gott weiß, was für schreckliche Dinge darin stehen. Das Display leuchtet auf, und ich warte auf die vielen Benachrichtigungen – aber da kommt nichts. Ich werfe einen Blick auf die obere Ecke des Screens. Keine Balken. »Ihr habt hier keinen Empfang?«
»Normalerweise schon«, sagt Eli und holt etwas aus dem Kühlschrank. »Das wird wohl der Sturm sein.«
Nun, ich schätze, das ist genau das, was ich in Schweden gesucht habe.
Ein paar Tage nachdem ich gefeuert wurde, habe ich versucht, mich bei meinen Eltern vor den Reportern zu verstecken. Sie haben mich gleich wieder aus dem Haus geworfen. Genauso wie jeder einzelne meiner Freunde, bei denen ich versucht habe unterzukommen. Schlimmer noch: Jeder, der mir auf der Straße begegnet ist, hat mich sofort erkannt. Brighton ist eine kleine Stadt, und offenbar hatte alle Welt schon in den Lokalnachrichten von mir gehört. Als ich weinend zu meiner Wohnung zurücklief, haben mir ständig Leute von der anderen Straßenseite irgendetwas zugerufen. Catcalling. Manche haben sogar Fotos gemacht. Eine Schar von Müttern aus der Schule, in der ich gearbeitet habe, hat mich entdeckt und mich in meine Wohnung regelrecht zurückgejagt, wobei sie mir hinterherschrien, dass sie mich verklagen würden.
Sogar heute Morgen auf der Fähre haben mich die Leute angestarrt. Meine Geschichte hat es sogar in einige große britische Nachrichtensender geschafft. Als ich durch das Bordrestaurant auf der Fähre gelaufen bin und versucht habe, einen Sitzplatz zu finden, hat ein Teenager, an dem ich vorbeikam, losgestöhnt, als hätte er einen Orgasmus. Fast hätte ich an Ort und Stelle gekotzt.
Deshalb habe ich beschlossen, nach Kiruna zu reisen. Die Stadt liegt buchstäblich am Polarkreis. Ich wollte so weit weg wie möglich. Ich wollte nicht, dass mich irgendjemand erkennt.
Tja, jetzt wird auch niemand mehr meine Leiche finden können.
Eli fängt an zu summen, ein tiefes, bassiges Brummen. Ich beobachte ihn, während er kocht. Er hat seinen Pullover ausgezogen und trägt nur noch ein enges graues T-Shirt, das sich an seine breiten Schultern schmiegt. Seine Muskeln zeichnen sich unter dem dünnen Stoff ab. Ich frage mich, ob er wohl trainiert. Er ist sehr leichtfüßig und bewegt sich anmutig durch die Küche.
»Was machst du hier oben?«, frage ich, nehme ein Kissen und drücke es an meine Brust.
»Ich bin Skilehrer«, sagt er über seine Schulter. »In der Skisaison arbeite ich in dem Skigebiet ein paar Kilometer von hier.«
So viel also dazu.
»Ich werde mich jetzt bücken«, fügt er hinzu. »Pass auf, dass du dir meinen Hintern ganz genau anschaust.«
»Ich … was?«, stammle ich.
Er wirft mir ein strahlend weißes Grinsen zu. »Ich kann im Fenster genau sehen, wie du mich beobachtest. Im Gaffen musst du noch besser werden, Babe.«
Meine Wangen werden heiß. »Ähm. Tut mir leid.«
Er winkt ab. »Hey, das muss dir nicht peinlich sein. Natürlich willst du ein bisschen gucken. Du bist auch nur ein Mensch. Ich bin sicher, du siehst nicht jeden Tag einen so perfekt geformten Körper. Also, bitte«, grinst er wieder. »Viel Spaß.«
Mein Gesicht läuft weiter rot an. »Ich dachte, du würdest dich bücken«, murmele ich. »Dann fang doch endlich mal an damit.«
Er lacht und beugt sich vor, um einige Teller aus dem Schrank zu holen. Ich denke mir, da er mir die Erlaubnis gegeben hat, kann ich genauso gut die Aussicht genießen. Und die ist wirklich spektakulär. Seine Arschbacken sind durchtrainiert und wohlgeformt, und erst seine Oberschenkel – heilige Scheiße. Ich glaube nicht, dass ich jemals zuvor einen Kerl mit so dicken, harten Schenkeln gesehen habe.
Ich schlucke heftig, als er sich wieder aufrichtet. »In Ordnung. Die Show ist vorbei, fürchte ich.« Er setzt sich neben mich und stellt einen Teller vor mir auf den Couchtisch. Würstchen und Kartoffelpüree in Bratensoße, dazu ein großer Löffel von etwas, das wie Marmelade aussieht.
Ich zeige mit der Gabel darauf. »Was ist das?«
»Preiselbeeren. Ein schwedisches Grundnahrungsmittel.« Er legt seinen Arm über die Rückenlehne des Sofas. Obwohl er so dicht bei mir sitzt, dass ich die Wärme seiner Haut spüren kann, ist es mir nicht unangenehm. Einfach nur warm und beruhigend.
In den ersten Minuten konzentriere ich mich voll und ganz darauf, mein Essen hinunterzuschlingen. Seit dem Brötchen und dem Apfel, die ich mir heute Morgen auf der Fähre genehmigt habe, habe ich nichts mehr gegessen. Riven hat recht: Während ich esse, verschwinden allmählich das Schwindelgefühl und der Nebel in meinem Kopf.
Eli rollt eines seiner Würstchen auf meinen Teller. Ich sehe zu ihm auf, den Mund vollgestopft. »Sieht aus, als hättest du es nötiger als ich«, sagt er mit einem Zwinkern in den Augen.
Ich werde rot und zwinge mich, langsamer zu essen. »Also«, ich schlucke meinen Bissen hinunter. »Du bist Skilehrer. Riven ist Arzt. Was ist mit Cole? Ist er Sportlehrer? Drill-Sergeant? Faschistischer Diktator?«
Er lacht laut auf. »Nicht ganz. Er arbeitet für den Wildtierschutz.«
Ich runzle die Stirn. »Ist er … er ist … ein Jäger?«
»Eher das Gegenteil. Ich schätze, man könnte ihn einen Ranger nennen. Er versucht sein Möglichstes, damit die Tiere am Leben bleiben.« Er rollt seine Schultern und gibt einen leisen Laut von sich, bei dem mir ganz warm ums Herz wird. »Die Leute rufen ihn an, wenn ein Elch in ihrer Einfahrt steht und nicht weggeht, oder wenn eine Bärenmama ihrem Haus zu nahe kommt oder was auch immer.«
Meine Augen werden groß. »Ein Bär?«
»Ja, hier oben gibt es alles Mögliche. Bären. Wölfe. Luchse. Elche – Älge. Aber meistens sind es Älge. Die sind ganz schön mutig.«
Bei Älge kann ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Eli und Riven sprechen beide so gut Englisch, dass man leicht vergisst, dass es nicht ihre Muttersprache ist. Es ist irgendwie ziemlich süß.
»Cole kann Touristen nicht ausstehen«, fährt er fort. »Viele von ihnen überfahren Tiere. Oder sie gehen auf die Jagd, aber erlegen die Tiere nicht richtig. Sie lassen sie einfach verletzt im Wald herumlaufen.«
»Deshalb war er so wütend auf mich«, wird mir klar. »Ich hätte den Elch fast getötet.«
Er zuckt mit den Schultern. »Ach, er ist nur ein mürrisches Arschloch. Die Elche laufen ständig auf der Straße. Wenigstens hast du ihn nicht angefahren.« Er pfeift. »Das ist ein verdammter Albtraum. Wochenlang Elchragout essen.« Er dreht sich zu mir. »Und was ist mit dir? Was machst du so?«
»Ich bin Lehrerin«, sage ich und verpasse mir in Gedanken selbst eine Ohrfeige. Das hätte ich ihm nicht sagen sollen. Wenn er herausfindet, wo ich früher gearbeitet habe, kann er mich googeln. Und dann wird er die Zeitungsartikel über mich finden, und ich werde einen Haufen Ärger bekommen. Mein Herz schlägt schneller. Ich zwinge mich, ruhig zu bleiben.
»Wirklich?«, sagt er beiläufig. »Was unterrichtest du?«
»Du weißt schon. Schule.«
Er lächelt. »Ich meinte, welches Fach unterrichtest du?«
»Ach, das hast du gemeint?«
Er sieht mich scharf an. Ich nehme einen großen Happen vom Brei, um meinen Mund zu beschäftigen.
»An einer Oberschule?«, fragt er nach einem kurzen Moment. »Oder in der Grundschule?«
Ich zucke mit den Schultern. »Ich komme ein bisschen rum.«
»Wie alt sind die Kinder?«
Ich jage eine Preiselbeere über meinen Teller. »Die sind unterschiedlich alt«, sage ich lässig.
»Mehr bekomme ich aus dir wohl nicht heraus, oder?«
»Gut erkannt.«
Er seufzt. »Na gut. Wie geht es deinem Nacken? Wirken die Schmerztabletten?«
Ich nicke und rolle den Kopf hin und her. »Es tut nicht mehr so weh. Aber es ist immer noch alles ziemlich verspannt.«
»Weißt du«, er legt sein Besteck weg. »Ich bin staatlich anerkannter Masseur.«
Ich ziehe eine Augenbraue hoch. »Ernsthaft?«
»Yep. Ich habe mir die Lizenz als Geburtstagsgeschenk für eine unserer Ex-Freundinnen geholt.«
»Wow.« Das ist ja mal ein tolles Geburtstagsgeschenk. »Also gut. Schätze ich.« Ich stelle meinen leeren Teller weg. »Leg los.«
Er lächelt und setzt sich hinter mich, wobei er mir das Haar sanft über eine Schulter streicht. »Meine Güte, hast du viele Haare.«
»Ja, ich … warte.« Ich runzle die Stirn und gehe in Gedanken noch einmal durch, was er gerade gesagt hat. »Hast du gerade unsere gesagt?«
»Wie bitte?« Er reibt seine Hände aneinander, um sie aufzuwärmen.
»Du hast gesagt, ›für eine unserer Ex-Freundinnen‹. Was soll das denn heißen?«
Er brummt: »Das habe ich nicht gesagt. Das ist nur mein Akzent.«
»Du hast aber nicht wirklich einen Akzent.«
»Danke!« Bevor ich weitere Fragen stellen kann, fängt er an, meine Schultern zu kneten, und alle weiteren Worte bleiben mir in der Kehle stecken. Ich glotze wie ein Fisch, während er meine schmerzenden Muskeln massiert. Es fühlt sich unglaublich an.
Er gluckst. »Was? Dachtest du, ich hab gelogen, was das Massieren angeht?«
Ich kann nicht einmal mehr sprechen. Er bearbeitet noch eine Weile meine Schultern, drückt die verspannten Muskeln zusammen und bohrt dann seine Daumen in einen harten Knoten an meinem Nacken. Ich schnappe nach Luft.
Sofort hält er inne. »Zu viel?«
»Oh, nein. Nein. Nein, nein, es ist toll«, stammle ich.
Er brummt und drückt noch einmal in den Muskel, reibt die Spannung heraus. Ich zittere am ganzen Körper.
»Genau da«, stöhne ich. »Fester, bitte.«
Er runzelt die Stirn. »Babe, du bist so verspannt. Das muss wirklich wehtun.« Er kümmert sich weiter um den Knoten, bis sich der Muskel schließlich löst und ich ein geschmolzener Klumpen in seinen Händen bin.
Ich seufze. »Du bist ein Wunderheiler.«
»Das habe ich schon häufiger gehört. Okay. Lass mich mal auf der anderen Seite weitermachen.«
Ich rutsche etwas nach oben, und er lässt seine Hände über die andere Schulter gleiten. »Weißt du«, sagt er beiläufig, während er meine Muskeln knetet, »das würde viel besser funktionieren, wenn du dein Shirt ausziehen würdest.«
Mir klappt der Mund auf. Ich springe vom Sofa auf und taumle zurück. »O mein Gott! Du versuchst nur, mich auszuziehen!«
Er hat wenigstens den Anstand, verlegen dreinzuschauen. »Riven hat mich darum gebeten. Er macht sich Sorgen, dass du ihm irgendeine Verletzung verschweigst.«
Mein Blut kocht vor Wut. »Tu das nicht! Such dir was anderes zum Wichsen!«
Er schaut völlig verdutzt aus. »Das hatte ich nicht vor …«
Ich unterbreche ihn. »Hör mir zu. Ich will das nicht