Thriller Quartett 4095 - 4 Krimis in einem Band - Thomas West - E-Book

Thriller Quartett 4095 - 4 Krimis in einem Band E-Book

Thomas West

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: (499) Pete Hackett: Trevellian liebte eine Mörderin Alfred Bekker: Ein harter Knochen für Kubinke Thomas West: Mörder auf dem Trucker-Highway Thomas West: Verschwundene Frauen Ein Großkrimineller ist vor vielen Jahren verschwunden. Dann tauchen Teile seiner Leiche plötzlich an völlig unerwarteter Stelle auf. Ein Mord innerhalb des Organisierten Verbrechens? Wer hatte ein Interesse daran, die graue Eminenz eines kriminellen Netzwerkes jahrelang zum Schein am Leben zu erhalten? Harry Kubinke und Rudi Meier vom Bundeskriminalamt ermitteln. Es bleibt nicht bei einem Toten... Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, Jack Raymond, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

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Alfred Bekker, Pete Hackett, Thomas West

Thriller Quartett 4095 - 4 Krimis in einem Band

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Inhaltsverzeichnis

Thriller Quartett 4095 - 4 Krimis in einem Band

Copyright

Trevellian liebte eine Mörderin

Ein harter Knochen für Kubinke

Mörder auf dem Trucker-Highway

Verschwundene Frauen

Thriller Quartett 4095 - 4 Krimis in einem Band

Alfred Bekker, Pete Hackett, Thomas West

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Pete Hackett: Trevellian liebte eine Mörderin

Alfred Bekker: Ein harter Knochen für Kubinke

Thomas West: Mörder auf dem Trucker-Highway

Thomas West: Verschwundene Frauen

Ein Großkrimineller ist vor vielen Jahren verschwunden. Dann tauchen Teile seiner Leiche plötzlich an völlig unerwarteter Stelle auf. Ein Mord innerhalb des Organisierten Verbrechens? Wer hatte ein Interesse daran, die graue Eminenz eines kriminellen Netzwerkes jahrelang zum Schein am Leben zu erhalten? Harry Kubinke und Rudi Meier vom Bundeskriminalamt ermitteln. Es bleibt nicht bei einem Toten...

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, Jack Raymond, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER A.PANADERO

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

Trevellian liebte eine Mörderin

Krimi von Pete Hackett

Der Umfang dieses Buchs entspricht 224 Taschenbuchseiten.

Wertvolle Gemälde werden aus Museen weltweit gestohlen und eines taucht plötzlich in einer angesehenen Galerie in New York auf. Die Aussagen des Galeristen sind eher vage, aber man kann ihm nichts beweisen. Das FBI vermutet einen bekannten Gangster hinter den Diebstählen. Als der erschossen wird, macht sich dessen Tochter daran, seinen Tod zu rächen.

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Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

Prolog

»Einbruch im Museum of Modern Art. Wachmann getötet. Gemälde von Vincent van Gogh, Claude Monet und Henri Rousseau gestohlen!«

Das war die Schlagzeile in der New York Times.

Mein Interesse war erwacht. Ich las den Bericht. Der Einbruch war am Vortag am frühen Morgen entdeckt worden. Bei den Tätern muss es sich um absolute Profis und Kunstexperten gehandelt haben. Die Alarmanlage war von ihnen ausgeschaltet worden. Sie hatten keinerlei verwertbare Spuren hinterlassen. Der Wachmann war erstochen worden. Die Polizei tappt im Dunkeln, hieß es.

Ich machte Milo auf den Bericht aufmerksam und gab ihm die Zeitung. Er las. Dann schaute er mich an. »Das vierte Museum weltweit, das innerhalb der vergangenen zwei Monate aufgesucht wurde«, gab er zu verstehen. »Erst der Louvre in Paris, dann das British Museum in London, und schließlich das Nationalmuseum in Mexiko City. Ob es sich um eine international arbeitende Bande von Dieben handelt?«

»Es kann sein«, erwiderte ich, »muss aber nicht. Wenn doch, wäre der Einbruch in das MoMA ein Fall für das FBI.«

Milo nickte.

Das war vor drei Wochen gewesen.

Jetzt hatten wir den Fall am Hals. Mr. McKee hatte Milo und mich mit den Ermittlungen beauftragt. Sicher war zwischenzeitlich, dass die Einbrüche in Paris, London und Mexiko City von ein und denselben Gangstern begangen worden waren. Und nun nahm man an, dass diese international arbeitende Bande auch in New York zugeschlagen hatte. Dazu kam, dass ein Gemälde, das im Louvre entwendet wurde, in New York aufgetaucht war. Es handelte sich um ein Werk von Jan Vermeer. Gestohlen worden waren darüber hinaus Gemälde von Delacroix, Rubens und Rembrandt.

Wo sollten wir den Hebel ansetzen?

Liefen die Fäden in New York zusammen?

Steckte eine Mafia hinter den Einbrüchen oder wurden die Diebstähle im Auftrag irgendwelcher reicher Kunstliebhaber begangen? Wenn das so war, dann hatten wir ein Problem. Denn dann würden die Kunstwerke in irgendwelchen Häusern verschwinden, um nie wieder aufzutauchen. Gegen diese Theorie sprach jedoch, dass »Die Spitzenklöpplerin« von Jan Vermeer bei einem Händler in New York entdeckt worden war.

Der Mann hieß Gregg Harper und besaß ein Geschäft in der Fifth Avenue, in der nobelsten Straße New Yorks, vielleicht sogar ganz Amerikas oder der Welt. Wir fuhren in die Paradestraße. In der Nähe der Galerie fand ich einen Parkplatz.

In der Fifth Avenue zeigt sich New York mit seinen glanzvollsten Geschäften, zum Beispiel den Konsumententempeln von Warner Brothers und Coca Cola, und seinen prachtvollen Museen, wie dem Metropolitan und dem Guggenheim Museum. Es handelt sich sozusagen um die Hauptstraße Manhattans. Sie ist die Trennlinie zwischen Ost- und Westmanhattan.

Wir betraten Harpers Galerie. Die Türglocke bimmelte. Hier herrschte eine gediegene Atmosphäre. Einige Leute standen herum und begutachteten die Kunstwerke, die hier ausgestellt waren. Überall standen Skulpturen, an den Wänden hingen Gemälde, wir liefen über dicke Teppiche, die unsere Schritte schluckten. Hinter der Rezeption stand eine Lady mit straff zurückgekämmten Haaren, die am Hinterkopf zu einem Schopf gewunden waren. Auf der Nase der Dame saß eine Brille, deren Gläser funkelten und ihre Augen unnatürlich vergrößerten – die Augen, mit denen sie uns scharf fixierte.

Passten wir vielleicht nicht in diesen piekfeinen Laden?

Sah man uns an, dass wir nur Durchschnittsverdiener einer mittleren Gesellschaftsschicht waren? Oder dass es sich bei uns um Polizisten handelte? Ich dachte nicht weiter darüber nach. Denn wir hatten die Rezeption erreicht und die Lady fragte nach unseren Wünschen. Ich zückte meinen FBI-Ausweis, hielt ihn ihr hin und sagte: »Wir hätten gerne Mr. Harper gesprochen.«

Sie hob die Brauen. Es verlieh ihrem Gesicht einen absolut arroganten Ausdruck. In ihren Augen waren wir Plebejer, Kunstbanausen, unterprivilegierte Zeitgenossen. »Es ist wegen der Spitzenklöpplerin von Jan Vermeer, nicht wahr?«, fragte sie spitz. Das Gesicht verlor seinen hochmütigen Ausdruck nicht.

»So ist es«, versetzte Milo trocken. »Wir würden Ihrem Boss gerne ein paar Fragen im Zusammenhang mit dem Bild stellen.«

Sie presste den Mund fast schmerzlich zusammen. »Es ist kein Bild im herkömmlichen Sinne«, wies sie Milo dann zurecht. »Es handelt sich um ein Meisterwerk, ein unbezahlbares Kunstwerk, wie es die Welt …«

»Sorry«, sagte ich und unterbrach die Frau. Ich wollte mir keinen Vortrag über den Unterschied von einem Bild zu einem Kunstwerk anhören. »Mein Partner hat das sicherlich nicht abwertend gemeint. Und im Endeffekt ist es doch ein Bild.«

Sie schnappte nach Luft und schaute mich an, als hätte ich etwas völlig Blödsinniges von mir gegeben. Ich fühlte mich, als hätte ich ein Sakrileg begangen. Plötzlich verschloss sich ihr Gesicht, sie stieß pikiert hervor: »Mr. Harper befindet sich nicht in der Galerie. Er will erst gegen vierzehn Uhr eintreffen. Kann ich ihm irgendetwas bestellen?«

»Wo finden wir ihn jetzt?«, fragte Milo.

»Ich nehme an, in seiner Wohnung in der sechsundfünfzigsten Straße. Die Hausnummer kann ich Ihnen leider nicht nennen.«

Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz nach elf Uhr. »Wir kommen um vierzehn Uhr wieder«, sagte ich und gab der Frau eine von meinen Visitenkarten. »Sie können Ihren Chef ja darauf vorbereiten. Bis später, Ma‘am.«

Freundlich nickte ich der Lady zu. Dann gingen wir. Die Türglocke bimmelte wieder, als ich die Tür öffnete. Lautlos fiel sie hinter uns zu. Wenig später saßen wir im Sportwagen und fuhren nach Süden. Vor mir und hinter mir rollte eine Blechlawine. Eine andere bewegte sich in Richtung Norden. Ein Hupkonzert umgab uns. Ich schaltete die Lüftung aus, weil die Abgase den Innenraum meines Autos verpesteten.

Eine halbe Stunde später fuhren wir mit dem Aufzug aus der Tiefgarage hinauf in den 24. Stock des Federal Buildings, wo wir ein gemeinsames Büro inne hatten. Als wir den Raum betraten, empfing uns das Dudeln meines Telefons. Ich pflückte den Hörer vom Apparat, hob ihn vor mein Gesicht und nannte meinen Namen sowie unsere Dienststelle.

»Sie möchten mit mir wegen der Spitzenklöpplerin sprechen?«, kam es durch den Äther. Ich merkte sofort, dass der Bursche am anderen Ende der Leitung nicht gerade zur freundlichen Sorte zählte. Ohne zu grüßen und ohne seinen Namen zu nennen war er sofort mit der Tür ins Haus gefallen. Diese Spezies war mir aus der Seele zuwider.

Dennoch sagte ich freundlich: »Guten Tag, Mr. Harper. Es ist richtig. Wir hätten Ihnen das Bi… – ich meine Gemälde betreffend gern einige Fragen gestellt. Darum werden wir um vierzehn Uhr in Ihrer Galerie sein. Sie kommen doch? Oder …«

Er fiel mir barsch ins Wort: »Ich habe Ihren Kollegen vom Police Department bereits alle Fragen beantwortet. Ein Privatmann hat mir das Bild zum Kauf angeboten. Als ich es kaufte, hatte ich noch keine Ahnung, dass es aus dem Louvre gestohlen worden ist. Zwischenzeitlich bin ich jedoch eines Besseren belehrt worden. – Ich bin kein Hehler. Ich hätte mir doch nicht die Finger an dem Kunstwerk verbrannt, wenn ich auch nur die blasseste Ahnung gehabt hätte.«

Ich registrierte, dass er auch von einem Bild sprach. Er war also weniger penibel als seine Angestellte, was die Exponate in seinem Laden anbetraf. Also nahm auch ich kein Blatt mehr vor den Mund. »Wurde Ihnen das Bild als Original verkauft?«

»Ja. Ich stelle keine Plagiate in meiner Galerie aus.«

»Wussten Sie denn nicht, dass die Spitzenklöpplerin ihren Platz im Louvre hatte?«

»Nein. Ich kenne erstens nicht sämtliche Gemälde der Welt, zweitens bin ich nicht hundertprozentig darüber informiert, welche bekannten Kunstwerke in welchem Museum ausgestellt sind.«

»Aber die Spitzenklöpplerin ist eines der bekanntesten Kunstwerke der Welt«, sagte ich. »Sie ist fast genauso bekannt wie Leonardo da Vincis Mona Lisa.«

Natürlich hatte ich mich kundig gemacht. Und ich konnte mir kaum vorstellen, dass ein Kunsthändler vom Format Harpers nicht die Herkunft des Gemäldes kennen sollte. Ich glaubte ihm kein Wort.

»Ich hatte keine Ahnung«, behauptete Harper. »Natürlich habe ich das Gemälde auf seine Echtheit prüfen lassen. Denn der Mann, der es mir verkauft hat, konnte kein Zertifikat vorweisen. Ein Kunstprofessor von der Columbia Universität hat betätigt, dass es sich um keine Fälschung handelt.«

»Damit wären wir schon bei meiner wichtigsten Frage angelangt, Mr. Harper«, gab ich zu verstehen. »Wer hat Ihnen das Bild verkauft?«

»Ein Mann namens Blomfield. Er stellte sich mir als privater Sammler vor, der in Geldnot geraten und deshalb gezwungen war, das Gemälde zu verkaufen. Hinterher stellte sich heraus, dass der Name gefälscht war. Ich kann Ihnen nicht sagen, wer hinter diesem Blomfield steckt. Ich wurde sozusagen hereingelegt. Und nun habe ich den Ärger mit der Polizei am Hals.« Die letzten Worten kamen fast vorwurfsvoll.

»Ich will Ihnen nichts vormachen, Mr. Harper. Aber ich glaube Ihnen nicht, dass Sie die Herkunft des Gemäldes nicht gekannt haben sollten. Sicher waren Sie über den Kunstraub im Louvre informiert. Wissen Sie eigentlich von den Einbrüchen in das British Museum in London und das Nationalmuseum in Mexiko City?«

»Ich habe davon in der Zeitung gelesen.«

»Dann ist Ihnen auch bekannt, dass im Museum of Modern Art hier in New York eingebrochen worden ist. Es wurden Gemälde von Vincent van Gogh, Claude Monet und Henri Rousseau gestohlen.«

»Das habe ich ebenfalls der Zeitung entnehmen können. Die Kerle, die den Einbruch verübten, wussten Bescheid.« Harper räusperte sich. »Sie glauben mir also nicht, Trevellian. Nun, ich kann nur versichern, dass ich nicht den Hauch einer Ahnung hatte, dass die Spitzenklöpplerin aus dem Louvre entwendet wurde. Wie ich schon sagte: Ich bin kein Hehler. Wäre ich es, hätte ich das Gemälde sicherlich nicht in meiner Galerie zum Kauf angeboten.«

Diesem Argument hätte ich mich nicht verschließen können, wenn die Kollegen vom Einbruchsdezernat das Gemälde nicht im Keller der Galerie zwischen Werken weniger bekannter Meister aufgestöbert hätten.

»Es gibt noch einige Fragen zu klären«, sagte ich, »die wir Ihnen persönlich stellen möchten. Richten Sie sich also um vierzehn Uhr auf unseren Besuch ein, Mr. Harper.«

»Was haben Sie noch für Fragen? Ich will nicht, dass Sie in meiner Galerie auftreten, G-man. Dass man den Vermeer in meinen Geschäft gefunden hat, bedeutet schon einen ziemlichen Renommeeverlust für mich. Wenn jetzt die Polizei auch noch in meiner Galerie herumstöbert, kann das für mich als Geschäftsmann den Todesstoß bedeuten.«

»Wir können es nicht ändern«, versetzte ich. »Haben Sie denn nicht nachgefragt, woher dieser Blomfield das Bild hatte?«

»Ich war der Meinung, das Gemälde käme aus Privatbesitz«, sagte Harper mit besonderer Betonung. »Man hat mir Sand in die Augen gestreut.«

»Und der Kunstprofessor, der das Bild begutachtete?«

»Was ist mit ihm?«

»Wusste auch er nicht, dass die Spitzenklöpplerin in den Louvre gehört?«

»Scheinbar nicht. Denn er würde mich sicher darauf aufmerksam gemacht haben.«

»Das ist wohl anzunehmen. Bis vierzehn Uhr also, Mr. Harper«, sagte ich.

»Ich werde Ihnen zur Verfügung stehen«, kam es ziemlich zerknirscht durch die Leitung.

Da ich den Lautsprecher des Telefons eingeschaltet hatte, konnte Milo mithören, was gesprochen worden war. Er hatte zwischenzeitlich hinter seinem Schreibtisch Platz genommen. Jetzt sagte er: »Ich gehe mit dir einig, Partner. Harper lügt, wenn er behauptet, die Herkunft des Gemäldes nicht zu kennen.«

»Das werden wir ihm allerdings nicht beweisen können«, antwortete ich. »Man sollte sich vielleicht mal in seiner Galerie umsehen, ob nicht noch weitere Gemälde auftauchen, die irgendwo auf der Welt gestohlen worden sind. Vielleicht sogar das eine oder andere Bild aus dem Museum of Modern Art.«

»Die Art und Weise, wie das Gemälde zum Kauf angeboten wurde, lässt den Schluss zu, dass Harper entgegen seiner wiederholten Behauptung als Hehler tätig ist«, meinte Milo.

Ich nickte zur Bestätigung seiner Worte. Dann sagte ich: »Es sind längst noch nicht alle Fragen geklärt. Wir werden um vierzehn Uhr dem guten Mann einen Besuch abstatten. Ist sicher interessant zu sehen, wie er sich dreht und windet, um uns eine plausible Erklärung zu bieten.«

»Letzterem kann ich mich nur anschließen«, sagte Milo und grinste lausbübisch. »Also auf ihn mit Gebrüll.«

Kapitel 1

Harper wählte eine Nummer. Als sich jemand meldete, sagte er in die Sprechmuschel. »Bei mir waren zwei Schnüffler vom FBI. Wie es aussieht, hat die Bundespolizei den Fall übernommen.«

»Verdammter Mist.«

»Mach dir keine Sorgen. Das FBI wird genauso wenig herausfinden wie das Police Department.«

»Dennoch. Es ist höchst beunruhigend. Wir hätten uns niemals auf diese illegalen Geschäfte einlassen sollen.«

»Wir haben uns aber darauf eingelassen!« Harper stieß es voll Ungeduld hervor. Zeichen dafür, dass er innerlich längst nicht so gelassen war, wie er sich gab. »Ich habe die Bullen belogen. Sie glauben, dass ich das Bild von einem gewissen Blomfield gekauft habe.« Harper machte eine kurze Pause. »Es ist allerdings davon auszugehen«, fuhr er dann fort, »dass Baldwin auch andere Galerien der Stadt mit geraubten Kunstwerken versorgt. Und sicher hat er auch anderen Kunsthändlern Bilder aus dem Einbruch vom MoMA angeboten. Wenn ihm das FBI auf die Schliche kommt, wird er meinen Namen nennen. Und das kann ich mir nicht leisten. Ich würde ins Gefängnis wandern und alles, was ich mir aufgebaut habe, wäre dem Ruin preisgegeben.«

»Das betrifft auch mich.«

»Sehr richtig. Ich habe nachgedacht. Baldwin hat sich zu einem Risikofaktor für uns entwickelt. Das ist das eine. Das andere ist, dass er uns in der Hand hat. Nachdem ich ihm den geforderten Preis für das Gemälde Die Freiheit führt das Volk an, das er mir verkaufen wollte, nicht bezahlt habe, ist die Polizei bei mir aufgetaucht und hat den Vermeer gefunden.«

»Du denkst …«

»Ja.«

»Was willst du tun?«

»Ich will, dass Baldwin den Mund nicht mehr aufmachen kann.«

Harpers Gesprächspartner japste nach Luft. »Du – du willst ihn mundtot machen?«, brach es dann aus ihm heraus. »Ihn umbringen?« Er zerlegte das letzte Wort in seine Silben.

»Nicht selbst natürlich. Darum habe ich dich angerufen. Nimm du es in die Hand. Engagiere einen Hitman, der seinen Job macht und hinterher wieder in der Versenkung verschwindet.«

»Ich soll es in die Hand nehmen?«, entfuhr es dem Mann am anderen Ende der Leitung. »Du kennst mich, Gregg. Ich bin gegen jedwede Art von Gewalt. Ich habe mich einverstanden erklärt, dass wir gestohlene Kunstwerke ankaufen und an ausgesuchte Kunden veräußern. Aber mit Mord will ich nichts zu tun haben.«

»Willst du irgendwann im Gefängnis verrotten?«, kam die scharfe Frage Harpers. »Niemand weiß, dass du mein Teilhaber bist. Dein Name erscheint auf keinem Firmenlogo, in keiner Gewerbeanmeldung, in keiner Steuererklärung. Ich decke dich, Jim. Aber alles hat seine Grenzen. Wenn ich auffliege, werde ich auch den Mund aufmachen. Auffliegen aber kann ich nur, wenn die Bullen Baldwin schnappen und er singt. Das gilt es zu verhindern. Ich denke, in diesem Punkt sind wir uns einig.«

»Na schön. Sag mir nur, wo ich einen Hitman anheuern kann.« Eine kurze Pause trat ein, in der nur zu hören war, wie der andere atmete. Dann kam es sarkastisch: »Ich habe nämlich keine Ahnung, an wen ich mich wenden soll, damit man mir eine entsprechende Adresse verrät.«

»Da kann ich dir auch nicht weiterhelfen. Geh in irgendeine Kneipe in Harlem oder in der Lower East Side. Dort treibst du sicher jemanden auf, der für ein paar Tausender Baldwin in die Hölle schickt. Verdammt, du musst Initiative ergreifen, Jim. Nicht immer nur alles mir überlassen.«

»Mir fehlt eben deine Kaltschnäuzigkeit, Gregg. Ich kann nicht aus meiner Haut.«

»Auch du musst mal über deinen Schatten springen. Ich verlasse mich auf dich, Jim. Und noch etwas: Keine Mitwisser. Heuere einen Killer unter falschem Namen an. In diesen Kreisen will keiner deinen Ausweis sehen. Gib ihm eine gute Anzahlung und bezahle ihm den Rest nach getaner Arbeit. Du verstehst, was ich meine.«

»Sehr gut. Ich werde mich drum kümmern.«

Harper legte auf. Dann verabschiedete er sich von seiner Frau und fuhr in die Fifth Avenue.

Als er sein Geschäft betrat, war es 12 Uhr 30 vorbei.

»Sie kommen schon«, sagte Jeanette Rankin, die Lady hinter der Rezeption. »Ich habe Sie erst um vierzehn Uhr erwartet.«

»Ich habe es mir anders überlegt. Stellten die FBI-Agenten irgendwelche Fragen?«

»Nein. Ich habe Ihnen bereits am Telefon berichtet, was gesprochen wurde. Nichts von Bedeutung.«

»Geben Sie mir die Visitenkarte von diesem Trevellian.«

Mrs. Rankin gab sie ihm. Er warf einen Blick darauf, dann verstaute er sie in seiner Brieftasche. Er war nervös. Dass plötzlich das FBI eingeschaltet war, beunruhigte ihn immens. Er wusste um die Beharrlichkeit der FBI-Leute, wenn es darum ging, eine Sache aufzuklären.

Er ging in sein Büro, das in der ersten Etage des Gebäudes lag, in der sich ebenfalls Ausstellungsräume befanden. Sorgfältig verschloss er hinter sich die Tür. Dann ging er zum Telefon. Er tippte eine Nummer und nahm dann den Hörer ab. Gleich darauf war eine Verbindung zustande gekommen. Eine dunkle Stimme meldete sich: »Baldwin.«

»Ich bin‘s, Harper. Bei mir waren zwei Schnüffler des FBI. Es geht um die Spitzenklöpplerin und um den Einbruch ins MoMA. Sie haben mir einige Bilder zum Kauf angeboten, Baldwin. Haben Sie die Gemälde noch?«

»Sicher.«

»Ich habe Interesse daran. Wann und wo kann ich mir die Bilder ansehen?«

»Kommen Sie heute Abend um zweiundzwanzig Uhr zum Pier einundachtzig. Dort steht eine alte Lagerhalle mit einem rot gestrichenen Stahltor. Ich werde dort sein und Ihnen die Ware zeigen. Meinen Preis habe ich Ihnen genannt. Ich bin nicht bereit, einen Cent davon nach unten abzuweichen.«

»Ich komme. Zweiundzwanzig Uhr, Pier einundachtzig. Werden Sie alleine sein?«

»Ich werde meinen Sohn mitbringen. Er weiß Bescheid.«

»Schön. Ich komme alleine. Kann ich die Ware gleich mitnehmen?«

Baldwin lachte. »Wenn Sie bar bezahlen – warum nicht?«

»Eine Million.«

»Korrekt. Sie bekommen die Gemälde sozusagen zu einem Viertel ihres wahren Wertes.« Wieder lachte Baldwin. »Ich hoffe, Sie wissen das zu schätzen. – Eine andere Frage: Sicher wollten die Schnüffler wissen, von dem Sie die Spitzenklöpplerin haben. Was haben Sie ihnen geantwortet?«

»Von einem gewissen Blomfield. Ich erklärte ihnen, dass ich selbst hereingelegt worden sei. Allerdings scheinen mir die beiden Schnüffler nicht in allen Punkten geglaubt zu haben. Ich erwarte eine Razzia.«

»Sie haben doch keine gestohlenen Bilder mehr in Ihrem Laden?«

»Nein. Sie sind in Sicherheit.«

»Dann ist es ja gut. Bis heute Abend, Harper. Ich freue mich, dass wir uns einig geworden sind.«

Dann herrschte Schweigen in der Leitung.

Harper überlegte kurze Zeit. Dann fasste er einen Entschluss. Er rief erneut bei Jim Morris an und sagte: »Du kannst die Sache mit dem Killer abblasen, Jim. Ich treffe mich heute Abend mit Will Baldwin und seinem Sohn bei Pier einundachtzig. Er hat die Gemälde aus dem Raub im MoMA dort in einer alten Lagerhalle versteckt. Besorge dir eine Waffe und komm um zweiundzwanzig Uhr zu dem Pier. Wir machen es selbst. Auf diese Art und Weise sparen wir uns die Gage für den Hitman, eine Million für die Gemälde, und wir beseitigen zugleich einen Risikofaktor.«

Morris japste. »Du bist übergeschnappt. Wir sind keine Mörder. Vielleicht bringst du es fertig, einen Menschen umzubringen. Ich kann das nicht. Ich sagte dir schon, dass ich ein Gegner jeder Art von Gewalt bin. Das musst du ohne mich erledigen, Gregg.«

Harpers Gesicht verschloss sich. Es wurde kantig, seine Mundwinkel bogen sich nach unten. »Du wirst dort sein, Jim. Und du lässt dich nicht blicken. Verstecke dich, während wir uns in der Lagerhalle befinden. Sobald wir herauskommen, schießt du. Du nimmst den jungen Baldwin aufs Korn. Ich übernehme den Alten. Vergiss nicht, auf die Waffe einen Schalldämpfer zu schrauben. Die Schüsse muss nicht die halbe Stadt hören. Wir schnappen uns anschließend die Gemälde und bringen sie in meine Zweitwohnung in der zweiundzwanzigsten Straße. Die beiden Leichen lassen wir in der Lagerhalle zurück. Bis man sie dort findet, sind sie wahrscheinlich längst verrottet.«

»Ich kann das nicht«, kam es fast weinerlich.

»Du bringst es fertig, Jim, glaub mir. Denk einfach daran, welche Gefahr von Baldwin ausgeht. Und dann geht es wie von selbst.«

»Vielleicht sollten wir doch einen Hitman anheuern. Pfeif auf die Million. Bezahl sie Baldwin für die Gemälde und überlassen wir alles andere einem Killer. Wir holen das Geld doppelt und dreifach wieder herein. Warum übrigens auch den Sohn umbringen? Er …«

»Ja«, so schnitt Harper seinem Partner das Wort ab. »Er stellt ebenso wie der Alte eine Gefahr für uns dar. Lewis ist in die Geschäfte seines Vaters eingeweiht. Darum ist die Gelegenheit heute Abend ausgesprochen günstig. Wir schlagen mehrere Fliegen mit einer Klappe.«

»Du bringst mich um den Verstand, Gregg.«

»Mach nur nicht schlapp, alter Freund.» Es klang wie eine Drohung.

Jim Morris zog unwillkürlich den Kopf zwischen die Schultern und duckte sich. Ihm wurde bewusst, dass Gregg Harper vor nichts zurückschreckte. Der Magen krampfte sich ihm zusammen. Das Herz schlug ihm bis zum Hals hinauf. Seine Hände waren feucht. Würde eines Tages auch er ein Risiko für Gregg Harper darstellen? Er spürte ein seltsames Kribbeln in den Eingeweiden beim Gedanken daran.

»Ich mache nicht schlapp«, sagte Jim Morris mit belegter Stimme. »Keine Sorge.«

Dann legte er den Hörer auf den Apparat. Nachdenklich starrte er auf einen unbestimmten Punkt an der Wand. Unbehaglich zog er die Schultern an.

*

Um Punkt 14 Uhr trafen wir erneut in der Upper East Side ein, wo die Galerie Harpers lag. Ich presste den Wagen zwischen einen Pick-up und einen klapprigen Ford in der 73. Straße. Die letzten Schritte bis zu dem Laden gingen wir zu Fuß.

Die Gehsteige auf der Fifth Avenue waren voll Menschen. Wahrscheinlich 50 Prozent Touristen, schätzte ich. Die Prachtstraße zog sie an wie das Licht die Motten. Wobei wahrscheinlich die wenigsten über das nötige Kleingeld verfügten, um bei Tiffany oder Bergdorf Godman einzukaufen.

Wir betraten den Laden. Wieder berührte mich die gediegene Atmosphäre, die hier herrschte. Einige Leute waren anwesend und betrachteten sich die ausgestellten Kunstwerke. Leises Wispern erfüllte die Luft. Niemand wagte sich hier laut zu sprechen. Es war wie in einer Kathedrale.

Hinter der Rezeption stand die ältliche Lady mit der strengen Frisur und der starken Brille, deren Gläser sicherlich so dick waren wie die Böden von Cola-Flaschen. Ihr Gesicht verkniff sich, als sie uns sah. Wir traten vor sie hin.

»Ist Mr. Harper zu sprechen?«, fragte Milo.

»Er – Mr. Harper, nun, er …«

Sie stotterte herum, ihr Blick wurde unstet, sie knetete ihre Hände. Dann beugte sie sich weit über den Tresen und sagte mit verschwörerischem Tonfall: »Lassen Sie hier nur niemand merken, dass Sie vom FBI sind. Es würde ein schlechtes Licht auf das Geschäft werfen. Und Mr. Harper ist ausgesprochen bemüht, sein Renommee nicht nur zu bewahren, sondern noch zu steigern.«

Die Lady starrte mich an, als wollte sie mich hypnotisieren.

Ich beugte mich ihr entgegen. Und wahrscheinlich schlug ihr mein Atem ins Gesicht, als ich im selben Tonfall erwiderte: »Nichts liegt uns ferner, als den Ruf Mr. Harpers und dieser Galerie zu schädigen, Ma‘am. Wenn Sie den Leuten hier nicht verraten, dass wir Bullen sind, von unserer Seite haben Sie es nicht zu befürchten. Jetzt aber würden wir gern Mr. Harper sprechen.«

Zuletzt hatte ich meiner Stimme einen entschiedenen und fordernden Ausdruck verliehen.

»Folgen Sie mir«, flüsterte die Lady. Später sollte ich erfahren, dass sie Jeanette Rankin hieß. Sie kam hinter der Rezeption hervor und schritt erhobenen Hauptes zur Treppe, die in die erste Etage führte. Wir stiegen hinter ihr her die Treppe nach oben. Dort war – wie auch im Erdgeschoss – eine großräumige Ausstellungsfläche. Auch in dieser Etage bewunderten eine Reihe von Besuchern die Kunstwerke an den Wänden. Einige Türen zweigten ab. Zu einer dieser Türen führte uns die Dame, klopfte und öffnete. Sie streckte den Kopf in den Türspalt und sagte unterdrückt: »Die beiden Gentlemen vom FBI sind gekommen, Sir.«

»Lassen Sie sie rein«, hörten wir eine dunkle Stimme sagen, die Stimme, die ich schon von dem Telefonat mit Gregg Harper kannte.

Die Lady öffnete die Tür vollends, schaute mich an und sagte: »Treten Sie näher.« Sie machte eine einladende Handbewegung. In ihrem Gesicht zuckte kein Muskel.

Wir gingen an ihr vorbei und betraten das Büro. Sie schloss die Tür hinter uns. Ich sah mich einem Mann von etwa 45 Jahren gegenüber, dessen Haare sich schon grau zu färben begannen und der einen etwas übergewichtigen Eindruck machte. Er saß hinter seinem Schreibtisch. Sein Gesicht wies eine gesunde Färbung auf. Er schaute uns abwechselnd an.

»Special Agent Trevellian, FBI New York«, sagte ich. »Mein Kollege Milo Tucker.« Ich wies mit einer knappen Geste meiner Linken auf meinen Partner. »Wir hatten schon am Telefon miteinander das Vergnügen, Mr. Harper.«

»Ich dachte, ich hätte sämtliche Fragen, die es gab, beantwortet«, knurrte Harper. »Was also führt Sie zu mir?«

Er bot uns keine Plätze an. Der erste Eindruck, den ich mir gebildet hatte, als er mich anrief, schien sich zu bewahrheiten. Dieser Bursche war ein Kotzbrocken allererster Ordnung. Ich empfand für ihn nur Antipathie. Dabei versuchte ich, dieses Gefühl der Abneigung zu unterdrücken, denn ich wollte ihm gegenüber absolut unbefangen sein.

»Sie haben das Gemälde nicht offen zum Kauf angeboten«, sagte ich. »Es wurde zwischen anderen Bildern im Keller der Galerie entdeckt.«

Harper verzog den Mund. »Es war mir ganz einfach zu gefährlich, das Bild in der Galerie aufzuhängen«, gab er mir zur Antwort. »Es hätte nicht nur Interessenten und Neugierige angezogen, sondern auch Leute, die weniger redliche Absichten verfolgen.«

»Sie wussten also um den wahren Wert des Bildes.«

»Natürlich. Die Spitzenklöpplerin von Vermeer ist ein Begriff. Nur wusste ich nicht, dass das Gemälde im Louvre ausgestellt war.«

»Sie verwickeln sich in Widersprüche«, sagte ich.

»Finden Sie?«, versetzte Harper. Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe das Kunstwerk einer Reihe von solventen Käufern zum Kauf angeboten. Telefonisch. Sie können die Leute gerne befragen. Ich bin gerne bereit, Ihnen ihre Namen zu geben.«

»Damit wäre uns sicher sehr geholfen«, sagte ich mit einem Lächeln um die Lippen und erntete dafür einen bitterbösen Blick.

Harper schaltete seinen Computer an. Es dauerte einige Zeit, bis das Terminal hochgefahren war. Per Mausklick öffnete er eine Datei, dann druckte er eine Liste aus. Er reichte sie mir mit den Worten: »Spezielle Kunden, G-men. Sie dürften sich kaum darüber freuen, vom FBI Besuch zu erhalten. Und sie werden mir nicht gerade freundlich gesonnen sein, wenn sie erfahren, dass Sie die Adressen von mir haben.«

»Es geht um die Aufklärung eines Verbrechens«, erwiderte ich und zwang mich zur Ruhe. Dieser Harper war nicht nur ein Unsympath, sondern auch ein Ignorant. Ihm war nur sein verdammter Ruf wichtig. Dass wir ein Verbrechen zu klären hatten, war für ihn nicht von Interesse. Dass ein Mann ums Leben gekommen war, zählte für ihn scheinbar nicht. Ich sprach weiter: »Auf Einzelinteressen können wir hierbei keine Rücksicht nehmen. Das verstehen Sie sicher, Mr. Harper. Es geht unter anderem um Mord. – Wurden Ihnen noch keine Gemälde aus dem Raub im MoMA angeboten?«

Er prallte regelrecht zurück. »Nein.«

Ich beobachtete ihn scharf, suchte nach einer verräterischen Reaktion in seinem Gesicht. Aber da war nichts. Die Fassade blieb glatt und nichtssagend. Es war ein Pokergesicht. Entweder wusste er wirklich nichts, ober er war ein verdammt guter Schauspieler. Ich versuchte, meine Befangenheit zu unterdrücken. Dass ich ihm misstraute, war wohl nicht nur den vorliegenden Tatsachen zuzuschreiben, sondern auch meiner Voreingenommenheit. Und das wollte ich nicht.

Ich warf einen Blick auf die Liste, die er mir übergeben hatte. Da waren etwa drei Dutzend Namen mit Anschriften und Telefonnummern. Ich las einige Namen, die mir geläufig waren. Schauspieler, Politiker, berühmte Sportler …

»Ein erlesener Kundenkreis«, sagte Harper, der mich beobachtete. »Ich hoffe, diese Leute haben Verständnis.«

Ich wusste, was er meinte. Sein Ansehen …

Wir verließen das Büro.

»Was hältst du von ihm?«, fragte Milo, als wir uns wieder auf der Straße befanden.

»Aalglatt«, erwiderte ich, »undurchsichtig, kurz gesagt, ein unangenehmer Zeitgenosse. Wir sollten uns mal von der Telefongesellschaft eine Übersicht seiner Telefonate der vergangenen Wochen besorgen.«

»Es wäre die einfachste Art, um herauszufinden, ob er mit den Leuten auf der Liste telefoniert hat«, bestätigte Milo. »Der Einbruch in den Louvre geschah vor knapp zwei Monaten. Also brauchen wir eine Liste der vergangenen zwei Monate.«

»Wir müssen herausfinden, bei welcher Telefongesellschaft sein Anschluss angemeldet ist.«

Wir fuhren zurück ins Federal Office.

Zehn Minuten später wusste ich, dass Harper bei Verizon Communications, der größten US-Telefongesellschaft, registriert war. Ich rief dort an und bat, mir eine Liste der sowohl von seinem Geschäfts- wie auch seinem Privatanschluss geführten Telefonate der vergangenen zwei Monate zu erstellen. Leider geriet ich an einen absoluten Bürokraten. Er faselte etwas von Datenschutz und Verletzung der Privatsphäre und gab mir zu verstehen, dass ich mir einen richterlichen Beschluss besorgen müsste, um von der Gesellschaft die gewünschte Liste erhalten zu können.

Ich bat Mr. McKee, den Special Agent in Charge des FBI New York, einen solchen Beschluss zu erwirken. Wenn ich mich selbst darum bemüht hätte, hätte ich wahrscheinlich ein paar Tage warten müssen, bis ich ihn erhielt. Bei Mr. McKee dauerte es nur knapp zwei Stunden. Dann konnte ich mir den Beschluss im Criminal Courts Building abholen. Wir fuhren damit zu der Telefongesellschaft. Und eine halbe Stunde später hatte ich die gewünschten Listen.

Milo und ich zogen uns in unser Büro zurück und begannen mit dem Abgleich der Telefonnummern auf der Übersicht, die wir von Harper erhalten hatten und den Listen, die uns die Telefongesellschaft zur Verfügung stellte.

Danach hatte Harper vor etwa einem Monat in der Tat mit mehr als einem Dutzend jener Leute gesprochen, die er als besondere Kunden führte. Wir schrieben die Namen und Adressen auf, um die Leute einzuvernehmen. Bei dieser Gelegenheit stießen wir auf eine Telefonnummer, die Harper besonders oft frequentierte. Erst heute hatte Harper die Nummer wieder angerufen. Da die Uhrzeit mit ausgedruckt war, konnten wir feststellen, dass das Gespräch zwischen Harpers Anruf bei mir und unserer Vorsprache bei dem Galeristen stattgefunden hatte. Die Nummer erschien nicht auf der Liste, die uns der Kunsthändler ausgedruckt hatte. Wer sich hinter der Telefonnummer verbarg, war nicht angegeben.

Ich nahm den Hörer zur Hand und rief die Nummer kurzerhand an. Ein Mann meldete sich: »Morris.«

»Trevellian, FBI«, sagte ich. »Entschuldigen Sie die Störung, Mr. Morris. Nur eine Frage. Stehen Sie in geschäftlicher Beziehung zu Mr. Harper?«

Ich glaubte, den anderen förmlich schlucken zu hören. »Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte er schließlich. Er sprach abgehackt.

Hatte ich ihn mit meiner Frage erschreckt?

Es klang fast so.

»Wir werten gerade eine Liste der Telefongespräche Harpers aus. Ihre Nummer erscheint wiederholt. Darum meine Frage.«

»Hat – hat Harper was ausgefressen, weil sich das FBI für ihn interessiert?«

»Nein. Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Stehen Sie in geschäftlicher Beziehung zu Harper?«

»Ja – nein. Wir kennen uns gut. Manchmal gehe ich in seine Galerie und sehe mir die Kunstwerke an. Einige habe ich ihm schon abgekauft.«

»Hat er Ihnen das Gemälde Die Spitzenklöpplerin von Jan Vermeer zum Kauf angeboten?«

»Die – die Spitzenklöpplerin«, wiederholte Morris. »Wurde dieses Gemälde nicht aus dem Louvre gestohlen?«

»Genau das.«

»Nein. Harper hat es mir nicht angeboten. Wie sollte er zu dem Gemälde gekommen sein? Großer Gott, er hat doch nicht gestohlene Ware angekauft?«

»Es sieht fast so aus, Mr. Morris. Geben Sie mir Ihre Anschrift.«

»Staten Island, 465 Victory Boulevard. Was – was wollen Sie denn von mir?« Er hechelte regelrecht in die Sprechmuschel. »Ich kann Ihnen nichts sagen. Mit – mit Harpers Geschäften habe ich nichts zu tun.«

»Warum so erregt?«, fragte ich. »Wenn Sie nichts zu verbergen haben …«

»Ich hatte noch nie mit dem FBI zu tun. Ich bin ein rechtschaffener Steuerzahler, der sich noch nie was zuschulden kommen ließ. Und jetzt interessiert sich plötzlich die Bundespolizei für mich.«

»Machen Sie sich keine Sorgen, Mr. Morris«, sagte ich. »Wenn wir zu Ihnen kommen – falls überhaupt – brauchen Sie allenfalls ein paar Routinefragen über sich ergehen zu lassen.«

»Ich werde Ihnen nichts sagen können.«

»Warten wir es ab, Mr. Morris.«

*

Bei Harper dudelte das Telefon. Es war 17 Uhr vorbei. Gregg Harper meldete sich. Bei dem Anrufer handelte es sich um Jim Morris. »Die Bullen haben eine Liste deiner Telefongespräche ausgewertet, Gregg!«, presste Morris hervor. »Dabei sind sie auf mich gestoßen. Sie wollten wissen, ob ich zu dir in geschäftlicher Beziehung stehe.«

»Und, was hast du ihnen geantwortet?«

»Dass wir gute Bekannte sind und ich schon einige Bilder bei dir gekauft habe. Sie fragten, ob du mir die Spitzenklöpplerin zum Kauf angeboten hast. Ich verneinte es. Dieser Trevellian wird – schätze ich – spätestens morgen bei mir auf dem Teppich stehen. Verdammt, Gregg, die Schlinge liegt bereits um unseren Hals und zieht sich immer enger zusammen. Du musst die Sache heute Abend abblasen.«

»Hat dich der Anruf des Agenten so sehr erschreckt?«

»Ja. Ich habe Angst.«

»Diese Angst ist gerechtfertigt, solange die beiden Baldwins am Leben sind.«

»Aber Mord …«

»Das ist die einzige Möglichkeit, der Gefahr, die von den Baldwins ausgeht, entgegenzutreten. Wir müssen es tun, Jim. Allerdings habe ich eine kleine Änderung beschlossen. Die Bilder lassen wir in der Lagerhalle, die beiden Leichen versenken wir im Hudson. Ich nehme Baldwin den Schlüssel zu dem Lagerschuppen ab. Und sobald das FBI das Interesse an uns verloren hat, holen wir die Gemälde. – Ich lasse die Sache nicht sausen, Jim. Es ist ein Millionengeschäft. Dafür muss man eben ein gewisses Risiko eingehen.«

»Mir wird richtig übel, wenn ich nur daran denke, dass ich diesen Lewis Baldwin erschießen soll. Du stellst das alles so einfach dar. Für mich ist das einige Nummern zu groß. Ich überlege, ob ich nicht aussteige. Du hörst schon richtig, Gregg. Ich habe vom Aussteigen gesprochen.«

»Du hast eine Million in mein Geschäft investiert, Jim. Willst du sie verlieren?«

»Du musst mir die Einlage zurückzahlen, Gregg. Schließlich haben wir einen Vertrag geschlossen. Ich bin zu dreißig Prozent am Gewinn beteiligt. Also wirst du mir meine Einlage und dreißig Prozent Gewinn bis zum heutigen Tag auszahlen müssen.«

»Wir reden drüber, wenn die Sache heute Abend erledigt ist. Ich rate dir, zum Pier zu kommen, Jim. Wir stecken beide bis zum Hals in der Sache drin. Und ich bin nicht gewillt, alleine die Kastanien aus dem Feuer zu holen.«

Jim Morris atmete asthmatisch. Er schwitzte. In seinem Gesicht zuckten die Nerven. Seine schweißnasse Rechte hatte sich förmlich am Telefonhörer festgesaugt. Die Linke öffnete und schloss sich. »In Ordnung, Gregg. Okay, okay. Ich werde da sein. Eine Waffe habe ich. Ich weiß, dass wir beide bis zum Hals in der Sache stecken. Die Baldwins sind zu einer Gefahr für uns geworden. Wir machen es so, wie du es gesagt hast, erschießen sie und lassen ihre Leichen verschwinden. Um zehn Uhr also am Pier einundachtzig. Bis später, Gregg.«

»Bis später«, erwiderte Harper.

Er ging zu seinem Schreibtisch und öffnete einen der Seitenschränke. Seine Hand verschwand im obersten Fach. Weit fuhr sie hinein. Als sie wieder zum Vorschein kam, hielt sie eine Tanfoglio Limited Custom fest, Kaliber .45 ACP, eine verchromte Pistole mit dunklem Plastikgriff. Aus dem Schub des Schreibtisches holte Harper einen Schalldämpfer. Er schraubte ihn auf die Waffe und wog sie in der Hand. Ein grimmiges Grinsen zog seinen Mund in die Breite. »Adios, Baldwin«, murmelte er, dann schob er die Pistole unter seiner Jacke in den Hosenbund.

Er ging zu einem Schrank, öffnete ihn, und ein kleiner Tresor kam zum Vorschein. Harper tippte eine Zahlenkombination, dann drehte er den Knopf herum und zog die kleine Stahltür auf. Da lag sauber gebündelt ein ganzer Stapel von Banknoten. Harper hatte immer eine größere Menge Bargeld im Geschäft, um bei Bedarf flüssig zu sein. Er zählte eine Million Dollar ab. Dann schloss er den Safe wieder, nahm einen schwarzen Aktenkoffer aus dem Schrank und verstaute das Geld darin.

Der Kunsthändler verließ sein Büro und ging hinunter ins Erdgeschoss. Mrs. Rankin war dabei, die Haupteingangstür abzuschließen. Als sie ihren Boss sah, wandte sie sich ihm zu. »Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich schon Feierabend mache?«

»Haben Sie was Besonderes vor heute?«

»Wir bekommen um acht Uhr Gäste. Eine ehemalige Schulfreundin mit ihrem Mann. Wir haben uns fünf Jahre lang nicht gesehen. Jetzt ist sie nach New York gezogen und besucht mich. Drum muss ich heute schon Feierabend machen, Mr. Harper.«

Er lächelte. »Gehen Sie nur, Mrs. Rankin. Ich habe nichts dagegen einzuwenden. Auch ich fahre jetzt nach Hause. Mich lässt die Sache mit dem gestohlenen Gemälde nicht los. Nachdem es in meinem Geschäft gefunden wurde, muss ich um meinen guten Ruf bangen.«

»Jeder, der Sie kennt, Mr. Harper, weiß, dass Sie niemals etwas Unrechtes tun würden.« Mrs. Rankin ging zu einem Schrank hinter der Rezeption und holte ihre Jacke heraus. Harper beeilte sich, glitt an sie heran und nahm ihr die Jacke aus der Hand, um ihr galant hinein zu helfen. »Vielen Dank«, sagte Jeanette Rankin, nachdem sie in die Jacke geschlüpft war. »Ich wünsche Ihnen einen schönen Feierabend.«

»Danke. Vergnügen Sie sich mit Ihrer alten Freundin. Und lassen Sie‘s nicht zu feuchtfröhlich werden, damit Sie morgen wieder einsatzfähig sind.« Harper lachte über seinen Scherz.

Auch Mrs. Rankin lachte auf. »Keine Sorge. Ich arbeite jetzt seit über zehn Jahren bei Ihnen. Und Sie werden nicht sagen können, dass ich auch nur einen Tag ausgefallen wäre.«

Harper tat, als dachte er angestrengt nach. Dann sagte er: »Tatsächlich, mehr als zehn Jahre. Himmel, Sie gehören ja schon zum Inventar hier. Soviel Treue muss belohnt werden. Ich werde ab sofort ihr Gehalt um fünfzig Dollar erhöhen.«

»Ist das Ihr Ernst?«

»Glauben Sie, mit sowas mache ich Spaß?«

»Natürlich nicht. Vielen Dank.«

»Schon gut. Aber jetzt beeilen Sie sich. Sicher haben Sie eine Menge zu erledigen. Kochen Sie selbst?«

»Ja.«

»Dann lassen Sie sich nicht länger aufhalten.«

Mrs. Rankin ging zu einer Tür, die in einen Flur führte, der beim Seiteneingang des Gebäudes endete, und verschwand.

Harper aktivierte die Alarmanlage, und schließlich verließ auch er das Geschäft.

Da es in dem Gebäude, in dem sich die Galerie befand, keine Tiefgarage gab, musste Harper seinen Wagen im Freien parken. Er hatte ihn in der 73. Straße abgestellt. Da die 73. Straße eine Einbahnstraße ist und nur in Richtung Central Park befahren werden darf, zeigte die Nase des Oldsmobile nach Westen. Er war ziemlich eingeklemmt zwischen zwei anderen parkenden Autos. Harper registrierte es wütend. Per Fernbedienung schloss er die Türen auf. Im Oldsmobile ging automatisch das Licht an.

Die Straße war kaum belebt. Auf der Fifth Avenue rollte dichter Verkehr vorbei. Das Brummen der Motoren erfüllte die Atmosphäre. Irgendwo ertönte eine Sirene. Autofahrer hupten. Das alles vermischte sich zu einem verworrenen Lärm, der aggressiv machte.

Schräg über die Straße kam ein Mann auf Harper zu. Er ging schnell. Die rechte Hand hatte er in der Jackentasche.

Harper öffnete die Fahrertür und wollte einsteigen. Da erreichte ihn der Fremde. »Sind Sie Gregg Harper?«

Der Angesprochene drehte sich um. Der Mann stand zwei Schritte vor ihm. Er war blondhaarig und mittelgroß, aber untersetzt. Auf seinem Kopf saß ein brauner Hut, den er sich tief in die Stirn gezogen hatte. »Was wollen Sie?«, fragte Harper.

Da zog der Fremde die Hand aus der Jackentasche. Sie hielt einen 38er. Die Mündung richtete sich auf Gregg Harper. Dessen Augen weiteten sich. Als bei ihm das Begreifen kam, peitschte auch schon der Schuss. Instinktiv warf sich Harper zur Seite. Die Kugel streifte seinen Oberarm. Harper spürte den glühenden Schmerz wie von einem Peitschenhieb und handelte. Er ließ den Koffer fallen. Seine Rechte fuhr unter die Jacke und riss die Pistole heraus. Im Hochschwingen entsicherte er sie. Eine Kugel befand sich im Lauf. Harper musste nur abdrücken. Ehe der andere zum zweiten Schuss kam, traf ihn Harpers Kugel. Er brach zusammen. Verkrümmt lag er auf der Straße.

Harper hob den Koffer mit dem Geld auf, warf ihn auf den Beifahrersitz und ließ sich auf den Fahrersitz fallen. Er war kreidebleich. Seine Hände zitterten. Er begriff, wie nahe er dem Tod gewesen war.

Leute liefen herbei. Jemand schrie: »Man muss die Polizei verständigen.« Ein anderer ließ seine Stimme erklingen: »Der Kerl ist tot. Dem kann kein Arzt der Welt mehr helfen.« – »Nichts anrühren«, mahnte ein anderer. »Man könnte wichtige Spuren zerstören.«

Alles das erreichte nur den Rand von Harpers Bewusstsein. Die Bilder liefen wie im Zeitraffer vor seinen Augen ab. Er war fix und fertig und hatte jeglichen Zeitbegriff verloren. Nach wie vor hielt er die Pistole in der Faust. Sirenengeheul näherte sich. Dann bremste ein Patrol Car mit quietschenden Reifen vor der Menschenmenge, die sich nach und nach um das Oldsmobile geschart hatte. Zwei Cops bahnten sich einen Weg.

Kapitel 2

Es war 17 Uhr 40, als wir von dem Zwischenfall in Kenntnis wurden. »Der Besitzer einer Galerie in der Fifth Avenue hat einen Mann niedergeschossen, der mit einem Revolver auf ihn losging«, sagte der Kollege, der uns informierte. »Sein Name ist Gregg Harper. Er verlangte, dass wir Sie verständigen, Trevellian. Er besaß eine Visitenkarte von Ihnen. Also haben wir ihm den Gefallen getan. Das Geschäft liegt zwischen dreiundsiebzigsten und vierundsiebzigsten Straße.«

Ich war wie vor den Kopf gestoßen. »Ich kenne den Laden«, sagte ich geistesabwesend. »Wen hat er niedergeschossen?«

»Der Bursche heißt Clive Brown. Er hatte einen Ausweis einstecken, daher konnte er sofort identifiziert werden. Neunundzwanzig Jahre alt. Ist der Polizei bekannt. Soll früher für Will Baldwin gearbeitet haben. Aber das sind nur Gerüchte. Neben Brown lag ein achtunddreißiger Smith & Wesson auf dem Gehsteig. Die Angaben Harpers erscheinen glaubwürdig.«

»Wir kommen«, sagte ich. »Ist die Spurensicherung verständigt?«

»Die Leute vom SRD sind bereits angefordert. Ebenso ein Polizeiarzt. Auch die Staatsanwaltschaft wurde verständigt.«

»Gut. Wir fahren sofort los.«

Mit dem letzten Wort drapierte ich den Hörer auf den Apparat.

Milo hatte alles hören können. Er machte ein Gesicht, als hätte man ihn mit einer Zitrone gefüttert. »Kurz vor Dienstschluss. Manche Leute sind wirklich rücksichtslos.« Er erhob sich mit einem Ruck. Sein Stuhl rollte ein Stück zurück.

»Das Verbrechen kennt keinen Feierabend«, sagte ich und grinste. »Was hättest du außerdem mit einem freien Abend angefangen? Du langweilst dich doch zu Hause tödlich.«

»Ha, ha«, machte Milo. Dann seufzte er, und dann erhob er noch einmal das Wort: »Was hältst du davon?«

»Ich weiß nicht, was ich davon halten soll«, antwortete ich, und es entsprach der Wahrheit. Ich konnte mir wirklich keinen Reim aus dem Anschlag auf Harper machen.

»Steckt vielleicht dieser Blomfield dahinter, der Harper angeblich das Gemälde aus dem Raub im Louvre verkauft hat?«

»Eine Theorie, die nicht von der Hand zu weisen ist«, gab ich zu. »Aber wer ist Blomfield?«

»Vielleicht Will Baldwin, für den dieser Brown gearbeitet haben soll.«

Will Baldwin war uns kein Unbekannter. Wir verdächtigten ihn, Boss einer Mafia zu sein, die früher mal den Drogenhandel und die illegale Prostitution in Manhattan kontrollierte. Wir hatten Baldwin niemals etwas nachweisen können. Vor zwei Jahren etwa war es still um ihn geworden. Wir nahmen an, dass er sich aus der Szene zurückgezogen hatte. Jetzt tauchte sein Name plötzlich wieder auf …

Wir meldeten uns bei Mandy ab, die noch im Büro war, dann begaben wir uns in die Tiefgarage, und wenig später trug uns der Wagen nach Norden. Auf der Fifth Avenue war die Hölle los. Manhattan glich zur Rushhour einem Hexenkessel. Nur mühsam kamen wir voran. Es hätte mir auch nichts genützt, wenn ich das Blinklicht aufs Dach gesetzt und die Sirene angemacht hätte. Wir waren hoffnungslos eingekeilt. Die Stadt schien kurz vor dem verkehrsmäßigen Infarkt zu stehen. Adrenalin wurde ausgeschüttet. Das Wort Aggression erfuhr eine Steigerung …

Aber wir schafften es. Aufatmend bog ich in die 74. Straße ein und stellte den Wagen in einer Parklücke ab. Dann liefen wir ein Stück die 5. Avenue hinunter und erreichten die 73. Straße. Hier hatte sich eine ganze Menschenschar versammelt. Ich sah Einsatzfahrzeuge der City Police, einen Notarztwagen, den Lieferwagen des Coroners. Milo und ich bahnten uns einen Weg durch die Meute der Neugierigen. So mancher Schimpf traf uns, aber wir achteten nicht darauf. »Machen Sie Platz«, rief ich. »FBI! Das ist ein Einsatz.«

Dann waren wir durch. Ich sah Harper. Bei ihm standen zwei Cops und ein Mann, den ich kannte. Er kam von der Staatsanwaltschaft. Der Tote lag noch auf der Straße. Der Coroner hatte eine Decke über ihn gebreitet. Da die Kollegen vom zentralen Erkennungsdienst noch nicht eingetroffen waren, war der Leichnam noch nicht in die Pathologie überführt worden.

Wir begrüßten den Vertreter der Staatsanwaltschaft. Dann wandte ich mich an Harper. Er war noch immer ganz grau um die Nase. In seinen Augen flackerte es. Der Galerist schien noch immer im Banne der Ereignisse zu stehen. Und ich konnte mit ihm fühlen. Wer einmal in die Mündung eines Revolvers oder einer Pistole geblickt hat, weiß, wie einem danach zumute ist.

»Erzählen Sie mir, was vorgefallen ist«, forderte ich.

Harper sagte: »Ich verließ zwischen siebzehn und siebzehn Uhr fünfzehn das Geschäft, um nach Hause zu fahren. Plötzlich kam ein Mann schräg über die Straße, fragte mich, ob ich Harper sei, und dann zog er die Pistole.«

»Und Sie waren schneller«, kam es von Milo.

»Nein. Er schoss. Aber ich wich der Kugel instinktiv aus. Und dann griff ich nach meiner Waffe, die ich im Hosenbund trug. Seinem zweiten Schuss kam ich zuvor.«

»Ist Ihre Waffe registriert?«, fragte ich.

»Natürlich. Ich hatte sie am Mann, weil ich eine große Menge Geld mit mir trug.«

»Kann es sein, dass es Brown auf das Geld abgesehen hatte? Wusste jemand, dass Sie mit einer größeren Menge Geld heute die Galerie verlassen?«

»Das müssen schon Sie herausfinden«, knurrte Harper. »Ich jedenfalls habe mit niemand darüber gesprochen.«

»Aus welchem Grund tragen Sie eine größere Menge Geld bei sich?«

»Sollte ich es über Nacht vielleicht in der Galerie lassen«, schnarrte Harper.

»Wir werden Ihre Angaben bezüglich der Waffe überprüfen«, sagte ich und schaute den Vertreter der Staatsanwaltschaft an. »Haben Sie Mr. Harper vorläufig festgenommen?«

»Ja. Aber es scheint, dass er in Notwehr handelte. Einige Leute, die den Vorfall beobachtet haben, meldeten sich und machten eine Aussage. Ich werde den Fall noch heute dem Haftrichter vortragen. Ich glaube nicht, dass Mr. Harper in Untersuchungshaft kommt.«

»Kannten Sie den Mann, der Sie angriff?«, fragte ich Harper.

»Nein. Ich habe ihn nie zuvor im Leben gesehen. Sein Name sagt mir nichts. Ich habe keine Ahnung, warum er mich töten wollte.«

»Kennen Sie Will Baldwin?«

»Nein. Wer soll das sein?«

»Gab es Drohungen?«

»Nein. Kann es mit dem Gemälde zusammenhängen, das bei mir gefunden wurde?«

»Ich weiß es nicht. Können Sie uns diesen Blomfield beschreiben, der ihnen das Kunstwerk verkaufte?«

»Etwa vierzig Jahre, dunkelblond, Schnurrbart, ungefähr eins-achtzig groß, schlank …«

Ich winkte ab. »Diese Beschreibung passt wahrscheinlich auf mehrere Millionen Amerikaner.«

»Mehr kann ich Ihnen leider nicht sagen.«

Ein Fahrzeug der SRD traf ein. Die Kollegen gingen an die Arbeit. Der Leichnam wurde von allen Seiten fotografiert. Seine Konturen wurden mit Kreidestrichen umrissen. Auch ein Reporter tauchte auf und begann zu fotografieren. Eine Live-Übertragungswagen von New York One erschien.

Ich ging zu dem Einsatzleiter der Spurensicherung hin und bat ihn, mir die Ergebnisse und Analysen, die sich ergeben würden, mitzuteilen. Er sagte es zu.

Für uns gab es hier nichts mehr zu tun. Wir kehrten zur Federal Plaza zurück. Mr. McKee war noch im Büro. Sein Vorzimmer, in dem Mandy residierte, war verwaist. Mandy hatte ihren Feierabend angetreten. Der Chef bat uns, Platz zu nehmen. Wir setzten uns an den kleinen Besuchertisch.

»Was haben Sie herausgefunden?«, fragte Mr. McKee und blickte von mir zu Milo. Er verströmte ein hohes Maß an Ruhe. Seine blauen Augen funkelten. In ihnen war noch das Feuer einer ungebrochenen Jugend, obwohl Mr. McKee nicht mehr der Jüngste war. Er hatte sich vom einfachen Agenten hochgearbeitet und war nun seit vielen Jahren Leiter des Field Office New York. Im Laufe der Jahre war er für Milo und mich so etwas wie ein väterlicher Freund geworden.

Milo und ich wechselten einen Blick. Milo nickte, und ich fühlte mich gefordert, das Wort zu ergreifen. »Nicht viel, Sir«, erklärte ich. »Das Gemälde Die Spitzenklöpplerin wurde in Harpers Keller aufgefunden. Ein anonymer Anrufer brachte die Polizei auf die Spur. Harper gibt sich unbedarft wie ein Neugeborener. Er behauptet, das Kunstwerk von einem gewissen Blomfield erworben zu haben. Diesen Blomfield gibt es scheinbar nicht. Wir wissen nicht, ob Harper die Wahrheit sagt. – Heute, kurz nach siebzehn Uhr, wurde ein Anschlag auf ihn verübt, dem er entging. Wir haben einen Toten. Sein Name ist Clive Brown. Er wollte Harper erschießen. Das ist alles, Sir.«

»Ein Name, der vielleicht von Interesse ist, tauchte auf«, ergänzte Milo. »Jim Morris. Mit ihm hat Harper des öfteren telefoniert. Öfter als mit jedem anderen seiner bevorzugten Kunden.«

»Haben Sie den Mann schon überprüft?«

»Ja. Er behauptet, nur gelegentlicher Kunde von Harper zu sein. Im Übrigen sei er gut mit ihm bekannt. Wir werden uns den Burschen einmal näher ansehen.«

»Vermuten Sie einen Zusammenhang zwischen dem Raub der Spitzenklöpplerin, dem Einbruch in das MoMA und dem Anschlag auf Harper?«

Ich hob die Schultern, ließ sie wieder nach unten sacken und erwiderte: »Die Einbrüche in Paris, London und New York wurden von ein und denselben Tätern verübt. Das ist Fakt. Ob auch der Einbruch in New York auf das Konto dieser Bande geht, wissen wir nicht. Und ob der Mordanschlag auf Harper mit den Einbrüchen zusammenhängt, wissen wir ebenso wenig.«

»Im Zusammenhang mit diesem Brown wurde der Name Will Baldwin genannt«, murmelte Milo. »Brown soll früher für Baldwin gearbeitet haben.«

»Wir haben überlegt, eine Razzia in Harpers Galerie durchzuführen«, flocht ich ein. »Vielleicht tauchen noch mehr gestohlene Bilder auf und wir können Harper festnageln. Meiner Meinung nach hat uns der Kerl angelogen, dass uns die Augen tropfen. Ich glaube ihm nicht, dass ihm die Herkunft der Spitzenklöpplerin unbekannt war. Und sicher weiß er auch, wer ihm den Garaus machen wollte. Er verschweigt uns den Hintermann, weil wir über diesen auch auf seine eigenen ungesetzliche Machenschaften stoßen könnten.«

»Ja«, sagte Mr. McKee nickend. »Stellen Sie die Galerie auf den Kopf, und auch die Wohnung Harpers. Und knöpfen Sie sich auch diesen Jim Morris vor. Schließlich sollten Sie Harper noch einmal auf den Zahn fühlen. Nach allem, was ich von Ihnen gehört habe, denke ich, dass er eine besondere Rolle in dem undurchsichtigen Spiel inne hat.«

*

Will Baldwins Telefon läutete. Der Gangsterboss saß vor einem Schachspiel. Eine wertvolle Intarsienarbeit mit geschnitzten Figuren. Das Spiel war ein kleines Vermögen wert.

Bei ihm befand sich sein Sohn Lewis. Die beiden warteten auf den Anruf. Mit zwei Schritten war Lewis Baldwin bei dem Apparat und nahm ab. »Ja.« Mehr sagte er nicht.

»Es ist schief gegangen.«

»Was?«

»Brown hat versagt. Sein erster Schuss ging daneben, und dann war Harper schneller. Brown ist tot. Harper wurde vorläufig festgenommen.«

»So ein verdammter Mist!«

Lewis Baldwin drosch den Hörer auf den Apparat und klärte dann seinen Vater auf.

»Wir werden zu dem Treffen bei Pier einundachtzig um zweiundzwanzig Uhr fahren«, bestimmte Will Baldwin. »Harper darf nicht am Leben bleiben. Nachdem der Vermeer bei ihm gefunden wurde, wird man ihn immer wieder in die Mangel nehmen. Und irgendwann wird unser Name fallen. Wir erledigen es heute Abend.«

»Harper wird nicht kommen. Er kann sich an fünf Fingern abzählen, dass wir ihm den Killer auf den Hals schickten.«

»Wie sollte er? Ruf bei ihm zu Hause an und gib mir dann den Hörer.«

Lewis suchte die Nummer Harpers, dann wählte er, und dann brachte er seinem Vater den Hörer. Es handelte sich um ein schnurloses Telefon. Mrs. Harper meldete sich. »Ich hätte gerne Ihren Mann gesprochen«, sagte Baldwin, ohne seinen Namen zu nennen.

»Er ist noch nicht von der Arbeit heimgekehrt. Kann ich ihm was bestellen?«

»Ja. Sagen Sie ihm, dass es bei der Verabredung um zweiundzwanzig Uhr bleibt.«

»Mit wem spreche ich?«

»Ihr Mann weiß Bescheid.«

*

Es wurde finster. Die Nacht versprach kühl zu werden. Wir waren nach Staten Island gefahren. Jetzt hielt ich den Wagen vor dem Haus mit der Nummer 465 am Victory Boulevard an. Es war ein luxuriöses Einfamilienhaus mit Erkern und Türmen und einem gepflegten Vorgarten. Eine geteerte Zufahrt führte zur Garage. Aus zwei Fenstern im Erdgeschoss viel Licht.

Wir stiegen aus. Milo läutete an der Haustür. Ein Frau mittleren Alters öffnete. Die Tür ging gerade soweit auf, wie es die Sicherungskette zuließ. Ein Lichtstreifen fiel in schräger Bahn ins Freie. »Was wünschen Sie?«, fragte die Lady.

»Mein Name ist Trevellian», sagte ich. Dann stellte ich Milo vor, und dann erklärte ich, dass wir vom FBI New York kommen. Ich fragte sie, ob Mr. Morris zu sprechen sei. Sie öffnete uns erst die Tür, nachdem ich ihr meine ID-Card hingehalten hatte. Wir betraten den Livingroom. Der Fernseher lief. Ein glatzköpfiger Mann von etwa 45 Jahren, fast asketisch hager, stand beim Tisch und starrte uns an wie außerirdische Erscheinungen. Er mutete irgendwie sprungbereit an, so, als wollte er sich jeden Moment herumwerfen und die Flucht ergreifen.

»Mr. Morris?«, sagte ich fragend.

Er schluckte und nickte. Sein Kehlkopf rutschte hinauf und hinunter. Seine Lippen sprangen auseinander. »Ja. Sie sind der Agent, mit dem ich am Telefon gesprochen habe, nicht wahr?« Seine Stimme klang heiser und belegt. Sein Blick war frettchenhaft unstet. Ich fragte mich unwillkürlich, was ihn zu dieser Unruhe veranlasste.

»Ja«, erwiderte ich, »wir haben miteinander gesprochen. Tut mir leid, dass wir Sie am Abend noch überfallen. Aber es sind noch einige Fragen aufgetaucht, die wir Ihnen gerne stellen möchten.«

Er schaute auf seine Armbanduhr. »Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß. Harper und ich sind alte Bekannte. Darum telefonieren wir des öfteren miteinander. Von seinen Geschäften weiß ich nichts.«

Mrs. Morris war zu einem der Sessel gegangen und hatte sich gesetzt. »Nehmen Sie doch Platz, G-men«, forderte sie uns freundlich auf, ebenfalls Platz zu nehmen. Ich bedankte mich, wir setzten uns. Ich in einen Sessel, Milo auf die Couch. Morris blieb stehen. Er massierte seine Hände. Die Unruhe, die er verströmte, was beinahe greifbar.

»Warum sind Sie so nervös?«, fragte Milo.

»Ich?« Morris tippte sich mit dem Daumen der Rechten wiederholt gegen die Brust. Dann ließ er die Hand wieder sinken. »Wie kommen Sie darauf?« Er biss sich auf die Unterlippe. Dann sagte er: »Nun, vielleicht haben Sie recht. Jeden Tag hat man nicht das FBI im Haus.«

»Woher kennen Sie Gregg Harper?« Milos Frage kam wie aus der Pistole geschossen.

Morris riss es regelrecht zu meinem Partner herum. »Ich – wir sind gemeinsam in Brooklyn aufgewachsen und waren immer gute Freunde. Dies haben wir beibehalten. Die Freundschaft ist zwar etwas lockerer geworden. Ist ja klar. Jeder hat sein eigenes Leben. Jeder hat zu tun …«

»Auf Harper wurde heute ein Anschlag verübt«, sagte ich.

»Was!« Die drei Buchstaben kamen wie ein Aufschrei.

»Es ist so. Jemand wollte Harper erschießen. Hat er Ihnen gegenüber einmal geäußert, dass er sich bedroht fühle?«

Morris dachte kurz nach. »Niemals«, stieß er dann hervor. »Wie ich schon sagte: Ich hatte …«

»… mit Harpers Geschäften nichts zu tun. Das wissen wir. Dennoch wirft die Vielzahl der Telefongespräche, die Harper mit Ihnen führte, Fragen auf. Es sind mehr Anrufe, als man sie bei einer nur lockeren Freundschaft erwarten dürfte. Was bindet Sie so eng an Harper?«

Morris druckste herum. Er trat von einem Bein auf das andere und sah aus wie das personifizierte schlechte Gewissen. Etwas stimmte mit diesem Burschen nicht. Er verheimlichte uns etwas. Was?

»Warum setzen Sie sich nicht?«, fragte ich schroff. Wahrscheinlich schroffer, als ich es beabsichtigt hatte. Morris zuckte zusammen wie unter einen Peitschenhieb. Wieder schaute er auf seine Uhr. »Haben Sie eine Verabredung? Oder erwarten Sie jemanden?«

»Ich – nein. Es ist nur …«

»Was?«

»Nichts. Ihre Anwesenheit macht mich nervös.« Er ließ sich nieder, lehnte sich aber nicht zurück und umklammerte mit beiden Händen die Armlehnen des Sessels, als wollte er sich jeden Moment in die Höhe ziehen und fliehen.

»Was haben Sie zu verbergen?«, fuhr ich Morris an.

Da sagte seine Frau. »Mein Mann ist stiller Teilhaber an Harpers Galerie. Er ist mit einer Million eingestiegen. Mit dieser Einlage war er zu dreißig Prozent am Gewinn beteiligt, den die Galerie abwarf.«

Zischend atmete Morris aus. Die Luft entwich ihm wie der Überdruck aus einem Dampfkessel.

»Woher haben Sie das viele Geld genommen?«, entfuhr es mir überrascht.

»Ich bin Immobilienmakler und verdiene sehr gut«, kam es mit gepresster Stimmer von Morris. Er schoss seiner Frau einen finsteren Blick zu. »Ich wollte es nicht an die große Glocke hängen.« Er atmete tief durch. »Ich mische mich nicht ein in Harpers geschäftliche Angelegenheiten. Solange er mir pünktlich meinen Gewinn überweist …« Morris versuchte ein Grinsen. Es verrutschte zu einer kläglichen Maske.

Dennoch wirkte er jetzt viel ruhiger und gefasster als zu Anfang des Gesprächs.

»Und Sie wussten nichts von dem Vermeer, der in Harpers Keller stand und der aus dem Raub im Louvre stammte?«

»Ganz bestimmt nicht. Ich sagte es bereits wiederholt …«

»Ja. Sie kümmern sich nicht um die Geschäfte Harpers. – Was sagt Ihnen der Name Baldwin?«

Morris wich meinem Blick aus. »Kenne ich nicht. Wer soll das sein?«

»Ein Gangster, mit dem Harper vielleicht geschäftliche Beziehungen pflegt«, sagte Milo und enthob mich damit einer Antwort. »Ein Mann, von dem wir vermuten, dass er einer Mafia vorsteht, die nach zwei Jahren der Ruhe wieder aktiv geworden ist.«

»Ich kenne ihn nicht.« Wieder schaute Morris auf seine Uhr.

Plötzlich schellte das Telefon. Morris fuhr zusammen, als hätte man ihn mit einem glühenden Draht berührt. Er schaute mich an, als erwartete er meine Zustimmung, das Gespräch entgegennehmen zu dürfen.

»Ihr Telefon läutet«, sagte Milo trocken. »Könnte ein Gespräch sein.«

Jetzt erhob sich Morris, ging zu dem Board, auf dem der Apparat stand, und nahm den Hörer ab. »Morris.« Er lauschte kurz, dann sagte er: »Ich habe im Moment Besuch. Tut mir leid. Aber ich rufe zurück. Ganz bestimmt. Ich denke, in einigen Minuten.«

Er legte wieder auf.

»Wer war das?«, fragte ich und schaute auf die Uhr. Es war 19 Uhr 25.

»Ein Bekannter. Nichts von Belang. Es – es geht um ein Gartengrundstück in Queens.«

Ich erhob mich. Auch Milo stand auf. »Dann wollen wir Sie nicht weiter stören, Mr. Morris. Warum wollten Sie uns eigentlich verschweigen, dass Sie an Harpers Galerie beteiligt sind?«

»Weil es für Sie nicht von Interesse sein dürfte.«

»Da irren Sie sich. Wir sind sogar sehr an Harpers Umfeld interessiert. Nichts für ungut, Mr. Morris. Wir werden Sie wahrscheinlich nicht mehr belästigen.«

Ich sah ihn aufatmen. Wir gingen zur Tür, Milo öffnete sie. »Auf Wiedersehen.«

Wir verließen das Haus.

»Wenn der keinen Dreck am Stecken hat, dann will ich August heißen«, knurrte Milo. »Dem standen ja Unbehaglichkeit und Erregung geradezu ins Gesicht geschrieben. Er weiß mehr, als er zugibt, Jesse. Vielleicht sollten wir den Burschen beobachten. Von Interesse wäre es auch, mit wem er jetzt wohl telefoniert. Außerdem scheint er noch etwas vor zu haben, heute Abend. Der saß ja regelrecht auf Kohlen.«

»Auf glühenden«, ergänzte ich.

*

»Du musst alleine zum Pier einundachtzig fahren«, sagte Gregg Harper. »Ich habe keine Waffe mehr. Sie wurde von der Staatsanwaltschaft eingezogen. Mich haben sie laufen lassen, nachdem ich meinen Reisepass abgegeben habe. Man wird ein Verfahren gegen mich einleiten. Ich muss jedoch nicht befürchten, vor Gericht gezerrt zu werden. Die Staatsanwaltschaft wird keine Anklage erheben und das Verfahren im Vorfeld einstellen. An meiner Notwehrsituation gibt es keinen Zweifel.«

»Wer denkst du, hat dir den Killer auf den Hals geschickt?«

»Keine Ahnung. Möglich, dass der Kerl tatsächlich nur einen Raubüberfall im Sinn hatte. Vielleicht hat er mich schon längere Zeit beobachtet und vermutete Geld in dem Koffer.«

»Ich denke eher, dass Baldwin eine ähnliche Idee hatte wie wir.«

»Ach was. – Es ist möglich, dass mich die Schnüffler vom FBI beobachten. Sie misstrauen mir. Daraus machten Trevellian und Tucker keinen Hehl. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, Jim. Also fahr allein zum Pier und mach die beiden Baldwins kalt.«

»Nein! Kategorisch nein, Gregg. Bei mir waren eben Trevellian und Tucker. Sie wissen, dass ich dein Teilhaber bin. Jane hat es ihnen verraten. Weißt du, was ich dir sage: Uns liegt bereits ein Strick um den Hals, und der zieht sich immer enger zusammen. Vielleicht überwachen diese Schnüffler auch mich. O verdammt! Hätte ich mich bloß nie auf die unsauberen Geschäfte eingelassen.«

»Jetzt dreh nur nicht durch, Jim. Was ist schon dabei, wenn Trevellian und Tucker wissen, dass du an meinem Geschäft beteiligt bist? Nichts! Gar nichts! Stille Teilhaberschaften sind nicht illegal. Also fahr zum Pier. Die beiden Baldwins werden da sein. Erledige sie und wirf ihre Leichen in den Hudson. Du musst es tun, Jim. Wenn Ihnen die Polizei auf die Schliche kommt, sind auch wir dran. Wenn sie allerdings nicht mehr reden können …«

»Was verlangst du von mir, Gregg?« Es kam fast weinerlich aus Morris‘ Mund. »Wenn es schief geht? Was dann?«

»Es darf nicht schief gehen. Wenn doch, nun – dann wird man wohl deine Leiche aus dem Hudson fischen. Die Baldwins werden nämlich dann kurzen Prozess mit dir machen.«

Ein gehetzter Ton entrang sich Morris. »Können wir das Treffen mit den Baldwins nicht verschieben? Ich will nicht alleine zum Pier fahren. Es ist mir zu gefährlich.«

»Noch gefährlicher ist es, sie am Leben zu lassen. Außerdem wollen wir die Gemälde aus dem Raub im MoMA. Dieses Geschäft dürfen wir uns nicht entgehen lassen.« Harpers Stimme wurde eindringlich, sein Tonfall duldete keinen Widerspruch mehr. »Du tust es, Jim. Du bist um zweiundzwanzig Uhr beim Pier und erledigst die Sache.«

Morris hatte nicht die Kraft, dagegen anzuschwimmen.

*

Morris traf um 21 Uhr 45 beim Pier 81 ein. Er ließ sein Auto in der 41. Straße stehen, überquerte die 12. Avenue und ging zu Fuß zum Pier. Er verspürte immense Anspannung. Dunkelheit umgab ihn. Seine Nerven waren zum Zerreißen angespannt. Seine Rechte umklammerte den Griff der Pistole, die er in der Jackentasche mit sich trug. Das Wasser des Hudson River schlug leise plätschernd gegen die Betonmauern. Es roch nach Seetang.

Morris bewegte sich im Schatten eines ehemaligen Lagerschuppens. Hüfthohes Unkraut wuchs hier aus den klaffenden Rissen, die der Beton aufwies. Ab und zu blieb Morris stehen, um lauschen. Aber er hörte nur den Verkehrslärm von der 12. Avenue. Dann befand er sich hinter der Halle.

Er schaute auf die Uhr. Die Zeiger leuchteten grünlich. Sie standen auf 21 Uhr 50. Morris hatte das Gefühl, dass die Zeit stillstand. Er hatte Angst – erbärmliche Angst. Sie bereitete ihm fast körperliches Unbehagen. Ihn fröstelte es. Die Kälte kam nicht nur von außen. Sie kam tief aus seinem Innersten und ließ ihn erschauern.

21 Uhr 55.

Ein Auto näherte sich dem Pier. Wie zwei Lichtfinger bohrten sich die Scheinwerfer in die Dunkelheit. Der Wagen kam aus Richtung Süden. Dort gab es weitere Piers. Das Fahrzeug hielt an. Der Motor starb ab, die Scheinwerfer erloschen. In dem Wagen saßen zwei Männer. Sie machten keine Anstalten, das Auto zu verlassen.

Morris lugte um die Ecke des Lagerschuppens. Der Wagen stand etwa 20 Schritte von ihm entfernt. Er hatte die Pistole aus der Tasche gezogen und hob sie. Dann ließ er die Hand wieder sinken. Er wollte warten, bis die beiden vielleicht doch ausstiegen. Sie erwiesen ihm den Gefallen nicht.

Es wurde zweiundzwanzig Uhr.

Einmal leuchtete in dem Wagen ein Feuerzeug auf, als sich der Mann auf dem Beifahrersitz eine Zigarette anzündete. Es war Will Baldwin, der Mann, der die aus dem MoMA geraubten Gemälde in seinem Besitz hatte. Es waren seine Leute, die in das Museum eingebrochen waren. Nach zwei Jahren war er wieder aktiv geworden. Er war Chef einer international arbeitenden Verbrecherbande, die sich auf den Raub teuerster Kunstwerke spezialisiert hatte.