Tiffany Exklusiv Band 28 - Vicki Lewis Thompson - E-Book
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Tiffany Exklusiv Band 28 E-Book

Vicki Lewis Thompson

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Beschreibung

WENN DIE LETZTE HÜLLE FÄLLT ... von ATKINS, DAWN Langsam lässt sie den BH von ihren Schultern gleiten, schaut ihm in die Augen … und Mike ist verloren! In seinem Büro erlebt der Bürgermeister den Sex seines Lebens. Ausgerechnet mit Autumm, seiner Praktikantin! Wenn das seine Gegner erfahren, ist seine Karriere dahin … EIN GEWAGTER FLIRT von THOMPSON, VICKI LEWIS "Ich will dich. Sofort!" Wenn seine sexy Chefin ihre Limousine zum Liebesnest machen möchte, sagt Chauffeur Alec bestimmt nicht nein! Er bekommt nicht genug von Molly und ihren heißen Küssen - bis sie sich plötzlich von ihm abwendet … HILFE, ICH LIEBE IHN! von HINGLE, METSY Seine Rache ist nah! Als neuer Manager des Saint-Charles-Hotels will Chase dessen Besitzer Henri Charbonnet ruinieren! Doch seine Pläne werden von Henris Tochter Madeline erotisch torpediert: Als Marketingchefin ist sie ständig in seiner Nähe - und süße Verlockung pur … HOT SHOT von RAWLINS, DEBBI Skandale, ständig das böse Mädchen spielen, die Paparazzi auf den Fersen - Tara hat es so satt! Die Sängerin träumt von einem ruhigen Leben mit ihrem Leibwächter Mitch - doch der hält sie nur für ein verwöhntes Mädchen, das sich alles und jeden nimmt den es will …

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Seitenzahl: 639

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Dawn Atkins, Vicki Lewis Thompson, Metsy Hingle, Debbi Rawlins

TIFFANY EXKLUSIV BAND 28

IMPRESSUM

TIFFANY EXKLUSIV erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: 040/60 09 09-361 Fax: 040/60 09 09-469 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Christel BorgesGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Erste Neuauflage by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg, in der Reihe: TIFFANY EXKLUSIV, Band 28 - 2014

© 2007 by Daphne Atkeson Originaltitel: „At Her Beck and Call“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg, in der Reihe: TIFFANY Sexy, Band 44 Übersetzung: Christiane Bowien-Böll

© 2003 by Vicki Lewis Thompson Originaltitel: „Drive Me Wild“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 2004 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg, in der Reihe: TIFFANY, Band 1098 Übersetzung: Andrea Cieslak

© 1996 by Metsy Hingle Originaltitel: „Backfire“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 1997 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg, in der Reihe: TIFFANY, Band 721 Übersetzung: Camilla Kneschke

© 2005 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „Hot Shot“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Johannes Heitmann

Abbildungen: Masterfile, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733750077

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY

DAWN ATKINS

Wenn die letzte Hülle fällt …

Sex ja – Liebe nein! Autumm verliebt sich in ihren Chef – und verführt Mike mit einem gekonnten Strip! Obwohl sie weiß, dass sie danach gehen muss: Eine Beziehung mit ihr würde Mike nur schaden …

VICKI LEWIS THOMPSON

Ein gewagter Flirt

Nicht genug Erfahrung, um einen Erotik-Roman zu schreiben? Enttäuscht von der Absage ihres Verlages will Molly die Liebe entdecken – und findet in ihrem Chauffeur Alec einen willigen Lehrmeister …

METSY HINGLE

Hilfe, ich liebe ihn!

Ich muss ihm zeigen, wie sehr ich ihn brauche! Madeline hat sich mit Chase gestritten und träumt von einer heißen Versöhnung. Er erwidert ihre Küsse – doch sie spürt, dass er etwas vor ihr verbirgt ...

DEBBI RAWLINS

Böses Mädchen – ganz brav?

„Du brauchst eine Nanny, keinen Leibwächter!“ Mitch hat die Nase voll von seinem Schützling. Sängerin Tara benimmt sich wie ein Kind – bis sie sich vor seinen Augen in eine sexy Frau verwandelt …

Wenn die letzte Hülle fällt …

1. KAPITEL

Eigentlich ging es nur um ein Praktikum in einer popeligen Kleinstadt, aber Autumn Beshkin hatte sich nichtsdestotrotz in Schale geworfen. Eines lernte man schnell als Stripteasetänzerin: Der optische Eindruck zählt.

Sie trug ein Designerkostüm und teure Pumps, doch offensichtlich pflegte man im Rathaus von Copper Corners einen ziemlich lässigen Kleidungsstil. Jedenfalls trug Evelyn, die etwa fünfzigjährige Sekretärin, die Autumn begrüßt und ihr den Klappstuhl vor dem Büro des Bürgermeisters angeboten hatte, Trainingsanzug, Joggingschuhe und Baseballkappe.

Das Telefon klingelte, und Evelyn ließ ihr knallgrünes Strickzeug sinken. Die dicke, gefleckte Katze, die im Posteingangskorb herumlungerte, maunzte verärgert.

„Büro des Bürgermeisters“, meldete sich Evelyn, klemmte sich den Hörer zwischen Ohr und Schulter und ließ die Nadeln weiterklappern. „Hallo, Heidi. Ja, deine Freundin ist hier.“ Evelyn lächelte in Autumns Richtung.

Autumn hob die Hand und winkte. Ihre Freundin Heidi hatte sie dazu überredet, diesen Job anzunehmen, da ihr Bruder „dringend, wirklich dringend“ Hilfe brauchte, nachdem sich seine Buchhalterin früher als erwartet in den Mutterschaftsurlaub verabschiedet hatte.

Autumn musste ein Praktikum absolvieren, und hier in Copper Corners könnte sie mit ihrer Freundin Jasmine Ravelli zusammenwohnen. Jasmine war ebenfalls Stripperin und hatte während der Sommerpause in der kleinen Stadt einen Job als Kostümschneiderin gefunden. Sie würde die Kostüme für die Aufführung zum Gründungsfest der Stadt entwerfen und nähen.

„Natürlich kannst du mit ihm sprechen“, sagte Evelyn. „Einen Moment.“ Sie drückte mehrere Knöpfe. „Mike, deine Schwester ist auf Leitung eins.“

Durch die dünne Trennwand konnte Autumn hören, wie der Bürgermeister Heidi begrüßte. Nach einer Pause hörte man ihn ärgerlich sagen: „Wie konntest du ihr das versprechen, Heidi? Ich brauche einen Profi, keine Collegemaus!“

Entsetzt hielt Autumn die Luft an. Sie war überzeugt gewesen, er würde sich bei Heidi bedanken, weil die ihm in seiner prekären Lage so schnell eine Aushilfe verschafft hatte.

„Ist mir egal, wie reif sie ist“, fuhr Mike fort. „Ich brauche jemanden, der den Unterschied zwischen ‚G + V‘ und ‚H & M‘ kennt. Ich habe keine Zeit, ihr die Grundlagen zu erklären. Verdammt, ich weiß ja selber nicht …“

Wie bitte? Der Bürgermeister war nicht nur undankbar, sondern auch noch unverschämt. Autumns Wangen brannten. Das gab ihr ein Gefühl von Schwäche, und das hasste sie. Im zarten Alter von vierunddreißig Jahren noch einmal die Schulbank zu drücken, hatte ihr Selbstwertgefühl ohnehin nicht gerade gesteigert.

Sie kämpfte mit sich. Einerseits wollte sie den Job Job sein lassen und dieser popeligen Kleinstadt den Rücken kehren, andererseits war dieses Praktikum Voraussetzung, damit sie ihre Ausbildung ohne Verzögerung fortsetzen konnte. Sollte sie diesen Praktikumsplatz nicht bekommen, geriete ihr ganzer Zeitplan durcheinander. Und das konnte sie sich nicht leisten.

„Ich weiß, dass sie den Job unbedingt braucht“, sagte der Bürgermeister nun. „Sie braucht ein Praktikum, schon klar. Okay, ich rede mit ihr, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie das gehen soll. Was? Hallo? – Verdammt!“

Offenbar hatte Heidi aufgelegt. Der Mann glaubte also, sie, Autumn, sei verzweifelt? Wie unfair konnte das Schicksal eigentlich sein? Er war derjenige der am Verzweifeln war.

Mit ihren Noten hätte sie leicht einen Platz als Praktikantin bei einer renommierten Buchhaltungsfirma in Phoenix bekommen können wie viele andere aus ihrer Klasse. Aber sie hatte sich überlegt, dass sie bei einem Job in einer Kleinstadt mehr lernen könnte. In einer großen Firma müsste sie sich mit vielen anderen Praktikanten messen und wahrscheinlich die Hälfte der Zeit mit fachfremder Büroarbeit verbringen.

„Er kommt bestimmt gleich zu Ihnen“, sagte Evelyn und lächelte ihr beruhigend zu.

Autumn nahm an, die Sekretärin hatte aus ihrem Gesichtsausdruck geschlossen, dass sie ungeduldig wurde. „Kein Problem.“ Sie lächelte schwach. Alle Stellen, die in Phoenix für Praktikanten ausgeschrieben gewesen waren, waren inzwischen besetzt, daher brauchte sie diesen Job nun unbedingt.

Immer schön ruhig bleiben! Sie würde das schaffen. Am College hatte sie sich bis jetzt hervorragend gehalten. Sie musste nur an ihre vielen guten Noten denken.

Nervös schob sie eine Strähne zurück, die sich aus ihrem straff geflochtenen Zopf gelöst hatte, und schlug die Beine übereinander. Ihr Strumpfhalter zwickte ihr in den Oberschenkel. Eine der Katzen in dem Haus, das sie und Jasmine hüteten, hatte ihre Strumpfhose als Spielzeug zweckentfremdet. Deshalb trug sie jetzt Strümpfe, die eigentlich zu einem ihrer Outfits als Stripteasetänzerin gehörten.

Sie hatte sich in Strümpfen gleich so viel besser gefühlt, dass sie auch die dazugehörenden Dessous angezogen hatte – einen G-String aus Leder und einen BH, der die Brustspitzen freiließ. Unter einem total konservativen Kostüm so heiße Dessous zu tragen, gab ihr wenigstens ein gewisses Gefühl von Sicherheit.

Autumn setzte ihr professionelles Lächeln auf – freundlich, selbstsicher und entspannt – und unterdrückte ihre heimlichen Ängste. Nur zu, Autumn, wer wagt, gewinnt.

Die dicke Katze sprang von Evelyns Schreibtisch, schlich auf Autumn zu und beäugte sie interessiert.

Wag es nicht! Autumn hielt ihre Bewerbungsmappe schützend vor ihre Beine. Die Katze bedachte sie mit einem herablassenden Blick – um dann auf ihren Schoß zu springen.

„Oh, wie süß!“, rief Evelyn. „Mein Quincy, das ist schon einer.“

Die Katze blickte Autumn unverwandt an.

Autumn tätschelte ihr vorsichtig den Kopf. Da sie nicht unhöflich sein wollte, veränderte sie ihre Position auf dem Stuhl, um es für das fette Tier etwas unbequemer zu machen.

Es funktionierte. Quincy warf ihr einen ungehaltenen Blick zu, sprang auf den Boden und von dort aus auf den benachbarten Stuhl, auf dem sie inzwischen ihre Mappe abgelegt hatte. Großartig.

Als ihre Blicke sich erneut trafen, schien es ihr, als wolle das Tier ihr Mut machen. Autumn musste lächeln. Wie weit war es mit ihr gekommen, dass sie sich von einem übergewichtigen Haustiger Mut machen lassen musste, der wahrscheinlich den lieben langen Tag nur faulenzte oder fraß?

Als der Bürgermeister endlich aus seinem Büro kam und auf sie zutrat, stand sie auf. Sie war fest entschlossen, ihm zu zeigen, wie smart sie war.

„Autumn Beshkin?“ Er lächelte.

Sie streckte die Hand aus, doch bevor er sie schütteln konnte, wurden sie beide von einem Geräusch abgelenkt. Quincy hatte Autumns Mappe vom Stuhl geworfen.

„Hoppla“, sagte Autumn und bückte sich, um sie aufzuheben.

Der Bürgermeister bückte sich ebenfalls, und bevor sie wusste, wie ihr geschah, trugen sie eine Art Zweikampf um ihre Mappe aus. Autumn ging als Siegerin daraus hervor. Der Bürgermeister wirkte etwas verwirrt, als sie sich beide aufrichteten. Mit einem Ringkampf hatte er wohl auch nicht gerechnet.

„Tut mir leid“, sagte er. „Quincy kann manchmal sehr nervig sein.“ Er streckte Autumn erneut eine Hand entgegen. „Mike Fields.“

Autumn erwiderte seinen Händedruck. „Autumn Beshkin.“

Er sah sie an, und Autumn schluckte. Er sah sie wirklich an. Nicht so, wie Männer sie normalerweise anstarrten, sondern eher wie ein Therapeut oder ein Hypnotiseur oder ein Priester, der auf eine Beichte wartete. Was hatte das zu bedeuten?

„Freut mich, Sie kennenzulernen“, sagte sie. Mike Fields sah gut aus, ebenmäßige Züge, kräftiges Kinn, fester Mund, braune Augen, die freundlich blickten. Sein braunes Haar war kurz geschnitten und leicht gewellt. Alles in allem war er eher unauffällig, doch seine Ausstrahlung war die eines Mannes, der es gewohnt war, zu bekommen, was er wollte, ohne darum kämpfen zu müssen.

„Sie sind anders, als ich Sie mir vorgestellt habe“, platzte Mike heraus.

Ganz sicher hatte er nicht mit einer Stripteasetänzerin gerechnet. Aber Autumn hatte Heidi das Versprechen abgenommen, dieses Geheimnis zu bewahren. Männer verfielen in der Regel in einen tranceartigen Zustand und hörten auf zu denken, sobald sie herausfanden, womit Autumn sich ihren Lebensunterhalt verdiente. Das war das Letzte, was sie wollte, wenn sie die erste Arbeitsstelle antrat, bei der sie ihren Verstand und nicht ihren Körper einsetzen musste.

„G + V bedeutet übrigens Gewinn- und Verlustrechnung“, bemerkte sie trocken. „Und für eine Collegestudentin bin ich ziemlich reif und erfahren, genau wie Heidi gesagt hat.“

Mike hob die Brauen. „Sie haben gehört …?“

„Die Wände sind dünn“, erwiderte sie.

„Tut mir leid. Es ist nur so, dass meine Schwester gerne übertreibt, und …“

„Diesmal nicht. Nicht, was meine Fähigkeiten betrifft. Sie werden sehen.“ Autumn hielt ihm ihre Bewerbungsmappe vors Gesicht, entschlossen, selbstsicherer aufzutreten, als sie sich tatsächlich fühlte.

„Warum gehen wir nicht in mein Büro“, schlug Mike vor und nahm ihr die Mappe aus der Hand.

Autumn fragte sich, ob er nur verblüfft war oder entrüstet. Sie straffte die Schultern und ging vor ihm her. Sie war bereit, die Herausforderung anzunehmen, genau wie auf der Bühne. Eigentlich war sie sogar überqualifiziert für diesen Job, aber sie wollte ihn haben, und sie würde ihn auch bekommen. Dass Quincy draußen blieb, fand sie schade. Ein wenig moralische Unterstützung hätte sie trotz allem brauchen können.

Mike blieb einen Augenblick in der Tür stehen, nachdem Autumn an ihm vorbeigerauscht war. Hatte er das wirklich gesagt? Sie sind anders, als ich Sie mir vorgestellt habe? Zum Glück schien sie zu glauben, dass er damit ihre Berufserfahrung meinte, nicht die Tatsache, dass sie umwerfend attraktiv war – ein Detail, das zu erwähnen Heidi versäumt hatte.

Das Aussehen war bei diesem Job völlig unwichtig, trotzdem, er hätte gerne vorher Bescheid gewusst. Als sie beide gleichzeitig versucht hatten, die Mappe vom Boden aufzuheben, hatte er zu allem Überfluss auch noch einen Blick auf den heißesten BH aller Zeiten erhaschen können. Schwarzes Leder! Und, der Himmel stehe ihm bei, hatte er tatsächlich ihre Brustknospen gesehen?

Sie war zu beschäftigt damit gewesen, ihre Qualifikationen herauszustellen, um zu bemerken, wie er sie anstarrte. Du lieber Himmel, auf keinen Fall durfte er die Fassung verlieren.

„Autumn weiß, was sie tut“, hatte Heidi gesagt. Oh ja, das tat sie. Man musste nur zuschauen, wie sie in sein Büro spazierte. Jeder Schritt, jede Neigung ihres Körpers, der Schwung ihrer Hüften, alles schien genau choreografiert zu sein. Sie schien sogar sehr genau zu wissen, was sie tat, mit diesem göttlichen Körper.

Aber er brauchte eine qualifizierte Buchhalterin, keine Collegestudentin, die ihn heißmachte, deshalb musste er sie irgendwie loswerden, ohne ihre Gefühle zu verletzen.

Mike befürchtete jedoch, dass das ziemlich schwierig werden würde, da ihre Forschheit ihm eher aufgesetzt erschien. Sie hatte ihm ihre Mappe wie eine Waffe vor die Nase gehalten, von der sie wusste, dass sie sie nicht abfeuern würde.

Autumn Beshkin setzte sich in den Besuchersessel und schlug ihre sexy Beine übereinander. Jeder Zoll eine Frau, fantastische Kurven, lange Beine, rostrotes Haar und ein Gesicht, das in ein Modemagazin gepasst hätte. Ihre großen grünen Augen musterten ihn von Kopf bis Fuß.

Sie gab ihm das Gefühl, zu lange allein gewesen zu sein. Dabei war er regelmäßig mit Frauen ausgegangen, dank der Partnervermittlungsagentur, bei der er sich vor sechs Monaten eingeschrieben hatte.

Diese Frau hatte eine seltsame Ausstrahlung. Sie kam ihm vor, als hätte sie ein interessantes Geheimnis zu verbergen. Dieser Büstenhalter zum Beispiel. Ob ihr Slip dazu passte?

Zum Glück befand sich sein Schreibtisch zwischen ihr und ihm. „Heidi sagte mir, dass dieses Praktikum für Sie besonders wichtig sei.“

Autumn beugte sich vor. „Mir sagte sie, Sie seien in einer verzweifelten Lage.“

„In gewisser Weise bin ich das auch. Lydia musste so plötzlich gehen, dass keine ordentliche Übergabe möglich war. Die Software, die sie verwendet, ist allerdings so kompliziert, dass ich jemanden mit Erfahrung brauche.“

„Ich komme damit klar. Wenn Sie sich einmal meine Unterlagen anschauen möchten …“

Sie beugte sich über den Tisch, um die Mappe zu öffnen. Mike musste einen Moment die Augen schließen. Schwarzes Leder, weiße Haut … Ihr Duft stieg ihm in die Nase, eine betörende Mischung, blumig und würzig zugleich.

Ein Klopfen holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Autumn trommelte mit dem Zeigefinger auf die Plastikhülle, in der ihr Lebenslauf steckte. Ein kleiner Kristall funkelte auf dem lackierten Fingernagel. Wie würden diese Nägel sich wohl auf seinem Rücken anfühlen?

„Wie Sie sehen, habe ich schon für DD Enterprises die Buchführung gemacht, und hier sind die Kurse, die ich bis jetzt absolviert habe.“ Sie blätterte um. „Hier ist ein Klassenprojekt, hier die Referenzen meines Arbeitgebers und zweier Professoren.“ Sie blätterte weiter. „Und hier schließlich mein Studienbuch.“

„Sehr beeindruckend …“

„Danke.“

„… für eine Studentin.“ Mike klappte die Mappe zu. Autumn Beshkin fixierte ihn mit ihren ausdrucksvollen grünen Augen.

„Ich bin schnell und engagiert, und ich kann improvisieren“, sagte sie.

„Davon bin ich überzeugt, aber ich habe weder die Zeit noch das nötige Wissen, um Sie einzuarbeiten. Das Budget muss aufgestellt werden, wir befinden uns mitten in einem wirtschaftlichen Entwicklungsprojekt, und außerdem bin ich für die Ausrichtung des Fests zum hundertfünfzigjährigen Jubiläum der Stadt zuständig.“

„Und das bedeutet, dass Sie jemanden brauchen, jetzt sofort. Und ich bin hier.“

„Hören Sie, Miss Beshkin …“

„Autumn.“

„Autumn.“ Ihre Haarfarbe passte zu ihrem Namen. Es erinnerte ihn an rotgoldene Blätter im September. „Dieser Job kann nicht richtig für Sie sein. Sie brauchen jemanden, der Sie einweist, der Sie unterstützt, jemanden, der Zeit für Sie hat.“

„Sie lehnen also mein Angebot ab?“

Sie klang eher wütend als verletzt. Bevor er sich eine ausführlichere Begründung überlegen konnte, wurden sie von einem Aufschrei Evelyns unterbrochen.

„Zum Teufel mit dir, Quincy!“

Mike lief hinaus, Autumn folgte ihm auf den Fersen. Seine Sekretärin wischte unbeholfen mit ihrem Strickzeug auf dem Laptop herum.

„Diese verflixte Katze hat gerade mein Glas umgeworfen!“

Autumn packte den Laptop und hielt ihn schräg, damit der Eistee aus der Tastatur herauslief. Die externe Tastatur, die Evelyn zum Arbeiten benutzte, schien nicht betroffen zu sein. Der Monitor funktionierte auch noch.

„Sind die Daten gesichert?“, fragte Mike. Evelyn hatte ihr eigenes, undurchschaubares System.

„Mehr oder weniger.“

„Haben Sie einen starken Staubsauger, mit dem wir den Laptop trocknen könnten?“, fragte Autumn. „Oder einen Haartrockner?“

„In der Toilette“, rief Evelyn und rannte los.

„Bitte halten Sie das.“ Autumn drückte Mike den Laptop in die Hand und eilte zurück in sein Büro. Als sie wiederkam, hatte sie ihre Handtasche dabei, aus der sie ein kleines Gerät fischte. „Auf diesen Speicher passt ein Gigabyte.“ Sie schob den Stick in einen der Ports an der Rückseite des Laptops. „Hoffentlich kann ich die Daten retten, bevor die Hauptplatine ihren Geist aufgibt.“

Mike stellte den Laptop auf einer trockenen Stelle auf Evelyns Schreibtisch ab, und Autumn hackte auf die Tastatur ein und sicherte die Dateien. Ihre ruhige, effiziente Art beeindruckte ihn.

„So ist sichergestellt, dass sie Zugriff auf ihre Dateien hat, bis ein Techniker sich um den Laptop gekümmert hat“, erklärte sie, während sie weiterarbeitete. „Aber wer weiß, wie lange das dauert und wie teuer das wird. Ich nehme an, Sie müssen jemanden aus Tucson kommen lassen.“

„Das stimmt. Gute Idee. Und schnelle Reaktion.“

„Das ist mir auch mal passiert“, erklärte Autumn. „Laptops sind schrecklich praktisch, aber auch riskant.“

„Ich habe versucht, Evelyn zu einem normalen Computer zu überreden, aber sie legt Wert darauf, immer mobil zu sein, wie sie es nennt.“

„Und ich wette, Sie sind mehr oder weniger auf Evelyns gute Laune angewiesen.“

„Genau.“ Autumn hatte offenbar schon recht gut erfasst, wie es in seinem Büro zuging. Ihre Blicke trafen sich, und jetzt fühlte Mike sich auf eine Art zu ihr hingezogen, die nichts mit ihrer Attraktivität zu tun hatte. Während er ihr beim Sichern der Dateien zusah, vergaß er fast ihre aufregenden Dessous.

Autumn wischte mit der Fingerspitze etwas von der Flüssigkeit von der Tastatur des Laptops und kostete sie. „Hm, kein Zucker. Das ist gut. Es wäre fatal, wenn die Flüssigkeit klebrig wäre.“

„Ja“, erwiderte Mike und dachte an ihre Zunge. „Fatal.“

Evelyn kam zurück und reichte ihm den Föhn.

„Ich muss mein Strickzeug ausspülen.“

Schon war sie wieder verschwunden. Evelyn konnte wunderbar mit Menschen umgehen, und das schien ihr wichtiger zu sein als ihre Arbeit. Allerdings war sie immer auf dem Laufenden, denn sie nahm den Laptop und die Arbeit abends mit nach Hause.

Autumn bückte sich, um den Stecker des Föhns in die Steckdose zu stecken. Dabei rutschte ihr Rock hoch. Mike sah schnell weg, aber nicht schnell genug. Er hatte es genau gesehen, sie trug Strümpfe und Strumpfhalter.

Herr im Himmel. Schwarze Strümpfe mit Nähten, Strumpfhalter und ein ausgeschnittner Leder-BH. Autumn Beshkin war unter ihrem Kostüm angezogen, wie ein männermordender Vamp.

Autumn richtete sich auf, und Mike zuckte zusammen, wie ein Junge, der beim Playboylesen erwischt worden war.

„Alles in Ordnung?“, fragte sie.

„Klar.“ Er räusperte sich.

„Bestimmt?“

Ein wissendes Lächeln spielte um ihre Lippen. Hatte sie etwas bemerkt? „Ich … ja natürlich.“

„Na schön.“ Autumn beobachtete Mike, während sie mit dem Haartrockner über dem Laptop hin und her wedelte. „Natürlich muss das Gerät fachmännisch gereinigt und getrocknet werden.“

Sie sprach langsam, nachdenklich, als würde sie an etwas ganz anderes denken. Mike stellte sich vor, wie sie sich fachmännisch um ihn kümmerte … mit ihrer Zunge.

Reiß dich zusammen, Mann.

„Natürlich“, sagte er. „Danke für Ihre Hilfe.“

„Was immer zu tun ist, Mr Fields“, sagte Autumn leise. „Ich bin bereit.“

Mike Fields war kein Mann schneller Entschlüsse und auch keiner, der sich so leicht von einer Entscheidung abbringen ließ, aber Autumn Beshkin, mit ihren Lederdessous, ihrer Tatkraft und ihrem vielsagenden Lächeln änderte das. „Okay“, sagte er seufzend. „Wann können Sie anfangen?“

Es war früher Abend, als Autumn die Aula der Highschool betrat, um zu sehen, wie es Jasmine ergangen war. Gerade fand die erste Probe für die Show statt, die anlässlich des Gründungsfestes aufgeführt werden sollte. Der Verdienst, den Jasmine als Kostümschneiderin bekam, ermöglichte es ihr, das Ferienlager für ihre Tochter Sabrina zu bezahlen. Sie war darauf angewiesen, denn die frech erotische Revue, mit der Autumn und Jasmine sich ihr Geld verdienten, wurde während der Sommermonate ausgesetzt.

Der eigentliche Grund für Jasmines Anwesenheit in Copper Corners war jedoch ihr neuer Freund Mark Fields – der Bruder von Heidi und Mike.

Jasmine stand vor der Bühne. Als sie Autumn entdeckte, ging sie ihr entgegen. „Und?“, fragte sie. „Hast du den Job?“

Autumn nickte, und Jasmine warf jubelnd die Arme hoch und umarmte ihre Freundin so fest, dass Autumn sich aus Versehen auf die Zunge biss. „Das ist wundervoll!“, sagte Jasmine. „Hey, bist du nicht froh darüber?“

„Doch, sehr froh“, sagte Autumn, deren Aussprache wegen der schmerzenden Zunge etwas undeutlich war. Allerdings war ihr nicht sehr wohl bei dem Gedanken daran, wie sie den Job bekommen hatte. Sie hatte den Bürgermeister ertappt, als er sie begehrlich anstarrte und hatte diese Tatsache ausgenutzt.

Als Frau die Waffen einer Frau zu nutzen, hatte immer ihrer Philosophie entsprochen, aber jetzt hatte sie das Gefühl, sich selbst zu verraten, wenn sie ihre körperlichen Reize einsetzte, um etwas zu bekommen. Schließlich wollte sie ihr Leben ändern und vorwärtskommen, indem sie ihren Verstand einsetzte, nicht ihren Körper.

Darüber nachzudenken verursachte ihr Kopfschmerzen, oder vielleicht lag es auch an dem Zopf, den sie zu straff geflochten hatte. Sie hatte sich etwas Bequemeres angezogen, aber vergessen, den Zopf zu lösen.

Oder war es ihre Reaktion auf das Verlangen in Mikes Blick, die ihr Kopfschmerzen verursachte? Sein Interesse hatte sie nicht kaltgelassen.

Lächerlich. Der Mann war ihr Chef. Absolut tabu, selbst wenn sie Zeit für so etwas wie Sex hätte. Was nicht der Fall war, seit sie wieder die Schulbank drückte.

„Und was hast du denn sonst so getrieben?“, erkundigte sich Jasmine.

„Nicht viel, meine Koffer ausgepackt, die Tiere gefüttert.“ Sie wohnten mietfrei dafür, dass sie sich um das Haus kümmerten, die Pflanzen gossen, die beiden Katzen betreuten und sich um das Süßwasseraquarium und das Terrarium mit Schildkröten und Eidechsen kümmerten.

„Ich habe dem Chuckwalla ein paar Mehlwürmer gegeben.“

„Igitt.“ Jasmine rümpfte die Nase.

„Jeder muss ab und zu mal was essen. Allerdings kann ich die Huffmans nicht verstehen. Wozu sich so intensiv mit Lebewesen abgeben, die überhaupt keine Gefühle haben?“ Die Anweisungen der Huffmans zur Versorgung der Echsen füllten zwei gedruckte Seiten.

„Ich bin sicher, die Tiere erwidern ihre Zuneigung“, sagte Jasmine.

„Mit Gehirnen, die nicht einmal erbsengroß sind? Wie viel Zuneigung kann das sein?“

Jasmine hob die Schultern. „Die Katzen sind jedenfalls verschmust.“

„Immer dann, wenn es nach Futter riecht, klar“, meinte Autumn trocken. Allerdings respektierte sie das unabhängige Wesen dieser Tiere. Wenn man sich ausschließlich um sich selbst kümmerte, konnte man nicht enttäuscht werden. „Und du?“, fragte sie Jasmine. „Hast du Sabrina gut im Ferienlager untergebracht?“

„Ja. Sie hat gleich eine Freundin gefunden.“

„Das ist gut.“ Autumn machte sich Sorgen um Sabrina. Sie war elf und hübsch und aufgeweckt, aber sie hatte alle typischen Pubertätsprobleme. Ein gewisses Gefühl von Einsamkeit verband sie und das Mädchen. Sie hörte der Kleinen zu, gab ihr Ratschläge, wenn ihr welche einfielen, und war stolz darauf, dass Sabrina ihrer „Tante Autumn“ alles erzählte. Das gab ihr das Gefühl, zur Familie zu gehören.

„Das Ferienlager wird ihr guttun“, stellte Autumn fest. „Frische Luft, Bewegung, neue Freunde.“ Sie war froh, dass Jasmine einmal einen vernünftigen Einfall gehabt hatte. Ihre Freundin neigte dazu, das Mädchen zu sehr zu verwöhnen. Wenigstes ging Jasmine sparsamer mit ihrem Geld um, seit sie, Autumn, ihr beigebracht hatte, wie man ein Budget verwaltet. Jetzt hatte sie sogar ein Sparkonto, auf dem sie für Sabrinas Collegebesuch ansparte.

Jasmine vertraute in finanziellen Angelegenheiten ganz auf Autumns Rat, ebenso wie bei der Arbeit und wenn es um Sabrina ging. Aber sie hörte demonstrativ weg, wenn Autumn ihr Ratschläge in Bezug auf Männer geben wollte.

Jasmines neueste Eroberung fand Autumn besonders problematisch. Mark Fields hatte sich sofort unsterblich in Jasmine verliebt, nachdem er sie tanzen gesehen hatte. Das war vor einigen Monaten gewesen. Die beiden hatten ein paar Mal miteinander telefoniert und sich zweimal kurz getroffen, und schon hatte Jasmine ihn zum Mann ihres Lebens auserkoren.

Autumn machte sich deswegen schreckliche Sorgen um Jasmine. Sie verliebte sich viel zu schnell, und jedes Mal, wenn eine Beziehung zerbrach, war sie völlig am Ende. Ihre Freundin war eine unverbesserliche Romantikerin.

Den Monat, den sie gemeinsam in Copper Corners verbringen würden, wollte Autumn nutzen, um Jasmine die Augen zu öffnen – bevor die Situation eskalierte. Sie machte sich Sorgen um Sabrina, der es nicht guttun würde, wenn wieder einmal eine Vaterfigur in ihrem Leben auftauchte, um sofort wieder zu verschwinden, sobald die Beziehung sich abkühlte. Was sehr wahrscheinlich war.

„Hast du Zeit für ein Abendessen?“, fragte Autumn.

„Abendessen? Äh, nun ja, ich …“ Jasmine wurde rot. „Ich warte eigentlich auf Mark. Er spielt den Stadtgründer Josiah Bremmer. Das ist die Hauptrolle. Er muss also auf jeden Fall heute kommen.“

„Oh. Natürlich.“

„Es macht dir doch nichts aus, oder?“

„Ich hol mir einfach schnell was vom Imbiss. Ich wollte ja sowieso früh nach Hause. Vielleicht lerne ich noch ein bisschen“, erwiderte Autumn. Jetzt, da sie Mike veranlasst hatte, ihr den Job zu geben, wurde ihr etwas mulmig. Die Arbeit war nicht so leicht wie das Sortieren der Quittungen im Stripclub. In Copper Corners würde sie für die Finanzen der ganzen Stadt verantwortlich sein. Und dann war da noch die Software, in die sie sich einarbeiten musste.

Es durfte nichts schiefgehen. Sie brauchte unbedingt eine gute Beurteilung für ihren Collegeabschluss und für ihre zukünftigen Bewerbungen. Und für ihren Stolz.

„Wie läuft es denn so?“, erkundigte sie sich bei Jasmine und wies mit dem Kopf in Richtung Bühne.

„Sie warten auf Mark, damit sie anfangen können.“ Jasmine seufzte wie ein Teenager.

„Sieht gut aus, das Bühnenbild.“ Autumn liebte das Theater – das Licht, den Geruch nach Holz und Stoff, Farbe und Make-up, die ganze Atmosphäre. Ihre Liebe zum Theater hatte sie entdeckt, als sie auf der Highschool eine Rolle in einem Musical bekommen hatte. Aber das war eine alte Geschichte ohne glücklichen Ausgang.

Sie liebte auch ihre Rolle in der Revue, in der sie gemeinsam mit ihren Freundinnen Jasmine und Nevada tanzte. Jasmine entwarf die Kostüme, Nevada war für die Choreografie zuständig. Seit sie die Show im vergangenen Jahr auf die Bühne gebracht hatten, bekamen sie nur positive Kritiken. Autumn liebte die Aufregung, das Lampenfieber und die begeisterten Gesichter der Zuschauer. Sie fühlte sich so lebendig, wenn sie auf der Bühne stand.

Diese Show machte ihr viel mehr Spaß als die Auftritte als Stripteasetänzerin, denn hier tanzten sie im Team, und die Tänze waren interessanter und erzählten eine Geschichte.

„Das ist unsere Regisseurin Sheila“, erklärte Jasmine und deutete auf eine blonde Frau, die mit dramatischer Gestik auf die Schauspieler auf der Bühne einredete. „Sie möchte dich kennenlernen.“

„Du hast es ihr doch nicht gesagt, oder?“

„Dass du Stripperin bist? Nein. Habe ich doch versprochen.“

„Gut. Und Mark sagst du es auch nicht, hörst du?“

„Keine Sorge“, sagte Jasmine. „Allerdings verstehe ich nicht, was so schlimm daran wäre. Sheila jedenfalls findet es toll, dass ich Stripperin bin. Stell dir vor, sie hat bei einem Vortanzen mitgemacht, um als Showgirl nach Las Vegas zu gehen.“

„Du bist einfach zu vertrauensselig, Jasmine. Stripteasetänzerinnen machen anderen Frauen Angst und verwandeln Männer in sabbernde, hirnlose Wesen.“

„Wie auch immer. Wie ist der Bürgermeister eigentlich so als Chef?“

„Kann ich noch nicht sagen.“ Heidi hatte Mike als „jedermanns großen Bruder“ beschrieben, was Autumn innerhalb weniger Minuten bestätigt bekommen hatte. Mike hatte mehrere Anrufe bekommen, die alle damit endeten, dass er seine Hilfe anbot. Am Schluss war er aufgebrochen, um bei einem Grundstücksstreit zwischen zwei Farmern zu schlichten.

„Ich frage mich, wo Mark bleibt?“ Jasmine blickte erwartungsvoll zum Ausgang.

Wie auf Bestellung öffnete sich die Tür, und zwei Männer traten ein – Mike und ein Mann, der aussah wie eine etwas kleinere Ausgabe seiner selbst. Dieser trug einen Stapel Bücher unterm Arm.

„Da ist er“, hauchte Jasmine.

Mit schnellen Schritten kamen die beiden Männer auf sie zu. Autumn hielt unwillkürlich den Atem an, als sie Mike sah, und das ärgerte sie.

„Hallo“, sagte Mike. Er war über Autumns Anwesenheit überrascht. „Das ist Autumn Beshkin. Sie vertritt Lydia.“ Er drehte sich zu seinem Bruder um, der für nichts anderes Augen hatte als für Jasmine.

„Hab dich vermisst“, flüsterte Mark.

„Ich dich auch.“ Jasmine verschlang ihn mit Blicken und fragte sich, wie es sein konnte, dass sie einander vermisst hatten. Sie hatten sich doch am Abend zuvor gesehen.

„Gib ihr die Bücher“, forderte Mike ihn auf und stieß seinen Bruder in die Seite.

„Bücher? Ach ja, natürlich.“ Mark reichte Jasmine den Stapel. „Hier ist alles über die Geschichte der Stadt, außerdem eine Liste mit Links und Infos über alte Bergarbeiterstädte.“

„Danke, Mark. Vielen Dank.“ Jasmine klang so begeistert, dass man hätte meinen können, er habe sie gerade im Bett glücklich gemacht, und das zum ersten Mal in ihrem Leben.

„Ganz schönes Lesepensum“, bemerkte Autumn.

„Meine Kostüme sollen so authentisch wie möglich werden.“

„Hast du nicht dort oben etwas zu tun?“, wandte Mike sich an seinen Bruder und wies mit dem Kopf in Richtung Bühne.

„Ja“, erwiderte Mark, der den Blick noch immer nicht von Jasmine lösen konnte.

„Die Regisseurin kommt“, stellte Autumn fest und verdrehte die Augen. Mike ebenfalls, wie sie feststellte.

„Da bist du ja, Mark!“, rief Sheila. „Wir brauchen dich auf der Bühne. Falls du dich von unserer Kostümschneiderin losreißen kannst.“ Sie lächelte nachsichtig.

Sheila wandte sich an Mike: „Was führt Sie denn hierher, Herr Bürgermeister? Möchten Sie auch mitspielen? Ich glaube, wir könnten noch eine Rolle für Sie finden, wenn …“

„Nein, nein. Ich bitte Sie. Ich wollte mich nur vergewissern, dass Sie alles haben, was Sie brauchen, Sheila.“

„Bis jetzt ja. Ich bin ganz begeistert, dass wir eine richtige Schneiderin für unsere Kostüme haben. Und dann noch den Präsidenten der Handelskammer in der Hauptrolle. Das ist doch wirklich zu gut, um wahr zu sein.“

„Das finden wir alle.“ Mike blickte seinen Bruder skeptisch an. „Wenn man bedenkt, wie beschäftigt er ist, mit seiner Maklerfirma und seinen diversen Ehrenämtern.“

„Oh ja, er ist wirklich sehr beschäftigt“, sagte Sheila mit einem Augenzwinkern.

Mike runzelte die Stirn. „Das Budget steht also?“, fragte er, sichtlich bemüht, das Thema zu wechseln.

„Reicht das Geld für all die Stoffe, die du brauchst, Jasmine?“, erkundigte Sheila sich.

Es dauerte einen Moment, bis Jasmine von ihrer rosa Wolke herunterfand. „Hm? Oh, äh, ja. Ich bin bald mit den Skizzen fertig. Sheila, das ist übrigens meine Freundin Autumn Beshkin.“

„Freut mich sehr, Sie kennenzulernen“, sagte Sheila und nahm Autumns Hand in ihre beiden.

Kurz darauf scheuchte Sheila Jasmine und Mark zur Bühne.

„Wie schon gesagt, dieses Festival ist eine große Sache. Unser hundertfünfzigstes Jubiläum. Großes Brimborium, aufwendige Bühnengestaltung, ein Fest mit allen Schikanen“, wandte Mike sich an Autumn.

„Und Sie tragen die Verantwortung für das Ganze?“

„Sieht ganz danach aus.“

Mike sagte das, als wäre die Verantwortung eine große Bürde für ihn, aber Autumn wusste, dass er es in Wirklichkeit gar nicht anders wollte. Sie verstand ihn nur zu gut. Nevada und Jasmine warfen ihr manchmal vor, dass sie ihre Show allein schmeißen wollte, weil sie sich so intensiv dafür engagierte. Eigentlich war sie nur für die Werbung und die Engagements zuständig, aber sie tat immer, was getan werden musste, egal in welcher Hinsicht. „Ich bin hier, um Ihnen zu helfen, wann immer Sie mich brauchen.“

„Ja.“

Wieder sah er sie an, als ob er in ihr Innerstes blicken könnte. Dieses Gefühl hatte sie noch nie zuvor bei einem Mann gehabt. Für einen Augenblick fühlte sie sich wie auf einer Wolke, fast so rosa wie die von Jasmine.

„Haben Sie eigentlich schon zu Abend gegessen?“, fragte Mike.

„Nein, noch nicht.“

„Wie wär’s, wenn ich Sie einlade? Wir könnten zu Louie’s gehen, wenn Sie gerne italienisch essen. Oder zu Yolandas Cocina, dort gibt es mexikanische Spezialitäten.“

„Das hört sich gut an.“ Autumn versuchte zu ignorieren, wie stark sie sich zu Mike hingezogen fühlte. Mit ihm essen zu gehen, war nicht die beste Idee. Andererseits, sie musste schließlich essen, oder? Und sie könnten sich dabei über ihren Job unterhalten.

Und sie könnte noch ein wenig dieses wehmütig sarkastische Lächeln genießen, diesen intensiven Blick, diesen Duft …

Oje. Sie benahm sich schon genauso wie Jasmine.

2. KAPITEL

Autumn fühlte sich in dem äußerst unkonventionell eingerichteten kleinen Restaurant sofort wie zu Hause. Sie liebte die mexikanischen Interieurs und die Mischung aus volkstümlicher Kunst und Popart. Sogar die ohrenbetäubend laute Musik der mexikanischen Straßenband gefiel ihr.

Eine grauhaarige Frau mit Schürze kam lächelnd auf sie zu. „Kommen Sie mit nach hinten, Mike, dort ist es nicht so laut.“

„Natürlich, Suze.“

Mike führte sie zwischen den Tischen hindurch, begrüßte fast jeden und stellte Autumn als Ersatz für Lydia vor. Autumn spürte die neugierigen Blicke, die ihnen folgten, als sie schließlich in einer Nische ganz hinten Platz nahmen.

„Jetzt haben sie was zu reden“, meinte Mike kopfschüttelnd.

„Wieso denn?“

„Weil Sie sehr attraktiv sind und ich nicht verheiratet bin.“

„Wo leben diese Leute denn?“

Er wurde plötzlich ernst. „Hören Sie, Autumn. Falls ich mich Ihnen gegenüber heute in irgendeiner Weise unangemessen verhalten habe, tut es mir leid.“

Er wurde rot und schien sich richtig unbehaglich zu fühlen.

„Aber das haben Sie nicht.“ Auf keinen Fall würde sie zugeben, dass sie seine Schwäche ausgenutzt hatte.

„Normalerweise bin ich nicht so.“

„Es ist okay, wirklich.“ Der Mann entschuldigte sich für das, wofür sie vollstes Verständnis hatte. Er war ein Mann und mochte Frauen. Daran war wirklich nichts verkehrt.

Mike Fields strahlte solche Männlichkeit aus, dass ihr heiß davon wurde. Nervös schlug sie die Beine übereinander.

„Dann bin ich beruhigt.“ Mike reichte ihr die laminierte Speisekarte. „Suchen Sie sich etwas aus, aber ich bin sicher, Sie werden sich für die gefüllten Chilischoten und den Salat mit Nopalitos und Ziegenkäse entscheiden.“

„Wieso sind Sie da so sicher?“

„Ich weiß es einfach.“

Er zwinkerte ihr zu, als hätte er sie bereits vollkommen durchschaut. Das Gefühl gegenseitiger Anziehung war unglaublich stark. Die Luft knisterte förmlich vor Spannung, und die Kerze auf dem Tisch flackerte.

Nun, Letzteres liegt vielleicht auch daran, dass du deinen Atem nicht unter Kontrolle hast, ermahnte Autumn sich. Bleib ganz ruhig.

„Vielleicht weil es das Zweitbeste auf unserer Karte ist, nach den Enchiladas, die um diese Zeit normalerweise aus sind.“ Suze sprach, ohne die Zigarette aus dem Mundwinkel zu nehmen. Ihre Stimme klang heiser.

„Genau“, sagte Mike und grinste.

„Wir haben heute nur einen Salat auf der Karte“, fügte Suze hinzu. „Aber der ist gut.“

„Na, dann werde ich den wohl nehmen“, sagte Autumn.

„Für mich auch einen“, sagte Mike. „Und zwei Tecates.“ Er sah Autumn an. „Mexikanisches Bier passt am besten dazu.“

„Stimmt das, Suze?“, fragte Autumn in dem gleichen vertraulichen Ton.

Suze zwinkerte ihr zu. „Kommt sofort.“ Sie ließ Mike und Autumn allein.

Ihre Blicke trafen sich, und beide schauten sofort wieder weg.

Autumns Blick landete auf einem der poppigen Wandgemälde. Es zeigte Elvis als smarten Stierkämpfer. Sie lächelte. „Ich mag die Bilder hier.“

Mike folgte ihrem Blick. „Tja, wir haben hier vielleicht nicht genügend Straßenlaternen, aber wir verstehen was von Kunst.“

„Offensichtlich.“ Autumn blickte sich um. „Copper Corners beherrscht wahrscheinlich schon den Markt für diese Art Gemälde.“

„Vielleicht sollten wir das auf unserer Website erwähnen. Das könnte uns einen Zustrom von Kunstliebhabern bescheren.“

„Sie denken wohl immer an Ihren Job, was?“

„Ich bin ganz offiziell eingesetzt, damit ich mich um diese Stadt kümmere.“

„Gibt es Grund zur Sorge?“

„Genug. Wir brauchen unbedingt mehr Wachstum. Unsere Bank verliert Kunden an die Großbanken. Der Einzelhandel muss ganz schön kämpfen. Die Leute gehen lieber in Tucson einkaufen. Es geht darum, die Einwohner zu motivieren, ihr Geld hier auszugeben, damit es letztendlich wieder im Gemeindesäckel landet.“

Er fingerte beim Reden an seinem Besteck herum. Autumn konnte den Blick nicht von seinen Fingern lassen. Wenn er das Gewicht verlagerte, bewegte er sich mit der ruhelosen Grazie eines Athleten. Er war gut gebaut.

Was tut er wohl, um fit zu bleiben, fragte sie sich. Hör endlich auf, den Mann so anzustarren, ermahnte sie sich dann.

„Das macht Sinn“, sagte sie.

„Aber die Leute denken eben nicht so. Sie wollen entweder Geld sparen oder einfach beim Einkaufen eine größere Auswahl haben.“

Autumn nickte.

Suze kam zurück und servierte das Bier. Mike erkundigte sich nach ihrem Sohn, der vor Kurzem weggezogen war. Sie erzählte, dass sie ihn vermisste, und Mike drückte sein Mitgefühl aus. Als Suze wieder fort war, blickte Mike sich um, als wollte er sich vergewissern, dass alles in Ordnung war. Autumn fand das unglaublich sexy.

Wie überhaupt alles an diesem Mann.

„Jetzt aber genug von meinen Sorgen“, sagte er. „Sie drücken also die Schulbank, um Wirtschaftsprüferin zu werden?“

Wieder trafen sich ihre Blicke. Wieder hatte sie das Gefühl, dass er wirklich an ihr als Mensch interessiert war. Gleichzeitig gab er ihr das Gefühl, eine Frau und begehrenswert zu sein. Am liebsten hätte sie einfach die Hand ausgestreckt, um seine Wange zu streicheln und die kleinen Lachfältchen in seinen Augenwinkeln zu berühren.

„Ja, das ist mein Ziel“, sagte sie stattdessen und nippte an ihrem Bier.

„Haben Sie schon immer gern mit Zahlen gearbeitet?“

„Ich schätze, ja.“ Eigentlich hatte sie beschämend lange gebraucht, um herauszufinden, dass sie ihr Talent im Umgang mit Zahlen beruflich nutzen konnte.

„Und?“

„Nichts. Ich … nun ja, das Regelmäßige, die Logik der Zahlen, das habe ich wohl schon immer gemocht. Man muss nur richtig rechnen, dann bekommt man immer ein Ergebnis.“

„Hm, verstehe.“ Mike legte den Kopf schief. „Und wenn Sie Ihren Abschluss haben, was wollen Sie dann tun?“

„Dann fange ich erst einmal bei einer großen Firma an, um Erfahrungen zu sammeln und genügend Kontakte zu knüpfen. Eines Tages möchte ich mich selbstständig machen.“

„Sie wollen also lieber auf eigene Rechnung arbeiten?“

„Oh ja. Ich möchte meine eigenen Kunden haben. Leute, die mich brauchen. Ich will ihnen helfen, ihr Einkommen zu maximieren, ihre Steuerzahlungen zu minimieren, eben finanziell das zu erreichen, was sie sich vorgenommen haben. Ich möchte ein kompetenter Partner für sie sein, verstehen Sie?“

Autumn war überrascht, wie leicht ihr das über die Lippen kam. Bis jetzt hatte sie das alles für sich behalten und nur daran gedacht, wenn ihr der Unterricht schwerfiel oder sie vor Sorgen nicht schlafen konnte.

„Dann geht es also nicht nur um Zahlen, oder?“, erwiderte er nachdenklich. „Es geht darum, anderen zu helfen.“

„Tja, darum wohl auch. Als ich Jasmine half, einen Haushaltsplan aufzustellen und besser mit ihrem Geld umzugehen, das war ein tolles Gefühl. Jetzt spart sie sogar, damit ihre Tochter aufs College gehen kann. Ja, ich denke, Zahlen sind nicht einfach nur Zahlen, sie haben eine Bedeutung für die Menschen, wissen Sie?“

„Oh ja, ich weiß.“

Plötzlich wurde Autumn verlegen. Sie befürchtete, sich wie ein Kind anzuhören, das begeistert von der Schule erzählte. Dabei war sie sonst immer so beherrscht, und sie kannte Mike ja kaum. „Auf jeden Fall möchte ich mein eigener Chef sein“, fügte sie hinzu.

„Ich wette, Sie werden sehr gut in Ihrem Job.“

Er sagte das so ruhig und bestimmt, dass ihr warm ums Herz wurde.

Vergiss nicht, er hat keine Ahnung, wer du bist.

Sie war kurz davor, ihm von ihren Selbstzweifeln zu erzählen, als das Essen serviert wurde.

Es schmeckte hervorragend. Die gefüllten Chilis zergingen auf der Zunge.

„Wofür genau ist Lydia eigentlich verantwortlich?“, fragte sie.

„Für viel zu viel“, sagte Mike seufzend. „Budgets, Einkauf, Gebühren, Lizenzen, Rechnungen. Sie werden es ja sehen. Ich weiß nicht mal die Hälfte von dem, was sie tut.“

Autumn beobachtete, wie Mike den Kopf schüttelte und die Gabel an den Mund führte, gleichzeitig blieb ihr fast das Herz stehen. Was, wenn sie es nicht schaffte? Was, wenn sie nichts weiter zu bieten hatte als ein großes Mundwerk? Was, wenn sie Mike und der ganzen Stadt gegenüber versagte?

„Aber Ihre Stadt ist nicht das, was Ihnen wirklich Sorgen macht, oder?“, fragte sie, um sich abzulenken.

„Nein. Es ist mein Bruder.“ Er schüttelte den Kopf. „Sieht aus, als wüsste die ganze Stadt schon Bescheid. Seit er Ihrer Freundin begegnet ist, scheint er nicht mehr klar denken zu können.“

„Wieso das?“ Sie hoffte inständig, er würde jetzt nicht anfangen, über Jasmine zu lästern.

„Sobald er erfuhr, dass Jasmine zum Showteam gehört, bewarb er sich um eine Rolle. Was denkt er sich nur? Er hat eine Firma, er ist Vorsitzender der Handelskammer und Mitglied in meinem Arbeitskreis für wirtschaftliche Entwicklung. Er hat keine Zeit, um in einem Theaterstück mitzuspielen, verflixt noch mal.“

„Vielleicht ist es ja wahre Liebe.“

„Ihre Freundin ist sehr schön“, bemerkte er trocken.

„Sie meinen, Sie ist eine Stripperin.“ Autumn wurde wütend.

Mike hob eine Braue. „Womit sie ihr Geld verdient, ist mir egal. Was mir Sorge macht, ist das Tempo, in dem sich das alles abspielt.“

Autumn sah ihn fragend an.

„Hören Sie, Sie haben vorhin genauso die Augen verdreht wie ich. Die beiden benehmen sich wie Teenager. Der Mann verbringt ein Wochenende in Phoenix und verkündet anschließend, dass er die Frau seiner Träume gefunden hat. Du lieber Himmel.“

„Ja“, erwiderte Autumn verständnisvoll. „Ich weiß, was Sie meinen. Jasmine steigert sich immer wieder in ihre Verliebtheit hinein, und später ist sie tödlich verletzt und am Boden zerstört.“

„Die Sache ist die …“ Mike zog die Brauen zusammen. „Mark war schon einmal so unsterblich verliebt. Er begegnete dieser Frau bei einem Fortbildungsseminar. Kurz darauf leiht er ihr Geld, und sie reden davon, ein Haus zu kaufen. Am Ende stellt er fest, dass sie in Nevada verheiratet ist und schon einmal wegen Scheckbetrugs verurteilt wurde. Hat Jahre gedauert, bis er darüber hinweggekommen ist.“

„Das ist schlimm.“

„Tja. Und jetzt ist er wieder genauso verrückt, diesmal wegen Ihrer Freundin.“

„Hören Sie, Jasmine ist total anständig. Sie …“

„Kann schon sein. Aber das geht alles viel zu schnell. Das ist verrückt, das ist …“

„… leichtsinnig, ich weiß. Sie kennen sich kaum. Sie machen sich etwas vor.“

„Genau“, erwiderte Mike.

Autumn war erleichtert, dass Mike sich aus denselben Gründen sorgte wie sie. „Ich meine, warum lassen Sie sich nicht einfach mehr Zeit?“

„Seh’n Sie? Genau das habe ich ihm auch gesagt.“

Einen Augenblick sahen sie sich in schweigendem Einverständnis an.

„Hallo, Mike!“ Eine aufgestylte Blondine blieb an ihrem Tisch stehen. Sie hatte den Arm um einen hochgewachsenen Mann mit Cowboyhut gelegt.

„Celia, hallo“, sagte Mike. „Dan.“ Er nickte dem Mann zu.

„Was macht deine Schwester? Ist sie schon schwanger?“, erkundigte sich Celia.

„Das wirst du früher als ich erfahren“, erwiderte er. „Das weißt du doch.“

Autumn erinnerte sich. Celia war die Besitzerin des Kosmetiksalons, in dem Heidi gearbeitet hatte, bevor sie nach Phoenix gezogen war.

„Ich möchte dir Autumn Beshkin vorstellen“, sage Mike. „Sie vertritt Lydia.

„Autumn … den Namen habe ich doch schon gehört …“

„Heidi ist eine Freundin von mir. Sie macht mir die Haare“, sagte Autumn schnell. Sie hoffte, Heidi hatte nicht erwähnt, womit sie ihren Lebensunterhalt verdiente. Nervös nestelte sie an ihrem Haar und schob eine Strähne zurück in ihren Zopf.

„Wir vermissen Heidi sehr“, sagte Celia. „Vor allem ihre guten Ratschläge. Sie hat zwar ihre Selbsthilfebücher dagelassen, aber das ist nicht dasselbe.

Autumn wusste, dass Heidi Therapeutin werden wollte. Heidi hatte sie auch davon überzeugt, dass es richtig war, aufs College zu gehen.

„Wenn wir erst mal eine Klinik haben, Mike, dann sorgst du dafür, dass wir auch einen Psychiater bekommen, nicht wahr?“, sagte Celia.

„Ich werde mich bemühen“, sagte er. „Aber ich fürchte, wir sind zu wenig Einwohner.“

„Ich mache nur Spaß. Mensch, Mike, sei doch mal locker. Er ist immer so schrecklich ernst.“ Celia lächelte Autumn zu. „Ich meine, wer nicht über sich selbst lacht, über den lachen irgendwann die anderen hinter seinem Rücken.“

„Ich bin sicher, das tun sie längst.“ Mike seufzte.

„Versuchen Sie, ihn aufzuheitern, okay?“, sagte Celia zu Autumn. „Wie lange werden Sie hier sein?“

„Nur bis Lydia zurückkommt“, sagte Mike. „Einen Monat.“

„Es ist nicht gut, eine junge Mutter zu schnell an ihren Arbeitsplatz zurückzupfeifen. Nicht jeder lebt nur für die Gemeinde, lieber Bürgermeister. Vielleicht kann Autumn noch ein bisschen länger bleiben.“ Wieder lächelte sie Autumn zu.

„Es ist nur ein Praktikum. Ich muss bald wieder in die Schule. Außerdem habe ich noch einen Job.“ Sie hatten schon Termine für die Proben ihrer nächsten Show.

„Tja, dann … Schade, dass Sie nicht länger bleiben können. Aber vielleicht können Sie wenigstens versuchen, den Mann dazu zu überreden, dass er ein Bowlingteam aufstellt. Er ist sehr gut im Bowling.“

Autumn sah Mike fragend an.

„Ich habe zu viel zu tun.“ Er hob die Hände, als wollte er um Gnade bitten.

„Demnächst findet unsere Bowlingmeisterschaft statt. Dieser Mann braucht unbedingt mehr Spaß im Leben. Versuchen Sie es.“

„Das werde ich“, sagte Autumn lächelnd.

Celia und Dan gingen weiter.

„Stimmt das“, fragte Autumn und stützte das Kinn auf die Faust.

„Dass ich gut im Bowling bin? Es geht so.“

„Nein, dass Sie mehr Spaß im Leben brauchen.“

Mike hob die Schultern. „Celia macht das gerne. Sie pickt sich gerne die Schwachstellen anderer Leute heraus“, erklärte er. „Ich hoffe, Sie müssen nicht zum Friseur, solange Sie hier sind. Ihr Salon ist eine ständig brodelnde Gerüchteküche.“

„Ich denke, es wird nicht nötig sein.“ Autumn fasste sich ans Haar.

„Ja, Ihr Haar ist – es sieht gut aus. Ich, äh, mag diese Farbe.“

Er wurde unter seiner Bräune rot, und wieder schien die Luft zwischen ihnen zu knistern.

„Danke. Es ist übrigens nicht gefärbt.“ Warum hatte sie das gesagt? In ihrer Welt waren gefärbte Haare, künstliche Verlängerungen und aufgepolsterte Brüste völlig normal. Deshalb war sie stolz auf das, was sie von Natur aus vorweisen konnte. Aber Mike wusste von all dem nichts. Und wenn, wäre es ihm egal.

„Dann werden Sie Heidis Salon also nicht brauchen.“

Seine Stimme klang leise und ein wenig rau. Autumn stellte sich vor, wie er mit heißem Verlangen im Blick ihren Zopf löste und die Finger durch ihr Haar gleiten ließ.

„Das ist ein Glück.“ Mike lachte gezwungen. „Ich weiß auch nicht, warum dort so viel getratscht wird.“

„Weil das hier nun mal eine Kleinstadt ist. Nervt es Sie nicht, dass jeder über alles genau Bescheid weiß?“ Die Vorstellung hatte für sie etwas Erstickendes.

„Manchmal“, sagte er. „Es kommt darauf an. Kommen Sie aus einer Kleinstadt?“

„Nein. Aber meine Mutter, und sie hasste es.“ Anne Muldoon war in einem Wohnwagen im ärmeren Teil einer Kleinstadt aufgewachsen und hatte immer den Ruf gehabt, eine Schlampe zu sein, noch dazu eine launische. Selbst nachdem sie nach Phoenix gegangen war, war sie diesen Ruf nicht losgeworden. Sie heiratete Autumns Vater, Adam Beshkin, den sie zum Teufel jagte, als Autumn zwölf Jahre alt war.

Du kannst auf dieser Welt niemandem vertrauen als dir selbst, Autumn, hatte sie immer gesagt. Ein guter Rat, das wusste Autumn, auch wenn er aus Verbitterung erteilt wurde.

„Kleinstädte sind nicht jedermanns Sache“, stellte Mike fest.

„Und das aus dem Mund des Bürgermeisters. Sollten Sie nicht mit Ihrer niedrigen Kriminalitätsrate und der guten Nachbarschaft für Ihre Stadt werben – einer Stadt, in der jeder Ihren Namen kennt?“, neckte sie ihn. Sie selbst hasste Kleinstädte nicht so wie ihre Mutter, aber sie machte sich nichts vor. Die Möglichkeiten in einer Kleinstadt waren begrenzt, und sie wollte ganz sicher nicht an so einem Ort leben.

Mike hob die Schultern. „Es ist wie ein geschlossenes System. Es gibt wenig Privatsphäre. Die Leute haben alle ihre Geschichte, und alle haben ein gutes Gedächtnis.“

„Ja. Meine Mutter hat sich ein bisschen wie ein Mensch zweiter Klasse gefühlt, und ich schätze, so ist sie auch behandelt worden.“

„Und Sie, wo sind Sie aufgewachsen? In Phoenix?“

„Ja.“ Was es bedeutete, einen „Ruf“ zu haben, hatte sie auf schmerzliche Art auf der Highschool erfahren. Ein System, das ähnlich strukturiert ist wie eine Kleinstadt. Eigentlich hatte Autumn sich nirgendwo wirklich zu Hause gefühlt. „Aber Ihnen gefällt es hier, oder? Sie sind der Bürgermeister.“

„Ja. Und ich habe das Glück, es mir leisten zu können, diese Arbeit als Vollzeitjob zu machen. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, die Wirtschaft anzukurbeln, aber das ist ganz schön schwierig.“

„Wieso?“

„Firmen lassen sich nicht so leicht in eine Kleinstadt locken. Wir hatten fast einen Deal mit einem Teefabrikanten, aber dann scheiterte es daran, dass die Firma sich finanziell an Versorgungsleitungen beteiligen sollte. Und nachdem dieser Deal geplatzt war, hat sich auch die Hotelkette zurückgezogen, die eigentlich Interesse an unserem leer stehenden Desert Paradise signalisiert hatte. Das nennt man Dominoeffekt.“

„Das muss sehr entmutigend sein.“

„Wenn wir staatliche Unterstützung bekommen könnten, das wäre sehr hilfreich. Aber ich brauche Zeit, um die Anträge zu formulieren. Gleichzeitig braucht unsere Polizeistation ein neues Computersystem, und wir müssen die Fahrzeuge unserer Feuerwehr gegen neue austauschen, und …“ Mike brach ab und sah Autumn an. „Ich rede und rede und rede“, sagte er leise. „Tut mir leid.“

„Nein, nein. Ich finde das sehr interessant. Ich soll ja auch lernen, die Zusammenhänge zu verstehen. Es geht ja nicht einfach nur um Zahlen.“

Er lächelte. „Es steckt mehr in Ihnen, als man auf den ersten Blick meinen könnte“, sagte er in flirtendem Tonfall.

„Das hoffe ich doch“, erwiderte sie im gleichen Ton. „Was ist mit Ihnen? Sind Sie ein komplizierter Mensch?“

„Überhaupt nicht.“ Er grinste.

Autumn war sich ziemlich sicher, dass das nicht ganz stimmte, und sie war neugierig. Zu neugierig. Vielleicht, weil es so leicht war, mit ihm zu reden, oder weil er so gut zuhörte.

Während sie aßen, kam die Konversation immer wieder ins Stocken, sie tauschten immer wieder Blicke aus, und die Spannung nahm immer mehr zu.

Mike bezahlte die Rechnung, und kurz darauf traten sie hinaus in die warme Sommernacht. Die Straßenlampen waren eingeschaltet. Am nachtschwarzen Himmel glänzten die Sterne und ein silberner Vollmond.

Autumn fühlte sich wohlig satt und ein klein wenig beschwipst von dem mexikanischen Bier. Sie hatte noch gar keine Lust, nach Hause zu gehen. Da es aussah, als wollte Mike sich von ihr verabschieden, sagte sie: „Was tut man hier, wenn man sich amüsieren will?“

„Sie meinen, abgesehen davon, dass man das Gras wachsen hört und die Nachbarn mit dem Fernglas beobachtet?“

Sein Sarkasmus ließ darauf schließen, dass auch er das Kleinstadtleben nicht nur positiv sah.

„Ja, abgesehen davon.“

„Tja, mal sehen.“ Er blickte zum Himmel. „Am Wochenende gibt es Livemusik von einer mexikanischen Straßenband, einer der Jungs aus der Stadt hat ein Jazztrio auf die Beine gestellt, das spielt donnerstags im Louie’s, einem italienischen Restaurant.“

„Es gibt also eine Musikszene. Was sonst?“

„Man kann Poolbillard spielen im ‚Brew and Cue‘ am anderen Ende der Stadt. Dann haben wir Bowling, wie Celia schon sagte. Es gibt die Sportevents der Highschool. Man kann das alte Zentrum der Stadt besichtigen und die Kupfermine. Die Kaktusfeigen-Bonbonfabrik hier ist auch über die Stadtgrenze hinaus bekannt.“

Mike zuckte mit den Schultern. „Kein besonders beeindruckendes Angebot, was? Sie müssen schon nach Tucson, um zu finden, was Sie suchen, Autumn.“

„Und was, glauben Sie, suche ich?“ Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Worte einen erotischen Unterton hatten. Vielleicht hätte sie es bei einem Bier belassen sollen.

„Nachtklubs, Konzerte, Theater, Kino?“

„Gehen Sie deswegen nach Tucson?“

„Wenn ich Zeit habe, natürlich.“

„Aber nicht oft. Ich wette, die Arbeit steht für Sie an erster Stelle.“

„Jetzt haben Sie mich erwischt. Ich spiele ab und zu mit meinem Bruder Basketball. Ich schaue mir Sportsendungen an, leihe mir Filme aus. Ab und zu fahre ich allerdings zu dem Hotel, das vor der Stadt liegt, und schlag ein paar Bälle auf dem Golfplatz, der dazugehört. Das Gras ist verdorrt, und der Golfplatz ist eigentlich geschlossen. Ich kann nichts weiter tun, als ein bisschen Staub aufwirbeln. Aber nichts ist besser geeignet, wenn man seinen Frust loswerden will, als kräftig den Golfschläger zu schwingen.“

„Haben Sie das oft? Frust, meine ich?“

„Nur meinen gerechten Anteil“, erwiderte er mit einem Augenzwinkern.

Autumn gefiel seine Selbstironie.

„Ehrlich gesagt, ich wünschte, ich würde einen Käufer für dieses Hotel finden. Das wäre eine echte Konjunkturspritze für unsere Stadt. Wir hatten schon einige Anfragen, aber niemals ein ernsthaftes Angebot. Es ist eine sehr schöne Anlage mit enormem Potenzial.“

„Hört sich gut an.“

Sie schwiegen. Eigentlich sollte sie jetzt nach Hause gehen und versuchen, vor ihrem ersten Arbeitstag möglichst lange zu schlafen, das war Autumn klar, doch dieses unterschwellige Knistern zwischen ihnen ließ ihr keine Ruhe.

„Bringen Sie mich hin?“, hörte sie sich sagen.

„Zu dem Hotel?“

„Ja. Zeigen Sie mir das enorme Potenzial.“

„Aber es ist dunkel.“ Er lächelte.

„Wir haben Vollmond.“

Mike zögerte. Er war verblüfft, aber auch erfreut, schließlich nickte er. „Okay, warum nicht?“

Autumns Zweifel waren plötzlich wie weggewischt. Sie hatte einfach Lust, dieses Risiko einzugehen.

3. KAPITEL

Sie fuhren mit offenen Fenstern und offenem Schiebedach. So konnten sie die Sterne sehen und die laue Nachtluft spüren.

„Ich war noch nie nachts hier“, gestand Mike, als er in die Einfahrt zum Desert Paradise Golf Resort einbog. Er fuhr auf den Parkplatz, stieg aus und öffnete die Beifahrertür. Autumn blickte sich um. Der Mond schien hell genug, sodass sie das Hauptgebäude erkennen konnte und daneben die Bungalows, die Tennisplätze, den leeren Swimmingpool.

Ein von hohen Dattelpalmen gesäumter Kiesweg führte zum Golfplatz. Es war still, bis auf das Knirschen unter ihren Sohlen und das Rauschen des Verkehrs auf dem Highway in der Ferne. Bald hatten sie den Parkplatz vor dem Klubhaus erreicht. Vor ihnen lag der Golfplatz. Der Rasen war lange nicht bewässert worden und entsprechend kurz und ausgetrocknet.

„Es ist so friedlich hier.“ Autumn legte den Kopf in den Nacken, um den Mond anzuschauen. Sie war sich Mikes Gegenwart überdeutlich bewusst. Es war ihr fast peinlich, welche Wirkung er auf sie hatte und wie lebendig sie sich in seiner Nähe fühlte.

„Hier kann man zur Ruhe kommen“, sagte er.

Von Sekunde zu Sekunde erschien ihr dieser Mann attraktiver. Sie zwang sich, den Blick von ihm zu lösen. „Ich liebe die Sommernächte in der Wüste. Es ist immer noch warm, aber nicht brüllend heiß. Als ob die Wüste einen beschenken wollte, dafür dass man tagsüber so tapfer aushält. Es tut so gut, diese Schönheit der Landschaft und die Stille.“ Sie schwieg einen Moment. „Und Sie werden also hier Ihren Frust los beim Bälleschlagen? Vielleicht sollten wir Jasmine und Mark einmal hier rausschicken.“

„Ich fürchte, die sind schon viel zu weit entfernt auf ihrer rosa Wolke.“

„Liebe auf den ersten Blick, laut Jasmine.“

„Glauben Sie daran?“, fragte er.

„Nicht wirklich. Aber das Gefühl gegenseitiger Anziehung kann manchmal sehr stark sein.“ Wie zum Beispiel jetzt zwischen ihnen.

„Ja, das stimmt.“ Mikes Stimme klang rau.

„Tja, was kann man dagegen tun?“ Autumn war froh, dass er im Mondlicht nicht erkennen konnte, wie sich ihre Wangen dunkel färbten. Sie errötete eigentlich nicht so schnell, aber im Moment hatte sie das Gefühl zu glühen.

„Hoffen, dass das Feuer erlischt, bevor jemand ernstlich zu Schaden kommt“, erwiderte Mike.

„Klingt, als ob Sie in der Hinsicht schon gewisse Erfahrungen hätten.“

„Sie meinen, ob ich schon einmal ein gebrochenes Herz hatte?“ Er lächelte amüsiert. „Das ist ein Fehler, den ich bis jetzt vermeiden konnte. Und Sie?“

„Ich bin zurechtgekommen.“

Ein paar Mal wäre es fast dazu gekommen, seitdem achtete sie darauf, dass ihr Liebesleben nicht kompliziert wurde. Sie ging nur noch mit Männern aus, die eindeutig keinen Wert auf einen Morgen danach legten. Seit sie aufs College ging, hatte sie nicht einmal daran Interesse. Eigentlich hatte sie ihr Liebesleben auf Eis gelegt. Aber darüber wollte sie nicht mit Mike reden, also lenkte sie das Gespräch wieder auf ihn. „Ich hätte gedacht, dass Sie längst eine Frau an Ihrer Seite haben.“

„Das wäre schön, wirklich.“

Seine Offenheit überraschte sie. Sie hatte mit einer sarkastischen Bemerkung gerechnet.

„Tatsächlich?“

„Ich habe einfach zu wenig Freizeit.“

„Man hat immer Zeit – für eine Verabredung am Abend.“ Oder wenigstens für ein bisschen Sex. Aber vielleicht ist er ja auch altmodisch eingestellt, überlegte sie. Vielleicht verabredet er sich erst ein paar Mal mit einer Frau, bevor er mit ihr ins Bett geht.

„Seit ein paar Monaten verabrede ich mich regelmäßig, bis jetzt hat sich daraus allerdings nichts Ernstes ergeben.“

„Ich bin sicher, die jungen weiblichen Singles von Copper Corners reißen sich um Sie.“

Mike zog eine Grimasse. „Das ist es nicht, wonach ich suche.“

„Und wonach suchen Sie?“

„Wonach man eben so sucht. Eine Partnerin, jemanden mit ähnlichen Interessen und Prioritäten, eine Frau, die Wert auf Familienleben legt.“

„Und die attraktiv ist? Sinnlich? Leidenschaftlich?“

„Das auch.“

„Aber vor allem möchten Sie eine Frau, die ihnen warme Mahlzeiten kocht, die Socken wäscht und ein schönes Zuhause bereitet, nicht wahr?“ Sie sagte es im Scherz, aber sie war auch ein bisschen wütend und neidisch, was sie selbst nicht begriff. Ein Leben als Heimchen am Herd wäre für sie völlig unerträglich. Allerdings standen die Männer auch nicht gerade Schlange, um sich von ihr warme Mahlzeiten bereiten zu lassen.

Für Autumn zählte mehr die sinnliche Seite einer Beziehung. Da kannte sie sich aus. Das war einfach und menschlich und sehr erfüllend.

Sie liebte es, wie es ihr immer wieder gelang, Männer sprachlos zu machen, nur mit einer Geste, einer langsamen Drehung, dem Öffnen ihres Büstenhalters. Sie fand es wunderbar, wenn die Männer alles vergaßen für einen Blick auf nackte Haut und dem angedeuteten Versprechen einer Berührung. Sie liebte das.

„Ich bin nicht sicher, worauf Sie hinauswollen. Ich wünsche mir jedenfalls eine gleichberechtigte Partnerin, keine Haushälterin.“

„Sie wollen also nicht allein die Hosen anhaben?“

„Nicht unbedingt, wenn sie auch noch hineinpasst“, scherzte er. „Was ist mit Ihnen? Was erwarten Sie von einem Ehemann?“

„Gar nichts. Ich möchte weder Ehemann noch Freund. Allein zu bleiben ist … manchmal besser.“ Vielleicht kannte sie einfach nicht den Unterschied zwischen Liebe und Sex. Oder vielleicht war sie wie ihre Freundin Sugar, die einfach nicht für langfristige Beziehungen geschaffen war. Jedenfalls war sie lange davon überzeugt gewesen.

Mike sah sie nachdenklich an. Bitte, sag es nicht, flehte Autumn innerlich. Bitte keinen dieser abgedroschenen Sprüche, von wegen eine so schöne Frau sollte nicht allein sein … Jeder braucht doch jemanden …

Aber er lachte nur. Ein warmes, herzliches Lachen.

„Nicht schlecht“, sagte er. „Wenn ich jetzt ein Bier hätte, würde ich darauf trinken.“

„Hört, hört.“ Autumn tat, als würde sie ein Glas heben.

Er tat, als würde er mit ihr anstoßen, dabei berührten sich ihre Finger.

Ein Stromstoß hätte nicht elektrisierender wirken können. Beide zuckten zurück und wandten rasch den Blick ab.

Hatte sie ihr Liebesleben nicht auf Eis gelegt? Plötzlich erschien ihr das völlig unmöglich, jetzt, da sie sich Mike von einem Herzschlag zum anderen näher fühlte.

„Jetzt wäre sowieso nicht der richtige Zeitpunkt, um sich festzulegen“, beendete Mike das Schweigen. „Sie gehen ja aufs College.“

Autumn erwiderte nichts, obwohl sie weder jetzt noch später vorhatte zu heiraten. Gegen einen ständigen Lover hätte sie jedoch nichts einzuwenden, solange es nicht zu kompliziert wurde. Ihre Mutter hatte recht. Wenn man sich in irgendeiner Weise von einem Mann abhängig machte, verlor man sich selbst.

„Und das College macht Ihnen also wirklich Spaß?“, fragte Mike.

„Und ob.“ Es war schon fast peinlich. Sie freute sich wie ein Kind über ihre guten Noten und jedes Lob eines Lehrers. „Ich bin älter als die meisten Studenten, aber das ist mir egal. Ich finde es unglaublich, wie selbstverständlich die das College nehmen. Sie leben alle vom Geld ihrer Eltern und verbringen mehr Zeit auf Partys als mit ihren Büchern. Ich gehe gern zum Unterricht. Mir macht das Lernen Spaß. Ich sauge alles auf wie ein Schwamm. Manchmal vergesse ich sogar zu essen. Ich …“ Sie brach ab. „Tut mir leid. Ich habe mich ein bisschen vergessen.“

„Ich finde das toll, Autumn. Ich wünschte, ich könnte mich auch für irgendetwas so begeistern.“

„Aber Sie sind doch begeistert von Ihrem Job als Bürgermeister, oder?“

„Klar.“ Er zögerte. „Andererseits nehme ich vielleicht auch alles viel zu selbstverständlich. Aber wer weiß, eventuell färbt Ihre Begeisterung ja auch auf mich ab.“

„Vielleicht.“

„Sie haben Heidi also in ihrem Salon kennengelernt, aber was haben Sie gemacht, bevor Sie sich entschieden haben, noch mal aufs College zu gehen? Ich weiß nicht mehr genau, was in Ihrem Lebenslauf stand.“